Hyperschallgleitflugkörper und Hyperschallmarschflugkörper, Grafik: Raytheon

Hyperschallgleitflugkörper und Hyperschallmarschflugkörper, Grafik: Raytheon

Hyperschallwaffen: Schnell ins Ziel

Russland, China und seit Kurzem auch Nordkorea verfügen nach eigenen Angaben bereits über Hyperschallwaffen. Nun forcieren auch die US-Streitkräfte die Entwicklung solcher Flugkörper.

Seit rund 15 Jahren streben die US-Streitkräfte die Entwicklung von Hyperschallwaffen an. Im Jahr 2019 wurde – angesichts der Hyperschallwaffenentwicklung in Russland und China – eine Beschleunigung der amerikanischen Forschung und Erprobung beschlossen. Nach Angaben des Pentagons steht die Einführung dieser mehr als Mach 5 erreichenden Flugkörper nun in Aussicht.

Die Entwicklungsprogramme des Pentagons fallen in zwei Kategorien: hyperschallschnelle Marschflugkörper und Stratosphärengleitflugkörper.
Die Marschflugkörper erzielen ihre Fluggeschwindigkeit durch einen Supersonic Combustion Ramjet, kurz Scramjet. Luft wird dabei mit Überschallgeschwindigkeit in das Triebwerk gezogen, wo es mit Wasserstoff vermischt wird, um einen extrem hohen Schub zu erzeugen. Abgesehen von der Geschwindigkeit weisen die Hyperschallwaffen das gleiche Flugverhalten wie herkömmliche Marschflugkörper auf.

Stratosphärengleitflugkörper werden durch eine Trägerrakete in die obere Erdatmosphäre gebracht. Es bestehen wesentliche Unterschiede zum Einsatz von – ebenfalls hyperschallschnellen – ballistischen Flugkörpern, die per Trägerrakete in eine suborbitale Flugbahn befördert werden. Ballistische Nutzlastträger werden ins All befördert, und gehen anschließend zu einem sehr steilen Zielanflug über. Sie werden hierbei relativ schnell durch Frühwarnsensoren erfasst. Mit wenigen Ausnahmen lassen sich Flugwinkel und -kurs nicht steuern, es wird eine vorgegebene ballistische Flugbahn verfolgt. Im Gegensatz dazu löst sich der Hyperschallflugkörper in zirka 100 Kilometer Höhe vom Träger und geht in einen Hochgeschwindigkeitsgleitflug über. Dieser Gleitflug erfolgt innerhalb der Erdatmosphäre, wodurch gegnerische Sensoren den Flugkörper erst relativ spät erkennen können. Am bedeutendsten ist allerdings, dass der Gleitflugkörper manövrierfähig ist, und wie ein Marschflugkörper eine unberechenbare Flugbahn verfolgt, wodurch die Abwehr dieser Waffe wesentlich erschwert wird. Gemäß Schätzungen des Pentagons wären Fluggeschwindigkeiten bis zu Mach 17 möglich.

Conventional Prompt Strike

Test des Hyperschallgleitflugköwrpers C-HGB im März 2020, Foto: US Navy

Test des Hyperschallgleitflugköwrpers C-HGB im März 2020, Foto: US Navy

Die US Navy und die US Army entwickeln derzeit gemeinsam einen als Common Hypersonic Glide Body (C-HGB) bezeichneten Hyperschallflugkörper. Im C-HGB werden der Sprengkopf, die Führungs- und Navigationssysteme sowie das Hitzeschild zum Schutz der Nutzlast und der Elektronik integriert. Die neue Waffe soll einen konventionellen Sprengkopf führen.

Parallel zum Gleitflugkörper wird die entsprechende Trägerrakete entwickelt. Flugkörper und Trägersystem werden anschließend für die unterschiedlichen Anforderungen der beiden TSK modifiziert. Hierzu zählt auch die Entwicklung von Abschussvorrichtungen für den Waffeneinsatz von Land beziehungsweise von See aus.

Der Hyperschallgleitflugkörper der Navy wird auch als Conventional-Prompt-Strike-Waffe (CPS) bezeichnet. Dies reflektiert das vorgesehene Einsatzprofil. Die Waffe ermöglicht die kurzfristige Bekämpfung von zeitkritischen Zielen in großer Reichweite und soll vor allem Anwendung finden, wenn andere Offensivsysteme wie Bomber nicht mehr rechtzeitig eingesetzt werden oder diese gegnerische Abwehrsysteme nicht überwinden können. Das Hyperschallarsenal dürfte auch in Zukunft nur einen Bruchteil der geführten Waffen darstellen, ihr Einsatz wird voraussichtlich auf hochwertige oder strategisch bedeutende Ziele beschränkt bleiben. Als potenzielle Ziele werden unter anderem mobile – atomare wie konventionelle – Raketen angeführt. Auch Flugabwehreinrichtungen oder Führungszentralen könnten bekämpft werden.

Die genaue Einsatzreichweite und Fluggeschwindigkeit bleiben vertraulich. Eine Anfang 2020 herausgegebene Grundsatzstellungnahme des Pentagons befand, dass die Hyperschallwaffen „dem Militär die Fähigkeit verleihen [werden], Ziele in Hunderten und sogar Tausenden Meilen Entfernung binnen Minuten zu treffen, um hochwertige Ziele zu zerstören.“

Entwicklungsstand

Das Pentagon zeigt sich zufrieden mit dem Entwicklungsstand. Der erste Testflug des Gleitflugkörpers wurde im März 2020 über einem Versuchsgelände auf Hawaii durchgeführt. Der Flugkörper führte damals verschiedene Flug- und Ausweichmanöver durch, ehe er ins vorgesehene Ziel einschlug. Ein zweiter, aufwendigerer Test soll bis Ende dieses Jahres erfolgen.

Bis zu zw lf Hyperschallwaffen kann ein U-Boot der Virginia-Klasse mitführen, Foto: US Navy

Bis zu zwölf Hyperschallwaffen kann ein U-Boot der Virginia-Klasse mitführen, Foto: US Navy

Der Flug im Jahr 2020 erfolgte mit Hilfe einer Surrogat-Trägerrakete. Derzeit wird die eigentliche CPS-Trägerrakete erprobt. Die Antriebsmotoren beider Raketenstufen wurden am 25. August auf einem Testgelände im Bundesstaat Utah gezündet. Gleichzeitig wurde die Schubdüsensteuerung der Trägerstufen erprobt.

Offiziell werden alle derzeit verfolgten Hyperschallprogramme als Forschungsprojekte eingestuft. Eine formelle Produktions- und Beschaffungsentscheidung wird erst nach Abschluss der Entwicklungs- und Testprogramme getroffen. Der Etatentwurf für 2022 geht allerdings von einer Einführung bei der Flotte im Jahr 2025 aus. Navy-Stabschef Admiral Mike Gilday bestätigte im April Pläne, die ersten CPS 2025 auf einem Zerstörer der Zumwalt-Klasse zu installieren. Ab dem Jahr 2028 sollen die Waffen auch auf den neuen Virginia-Jagdunterseebooten des Blocks V eingeführt werden. Die Hyperschallwaffe soll künftig auch auf den 2034 einzuführenden Zerstörern der DDG(X)-Klasse installiert werden.

USS Zumwalt, Grafik: US Navy

USS Zumwalt, Grafik: US Navy

Auf den Virginia-Booten werden die CPS in einem Virginia Payload Module (VPM) geführt. Jeder VPM-Behälter wird drei Flugkörper unterbringen. Boote der rumpfverlängerten Variante Block V werden so bis zu zwölf Hyperschallwaffen führen können. Ungewiss bleibt, wie das Waffensystem auf den Zerstörern integriert werden soll. Mit 86 Zentimeter Durchmesser wird CPS zu groß für das konventionelle Waffensilo Mk 41 sein. Hinsichtlich der Zumwalt-Klasse prüft die Navy die Möglichkeit, die 155-Millimeter-Deckgeschütze zu entfernen und an deren Stelle entweder den VPM-Behälter oder einen ähnlichen Waffenträger im Deck zu integrieren.

Flugzeuggestützte Hyperschallwaffe

Jüngst gab die Navy bekannt, dass sie auch einen flugzeuggestützten Hyperschallmarschflugkörper erwerben will. Am 6. August erfolgte die offizielle Ausschreibung hinsichtlich Entwicklung und Erprobung von Waffenprototypen für das Projekt Screaming Arrow. Das Forschungsamt Office of Naval Research (ONR) will im Februar 2022 Entwicklungsaufträge an drei Firmen vergeben. Unterteilt ist das 42 Monate dauernde Entwicklungsprogramm in vier Phasen, den Abschluss wird die Flugerprobung der Prototypen bilden.

Das Ziel ist die Einführung einer flugzeuggestützten Luft-Boden-Rakete mit einer Fluggeschwindigkeit von Mach 5. Die Waffe soll auf trägergestützten F/A-18 eingesetzt werden, um See- und Landziele in kurzer Zeit auf größerer Entfernung zu bekämpfen. Als Primärziele werden Überwasserkriegsschiffe und Großkampfschiffe genannt. Mit der neuen Waffe soll eine Fähigkeitslücke im gegenwärtigen Arsenal gefüllt werden.

Der Flugkörper darf maximal 4,6 Meter lang sein, um in die auf Flugzeugträgern verwendeten Standard-Waffencontainer zu passen. Ein Jagdflugzeug soll bis zu vier Flugkörper pro Einsatz führen können.

Screaming Arrow ist nicht das einzige hyperschallschnelle Projektil im Forschungsarsenal der US Navy. Bereits im Oktober 2020 wurde die Firma Boeing beauftragt, unter der Projektbezeichnung Supersonic Propulsion Enabled Advanced Ramjet (Spear) einen entsprechenden Prototypen zu entwickeln. Auch Spear soll gegen See- und Landziele einsetzbar sein. Die Flugerprobung dieses Prototypen ist für 2022 vorgesehen.

Sidney E. Dean

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