Bisher ist das Marineeinsatzrettungszentrum in Einzelcontainern untergebracht, Foto: Bw

Bisher ist das Marineeinsatzrettungszentrum in Einzelcontainern untergebracht, Foto: Bw

Einsatzrettungszentrum - Besser ohne Container

Mit dem neuen Einsatzrettungszentrum geht die Deutsche Marine einen weiteren wichtigen Schritt in die Zukunft. Modernisierung und Effizienz stehen dabei im Mittelpunkt.

Der Verlust des zum Einsatzgruppenversorger (EGV) FRANKFURT AM MAIN gehörenden Marineeinsatzrettungszentrums (Merz) im Jahr 2015 durch einen Großbrand in einer Werfthalle erforderte eine Neubeschaffung. Die Entwicklung des neuen Rettungszentrums basiert auf den Erfahrungen mit den Containermodulen Marineeinsatzrettungszentrum I und II im technischen Wirkverbund mit den Einsatzgruppenversorgern BERLIN und FRANKFURT AM MAIN seit 2002. Das Rettungszentrum ist nun in einem fest mit dem Oberdeck und dem Schiffsaufbau verbundenen Deckshaus integriert und stellt im Rahmen der Rettungskette See die sanitätsdienstliche Versorgungsebene 2 sicher. Diese Ebene umfasst erste notfallchirurgische Maßnahmen mit anschließender Stabilisierung der Patienten und dem Ziel der Verlegung in eine höhere Versorgungsebene an Land.

Um die Vorteile der Neuentwicklung des Einsatzrettungszentrums zu verstehen, ist ein Rückblick in die Vergangenheit unerlässlich. Seit 2002 standen der Deutschen Marine für ihre Einsatzverbände zwei Marineeinsatzrettungszentren (Merz I und II) in Containern als präklinische sanitätsdienstliche Versorgungseinrichtungen an Bord der Einsatzgruppenversorger BERLIN und FRANKFURT AM MAIN zur Verfügung.

Die Indienststellung dieser in der deutschen Marinegeschichte völlig neuartigen medizinischen Komponente schloss die Lücke zwischen der sanitätsdienstlichen Erstversorgung durch die originären Bordsanitätseinrichtungen der Kampfschiffe
(Ebene 1) und der anschließenden klinischen Versorgung an Land (Ebene 3 und 4).

Der Containerverbund besteht aus je 14 ISO-Containern mit einer Länge von 20 und 30 Fuß. Das Containersystem Merz stellt mit dem EGV einen logistisch-technischen Systemverbund dar. Es bestehent aus einer Kombination schiffsfester Einbauten – dem Schiffslazarett zur Eigenversorgung und einer Bettenstation – sowie containerisierten Funktionseinheiten wie OP-, Intensiv- und Überwachungsraum, Röntgeneinheit, Labor, Zahnstation, Apotheke, zentrale Sterilisationseinheit sowie Technikraum, die als zusammensetzbares Deckshaussystem fungieren und insgesamt einen Wirkverbund mit einer Kapazität von 43 Betten bilden. Die Container sind mit ihren technischen Schnittstellen auf das Schiff ausgerichtet, können aber außerhalb der Einsatzzeiten und während Werftliegezeiten an einem speziellen Landaufstellplatz im Marinestützpunkt Wilhelmshaven mit Strom und Wasser betrieben werden.

Die Leistung des Merz ist auf eine chirurgische Erstversorgung von Verwundeten mit zwei OP-Teams (Damage Control Surgery, DCS-Chirurgie) und eine erweiterte postoperative Pflegekapazität ausgelegt. Das Merz fungiert als Teil der Rettungskette See im Verband als sanitätsdienstliche Versorgungsebene 2. Es ist zur sanitätsdienstlichen Unterstützung für das gesamte Spektrum maritimer Einsätze von niedriger bis hoher Intensität einschließlich der Landes- und Bündnisverteidigung konzipiert und beinhaltet die Fähigkeit zur Unterstützung von Spezialkräften und spezialisierten Kräften im maritimen Umfeld.
Eine besondere Bedeutung kommt dem Systemverbund bei Anfangsoperationen zu. Hier stellt er im maritimen und streitkräftegemeinsamen Kräfteansatz eine wesentliche Unterstützungsfähigkeit dar.

Die Fertigung erfolgt in der Halle, bevor das iMerz an Bord gesetzt wird, Foto: Bw

Die Fertigung erfolgt in der Halle, bevor das iMerz an Bord gesetzt wird, Foto: Bw

Schicht für Schicht

Die untere Containerlage, die sogenannte OP-Ebene, bildet die Behandlungsebene mit zwei Operationsräumen, einem Intensivüberwachungsraum, einem Röntgenraum sowie einer zahnärztlichen Behandlungseinrichtung. Zur Schaffung von Räumen ausreichender Größe wurden hier mehrfach je zwei Container durch Entfernung ihrer jeweiligen Längswände zu einem Arbeitsbereich verbunden.
Die obere Containerlage dient als Versorgungsebene mit einem klinisch-chemischen und einem mikrobiologischen Labor, einer Apotheke, einer Sterilisationseinheit, einem Medizintechnikraum sowie je einer Produktionsanlage nach dem Molekularsiebverfahren für medizinischen Sauerstoff (93%) und nach dem Kompressionsverfahren für medizinische Druckkluft. Von hier aus werden sowohl der Containerkomplex als auch die Bettenstation an Bord des EGV zentral mit Sauerstoff und Druckluft versorgt.

Sämtliche Ver- und Entsorgungsleitungen für Klimaanlage, Wasser und Stromversorgung werden zur Optimierung des nutzbaren Innenraums in kompakten Modulen an der Außenseite der Container entlanggeführt. Dies bietet Vorteile in Bezug auf Wartungsfreundlichkeit und Betriebssicherheit. Ein möglicher Rohr- oder Kabelschaden kann in kurzer Zeit behoben werden ohne Schäden in den Räumen zu hinterlassen. Hat aber auch den Nachteil der Anfälligkeit durch die Naturgewalten und das Seewasser.

System mit Schwächen

Die 28 Container müssen zur Prüfung ihrer Hüllen regelmäßig auf- und abgebaut werden, was nur im Heimatstützpunkt mit einem speziellen Landaufstellplatz möglich ist. Durch diesen Auf- und Abbau verschleißen jedoch die Dichtungsschläuche zwischen den Containern, die dann ausgewechselt werden müssen. Betroffen von einer solchen Abnutzung sind auch die Schraubverbindungen für Wandbleche, Boden- und Deckenverkleidung. Es müssen immer wieder neue Löcher gebohrt werden, um den nötigen Halt gewährleisten zu können. Einige der Schrauben an den Bodenblechen zwischen den Containern haben sich bereits mehrfach gelöst und mussten wieder angezogen werden.

Das Herstellen der Einsatzbereitschaft nach Beginn der ersten Vorbereitungsmaßnahme zum Aufbau an Bord beträgt 28 Tage. Die außen liegenden Versorgungsleitungen und Anschlüsse zwischen Merz und Einsatzgruppenversorger sind auf See den herausfordernden Einflüssen wechselnder Witterungsverhältnisse ausgesetzt. Aber auch die Container selbst unterliegen diesen extremen Bedingungen auf See, insbesondere die Unterböden und Verbindungsstücke.

Innenansicht vom Rohbau des neuen iMerz, Foto: Bw

Innenansicht vom Rohbau des neuen iMerz, Foto: Bw

Aufgrund der fehlenden festen Anbindung des Containermoduls an die Zitadelle und der somit entstehenden ABC-Lücke ist die ABC-Sicherheit der Merz-Container unzureichend. Die Übergänge in die Deckslagen von außen gewähren also keinen ABC-Schutz. Die Container selbst sind nur zeitlich begrenzt abgesichert, da beispielsweise Personal den Container verlassen muss oder Eingriffe abgebrochen werden.
Zudem sind die Containerebenen untereinander nicht verbunden. Daher muss aufzubereitendes chirurgisches Instrumentarium aus der unteren Behandlungsebene in die obere Versorgungsebene außerhalb der Container transportiert werden, was die Instrumente kurzzeitig der Seeluft aussetzt.
Schließlich ist auch der Patiententransport aus der Zitadelle in die Behandlungsebene deutlich erschwert durch Süllkanten und gegenläufige Schotten und wird nur durch eine provisorische Stahlumkleidung von außen geschützt. Diese verzieht sich jedoch langfristig in See, zudem besteht die Gefahr undichter Verbindungen.

Feuer im Merz

Das dem Einsatzgruppenversorger FRANKFURT AM MAIN zugeordnete Merz II wurde am 22. Februar 2015 bei einem Großbrand in einer Werftlagerhalle zerstört. Die einzelnen Container des Systems befanden sich in der planmäßigen Werftinstandsetzung. 25 der 29 Container, davon alle medizinischen Funktionscontainer, wurden einschließlich der nicht ausgebauten medizinischen Großgeräte zerstört oder stark beschädigt. Mit dem Verlust des Containermoduls verfügte die Marine nur noch über ein einsatzfähiges Marineeinsatzrettungszentrum. Der durch das Feuer verursachte Verlust des Rettungszentrums resultierte in einer Fähigkeitslücke, die rund sieben Jahre andauern sollte.

Neu und integriert

Bereits am 31. März 2015 konnte BAAINBw S5/S5.1 vier Möglichkeiten zur Merz-Ersatzbeschaffung vorstellen. Die reine Nachbeschaffung schied nach den gültigen Beschaffungsrichtlinien aus, weil das ursprüngliche Produkt nicht mehr realisierbar war. Als einzige Alternative ergab sich daher eine Ersatzbeschaffung über eine Produktänderung mit der Vorgabe, dass sich zur Wiedererlangung der Fähigkeit neue, innovative Realisierungsmöglichkeiten eröffnen, ohne das umfängliche Beschaffungsverfahren durchlaufen zu müssen.

Es fiel die Entscheidung, das Prinzip der Modularität mit Einzelcontainern zu verlassen und die Funktionsbereiche des Rettungszentrums in einem fest mit dem Einsatzgruppenversorger verbundenen Deckshaus zusammenzufassen. Dieses integrierte Marineeinsatzrettungszentrum (iMerz) bietet folgende Vorteile:

• geschlossene Außenhaut (Umwelt, EMV, Isolierung, ABC)
• freie Raumgestaltung unabhängig von den Containermaßen mit verbesserter Raumauslegung und optimierten medizinischen Behandlungsabläufen
• Entfall des Auf- und Abbaus
• Minimierung der Nutzungs- und Instandsetzungskosten
• zentrale Energiebereitstellung inklusive einer Unterbrechungsfreien Stromversorgung
• Fertigung und Vorbereitung unabhängig vom Schiff
• fester Übergang vom Deckshaus EGV zum iMerz
• direkte Verbindung zwischen den Bettenstationen von EGV und iMerz über einen Fahrstuhl
• Übergang zwischen B- und C-Deck innerhalb des iMerz
• voller ABC-Schutz

Aufgrund der Vorgaben der Ersatzbeschaffungsmodalitäten wurden die Funktionseinheiten des Merz-Containermoduls beibehalten, jedoch modernisiert ausgebracht und durch eine Optimierung der Handlungsabläufe neu angeordnet.
Hier sind als Beispiele zu nennen:

• die Neuentwicklung der Sterilisation sowie deren Ausbringung in der OP-Raumebene B-Deck statt vormals im C-Deck
• die Röntgeneinheit
• der Patiententransport im Krankenbett von der Bettenstation ins
iMerz und umgekehrt über einen Fahrstuhl
• die interne Verbindung der Deckslagen durch ein integriertes Treppenhaus

Untere Lage B-Deck Behandlungsebene i-MERZ: OP, Sterilisation, Patientenversorgung

Untere Lage B-Deck Behandlungsebene i-MERZ:
OP, Sterilisation, Patientenversorgung

Funktionsräume mit XXXXX

Bei German Naval Yards Kiel (GNYK) begann der Bau des neuen Rettungszentrums am 25. September 2019 mit dem Brennstart von Außenwandsegmenten des kompakten Deckshauses. Die medizinische Ausstattung wurde im Laufe der Bauentwicklung von Zeppelin Mobile Systeme (ZMS) beigestellt.

Am 16. März 2020 entschied die Werft plötzlich, den bereits erstellten zweistöckigen Rohbau aufgrund von Toleranzüberschreitungen zu verwerfen und mit angepasster Technologie und konstruktiven Anpassungen neu zu erstellen – mit allen Konsequenzen einer deutlich verzögerten und zeitlich nicht zu benennenden Fertigstellung des Projekts.

Vor der tatsächlichen Anfertigung eines neuen Rohbaus wurden bis Ende des Jahres 2020 die Werkstattzeichnungen grundsätzlich überarbeitet und dadurch identifizierte, die Produktqualität und -funktionalität verbessernde Potenziale mit ausgeschöpft.

Bis Ende Juli 2021 sollte der der Zusammenbau des Deckshauses sowie die Vorausrüstung mit anschließender Abnahme abgeschlossen sein. Im April des Jahres erfolgte jedoch ein erneuter dramatischer Einschnitt beim Projektfortgang. Die Mutterwerft Nobiskrug meldete Insolvenz an, weshalb German Naval Yards aufgrund ausbleibender Zahlungen den Weiterbau einstellte. Erst im September 2021 konnte im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine Lösung zur Weiterführung des Projekts entwickelt und die Arbeiten wieder aufgenommen werden.

Obere Lage C-Deck Versorgungsebene i-MERZ: Labore, Apotheke, Zahnarzt, Medizintechnik

Obere Lage C-Deck Versorgungsebene i-MERZ:
Labore, Apotheke, Zahnarzt, Medizintechnik

Im April 2022 konnte die Konstruktion des Deckshauses abgeschlossen und die Einrüstung der Funktionsräume mit Mobiliar und fest einzubauenden Medizingeräteausstattungen, beispielsweise für die Sterilisation und die Versorgung mit medizinischen Gasen, weiter vorangebracht werden.
Am 23. Mai erhielt der Einsatzgruppenversorger FRANKFURT AM MAIN bei GNYK das Deckshaus. Nach Abschluss von dessen Festanbindung mit dem Decksaufbau des EGV sowie der Fertigstellung der Inneneinrichtung seiner Funktionsräume verließ das Schiff Ende Juli die Werft. Es erfolgen Funktionsnachweise sowohl des iMerz als auch des neu geschaffenen technischen Verbunds.

Das Rettungszentrum See (RZSee) der nahen Zukunft ist ein fester technischer Wirkverbund zwischen dem Deckshausmodul iMerz und der Plattform Einsatzgruppenversorger. Es zeichnet sich durch folgende Innovationen gegenüber der vorangegangenen Containerlösung aus:

• Integration eines festverbauten Merz-Kompaktmoduls (iMerz)
• Modernisierung des Schiffsbetriebs
• Verbesserte logistische Versorgung
• Modernisierung der Rettungsmittel durch Integration moderner Pinassen
• Bordintegration des Hubschraubers Sea Lion

Jörg Dustmann

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