Jonas Hard af Segerstad, Foto: privat

Jonas Hard af Segerstad, Foto: privat

Krieg von schwedischem Boden fernhalten

Seit dem 24. Februar tobt ein Landkrieg in der Ukraine. Welche maritimen Schlüsse können daraus für die schwedische Marine gezogen werden?

Beinahe im Gleichschritt mit der deutschen Regierung hat Schweden angekündigt, die Verteidigungsausgaben in den nächsten Jahren auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen – von den gegenwärtig mageren 1,1 Prozent.

Obwohl Fernsehbilder und Nachrichten hauptsächlich von Bodengefechten zeugen, gibt es aus schwedischer Sicht auch wichtige maritime Aspekte, die eine nähere Betrachtung rechtfertigen. Ein Angriffskrieg erfordert gewaltige Mengen an Nachschub. Es scheint, dass die russischen Streitkräfte trotz monatelanger Vorbereitungen, vorhandener Verkehrsinfrastruktur und einer langen Grenze zur Ukraine Schwierigkeiten haben, die Logistik aufrechtzuhalten. Die vorn kämpfenden russischen Einheiten werden oft schlichtweg nicht mehr mit den nötigen Verbrauchsgütern versorgt und stehen deshalb still oder bewegen sich nur noch sehr langsam. Wieviel schwieriger wäre es erst, wenn statt einer Landgrenze zwischen den Nationen ein 300 Kilometer breites Meer liegen würde? Deswegen muss die schwedische Marine über wirksame, seezielbekämpfende Waffensysteme verfügen. Flugkörper, Torpedos und Minen versenken die Schiffe eines Angreifers, alles andere in der Marine schafft hierfür die Voraussetzungen. Schweden ist im Besitz solcher Waffen. Sowohl unsere U-Boote als auch unsere Korvetten sind für einen Gegner schwierig zu orten und zu bekämpfen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass ein Feind geschlagen wird, bevor er einen schwedischen Hafen erobern und sich im Hinterland dauerhaft festsetzen kann. Die erste Schlussfolgerung ist also, dass die seezielbekämpfenden Waffensysteme immer der Kern einer Marine sein müssen.

Der Krieg muss so weit wie möglich von schwedischem Boden ferngehalten werden. Wir haben in Tschetschenien, in Syrien und jetzt in der Ukraine gesehen, mit welch barbarischen Methoden Russland Krieg führt. Wie Putins Armee mit voller Absicht zivile Gebäude zerstört, Krankenhäuser und Zivilisten angreift, um die Gesellschaft zu zerbrechen. Und wir müssen leider feststellen, dass diese Widerstandsfähigkeit in Schweden wahrscheinlich geringer ist als in der Ukraine. Während die Kiewer beherrscht in die Luftschutzkeller eilen, lesen wir in Zeitungen von empörten Schweden, die fordern, ihre Welpen dorthin bringen zu dürfen. Die zweite Schlussfolgerung lautet daher, dass die Marine eine wichtige Rolle dabei spielt, den Krieg von schwedischem Boden fernzuhalten.

Die Im- und Exporte der Ukraine werden durch die Blockade von Häfen und maritimen Handelsrouten unterbunden. Obwohl das Land in der Lage ist, russische Amphibienoperationen abzuwehren, ist der Handel der Ukraine über den wichtigen Seeweg extrem betroffen. Dies hat sich in den weltweiten Getreidepreisen bemerkbar gemacht, und dies trifft die ukrainische Wirtschaft gerade in dieser schwierigen Zeit äußerst hart. Die Ukraine besitzt eine im Vergleich zu Schweden viel größere Landgrenze mit den befreundeten europäischen Ländern. Trotzdem hat die Unterbrechung des Seeverkehrs enorme Folgen. Schweden ist viel stärker von der Seefahrt abhängig als die Ukraine. Und nicht nur Schweden. Göteborg an der schwedischen Westküste ist sogar der größte Import- und Exporthafen für den Nachbarn Norwegen!

Die Schlussfolgerung kann daher nur sein, große Teile des zukünftig doppelt so großen Verteidigungsetats in die Stärkung der Seeverteidigung an der Westküste zu stecken. Die Wiederherstellung des amphibischen Regiments in Göteborg mit seinem Seebataillon ist ein erster wichtiger Schritt, reicht aber nicht aus. Denn die an der Süd- und Ostküste stationierten Flotteneinheiten werden für die oben bereits beschriebenen Aufgaben benötigt. Sie können nicht feindliche Truppentransporte in der Ostsee bekämpfen und gleichzeitig den Handelsverkehr an der Westküste schützen. Wir dürfen nicht in das Dilemma geraten, zwischen Ost- und Westküste entscheiden zu müssen.

Kapitän zur See Jonas Hård af Segerstad ist derzeit Teilnehmer am 53. Admiralstabsoffizierlehrgang an der Führungsakademie in Hamburg. Im August wird er schwedischer Verteidigungsattaché in Berlin.

Jonas Hård af Segerstad

 

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert