marineforum_2020_01

marineforum_2020_01_02

Editorial Kleine Steine Holger Schlüter Vor einem Jahr, liebe Leserinnen und Leser, habe ich Ihnen in meinem ers- ten Editorial zugesagt, Ihren Anspruch an das MarineForum erkennen und bedienen zu wollen. Das erfreuliche Echo hat unser Team ermuntert, neue Wege zu gehen: mit einer neuen Rubrik, einem frecheren Schreibstil und mit Themenheften. Gleich- wohl bleibt das seriöse Wesen, eine mariti- me Zeitschrift von Experten für Experten zu sein, unangetastet. Lassen Sie uns wissen, was wir für Sie besser machen können. Ich habe Sie letztes Jahr auch zum Schreiben und Mitmachen aufgefordert. Das haben Sie getan, dafür danke ich Ihnen. Kom- mandeure haben Themenschwerpunkte unterstützt, neue Autoren haben das Ma- rineForum als fachliche Plattform entdeckt und die Themenauswahl fand Anklang. Die Einladung, sich unter „Standpunkt(e)“ etwas von der Seele zu schreiben, hat noch nicht alle erreicht – ich wiederhole sie hiermit. Und versprochen: Wir arbeiten am Online- Auftritt. Anlässlich des neuen Jahrzehnts habe ich mich gefragt, ob Sie ein Fazit oder einen Ausblick erwarten. Ich erachte es als zweit- rangig, wo man gestern war. Seeleute müs- sen wissen, wo sie sein werden: Das Mari- neForum hat die Marinen und das maritime Geschehen in aller Welt stets begleitet und wird es auch in den Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts tun. Der Blick in die mari- time Zukunft erscheint aber nicht nur froh- gemut, sondern auch ungewiss, ungelöst und gar bedrohlich. Klimawandel und Um- weltbelastungen mit dramatischen Auswir- kungen auf maritime Ökosysteme, auf die Arktis und die Nutzung der Meere sind be- sorgniserregend. Forschung und Entwick- lung stehen unter Zeitdruck, die Verfahren für weniger Emissionen und die Nutzung alternativer Kraftstoffe zur Reife zu brin- gen. Digitale Technologien, deren Namen wir heute noch gar nicht kennen, werden die Arbeitsplätze auf und an der See ver- ändern. Die Sphären der Großmächte ver- schieben sich tektonisch, die Faust Chinas MarineForum 1/2-2020 Deutschland so erweckend klar wird, dass die Politik sich neben der – ebenfalls ver- nachlässigten – kontinentalen Infrastruktur auch einer der entscheidenden Dimensio- nen für die nationale Zukunft zuwenden muss. Es reicht nicht, den „maritimen Ge- danken“ mit wiederkehrenden Floskeln wie „70 Prozent der Welt ist von Meeren be- deckt“ zu verbreiten. Das kommt nicht an. Was leider ankommt, ist Häme über die Gorch Fock und U-Boote oder Dahergere- detes über Kreuzfahrtschiffe. Es geht nur beiläufig darum, eine Marine zu begründen, es geht um unsere Sicherheit und unse- ren Wohlstand. Die Formate des Maritimen Clusters Norddeutschland, des Deutschen Maritimen Institutes und des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik zum Beispiel brauchen ganzheitlich mehr politisches Ge- hör. Dafür müssen die Echohallen verlassen werden. Die Nationale Maritime Konferenz 2021 wird sowohl Prüfstein der Umsetzung des Nationalen Masterplans von 2019 sein als auch ernster Gradmesser der Befassung mit maritimer Sicherheit. Vielleicht sollte der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft sein Büro ins Kanz- leramt verlegen. Und die Verbände laden den Verkehrsminister öfter an die See ein. Es täte dem maritimen Gedanken gut. Es wird also eine Menge spannendes ma- ritimes Geschehen im nächsten Jahrzehnt geben, welches das MarineForum im Blick haben wird. Und das trotz kleinem Redakti- onsstab und bodenständigem Budget. Aber wir sind die einzige maritim-militärische Fachzeitschrift in Deutschland mit diesem unverwechselbaren Charakter. Auch klei- ne ins Wasser geworfene Steine machen große Kreise. Ich ermutige Sie daher, auch in diesem Jahr zur Feder zu greifen – ob als Autor oder Kritiker. Und den Mäklern an un- serem Stil sei zugerufen, dass wir auch neu- erdings keine Schlechtwettermiene aufset- zen werden. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein gutes neues Jahr 2020! 3 t a v i r p : o t o F wird fester und der Atlantik gefühlt breiter. Wie würde Deutschland reagieren, wenn der internationale Seehandel und die Frei- heit der Meere eingeschränkt wären? Wird man der Deutschen Marine die Mittel und Freiheit gewähren, sich aus dem bedrücken- den Zeitlauf von Verkleinerungen, Bürokra- tisierung und Identitätsversagung zu lösen? Wird sie mit politischem Willen gerüstet so ge- und erwachsen sein, dass sie mit gut ausgebildetem Personal europäische Inte- ressen im Bündnis durchsetzen kann? Das wird mehr moderne Einheiten erfordern, die eine maritime Industrie von der Kieler Förde bis hin zum Bodensee auch entwi- ckeln und mit einem effektiven Beschaf- fungswesen zeitgerecht fertigstellen muss. Wird man die Rüstungsindustrie auch als nationale Sicherheitsvorsorge ansehen und das Thema Schlüsselindustrie endlich fina- lisieren? Aber nicht nur Einheiten für Mari- ne und Sicherheitsbehörden, auch Spezi- al- und Kreuzfahrtschiffe oder innovative Antriebs- und Steuerungstechnik sind deut- sche Ingenieurskunst. Wird der durch Wett- bewerbsverzerrungen an Asien verlorene Markt zurückerobert werden können oder wird man wie bei der Autoindustrie zulas- sen, dass die Garanten nationalen Broter- werbs diskreditiert werden? Die Kernfrage ist, ob die immense Bedeutung der Meere, der Küsten und Häfen den Menschen in

Inhalt Editorial 3 Kleine Steine Holger Schlüter Sicherheitspolitik 6 Europa zur See 13. Maritime Convention Holger Schlüter 9 Deutschland braucht sichere Seeverbindungen Der Jahresbericht des Marinekommandos zeigt Abhängigkeiten und Gefahren Dieter Stockfisch 25 Sicherheit im Mittelmeerraum und Atlantik Zur Rolle der 6. US-Flotte Dieter Stockfisch 26 „Gemeinsam sind wir stärker“ Dieter Stockfisch Interview mit Vice Admiral Lisa M. Franchetti Streitkräfte – Marine 18 Amtshilfe auf höchstem Niveau Nachlese zur gemeinsamen Übung von Polizei und Marine Lars Vergien und Ralf Kuchler 28 Die „Kleinen“ der US Navy Amerika plant neue Fregatten und beschafft mehr LCS Sidney E. Dean 31 Das Trio ist komplett Einsatzschiff BAD DÜBEN in Cuxhaven getauft Hans Karr 32 Es geht nur gemeinsam Behördenübergreifende Übung auf der NILS HOLGERSSON Liliane Rossbach 42 Wie konnte das nur passieren? Lessons learned, die eigentlich schon lange gelernt sein sollten Axel Stephenson Technologie – Wehrtechnik 10 Der deutsche Marineschiffbau im europäischen Kontext Dieter Hanel 15 Die U-Jagd der Deutschen Marine Vision 2035+ Patrick Domagalski 20 Die nächste Generation der Luftverteidigung Erste Überlegungen zur Fregatte F 127 Andreas Uhl Historie 34 Explosive Altlasten unter Wasser Stefan Nehring 38 „Nicht alles, was Geschichte ist, ist auch Tradition“ Interview mit dem Kommandeur des ZMSBw, Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann Jürgen R. Draxler 42 Die „Hacken“ 50 Jahre Minentransporter Holger Schlüter Rubriken 46 Marinen aus aller Welt 52 Deutsche Marine 53 Standpunkt(e) / Forum 54 Schifffahrt, Schiffbau, Technologie 58 Bücher 59 Impressum Titelbild: Das 216 Meter lange und 57 Meter hohe Mittelschiff des bei MV Werften im Bau befindlichen Kreuzfahrtschiffes GLOBAL DREAM beim Ausdocken Foto: MV Werften 4 MarineForum 1/2-2020

Europa zur See 13. Maritime Convention Holger Schlüter Berlin war am 12. November geprägt von den zahlreichen Veranstaltungen zur Er- innerung an die Maueröffnung vor 30 Jahren. Polizisten hatten die Wiese vor dem Reichs- tagsgebäude abgesperrt für die erste Vereidi- gung von Rekruten an diesem historischen Ort seit 2013. Die unweit davon gelegene gemein- same Landesvertretung von Niedersachsen und Schleswig-Holstein schmückte ihre Zäune mit Erinnerungsfotos an den 9. November. Da fiel die Maritime Convention mit dem Titel „Europa zur See“ etwas aus dem Rahmen. Dennoch war sie mit rund 200 Besuchern ein Magnet für die maritime Community. Vize- admiral a.D. Hans-Joachim Stricker begrüßte die zahlreich erschienenen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Militär und Behörden und dankte allen Teilnehmern und Sponsoren, dass dieses Format inzwischen zum 13. Mal realisiert wer- den konnte. Die Maritime Convention ist mehr als nur Tradition und lange nicht der einzige Treffpunkt der maritimen Netzwerke in Berlin. Als „Flaggschiff“ des Deutschen Maritimen Instituts (DMI) ist sie jedoch die bedeutendste Plattform für den fachlichen Austausch. Den Kern dieser Veranstaltung bilden die Keynotes mit den sich anschließenden Diskussionspa- nels. Auch in diesem Jahr ist es dem DMI ge- lungen, die Besucher mit wichtigen Themen zu fesseln. Dass sich die meisten Gäste als ver- sierte Netzwerker alljährlich besonders auf die zeitlich großzügig geplante Pause und die noch großzügiger angelegte Abendveranstaltung freuen, gehört zum Charakter der Convention. Blick ins Auditorium; in der ersten Reihe Julian Pawlak, Vizeadmiral a.D. Hans-Joachim Stricker, Konteradmiral a.D. Ulrich Otto, Flottillenadmiral Christian Bock, Heinz Schulte (v.r.) Vizeadmiral a.D. Frank Ropers (l.) und Flottillenadmiral a.D. Viktor Toyka Ambassador Marie-Anne Coninsx diskutiert mit Heinz Schulte Das erste Panel trug den Titel „Europas mari- time Dimension“ und wurde von der ehemali- gen Botschafterin der Europäischen Union für die Gesamt-Arktis (EU Ambassador at Large for the Arctic), Marie-Anne Coninsx, eröffnet. Für viele der Anwesenden dürfte der Blick auf den hohen Norden bislang wohl eisig-roman- tisch verklärt gewesen sein. Coninsx entzau- berte diese Vorstellung jedoch gleich zu Be- ginn. Das riesige Gebiet sei weit mehr als nur „polar bears on ice“: Hier treffen geopolitische, ökonomische und sicherheitspolitische Inte- ressen einer ganzen Reihe von Ländern auf- einander. Zusammen mit der Dramatik des Klimawandels, der hier besonders deutlich sichtbar sei, werde die Arktis damit zur aktu- ell dynamischsten Region der Erde. Die Geschwindigkeit, mit der die Gletscher in Grönland schmelzen, der Permafrostboden aufweiche und sich die Umweltzerstörung of- fenbare, sei atemberaubend. Militärische In- stallationen sind gefährdet, Mikroplastik sei hier ebenso belastend wie in anderen Oze- anen und die Gefahren steigenden Meeres- spiegels gefährden auch uns hier in Mittel- europa. Sie benannte aber auch die Chancen und Möglichkeiten, die das böte und erwähn- te mehrere Projekte: der Aufbau von Wind- farmen, die Verlegung von Seekabeln und die Einrichtung von Zugängen zu den Rohstoffen dieser Region. Diese seien besonders für Russ- land wichtig. Die hier vorhandenen Boden- schätze seien von herausragender Bedeutung und in der Erschließung läge die Chance für Eu- ropa, von Importen unabhängiger zu werden. Dass sie insbesondere die Abhängigkeit von China gemeint hatte, war offensichtlich. Auch die Möglichkeit, eines fernen Tages die Nord- 6 MarineForum 1/2-2020

c s h : s o t o F Konteradmiral Kay-Achim Schönbach Vizeadmiral Hervé Bléjean Ministerialrätin Anne Jacobs-Schleithoff Ost Passage nutzbar zu machen, würde den globalen Schiffsverkehr signifikant verändern. Weiterhin sprach Coninsx über die Installation militärischer Einrichtungen an der Nordküste Russlands, ging aber nicht weiter auf deren mi- litärische Dimension ein. Vielmehr betonte sie, wie gut die Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland in arktischen Fragen sei. Mit die- ser kleinen Überraschung zeigte sie auf, dass das eisige Verhältnis zu Russland eben nicht für die politische Kooperation im hohen Nor- den gilt. Dann wendete sie sich dem Verhält- nis mit China zu. Das Reich der Mitte hat eine Arktis-Politik festgelegt und erhebt trotz der großen Distanz zum Polarkreis bedenkenlos Ansprüche. Trotzdem erteilte Marie-Anne Co- ninsx einer Ausgrenzung Chinas eine klare Ab- sage, denn die Probleme der globalen Erwär- mung seien nun mal nicht ohne das Land zu bewältigen. Die Rolle der USA war ihr mehr als nur eine launige Anmerkung zur Absicht des US-Präsidenten, Grönland zu kaufen, wert: Sie zog das Fazit, dass die USA sich der Bedeutung der Arktis langsam bewusst werden, es sei ein „waking up“. Nach Coninsx Auffassung ist die Arktis eine der sichersten Regionen der Welt. Bezüglich der maritimen Sicherheit gebe es einen EU-Aktionsplan: Erstens braucht die Po- larzone gesetzliche Grundlagen und darf kein rechtsfreier Raum sein. Zweitens sei es be- deutsam, maritime – nicht militärische – Fä- higkeiten einzubringen, beispielsweise Eisbre- cher. Drittens bedarf es einer technologischen Infrastruktur von Satelliten bis zu Sicherheits- und Rettungssystemen; insgesamt seien In- vestitionen von mehr als 16 Milliarden Euro erforderlich. Abschließend lobte sie die Na- tionen mit dem größten Engagement in der Region: Finnland und Deutschland. Dabei ließ sie die im August von der Bundesregierung beschlossenen „Leitlinien deutscher Arktis- politik“ nicht unerwähnt. Die Arktis sei eben „a key for the world“. In seiner Anmoderation verwies Heinz Schulte, mit seinen Griephan-Publikationen einer der Sponsoren der Konferenz, auf Euro- pas Handelsströme und die geografische Mit- tellage des Kontinents. Dann übergab er das Wort an Ministerialrätin Anne Jacobs-Schleit- MarineForum 1/2-2020 hoff, Geschäftsstellenleiterin des Koordina- tors der Bundesregierung für die Maritime Wirtschaft, Norbert Brackmann. Sie erklärte dem Publikum die Bedeutung der maritimen Wirtschaft aus Sicht der Regierung. Und so waren ihre Erkenntnisse zur maritimen Ab- hängigkeit und zur deutschen maritimen Wirtschaft auch nicht eben neu. Den Anwe- senden aber vermittelte sie die beruhigende Erkenntnis, dass der maritime Gedanke wo- möglich doch in der Mitte der deutschen Re- gierungspolitik angekommen ist. Mit ihrem Hinweis auf die Wertschöpfungsketten, die im Spezialschiffbau oder in der Kreuzfahrtin- dustrie bis in den Süden der Republik reichen, betonte sie die gesamtdeutsche Bedeutung der Branche. Sie ließ in diesem Zusammen- hang auch die Chance nicht aus, auf die aus Sicht des Wirtschaftsministeriums erfolgrei- che Nationale Maritime Konferenz in Fried- richshafen hinzuweisen, die ein „Schaufenster der Leistungsfähigkeit“ der deutschen Indus- trie gewesen sei (s. MarineForum 7/8-2019). Kein Vortrag ohne die Erwähnung der Rolle Chinas: Auch Jacobs-Schleithoff äußerte sich deutlich zur chinesischen Expansion, der be- drohlichen, staatlich subventionierten Poli- tik, dem Druck des „Made in China“ und der bitteren Erkenntnis, dass außer im Spezial- schiffbau die Werftindustrie den „Rest verlo- ren habe“. Der selbst gestellten Frage, welche Antworten die Bundesregierung darauf hat, folgte die hoffnungsvolle Absichtserklärung, diese Herausforderung europäisch zu lösen. Eine europäische maritime Strategie? Das Ziel sei die Schaffung eines europäischen Seever- kehrsraumes und damit die Vollendung des Binnenmarktes. Diese Antwort der Regierung dürfte die anwesenden Wirtschaftsvertreter nicht zufriedengestellt haben, wie sich in der Diskussionsrunde zeigen sollte. Mit aktuellen Themen wie Landstrom, Nutzung von LNG, Vergleichen des CO2-Ausstoßes und IMO-Re- gelungen vervollständigte sie ihren Vortrag. Heinz Schulte lud daraufhin zur Paneldis- kussion, welche mit den Diskussionsthemen „Hafenkonzept“ und „Infrastruktursicherheit“ fast schon ein eigenes Konferenzthema eröff- nete, sich dann aber doch zur Freude des Pu- blikums der Herausforderung Arktis zuwand- te. Die Frage von Professor Jan Asmussen von der Universität Kiel, ob sich die EU mit ihren Vorstellungen im „High North“ überhaupt ge- gen die „Arktischen Fünf“ durchsetzen kön- ne, beantwortet Coninsx mit einem eindeu- tigen Ja. Komplizierter zu beantworten war der Beitrag von Brigadegeneral a.D. Rainer Meyer zum Felde, Senior Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Uni Kiel. Er hinter- fragte kritisch, wie denn „Kooperation statt Konfrontation in der Arktis“ mit der weltpo- litischen Realität zusammenpasst und stellte gleichzeitig die technologische Führerschaft Europas in Frage. Es überraschte nicht, dass niemand im Panel hierauf eine Antwort parat hatte. Beschworen wurden lediglich europäi- sche Lösungen im Rahmen der Digitalisierung und die Schaffung von wirtschaftlich guten Rahmenbedingungen. Ingo Egloff, Vorstands- mitglied des Hamburger Hafens, unterstrich in seinem bemerkenswerten Beitrag die Be- deutung der wirtschaftlichen Reziprozität und forderte mehr Mut und Selbstbewusstsein seitens der Politik, sich den Chinesen entge- genzustellen. „Was die Chinesen hier machen, müssen wir auch in China machen dürfen“, war sein Credo. Insgesamt ein starkes Panel mit belebenden europäischen Aspekten und bekannten nationalen Inhalten. Nach der Pause übernahm Konteradmiral a.D. Ulrich Otto die Moderation der weitge- hend in englischer Sprache laufenden Kon- ferenz und führte in das Thema „Europas Si- cherheit zur See“ ein. Dabei reflektierte er die Entwicklung seit dem Kalten Krieg, die Jah- re der friedlichen Entspannung mit „10 years strategic warning time“ und den Ereignissen seit Beginn der Krise in der Ukraine. Er begrüß- te Vizeadmiral Hervé Bléjean, Deputy Com- mander Allied Maritime Command (MAR- COM) und designierter Director General of the European Union Military Staff (EUMS) als nächsten Keynote Speaker. Admiral Bléjean zeigte sich nach kurzer Vorstellung seiner Vita und dem Bekenntnis zu einem starken Europa stolz, im nächsten Jahr der erste „Seaman“ auf dem Posten des EUMS zu werden. Sein Wille, dort Aspekte maritimer Sicherheit einbrin- 7

gen zu wollen, deutetet er mit der spöttischen Auslegung des Akronyms NATO als „Non ap- plicable to Atlantic“ an. Dies war ganz sicher im Sinne von DMI-Präsident Hans-Joachim Stricker, der auf der letztjährigen Maritime Convention vom nachlassenden „Geschmack des Maritimen“ in der NATO gesprochen hat- te. Einem französischen Admiral nimmt man auch ganz und gar nicht übel, wenn er humor- voll kritisiert, dass ein Flüchtling leichter Eu- ropa durchqueren könne als ein Militärtrans- port. Dabei gab es einen durchaus ernsten Hintergrund: Für ihn sind die Wiederbelebung des 360-Grad-Sicherheitsbegriffes, die Her- vorhebung der maritimen Dimension und die Stärkung des MARCOM ernsthafte Anliegen. Gleichzeitig stellte er fest: „We are good in do- ing and bad in selling“. Damit meint er die aus seiner Sicht zu wenig beachteten Einsatzver- bände der NATO mit den permanent in See stehenden 20 bis 30 Einheiten. Die Deutsche Marine lobte er in diesem Zusammenhang für das durchgehende starke Engagement. Er ging auch auf die Kooperation von NATO und EU ein, indem er der früheren Separation bei- der Organisationen eine klare Absage erteilte. Das Verbot, miteinander zu reden, sei absurd gewesen und wäre ohnehin von den Militärs nicht eingehalten worden – inzwischen sei man vernünftig und kooperiere. Anders sei die Bekämpfung von Schmuggel und Terrorismus auch nicht machbar. Mit Blick auf die Ostsee, die er als „laboratory of interactions“ betrach- sich nicht mit länglichen Vorreden auf, son- dern ging gleich auf konkrete Bedrohungen ein. Am Anfang standen eine besorgniserre- gende Betrachtung russischer Waffenreich- weiten und Erläuterungen zu den russisch- chinesischen Beziehungen. Das Misstrauen zwischen den beiden großen Nationen sei gut für Deutschland gewesen, nun aber ko- operieren die beiden Mächte – mit den Rus- sen als dem kleineren Partner. Noch sei China von Russland abhängig, das werde sich jedoch in absehbarer Zeit ändern. Deutschland ha- be dies endlich zu erkennen und zu akzeptie- ren. Deutsche und chinesische Handelsrou- ten verlaufen weitgehend parallel und China habe bereits eine umfangreiche Militärinfra- struktur entlang dieser Wege errichtet. Es sei naiv zu glauben, China beabsichtige damit nur eine gute Wirtschaftskooperation mit Deutschland und Europa. Erforderlich sei ei- ne Stärkung von Strukturen und Bewaffnung, damit die alten Kapazitäten zurückerlangt werden. China nehme bei der Betrachtung maritimer Sicherheit eine zentrale Position ein. Abschließend forderte er, die Verdienste der Amerikaner nicht zu vergessen, die jahr- zehntelang die europäische Sicherheit ge- währleistet haben. Sein Vorschlag, den Teil- nehmerkreis der Maritime Convention um diejenigen zu erweitern, denen maritime und sicherheitspolitische Begrifflichkeiten nicht geläufig sind, wird hoffentlich im DMI er- örtert werden. Klare Worte also von einem fordernisse in der baltischen Region. Er hielt ein Plädoyer für die Wiederbelebung von „Se- curity Plans“ und Seetransportkapazitäten. Auch verwies Pawlak auf die Gefahren an den sogenannten „Chokepoints“ im internationa- len Seeverkehr durch staatliche und insbeson- dere nichtstaatliche Akteure. Für die Freiheit des Seeverkehrs, der „global commons“ und die Sicherheit der Seewege sei Unilateralis- mus keine Antwort. Die abschließende Dis- kussionsrunde wurde noch einmal lebendig, als Admiral Bléjean versprach, dem Militär in Brüssel ein besseres Gehör zu verschaf- fen. Man müsse der Bevölkerung klarer ver- mitteln, was in unserem „frontyard“ passiert, was Russland und China also in der Ostsee machen. Der zukünftige Viersterne-Admiral versprach bescheiden, alles Notwendige zu tun. Dafür zählt er auch auf Unterstützung aus den Partnernationen. Mit Spannung wurde erwartet, auf welche Weise in diesem Jahr der „Jahresbericht zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ übergeben werden würde. Da- zu hatten sich Heinz Schulte und Konterad- miral Karsten Schneider, Chef des Stabes im Marinekommando, ein Bühnenstück in Form eines Interviews ausgedacht, bevor Admiral Schneider den Bericht – wie in jedem Jahr – dem Deutschen Maritimen Institut offiziell überreichte. Nur Minuten später stand der Bericht auch zum Download im Internet zur Verfügung. Die Grußworte von Staatssekretär Admiral a.D. Manfred Nielson Staatssekretär Ingbert Liebing, Vizeadmiral a.D. Hans-Joachim Stricker, Konteradmiral Karsten Schneider, Konteradmiral a.D. Ulrich Otto (v.r.) tet, betonte er die Bedeutung starker Part- nerschaften, auch mit Nicht-NATO-Ländern. Bei Schweden oder Finnland dürfe man zur NATO keinen Unterschied machen, Ziel aller Nationen sei die freie Nutzung der Seewege. Zusammen sei man die Rückversicherung für die Baltischen Staaten – ein klares Bekenntnis. Nächster Keynote Speaker war Konterad- miral Kay-Achim Schönbach, stellvertreten- der Abteilungsleiter Strategie und Einsatz im Bundesministerium der Verteidigung. Er hielt Admiral, der keinen Hehl daraus machte, als Militär eine sicherheitspolitische Position zu haben. Julian Pawlak, wissenschaftlicher Mit- arbeiter des ISPK, hatte nun die schwere Auf- gabe, mit eher akademischem Duktus das Thema des Panels abzurunden. Es gelang ihm, den wesentlichen strategischen Fehler der letzten Jahre herauszukristallisieren: Für Ver- teidigung und insbesondere Seestreitkräfte wurde zu wenig Geld ausgegeben. Weiterhin konzentrierte er sich auf die Kooperationser- Ingbert Liebing waren gleichzeitig Abschluss- worte: Der Hausherr beschloss den Reigen der Vorträge und rief zum Büfett. Da die Veran- staltungen in Berlin und die Vereidigung der Rekruten die Anwesenheit von einigen hoch- rangigen Militärs und Parlamentariern bei der Convention verhindert hatten, war es umso schöner zu beobachten, wie sich abends den- noch die Prominenz einstellte und damit die Verbundenheit zum DMI und zur Convention unterstrich. Bis zum 3. November 2020! L 8 MarineForum 1/2-2020

Deutschland braucht sichere Seeverbindungen Der Jahresbericht des Marinekommandos zeigt Abhängigkeiten und Gefahren c s h : o t o F Dieter Stockfisch Der kürzlich erschienene 32. Jahresbericht „Fakten und Zahlen zur maritimen Ab- hängigkeit der Bundesrepublik Deutschland“ des Marinekommandos präsentiert einen umfassenden Einblick in die aktuelle mariti- me Lage unseres Landes in Zeiten von Glo- balisierung, Digitalisierung, Klimawandel und geopolitischer Veränderungen. Diese Zusam- menhänge verdeutlichen: Unser Land ist als eine der führenden Exportnationen und Hoch- technologiestandort zwingend auf den Schutz seiner maritimen Interessen angewiesen. Ein Großteil des deutschen Außenhandels wird über die Meere abgewickelt. Ein Volu- men von 511,1 Milliarden Euro erreichte der seewärtige Außenhandel, ein Anstieg um 2,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die deutsche Handelsflotte zählt mit 2.790 Schiffen zu den größten der Welt. Die ca. 400 deutschen Ree- dereien liegen bei der Menge der transpor- tierten Güter weltweit an dritter Stelle, bei den Containerschiffen ist Deutschland Spitzen- reiter. Über 400.000 Arbeitsplätze in über 2.800 Unternehmen sind mit der Seewirtschaft verbunden. Dort wird ein jährlicher Umsatz von über 50 Milliarden Euro erzielt. 127.972 Ankünfte von Schiffen wurden 2018 in den deutschen Seehäfen registriert. In der Maritimen Agenda 2025 hat die Bundesregierung die Digitalisierung der mari- timen Wirtschaft und der Schifffahrt als zentrales Handlungsfeld benannt. Cyber Se- curity gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nach den IMO-Richtlinien für das maritime Cyber-Risikomanagement müssen maritime Unternehmen bis zum 1. Januar 2021 entspre- chende Risiken in ihren Sicherheitssystemen angemessen berücksichtigen. In Zukunft sollen Schiffe auch autonom, also ohne Besatzung fahren. Bereits 2020 soll es das erste selbst- fahrende Schiff geben. Krisengebiete wie das Südchinesische Meer gefährden die maritime Sicherheit. Auch die in- ternationalisierte Arktis mit ihrem politisch un- geklärten Status ist krisenanfällig. Die Krisen- landschaft rund um das Rote Meer, am Horn von Afrika, im Persischen Golf und in der Straße von Hormus, aber auch die Bürgerkriege im Jemen und in Somalia bedrohen die interna- tionale Schifffahrt. Das Mittelmeer bildet un- MarineForum 1/2-2020 Konteradmiral Schneider übergibt den Jahresbericht an Vizeadmiral a.D. Stricker verändert ein akutes Krisengebiet. Weltweit waren 2018 mehr als 70 Millionen Menschen auf der Flucht, Über das Mittelmeer kamen 2015 über eine Million Menschen nach Euro- pa. Mit dem Vorgehen europäischer Marinen und Frontex-Behörden gegen Schlepper- und Schleuserbanden konnte der Migrationsstrom reduziert werden. 2018 verzeichneten die EU- Mitgliedstaaten nur noch 150.114 illegale Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen, davon 114.726 über die Seegrenzen. 2018 registrierte das IMB Piracy Reporting Centre weltweit 201 Piratenvorfälle, im Jahr zuvor waren es nur 180. Weltweit wurden 83 Besatzungsmitglieder entführt. Vor Soma- lia kam es 2018 zu drei Vorfällen, gegenüber neun im Vorjahr. Aber vor Westafrika hat sich die Zahl mit 82 Vorfällen gegenüber 2017 fast verdoppelt. So entfallen alle 2018 weltweit verzeichneten Schiffsentführungen auf die- ses Seegebiet, das heute den weltweiten Pi- raterieschwerpunkt darstellt. Die Deutsche Marine hat den Auftrag, die maritime Sicherheit und Unabhängig- keit Deutschlands, insbesondere den freien Handel über die Weltmeere zu gewährleisten. Sei es im Rahmen der Vereinten Nationen, der Europäischen Union oder der NATO, die Deutsche Marine ist Tag für Tag im Einsatz. 2018 wurden beispielsweise bis zu sechs pa- rallel laufende Einsätze durch schwimmende, fliegende und landgestützte Einheiten der Marine unterstützt. Neben dem Schutz der Seehandelswege und dem internatio- nalen Krisenmanagement hat die Landes- und Bündnisverteidigung seit 2014 wieder eine gleichrangige Bedeutung erlangt. Diese größte Aufgabenvielfalt ihrer Geschichte er- füllt die Marine mit der kleinsten Flotte seit ihrer Gründung – die Flottenliste umfasst der- zeit lediglich 46 Einheiten. Doch die Marine wächst wieder auf. Sie erhält vier neue Fregat- ten der Klasse 125, von denen das Typschiff, die Fregatte Baden-WürttemBerG, im Juni in Dienst gestellt wurde. Zudem bekommt sie ab 2023 fünf weitere Korvetten K 130. Zwei neue U-Boote der Klasse 212CD, die in Ko- operation mit Norwegen gebaut werden, sol- len ab 2025 zulaufen. Voraussichtlich werden vier Mehrzweckkampfschiffe 180 beschafft, eine Option auf zwei weitere besteht. 18 neue Hubschrauber vom Typ Sea Lion laufen derzeit der Marine zu. Die alten Sea Lynx Mk 88 werden durch neue U-Jagd-Hubschrauber ersetzt. Für die weitere Zukunft sind elf neue Minenabwehrsysteme in der Planung. Zwei neue Flottentanker runden die Neubeschaf- fungen ab. L 9

Der deutsche Marineschiffbau im europäischen Kontext Dieter Hanel R & A : k i f a r G Der privatwirtschaftlich geführte deut- sche Marineschiffbau hat mit neu- en, leistungsfähigen Produkten im In- und Ausland eine starke Marktposition errun- gen. Doch die in zahlreichen europäischen Ländern zu beobachtende Industriepolitik, insbesondere bei Staatsbetrieben in Frank- reich, Italien und Spanien, die nationalen wehrtechnischen Kapazitäten und Schlüs- seltechnologien zu sichern und die Export- aktivitäten regierungsseitig zu unterstüt- zen, erhöht den Wettbewerbsdruck. Dieser wird zudem durch die restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik verstärkt. Dadurch ist eine signifikante Konsolidierung des stark fragmentierten Marineschiffbaus auf europäischer Ebene in weite Ferne gerückt. Deutschland muss als große, exportorien- tierte Industrienation in der Sicherheitspolitik immer eine bedeutende maritime Kompo- nente haben und über eine eigene leistungs- fähige, global agierende Marineindustrie ver- fügen. Der Bau von Marineschiffen erfordert eine besondere technologische Kompetenz und eine hohe Systemfähigkeit bei der In- tegration komplexer technologischer Wis- sensgebiete wie Sensorik, Antriebstechnik, Elektronik, Waffensystemtechnik, Schutz- technologie und Leichtbauweise sowie ein leistungsfähiges Projektmanagement. Die Werften Die zehn deutschen Marinewerften ha- ben in den letzten Jahren eine beträchtli- che Konsolidierung und Umstrukturierung vollzogen, zugleich ist mit German Naval Abeking & Rasmussen bietet den futuristischen Minensucher Apex Protector auch in nichtmagnetischem Stahl an Yards Kiel (GNYK) der Markteintritt eines neuen leistungsfähigen Unternehmens im Marineschiffbau erfolgt. Der Konzern Thyssenkrupp hat einen we- sentlichen Beitrag zur Konsolidierung und Umstrukturierung des Marineschiffbaus geleistet. 2005 entstand aus der Fusion der ehemaligen Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) in Kiel, HDW-Nobiskrug in Rendsburg, Blohm+Voss und Blohm+Voss Repair in Ham- burg, den Nordseewerken in Emden sowie Kockums in Schweden und Hellenic Ship- yards in Griechenland das Unternehmen Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) mit Sitz in Kiel. 2014 verkaufte Thyssen-Krupp In- dustrial Solutions Kockums an Saab, weil die schwedische Regierung die Kompetenz im U- Bootbau im Lande halten wollte. Seit 2017 gehört auch Atlas Elektronik zu TKMS. Somit kann das Unternehmen nicht nur Schiffbau, sondern auch Füh- rungs- und Waffeneinsatzsysteme sowie Unterwassersensoren und -waffen anbie- ten. Unter deutschen Werften ein Allein- stellungsmerkmal. Heute beschäftigt Thyssenkrupp Ma- rine Systems mit einem jährlichen Um- satz von mehr als einer Milliarde Euro über 5.000 Mitarbeiter an den Standor- ten Kiel, Bremen, Hamburg und Emden. Das Unternehmen ist Weltmarktführer bei der Entwicklung und Fertigung nicht- nuklearer U-Boote. Es hat seit 1960 mit 20 Staaten Verträge für 165 U-Boote ge- schlossen, davon wurden 112 in Deutsch- land gebaut und 53 aus vorgefertigten l i e k W n r ö B j / r h e w s e d n u B : o t o F Die zukünftigen U-Boote der Klasse 212CD basieren auf der heutigen Klasse 212A 10 MarineForum 1/2-2020

Materialpaketen mit technischer Unter- stützung aus Deutschland im jeweiligen Kundenland gefertigt. Ebenfalls zum Kerngeschäft von TKMS gehören Entwicklung und Design moderns- ter Fregatten, Korvetten und Marineun- terstützungsschiffe. Thyssenkrupp Marine Systems liefert derzeit gemeinsam mit der Lürssen Werft in der Arbeitsgemeinschaft F 125 die vier Fregatten dieser Klasse für die Deutsche Marine aus. Mit der Aufgabe der Bauwerften für den Überwasserschiffbau, die seit 2011 in Kiel zu German Naval Yards und in Hamburg seit 2016 zur Lürssen Werft gehören, hat der Thysssenkrupp-Konzern eine weitrei- chende strategische Entscheidung in die- sem Marktsegment getroffen. Auch er- folgte im Rahmen der Fokussierung auf das Kerngeschäft die Abgabe von Hellenic Shipyards (2010) und von Kockums (2014). Zur Unternehmensgruppe Fr. Lürssen Werft gehören die Bremer Fr. Lürssen Werft mit den Betriebsteilen Aumund, Berne und Lemwerder, die Lürssen-Kröger Werft in Schacht-Audorf (seit 1986), die Neue Jadewerft in Wilhelmshaven (seit 2004), die Norderwerft in Hamburg (seit 2012), die Wolgaster Peene-Werft (seit 2013) sowie Blohm+Voss in Hamburg (seit 2016). Lürssen hat in den letzten Jahrzehn- ten eine erfolgreiche Strategie des Wachs- tums und der Spezialisierung verfolgt. Das Unternehmen ist federführend in der Ar- beitsgemeinschaft K 130, der außerdem Thyssenkrupp Marine Systems sowie GNYK angehören. Der Vertrag zum Bau eines fünf Schiffe umfassenden zweiten Loses K 130 für die Deutsche Marine ist am 12. Septem- ber 2017 unterzeichnet worden. German Naval Yards ist ein neuer Werf- tenverbund in Schleswig-Holstein, zu der die drei Werften German Naval Yards Kiel sowie Nobiskrug und Lindenau gehören. Eigentümer ist die Privinvest-Gruppe, zu der auch CMN in Frankreich, Isherwoods in Großbritannien sowie PISB mit den Werf- ten Hellenic Shipyards und Abu Dhabi MAR zählen. Privinvest beschäftigt weltweit über 2.500 Mitarbeiter, bei German Naval Yards sind von insgesamt 950 Mitarbeitern 450 in der Wehrtechnik beschäftigt. Neben der Mitarbeit am Bau der fünf neuen deutschen Korvetten baut GNYK derzeit unter Führung von Thyssenkrupp Marine Systems vier Korvetten für die isra- elische Marine. German Naval Yards hat als Generalunternehmer in Zusammenarbeit mit Thyssenkrupp Marine Systems ein fina- les Angebot für Entwicklung, Konstruktion und Bau des deutschen Mehrzweckkampf- schiffes 180 abgegeben. Die Werft Abeking & Rasmussen ent- wickelt und fertigt in Lemwerder mit 440 Beschäftigten im Geschäftsfeld Marine MarineForum 1/2-2020 n e s s r ü L : o t o F z t i N l e a h c i Seit 2013 gehört die Wolgaster Peene-Werft zur Unternehmensgruppe Fr. Lürssen M : o t o F Jüngstes Produkt von German Naval Yards ist die israelischen Korvette INS MAGEN Minensuch- und Minenjagdboote sowie Patrouillenboote. Die Werft Fr. Fassmer hat Spezialplatt- formen zur Integration flexibler Kriegs- führungs- und Überwachungssysteme entwickelt, die auf einem modularen De- signkonzept basieren. Zu ihnen gehören die 1.850 Tonnen verdrängenden Hochsee-Pa- trouillenfahrzeuge der Klasse OPV 80. Fass- mer beschäftigt nach eigenen Angaben 1.500 Mitarbeiter weltweit. Die Zulieferindustrie Der deutsche Marineschiffbau verfügt über eine breit aufgestellte, leistungsfä- hige und mittelständisch geprägte Zulie- ferindustrie, die sich bei den deutschen Werften und im Ausland erfolgreich posi- tionieren konnte. Zum Produktspektrum von Atlas Elek- tronik gehören Sonare und Sensoren, Führungssysteme für U-Boote und Über- wasserschiffe, Minenabwehrsysteme, unbemannte Unterwasserfahrzeuge, Funk- und Kommunikationsanlagen, Ma- rinewaffen sowie Küstenschutzsysteme. Im Oktober 2017 haben Thyssenkrupp Marine Systems und Atlas Elektronik mit dem norwegischen Unternehmen Kongs- berg in Hinblick auf das anstehende deutsch-norwegische Programm über den Bau von sechs U-Booten der Klasse 212CD das 50/50-Joint Venture Kta Naval Systems gegründet. Es soll exklusiver Zulieferer von Führungs- und Waffeneinsatzsystemen für Thyssenkrupp Marine Systems werden. Gabler Maschinenbau ist ein führender Anbieter von Ausfahrgeräten, Sonderein- richtungen und weiteren Komponenten für U-Boote. Hagenuk Marinekommunikation, eine selbstständige Tochtergesellschaft der Atlas-Elektronik-Gruppe, ist in Europa der Marktführer für integrierte U-Boot-Kom- munikationssysteme und weltweit einer der führenden Hersteller von integrierten Funkfernmeldeanlagen. Im Rahmen der strategischen Neu- ausrichtung und Konzentration auf die Luft- und Raumfahrt hat sich die Airbus Group von umfangreichen Teilen der Ver- teidigungselektronik getrennt. Aus ihnen entstand 2017 das neue Wehrtechnik- 11

2015 hat die finnische Wärtsilä die Firma L-3 Elac Nautik übernommen. Wärtsilä Elac Nautik ist ein Marktführer auf dem Gebiet der Hydroakustik mit den Innovationsberei- chen digitale Unterwasserkommunikation und Einführung der offenen Systemarchi- tektur für U-Boot-Sonare. Kapazitäten und Perspektiven in Europa Der Marineschiffbau ist in Europa im Ge- gensatz zur Luft- und Raumfahrt immer noch stark fragmentiert. Insbesondere in Frankreich, Großbritannien, Italien, Schwe- den und in Spanien sind weiterhin beträcht- liche Kapazitäten zu verzeichnen, die von der nationalen Industriepolitik und Export- erfolgen getragen werden. Grenzüberschreitende Rüstungspro- gramme sind im Marineschiffbau noch sel- ten. So sind die französisch-italienischen FREMM-Fregatten und das Logistic Support Ship (LSS) die einzigen bilateralen Marine- schiffbauvorhaben von 13 von der OCCAR gemanagten europäischen Programmen. Die seit Jahrzehnten immer wieder auf- kommende Diskussion, analog zur euro- päischen Luft- und Raumfahrtindustrie ei- ne „Marine-EADS“ oder „Marine-Airbus“ zu schaffen, wurde bis heute nicht realisiert. Mit dem Erwerb der schwedischen Werft Kockums im Jahr 1999 und der Übernahme der griechischen Hellenic Shipyards im Jahr 2002 durch Thyssenkrupp und ihre Integ- ration bei HDW war erstmalig ein europäi- scher Werftenverbund entstanden. Damit wurde verstärkt die Gründung eines europä- ischen Marineverbundes propagiert und im Geschäftsbericht von HDW 1998/1999 „als eine frühzeitige Ausrichtung auf einen euro- päischen Markt“ angekündigt. Diese Strate- gie war jedoch nicht erfolgreich. Und auch die „Gemeinsame Erklärung des Bundeskanz- lers Gerhard Schröder mit Unternehmen des deutschen Marineschiffbaus vom 28. Okto- ber 2000“, die strategische Allianz von Bab- cock Borsig und Thyssen Krupp Industries „als entscheidendes Element für die Restrukturie- rung der europäischen Rüstungsindustrien“ anzusehen, war nicht zielführend. 2003 sprach sich der damalige Vor- standsvorsitzende der französischen Werf- tengruppe Direction des Constructions Navales (DCN), der heutigen Naval Group, Jean-Marie Poimboeuf, für eine „EADS der Meere“ aus. 2005 listete die Zeitschrift De- fense News unter der Überschrift „Euro- pean Shipyards Unlikely to Consolidate“ die fünf größten europäischen Unterneh- men im Marineschiffbau auf: BAE Sys- tems, DCN, Fincantieri, Navantia, Thales und ThyssenKrupp Marine Systems. Auch heute noch bestehen die eigenständigen Werften in diesen Unternehmen. Zugleich MarineForum 1/2-2020 i e z i l o p s e d n u B : o t o F Das erste neue Einsatzschiff der Bundespolizei entstand auf der Fassmer-Werft in Berne i l a v a N i m e t s i S e t n o z z i r O : o t o F Die Italienische Fregatte CARLO BERGAMINI ist eine von zehn italienischen Einheiten der FREMM-Klasse unternehmen Hensoldt mit rund 4.000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro. 24 Prozent des Umsatzes macht Hensoldt im maritimen Segment, zu dem Radare, optronische Sys- teme, Periskope sowie elektronische und Datenübertragungssysteme gehören. So sind die U-Boote der Klasse 212A, die Kor- vetten der Klasse K 130 und die Fregatten der Klasse 125 mit Produkten von Hensoldt ausgerüstet. Raytheon Anschütz, ein Tochterunter- nehmen von Raytheon, ist weltweit einer der führenden Hersteller von integrierten Brückensystemen und nautischen Gerä- ten. Strategisch hat das Unternehmen den Wandel vom reinen Komponenten- zum Systemlieferanten vollzogen, sodass heute zunehmend integrierte Navigations- und Brückensysteme geliefert werden. Renk ist ein führender Getriebeherstel- ler, der Schiffe von 35 Marinen weltweit ausgerüstet hat, darunter die Fregatten der Klasse 125 und die Korvetten der Klas- se 130. Der Technologiekonzern Rohde & Schwarz (R&S) hat 2018 mit 11.500 Beschäftigten 12 gut zwei Milliarden Euro umgesetzt. Er lie- fert Produkte der Kommunikations-, Infor- mations- und Sicherheitstechnik für die Ma- rine. Die R&S Marinesysteme GmbH wurde mit dem Ziel gegründet, die Entwicklungs- aktivitäten am Standort Kiel auf das natio- nale und internationale Marinegeschäft zu konzentrieren. Rolls-Royce Power Systems liefert Diesel- motoren für Marineschiffe. Die U-Boote der Klasse 212A, die Korvetten der Klasse 130 und die Fregatten der Klasse 125 sind mit Rolls-Royce Dieselmotoren der Marke MTU ausgerüstet. Siemens baut Antriebe, Schaltanlagen und Automatisierungssysteme für Mari- neschiffe. Bedeutende laufende Projekte sind die U-Boote der Klassen 212A und 214 sowie die Fregatten der Klasse 125. Die Sie- mens Permasyn-Antriebsmotoren und die Brennstoffzellen sind Kernkomponenten der außenluftunabhängigen U-Boote. Thales Deutschland hat 2018 seine Na- val-Organisation neu ausgerichtet und die Standorte Wilhelmshaven und Kiel in einer neuen, standortübergreifenden Einheit zu- sammengeführt.

Europäische Fregattenprogramme Land Deutschland Programm F 125 Umfang 4 Fregatten, Bauvertrag: 2007 Dänemark IVER-HUITFELDT- Klasse Frankreich FREMM Großbritan- nien FTI (Frégate de Taille Intermé- diaire) TYPE 26 TYPE 31E Italien FREMM Niederlande Norwegen DE-ZEVEN-PRO- VINCIËN-Klasse FRIDTJOF- NANSEN-Klasse Spanien F-110 3 Fregatten, Auftrag 2006, Indienst- stellung 2011 8 Fregatten, Lieferung bis 2022 5 Fregatten, 1. Schiff 2023 3 (1. Los) von 8 Fregatten, Vertrag 2. Juli 2017 5 Fregatten (1. Los) Lieferung 1. Schiff 2023 5. Schiff 2028 10 Fregatten, Lieferung 2012–2020 4 Fregatten Indienststellung 2002–2005 5 Fregatten, Vertrag 2000, Indienst- stellung 2006–2011 5 Fregatten, Vertrag 23. April 2019 Auftragnehmer ARGE F 125 (Thyssen- krupp Marine Systems, Fr. Lürssen) Odense Staalskibs- værft, (2012 geschlossen) Armaris (Naval Group, Thales) Naval Group BAE Systems Babcock von drei Kan- didaten für Design- Phase am 12. Septem- ber 2019 ausgewählt OSN (Fincantieri, Leo- nardo) Damen Schelde Naval Shipbuilding Navantia Navantia verdeutlichen die aktuellen großen europä- ischen Fregattenprogramme beispielhaft die starke nationale Ausrichtung und Frag- mentierung im Marineschiffbau. Frankreich verfügt über eine leistungs- fähige, mit starker politischer Unterstüt- zung international erfolgreich operieren- de Marineindustrie. Die Naval Group ist ein in Europa führendes Unternehmen im Marineschiffbau, das 2018 mit 14.800 Be- schäftigten einen Umsatz in Höhe von 3,6 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Dem französischen Staat gehören 62,25 Prozent, Thales 35 Prozent des Unternehmens. 2002 hat die Naval Group mit Thales das Konsortium Armaris gegründet. Zu den be- deutenden Programmen zählen das Fre- gattenprojekt FREMM, der Bau von Atom- U-Booten für die französische Marine und von konventionellen U-Booten für auslän- dische Marinen. Am 14. Juni 2019 haben die Naval Group und Fincantieri eine Zusammenarbeitsver- einbarung unterzeichnet mit dem Ziel, bis Ende des Jahres ein Joint Venture mit Sitz in Genua für das Projekt Poseidon zu gründen. Damit soll die „Zusammenarbeit im Mari- neschiffbau verstärkt und eine effiziente- re und wettbewerbsfähigere europäische Schiffbauindustrie geschaffen“ werden. 2017 hat die italienische Werft Fincan- tieri 50 Prozent der Anteile an den franzö- sischen STX-Werften übernommen und führt diese unter dem alten Namen Chan- Partnerschaften neu denken – Partnerschaften Partnerschaften neu denken – neu denken – Kooperationen leben Kooperationen Kooperationen leben leben www.germannaval.com

tiers de l´Atlantique weiter. Der französi- sche Staat bleibt mit 34,3 Prozent betei- ligt. Chantiers de l’Altantique und die Naval Group haben gemeinsam die MISTRAL- Klasse, einen Hubschrauberträger (Landing Helicopter Dock and Command Vessel) ent- wickelt. Chantiers de l’Altantique baute drei Schiffe dieses Typs für die französischen Ma- rine. pledore 2019 geschlossen. Auf der Grundla- ge der National Shipbuilding Strategy vom 6. September 2017 wird im Zusammenhang mit den geplanten Beschaffungsprogram- men der Royal Navy die zukünftige Ausrich- tung des britischen Marineschiffbaus festge- legt. Diese hat das Ziel, mit britischem Design unter Einbindung ausländischer Partner die Schiffe in Großbritannien zu bauen und die s m e t s y S E A B : k i f a r G Das Global Combat Ship von BAE Systems wird die Fregatten TYPE 23 ersetzen Die Werft Constructions Mécaniques de Normandie (CMN) gehört seit 1992 zur Priv- invest-Gruppe. Die Italienische Werft Fincantieri ist die größte Marinewerft in Europa. Zum breiten Produktprogramm zählen Flugzeugträger, Fregatten, Korvetten, Offshore Patrol Vessels (OPVs) und U-Boote. Der italienische Staat ist mit 71,6 Prozent direkt an dem Unternehmen beteiligt. Seit 2014 kooperiert Fincantieri mit Leonardo, mit 46.262 Beschäftigten und ei- nem Umsatz von 12,2 Milliarden Euro Itali- ens größter Rüstungskonzern und Nummer 13 weltweit. Ziel ist es, im Marineschiffbau die Kompetenzen zu bündeln und Märkte zu erschließen. Zu diesem Zweck haben beide Unternehmen als Systemintegrator das Joint Venture Orizzonte Sistemi Navali (OSN) ge- gründet, an dem Fincantieri 51 Prozent und Leonardo 49 Prozent halten. Neben der starken Ausrichtung der italieni- schen Marineindustrie im Überwasserbereich nach Frankreich bestehen weiterhin enge Be- ziehungen im U-Bootbau mit Deutschland. Italien beabsichtigt, die 1996 begonnene deutsch-italienische Zusammenarbeit bei den U-Booten der Klasse 212A fortzusetzen und hat für die geplante Beschaffung von weiteren vier U-Booten dieser Klasse am 10. März 2017 ein regierungsseitiges Memoran- dum of Understanding mit Deutschland ge- schlossen. Der britische Marineschiffbau wurde in den letzten Jahren tiefgreifend umstrukturiert. So wurde Vosper Thornycroft 2011 von BAE Sys- tems Maritime übernommen und die 2007 von Babcock übernommene Werft DML Ap- 14 britische Industrie bei ihren Exportbemühun- gen durch die Regierung zu unterstützen. Dies geschah erfolgreich beim australischen HUN- TER Class Frigate Program (neun Fregatten) und im Canadian Medium Service Combatant (bis zu 15 Schiffe, die auf dem TYPE 26 Global Combat Ship basieren). Diese regierungsseitige Strategie ist eng verknüpft mit den großen Marineprogram- men der Royal Navy, wie die Fregatte TYPE 31E, auch bekannt als General Purpose Frigate, die Fregatte TYPE26, das Atom-U-Boot-Pro- gramm ASTUTE und die Flugzeugträger der QUEEN-ELIZABETH-Klasse. BAE Systems ist das größte europäische Rüs- tungsunternehmen und Nummer sieben welt- weit. 16.000 Mitarbeiter sind im Bereich Ma- ritime beschäftigt, der 2018 2,98 Milliarden Pfund Umsatz gemacht hat. Die beiden bri- tischen Flugzeugträger der QUEEN-ELIZABETH- Klasse, die Fregatten TYPE 26 und die U-Boo- te der ASTUTE-Klasse tragen entscheidend zur Auslastung der maritimen Kapazitäten bei. Babcock International Group ist das zweit- größte Wehrtechnik-Unternehmen in Groß- britannien und maßgeblich an den großen Marineprogrammen der Royal Navy betei- ligt. Im Marinesektor belief sich der Umsatz auf 1,7 Milliarden Pfund. Am 12. September 2019 wurde Babcock mit dem modifizierten Design der dänischen IVER-HUITFELDT-Fregatte als Auftragnehmer für die General Purpose Frigate ausgewählt. Damit entsteht in Groß- britannien neben BAE Systems eine zweite Marineschiffbauwerft. Das Brücken- und Navigationssystem soll Raytheon Anschütz liefern. Das niederländische Familienunternehmen Damen Schelde Naval Shipbuilding, das 2018 mit 12.000 Beschäftigten, davon 3.500 in den Niederlanden, zwei Milliarden Euro umge- setzt hat, verfügt über ein breites Marine- schiffbauprogramm. Damen hat ein finales Angebot für die Beschaffung des deutschen MKS 180 abgegeben und beabsichtigt, das Schiff bei der Lürssen-Tochter Blohm+Voss in Hamburg bauen zu lassen. Saab Kockums beschäftigt rund 1.200 Mitarbeiter. Zum Produktspektrum zählen Überwasserschiffe, die derzeit in der Ent- wicklung befindlichen schwedischen U- Boote der Klasse A26 und sonstige Mari- nesysteme. Die regierungseigene spanische Werft Na- vantia verfügt mit rund 5.000 Beschäftig- ten über ein breites Produktspektrum, das von Flugzeugträgern über Fregatten bis zu U-Booten reicht. Navantia hat mit der fran- zösischen Naval Group das U-Boot SCORPÉNE entwickelt, das erfolgreich im Ausland ver- marktet wurde, aber weder in Spanien noch in Frankreich eingeführt wurde. Die Werft baut derzeit vier U-Boote der Klasse S-80 für die spanische Marine. Politischer Handlungsbedarf Die Entwicklung der letzten drei Jahrzehn- te verdeutlicht, dass die Konsolidierung des europäischen Marineschiffbaus durch eine verstärkt national ausgerichtete Industrie- politik und die staatlich massiv geförderte Rüstungsexportpolitik zahlreicher Länder in weite Ferne gerückt ist. So besteht weiterhin erheblicher politi- scher Handlungsbedarf hinsichtlich einer verstärkten Initiierung von europäischen Gemeinschaftsprojekten, europaweit ver- einheitlichter Verfahren bei der Entwicklung und Beschaffung von militärischer Ausrüs- tung, der Gestaltung des Wettbewerbs in der Europäischen Union unter gleichen Be- dingungen (Level Playing Field), der Harmo- nisierung der europäischen Rüstungsexport- bestimmungen und der Abschaffung der in vielen Ländern vorhandenen protektio- nistischen und wettbewerbsverzerrenden Offset-Gesetze, die eine Kompensation bei Rüstungsgeschäften erfordern. Durch diese industriepolitischen Maßnah- men ist der Marineschiffbau in Deutschland in der Lage, sich den internationalen Heraus- forderungen weiterhin erfolgreich zu stellen. Mit seinen innovativen Produkten, seiner Kompetenz und Flexibilität wird er ein stra- tegischer Partner für die Bundeswehr und für die verbündeten Streitkräfte sowie für die L ausländische Marineindustrie bleiben. Major d.R. Dieter Hanel, ist Vorsitzender des Arbeitskreises Wehrtechnik beim Unterneh- mensverband in Schleswig-Holstein. MarineForum 1/2-2020

i g n e o B : k i f a r G Die U-Jagd der Deutschen Marine Vision 2035+ Patrick Domagalski Die U-Jagd zeichnete sich schon immer als ein höchst anspruchsvolles Teilge- biet der mehrdimensionalen Seekriegsfüh- rung der Deutsche Marine aus und hat in ihrer Komplexität nicht abgenommen. Ganz im Gegenteil sieht sich die U-Jagd heute mit modernsten U-Booten konfrontiert und oftmals in eine reaktive Rolle gedrängt, da die Initiative und der Überraschungseffekt auf Seite der U-Boote liegen. Dies gilt es zu unterbinden und überdies die U-Boote in eine reaktive Rolle zu drängen und unter Druck zu setzen. Denn nur dann ist eine U-Jagd effektiv, stellt die eigene Auftragser- füllung sicher und schützt nicht zuletzt die eigenen Einheiten mit ihren Besatzungen in den verschiedensten U-Jagd-Szenaren. Zu den klassischen Szenarien gehört der Schutz einer Versorgungseinheit auf dem Transit gegen eine Unterwasserbedrohung oder aber das Überwachen eines klar defi- nierten Operationsgebietes. Gegnerische U-Boote sollen dabei ferngehalten werden, um eigenen Einheiten die uneingeschränkte Durchführung eines Auftrages im Seegebiet zu ermöglichen. Das U-Boot als Gegner Die fortschreitende U-Boot-Technologie machte ein Umdenken in der U-Jagd er- forderlich, da die reaktive Rolle der U-Jäger immer mehr zunahm und eine effektive MarineForum 1/2-2020 U-Jagd zunehmend schwieriger zu errei- chen war. Moderne U-Boote haben in Be- zug auf Reichweite, Tauchdauer und -tiefe, Antriebstechnik, Geräuschsignatur, Senso- rik und Bewaffnung ihren technologischen Vorsprung und somit ihre gesamte Leis- tungsfähigkeit sukzessive ausgebaut. Ein gegnerisches U-Boot stellt daher eine enor- me Bedrohung dar. Es bedarf einer Vielzahl von modernen Sensoren auf verschiede- nen Plattformen, um das U-Boot sicher zu detektieren und den Kontakt über einen längeren Zeitraum zu halten. Dabei ist zu- nächst ein Unterwasserlagebild zu erstellen mit dem Ziel, das U-Boot letztendlich auch verzugslos bekämpfen zu können. Für diese Aufgabe stehen der Deutschen Marine in der U-Jagd zwar bereits heu- te Kräfte und Mittel zur Verfügung, die mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten eine grundlegende U-Jagd ermöglichen. Voraussichtlich wird dieses Portfolio je- doch erst mit der Einführung des Mehr- zweckkampfschiffes 180 und den dabei in Planung befindlichen modernsten Or- tungsmethoden und -verfahren zu einer effektiven und bedrohungsangepassten U-Jagd vervollständigt. Diese Zäsur in der U-Jagd im Allgemei- nen und für die Deutsche Marine im Be- sonderen gilt es in den nächsten Jahren sukzessive und kontinuierlich zu gestalten. Die klassische U-Jagd aus Zeiten des Kal- Orca, ein Extra Large Unmanned Undersea Vehicle (XL UUV) von Boeing ten Krieges muss weiter überwinden wer- den. Erforderlich sind neue Überlegungen hinsichtlich einsetzbarer Technologien und Taktiken, welche die U-Jagd zweifelsohne nachhaltig prägen werden. Grundsätzlich gestaltet sich eine U-Jagd nicht durch den Einsatz einer einzelnen Fä- higkeit im Operationsgebiet, wie beispiels- weise eine Fregatte mit einem Bugsonar und Leichtgewichtstorpedos, sondern im Verbund mit anderen Seekriegsmitteln, wie Bordhubschraubern, maritimen Auf- klärungsflugzeugen und U-Booten. Dabei werden die Stärken jeder einzelnen Platt- form hinsichtlich Sensoren und Effekto- ren genutzt, um maximale Effektivität und Durchhaltefähigkeit in der ASW im Opera- tionsgebiet zu erzielen. Fregatte Alle Fregatten der Klassen 122, 123 und 124 der Deutschen Marine sind mit einem mit- telfrequenten Bugsonar ausgestattet, wel- ches zur Detektion, Lokalisierung und Verfol- gung von U-Booten im Nahbereich geeignet ist. Diesen Bugsonaranlagen sind hinsichtlich der Detektionsreichweiten Grenzen gesetzt, die sich aus den physikalischen Eigenschaf- ten eines fest verbauten Bugsonars und den Schallausbreitungsbedingungen ergeben, die je nach Seegebiet und Jahreszeit in der Was- sersäule unterschiedlich vorzufinden sind. 15

r e z t l e P e u J / r h e w l s e d n u B : o t o F i k n h c e t e n i r a M G T M : k i f a r G Torpedoschuss der Fregatte LÜBECK Zur Bekämpfung von U-Booten steht der Leichtgewichtstorpedo MU90 zur Verfü- gung. Dieser ist aus den parallelen Entwick- lungen des Murène von Thomson Sintra (Frankreich) und des AS 290 von Whitehead Alenia Sistemi Subacquei in den Achtziger- jahren entstanden. Die heutige Typbezeich- nung ist daher eine Kombination aus den beiden Projekten. Der Torpedo wird seit den Neunzigerjahren von der Firma Euro- torp vermarktet und zählt gegenwärtig zu den schlagkräftigsten Leichtgewichtstor- pedos der NATO. Er ist störresistent, besitzt eine hohe Reichweite und kann mit einem elektrischen Pump-Jet-Antrieb ein gegneri- sches U-Boot deutlich leiser angreifen als andere Torpedos. Darüber hinaus besitzt er die Fähigkeit, U-Boote mit einer Doppelhülle zu durchdringen. Neben dem Verschuss des Torpedos von Überwassereinheiten kann er ebenso von den Bordhubschraubern des Typs Mk 88 A Sea Lynx eingesetzt werden. Bordhubschrauber Dabei verfügen die Bordhubschrauber nicht nur über die Fähigkeit, den Torpedo MU90 auf größere Reichweite vom Schiff zu verbrin- gen, sondern sind mit ihrem tiefenvariablen Dipping-Sonar in der Lage, auch U-Boote zu detektieren, die sich Schallanomalien zu Nut- ze machen. Dies auch auf signifikant größe- re Reichweiten und unterschiedliche Tiefen, als es mit einer Bugsonaranlage im mittel- frequenten Bereich physikalisch möglich ist. Zusätzlich zeichnet sich der Bordhubschrau- ber dadurch aus, dass er zügig sein Einsatzge- biet verlagern kann. Der entstehende Überra- schungseffekt kann die Initiative zu Gunsten des U-Jägers verlagern. Einschränkungen un- terliegt der Bordhubschrauber jedoch durch seine begrenzte Stehzeit, was weitere flie- gende Kräfte in der ASW erforderlich macht. 16 a p r a D : o t o F Zukünftiges Mehrzweckkampfschiff 180 Anti-Submarine Warfare Continuous Trail Unmanned Vessel (ACTUV) der Darpa Seefernaufklärer Mit dem Seefernaufklärer P-3C Orion steht der Deutschen Marine in der U-Jagd ein Mit- tel zur Verfügung, welches die Fähigkeiten von Fregatten und Bordhubschraubern hin- sichtlich Sensoren und Effektoren hervorra- gend ergänzt. Die P-3C verfügt grundsätzlich über eine deutlich größere Stehzeit im Ope- rationsgebiet und ist in der Lage, mit einer Vielzahl von Sonobojen ein weitreichendes Unterwasserlagebild zu erstellen. Darüber hinaus kann als weiterer Sensor zur Detek- tion von U-Booten auch noch ein „Magneti- scher-Anomalie-Detektor“ genutzt werden. Durch die mitgeführten Leichtgewichtstor- pedos ist die P-3C in der Lage, gegnerische U-Boote, die im und durch den Verbund de- tektiert wurden, zügig und auch auf größe- re Entfernungen zu bekämpfen. Durch den Sensormix ergibt sich im Verbandsrahmen eine deutlich bessere Möglichkeit zum Lage- bildaufbau. In Kombination mit der größe- ren Bekämpfungsreichweite wird die Initia- tive somit weiter zu Gunsten des U-Jägers verschoben und die Durchsetzung des ei- genen Auftrages im Operationsgebiet po- sitiv beeinflusst. U-Boot Die U-Boote der Klasse 212A verfügen über eine Vielzahl von aufeinander abgestimm- ten Sensoren, die in ihren unterschiedlichen Frequenzbereichen für den Einsatz unter Wasser optimiert wurden. Der Reichwei- tenvorteil der Sensoren wurde dabei kon- sequent weiterentwickelt und versetzt das U-Boot in die Lage, ein großräumiges Unter- wasserlagebild zu erstellen und Ziele zu er- mitteln. Die mitgeführten Schwergewichts- torpedos ermöglichen die Bekämpfung von gegnerischen Zielen auf große Distanz, um die eigene Position nicht zu verraten, initi- MarineForum 1/2-2020

letztendlich verantwortlich für den Ein- satz aller ASW-Kräfte ist, die ihm für die U-Jagd im Operationsgebiet zugeordnet wurden, liegt es an ihm, die Fähigkeiten des ASW-Portfolios der Deutschen Marine zu verinnerlichen. Die jeweiligen Einsatz- grundsätze und -verfahren sowie Ansätze moderner Taktiken hat er zu beherrschen und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln in See zielführend umzusetzen. Die Komplexität von ASW-Szenarien so- wie die Anforderungen an einen ASWC wer- den zukünftig noch deutlich anwachsen. Zu berücksichtigen sind die Vielzahl moderner Ortungsmethoden und -verfahren sowie neuartige Taktiken, welche ein intensives Zusammenspiel aller beteiligten Akteure in der U-Jagd erforderlich machen. Auch wer- den neue Akteure Teil des modernen Unter- wassergefechtsfeldes, die bislang in der U- Jagd noch keine wesentliche Rolle gespielt haben. Hier seien insbesondere autonome Systeme genannt. Vision 2035+ Zweifellos werden autonome Systeme das Portfolio an Fähigkeiten für die U-Jagd wei- ter ergänzen, wenn nicht sogar maßgeb- lich verändern oder sogar revolutionieren. Schon jetzt sind autonome Systeme am Markt verfügbar oder befinden sich in Pla- nung. Beispielhaft genannt seien hier das Unmanned Surface Vehicle (USV) Seagull von Elbit Systems mit Sensoren und Effek- toren für die U-Jagd und das Extra-large Unmanned Undersea Vehicle (UUV) Orca von Boeing Defense, ebenfalls geplant mit Sensoren und weitreichenden Effektoren gegen U-Boote und Schiffe. Herausragend ist auch das Anti-Submarine Warfare Con- tinuous Trail Unmanned Vessel (ACTUV), ein Gemeinschaftsprojekt von US Navy und Defense Advanced Research Projects Agen- cy (DARPA) zur monatelangen Verfolgung von U-Booten über mehrere tausend See- meilen – und das völlig autonom. Die Beschaffung solch neuartiger Sys- teme könnte auch das ASW-Portfolio der Deutschen Marine umfassend erweitern und die zweite Zäsur nach dem Kalten Krieg darstellen. Autonome UUV, USV und ACTUV bieten sich insbesondere an, um in einem klar definierten Operationsgebiet frühzeitig ein umfassendes Unterwasser- lagebild zu erstellen. Dadurch eröffnet sich für den ASWC die Möglichkeit, Handlungs- optionen präzise zu erarbeiten oder auch anzupassen, um die Initiative zu erlangen oder zu behalten. Dabei gilt es eine Vielzahl von Herausfor- derungen zu beachten, welche die auto- nomen Systeme mit sich bringen werden: X Wie viele USV/UUV/ACTUV werden für die ASW-Operation benötigt? X Welche USV/UUV /ACTUV verfügen über welche Art von Sensoren und Effekto- ren? X Welche Plattform soll/kann ein USV/ UUV mitführen? X Wie viele USV/UUV können pro Platt- form mitgeführt werden? X Wie werden die USV/UUV/ACTUV im Operationsgebiet eingesetzt? X Wie durchhaltefähig sind die autono- men Systeme? X Wie beeinflussen Umweltbedingungen den Einsatz der USV/UUV/ACTUV? X Wie wird ein Mix von bemannten Platt- formen und USV/UUV/ACTUV organi- siert? X Welche Anforderungen bestehen an einen Informations- und Kommunika- tionsverbund? X Wie wird der Waffeneinsatz koordiniert? X Wie gestaltet sich das sogenannte Wa- terspace Management, um eigene be- mannte Plattformen und USV/UUV/ ACTUV nicht zu gefährden? X Wie werden UUV/USV/ACTUV vor geg- nerischen Plattformen geschützt? X Wie werden die UUV/USV/ACTUV vor Störmaßnahmen geschützt? Diese grundlegenden Überlegungen gilt es von der Deutschen Marine für bestehen- de und zukünftige Plattformen und ASW- Operationen zu berücksichtigen, um das Unterwassergefechtsfeld der Zukunft suk- zessive dominieren zu können. Hier werden bemannte Plattformen Seite an Seite mit unbemannten Systemen kämpfen. Mit der Überwindung der klassischen U- Jagd über moderne Ortungsmethoden und -verfahren hin zur teilautonomen ASW mit einem Mix von bemannten Plattformen und USV, UUV sowie ACTUV kann der Weg zu einer zukunftsorientierten U-Jagd be- schritten werden. Dies erfordert jedoch eine stringente Planung und Umsetzung über Jahre. Doch augenblicklich konzentriert sich die Deutsche Marine für die U-Jagd auf das Mehrzweckkampfschiff 180. Hiermit wer- den die U-Jäger erstmalig in die Lage ver- setzt, mit einem aktiven, tieffrequenten Schleppsonar von einer Kampfeinheit aus operieren zu können. Das MKS 180 wird da- mit zum Standard in der ASW und das Ker- nelement eines ASW-Verbandes darstel- len. Auf Grundlage der – auch an Bord des Wehrforschungsschiffs PLANET – gemach- ten Erfahrungen der letzten Dekade wer- den sich modernste Ortungsmethoden und -verfahren etablieren und der Weg bereitet, die Vision 2035+ fortzuschreiben und zu re- alisieren. L Korvettenkapitän Patrick Domagalski ist Dezernatsleiter Unterwasserseekrieg im Stab Einsatzflottille 2. 17 ativ zu handeln und im Rahmen des Ver- bundes unterstützend zu agieren. U-Boote der Klasse 212A ergänzen das ASW-Portfo- lio somit um einen verdeckt operierenden U-Jäger, der extrem leise ist und auch küs- tennah eingesetzt werden kann. Führung eines ASW-Verbandes Die Einsatzflottille 2 in Wilhelmshaven stellt mit ihren Fregatten als Führungs- plattform und den für die U-Jagd ausge- bildeten Soldaten das Kernelement eines ASW-Verbandes in See. Eine bedeutende Rolle wird dabei dem sogenannten Anti- Submarine Warfare Commander (ASWC) an Bord einer Fregatte zuteil, der für die komplexe Vorbereitung, Planung und letztendlich Durchführung einer ASW- Operation verantwortlich ist. Dies setzt ein tiefgehendes Wissen in der U-Jagd vo- raus, das einerseits grundlegend in der vor- bereitenden Ausbildung eines Operateurs vermittelt und anschließend in Taktikse- minaren der Einsatzflottille 2 weiter ge- schärft wird. Der letzte Feinschliff jedoch findet erst an Bord statt, da nur hier das erworbene theoretische Fachwissen im Rahmen von Übungen in die Praxis um- gesetzt werden kann. Hier werden wert- volle Erfahrungen gesammelt, die einen Operateur, der die fordernde Aufgabe ei- ner U-Jagd-Verbandsführung übernom- men hat, überhaupt erst befähigen, mit komplexen Situationen umgehen und die richtigen Entscheidungen in Stresssitua- tionen treffen zu können. Dieses konse- quente Sammeln von Erfahrungen in ASW- Übungen ist nicht nur unabdingbar für den potenziellen ASW-Verbandsführer, son- dern für jedes Mitglied der U-Jagd-Teams, um in einer realen ASW-Operation beste- hen und die Auftragserfüllung sicherzu- stellen zu können. Da jedoch der ASWC MarineForum 1/2-2020

Amtshilfe auf höchstem Niveau Nachlese zur gemeinsamen Übung von Polizei und Marine Lars Vergien und Ralf Kuchler I M Z P : s o t o F Mit einem kurzen „Zugriff“ läutete der Führer des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Niedersachsen die größte maritime Ter- rorismusabwehrübung im Nordverbund von Polizei und Marine ein. Auf seinen Befehl hin starteten 350 Polizisten und Soldaten an Land und auf See ihren Einsatz. Bei der Niedersäch- sischen Terrorismus-Abwehr Übung (NITEX) verhinderten die Männer und Frauen im Spät- sommer 2019 mit Hilfe von 27 Seefahrzeugen und vier Hubschraubern einen fiktiven terro- ristischen Anschlag auf das Hafengebiet von Wilhelmshaven. Gekapertes Frachtschiff Die Väter des Grundgesetzes haben einen möglichen Einsatz der Streitkräfte im Inne- ren aufgrund der geschichtlichen Ereignisse vor hohe Hürden gestellt. Mit der Grundsatz- entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Juli 2012 zum Luftsicherheitsgesetz wurde die Grundlage zum Einsatz von Streit- kräften bei sogenannten Terrorangriffen un- ter strengen Auflagen geschaffen. Entschei- dendes Kriterium ist „eine Ausnahmesituation katastrophischen Ausmaßes“ – wie in diesem fiktiven Fall ein unmittelbar bevorstehender Terrorangriff auf die Hafenanlagen. Unter dem verfassungsrechtlichen Einsatz nach Artikel 35 (2) GG konnte die Einsatzflottille 2 daher sowohl technisch-logistische Amtshil- fe zur Verfügung stellen als auch hoheitliche Aufgaben zur subsidiären Unterstützung wahrnehmen. 18 r h e w s e d n u B : s o t o F Zugriff der Einsatzkräfte auf die CAP SAN DIEGO Ende 2017 haben sich erstmalig Vertreter der Einsatzflottille 2 (EF 2) und der Polizeidirekti- on Oldenburg über eine mögliche gemeinsa- me Übung ausgetauscht. Im Schwerpunkt ging es zunächst um den Schutz der Hafenanlagen der 4. Einfahrt in Wilhelmshaven. Der Beweg- grund der EF 2 war einfach, aber notwendig: Wer schützt den offenen, größten Marineha- fen unseres Landes mit welchen Mitteln und welche Rolle spielen die einzelnen Akteure? Nach Schaffung der verfassungskonformen Grundlagen begann eine mehr als zwölf Mo- nate dauernde Planungsphase unter Führung der Polizeidirektion Oldenburg, die dabei von der Marine unterstützt wurde. An der Übung beteiligt waren weiterhin die Wasserschutzpo- lizeiinspektion Oldenburg, der Nordverbund des Spezialeinsatzkommandos (SEK), die GSG 9, die Bundespolizei, die Niedersächsische Hafenbe- hörde, das Havariekommando und die Deut- sche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger. Mit 100 Spezialkräften der Polizei an Bord des EGV BONN startete die Übung schließlich am 21. August. Das Szenario sah vor, dass ein unter deutscher Flagge fahrendes Frachtschiff von Terroristen in der Tiefwasserreede Deutsche Bucht geka- pert wurde. Die Marine wurde aufgrund ihrer Fähigkeit zur Bereitstellung einer seegehenden logistischen Operationsbasis zur Bewältigung dieser Krisensituation um Unterstützung ge- beten. Neben einer seegehenden Einheit bat die Polizei auch um Unterstützung durch eine Luftkomponente. Für die Führung der Einsatz- flottille 2 war schnell klar, dass für dieses Szena- rio ein Einsatzgruppenversorger mit Bordhub- schrauber ideal ist. Daher wurde der EGV BONN als unterstützende Einheit verzugslos abgestellt. Der Bordhubschrauber vom Typ Sea King wurde durch das Marinefliegerkommando zur Verfü- gung gestellt, sodass die EF 2 die Einsatzbereit- schaft melden konnte. Durchführung Nach dem Auslaufen am Vorabend der Übung erfolgte über die Nacht die taktische Einsatzpla- nung an Bord und von Oldenburg aus. Die nau- tische Beratung auf See wurde durch das Bord- kommando sichergestellt. Szenarien wurden entwickelt und deren Durchführbarkeit in den vielbefahrenen und navigatorisch anspruchsvol- MarineForum 1/2-2020

len Revieren der Deutschen Bucht, der Tiefwas- serreede und den Zugängen zu Elbe, Weser und Jade bewertet. Mittels Stellproben wurden im Vorfeld die Vorgehensweisen an Bord von Schif- fen, das Ausbringen der Polizeikräfte in See sowie das Boarden geübt, sodass die Handgriffe saßen und das notwendige Vertrauen in Zusammen- arbeit und Kommunikation zwischen so unter- schiedlichen Kräften aufgebaut werden konnte. Am Morgen des 22. August staffelte die BONN zum verdächtigen Frachtschiff, das vom Tradi- tionsschiff CAP SAN DIEGO aus Hamburg darge- stellt wurde, heran und nach einer polizeilichen Bewertung wurde der Zugriff vorbereitet. Nach- dem die Polizeidirektion Oldenburg über das SEK-Verbindungselement den Befehl zum Zu- griff gegeben hatte, wurden von der BONN alle verfügbaren Mittel ausgesetzt und die Helikop- ter in eine Zwei-Minuten-Bereitschaft versetzt. In kürzester Zeit waren alle Wirkmittel auf See einsatzklar und das Zielschiff konnte durch das SEK und die GSG 9 zeitgleich von See und aus der Polizei stellte nach der Übung fest, dass ei- ne militärische Einheit mit Hubschrauberdeck, freien Oberdecksstellplätzen, Bordkränen mit Seegangsfolge, zahlreichen Aufenthaltsräu- men, Sanitätsbereich sowie einer umfangrei- chen Führungsfähigkeit ideal für diese Unter- stützung ist. Von und miteinander lernen Die Professionalität und das Engagement der Besatzung des EGV waren beeindruckend. An- fängliche Probleme bei Verfahren, Kommuni- kation und Befehlsgebung wurden zügig be- seitigt, sodass die Zusammenarbeit reibungslos verlief. Der Kommandant der BONN, Fregatten- kapitän Markus Gansow, zeigte sich im An- schluss an die Übung sehr zufrieden: „Man musste sich erstmal aneinander gewöhnen, allein die unterschiedlichen Begriffe für ein und dieselbe Sache waren zunächst zu entwirren. Die Besatzung hat die ungewohnte Situation te die EF 2 auch den Befehlshaber der Flotte und Unterstützungskräfte, Vizeadmiral Rainer Brink- mann sowie den Stellvertreter des Abteilungslei- ters Strategie und Einsatz im Bundesministeri- um der Verteidigung, Konteradmiral Kay-Achim Schönbach, begrüßen. Zusätzlich hatten 150 Gäste von Polizei und Bundeswehr die Mög- lichkeit, einen Teil der Übung via Livestream im Marinestützpunkt Wilhelmshaven zu verfolgen. Darunter waren zehn Polizeipräsidenten nord- deutscher Polizeidirektionen. Auch hier gab es nur überzeugte und zufriedene Gesichter. Die anwesenden Soldaten profitierten von einer rechtlichen Bewertung des Übungsszenarios. Der niedersächsische Innenminister zeigte sich beeindruckt von der professionellen Un- terstützung der Polizei durch die Marine. In der abschließenden Pressekonferenz bestätigte Pis- torius, was sich im Laufe des Tages allen Beob- achtern bereits gezeigt hatte: Die Zusammenar- beit zwischen Polizei und Marine auf taktischer Ebene funktioniert. Erinnerungsgabe nach erfolgreicher Übung Marine und Polizei arbeiten im Team der Luft geboardet werden. Fast Roping und das Aufentern per Lotsenleiter gehören in der Mari- ne zum Alltag der Spezialkräfte. Für die beteilig- ten Polizeibeamten war es jedoch eine seltene Gelegenheit, den Zugriff auf einem fahrenden, über 150 Meter langen Schiff mit hohem Frei- bord zu trainieren. Die Einsatzkräfte brachten innerhalb kürzes- ter Zeit das Schiff unter Kontrolle und verhin- derten damit einen terroristischen Anschlag in Wilhelmshaven. Nach Abschluss des Zugriffs verlegten der Einsatzgruppenversorger und das Zielschiff in Richtung der 4. Einfahrt, wo die Po- lizei nach Anlegen der CAP SAN DIEGO die Übung für weitere Beamte fortführte. Die Marine konnte bei NITEX zeigen, dass sie über die klassischen Aufgaben der Landes- und Bündnisverteidigung sowie die diversen Einsät- ze hinaus auch das Spektrum der Zusammenar- beit mit militärischen und polizeilichen Spezial- kräften auf See bedienen kann. Die Fähigkeiten der Einsatzgruppenversorger zur taktisch-logis- tischen Unterstützung sind auch für die Polizei- en der Länder einzigartig. Es wäre kein anderes Schiff kurzfristig in der Lage gewesen, die gro- ße Anzahl an Containern, Booten und anderen Verbringungsmitteln in der Kürze der Zeit auf- zunehmen und damit die Unterstützungsan- frage der Polizei zu erfüllen. Die Einsatzführung MarineForum 1/2-2020 professionell und mit Umsicht angenommen und zum Erfolg des polizeilichen Zugriffes bei- getragen. Gut gemacht.“ Für viele Protagonisten war es ein nicht all- täglicher Arbeitstag. Hauptbootsmann Müsker, Helikopter-Controller des EGV BONN leitete nicht nur den Sea King der Marine, sondern auch noch drei weitere Helikopter der Bundespolizei. Sein Fazit war kurz, aber prägnant: „Das sind genau die Momente, für die ich ausgebildet wurde.“ Die Rolle der BONN während der Übung konnte am ehesten mit der eines On-scene Comman- ders verglichen werden. Beeindruckt zeigte sich die Polizei von den operativen Möglichkeiten und der Vielseitigkeit des EGV: „Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir hier mit 80 Personen einsteigen und übernachten konnten, verpflegt wurden, die Dimension eines schwimmenden Lazaretts sehen konnten, das Management von 27 Seefahrzeugen miterlebt haben und uns schlussendlich hochprofessionell auf den Zugriff vorbereiten konnten.“ Hochrangige Gäste Krönender Abschluss der Übung war das Einlaufen in die 4. Einfahrt. Gleich neben dem EGV BONN machte das „Übungs-Ziel- schiff“, die CAP SAN DIEGO, fest. Auf polizeilicher wie militärischer Seite zeigte sich NITEX ebenenübergreifend als voller Erfolg. Die Einsatzflottille 2 konnte ihre Vielseitigkeit und Professionalität in ei- nem Bereich demonstrieren, der nicht zum originären Aufgabenspektrum zählt. Vielleicht beantwortet die Übung auch die Frage, ob Deutschland angesichts seiner fö- deralen Sicherheitsarchitektur die Sicherheit im Seeraum bei einem terroristischen Angriff überhaupt gewährleisten kann. Die Antwort nach NITEX lautet schlicht: ja, kann es. Für die Bürger unseres Landes ein wichtiges Zeichen. Zukünftig kann zwar nicht jedes Jahr eine solch umfangreiche Übung mit Polizei und EF 2 stattfinden. Gleichwohl wird die Zusammenar- beit auf Basis der Erfahrungen aus NITEX ver- tieft, standardisiert und damit nachhaltig im- plementiert. Die Einsatzflottille 2 wird diesen Weg engagiert weiterverfolgen. L Angesichts der Einmaligkeit und Bedeutung von NITEX war das Interesse hochrangiger Beobach- ter wenig verwunderlich. Neben dem nieder- sächsischen Innenminister Boris Pistorius konn- Fregattenkapitän Lars Vergien ist Kom- mandeur Marinestützpunkt Wilhelmsha- ven, Flottillenadmiral Ralf Kuchler Kom- mandeur Einsatzflottille 2. 19

Die nächste Generation der Luftverteidigung Erste Überlegungen zur Fregatte F 127 G T M : n e k i f a r G Andreas Uhl Der Deutschen Marine stehen seit 2004 drei Luftverteidigungsschif- fe der SachSen-Klasse zur Verfügung. Mit dem geplanten Ende der Nutzungsdauer dieser drei Schiffe entsteht ab Mitte der 2030er-Jahre eine Fähigkeitslücke in der ma- ritimen Luftverteidigung für die Bereiche Verbandsflugabwehr und Gebietsschutz. Diese Fähigkeitslücke soll durch die „Next Generation Frigate“ zur Umsetzung der durch Deutschland akzeptierten NATO- Planungsziele geschlossen werden. Diese auch als F 127 bezeichneten Schiffe eröff- nen zusätzlich Optionen zur Abdeckung weiterer NATO-Forderungen im Bereich der seegestützten Abwehr ballistischer und hypersonischer Flugkörper. Anders als in der Vergangenheit wurde die Bedarfsforderung zum Fähigkeitspro- fil F 127 nicht über eine Initiative aus der Marine heraus, sondern in einem neuen Top-down-Verfahren „Grobanalyse und Vorhabenskizze“ aus der Planungsabtei- lung des Bundesministeriums der Vertei- digung direkt initiiert. Dies ist auch Aus- druck der großen Bedeutung der F 127 auf ministerieller Ebene zur Erfüllung diverser nationaler und NATO-Planungsziele. Es ist außerdem Garant für einen deutlich zügi- geren Einstieg in die Planungsphasen für Rüstungsprojekte. Dem dazu unter Feder- 20 führung des Planungsamtes aufgesetzten Integrierten Projektteam (IPT) gehören von vornherein alle relevanten Dienststellen an (PlgABw, BAAINBw, CIR, MarKdo, BAIUDBw etc.). Eine enge Abstimmung findet also von Anfang an – und nicht erst nach Fertig- stellen der Initiative – statt. So lassen sich nicht nur ein bis eineinhalb Jahre in der Vor- analyse einsparen, sondern es kann von Be- ginn an ein größtmöglicher Konsens über alle Ämterebenen sichergestellt werden. Die Fregatte 127 soll dazu beitragen, die durch die Marine bereitzustellenden Fähig- keiten nach Außerdienststellung der F 124 zu erhalten und im Bereich der Abwehr bal- listischer Flugkörper (Ballistic Missile De- fence, BMD) zu vervollständigen. Mit der F 127 wird die Marine langfristig über ein weltweit einsetzbares Waffensystem ver- fügen, dessen Hauptauftrag im Schutz ei- nes Einsatzverbandes oder eines Gebietes gegen das gesamte Spektrum der Bedro- hung aus der Luft besteht. Die F 127 ope- riert künftig in einem Sensor-Wirkverbund mit anderen see-, luft-, raum- und boden- gestützten Systemen der integrierten Luft- verteidigung. Zusätzlich soll nun in der Analysephase untersucht und festgelegt werden, inwieweit diese künftigen Schiffe einen Beitrag zur territorialen Flugkörper- abwehr im Rahmen des Heimatschutzes und der Landesverteidigung, aber auch zur NATO Ballistic Missile Defence im Rahmen der Bündnisverteidigung leisten können. Als erste Schiffsklasse seit der F 124 soll eine speziell nach den Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung kon- zipierte Fregatte über Fähigkeiten zum Über- und Unterwasserseekrieg, zum Wir- ken auch im Cyber- und Informationsraum und für Einsatzaufgaben im Rahmen des internationalen Krisenmanagements und des nationalen Krisen- und Risikomanage- ments verfügen. F 127 wird als durchset- zungsfähiges Seekriegsmittel konzipiert. Das Schiff soll sich flexibel auch auf die heute noch nicht absehbaren Bedrohungs- potenziale bis weit über die Mitte des Jahr- hunderts wirtschaftlich vertretbar anpas- sen lassen. Sechs Schiffe sind gefordert Die nationale Ambition für die Klasse 127 geht von einer dauerhaften Einsatzbereit- schaft je eines dieser Schiffe in zwei Ein- satzverbänden aus. Diese Ambition liegt der jetzt vorgelegten Vorhabenskizze für insgesamt sechs Einheiten zugrunde. Die künftigen Schiffe sind somit nicht nur die Nachfolger der drei aktuellen Luftvertei- digungsfregatten, sondern auch Ausdruck MarineForum 1/2-2020

der Ernsthaftigkeit eines stärkeren deut- schen Engagements in der strategischen Sicherheitsvorsorge der NATO. Während die SachSen-Klasse nach 2025 mit einem neuen Radar die NATO-Forderung eines Sensorbeitrages zur Abwehr ballistischer Flugkörper abdeckt, soll F 127 die Mittel- fristforderung nach einem durchgängigen Abwehrsystem einschließlich Abfangflug- körper gegen ballistische Flugkörper er- füllen. Der Zulauf der neuen Luftvertei- digungsschiffe ist für 2032 vorgesehen. Diesem Plan steht derzeit allerdings der verspätete Zulauf der Mehrzweckkampf- schiffe MKS 180 entgegen. Senkrechtstartanlagen bestim- mend für das Schiffsdesign Bereits zehn Monate nach der Beauftra- gung konnte das IPT dem Ministerium den Entwurf der Vorhabenskizze als erstes „Pha- sendokument“ vorlegen. Diese orientiert sich auch am Entwurf eines vorläufigen Ein- satzkonzeptes, welches das Marinekom- mando bereits im April bundeswehrweit abgestimmt hatte. Da F 127 Fähigkeiten abbilden soll, wie sie heute teilweise schon auf Zerstörern der ARLEIGH-BURKE-Klasse der US Navy zur Verfügung stehen, ist es nicht verwunder- lich, dass erste Designüberlegungen auf ähnliche Abmessungen kommen – bei et- wa halbierter Besatzung. Die Größe des Schiffes wird hauptsächlich durch die An- zahl und Dimension der Senkrechtstart- anlagen für die Flugkörper und die um- fangreiche taktische Sensorausstattung bestimmt. Eine konkrete Festlegung auf Systeme ist noch nicht getroffen und bleibt somit Gegenstand weiterer Unter- suchungen in der Analysephase. Die Frage, welche und wie viele Flugkörper letztend- lich eingerüstet werden sollen, wird aktuell im Forschungs- und Technologievorhaben „HF133 –Flugkörper für maritime Luftver- teidigung“ eruiert. Aufsetzend auf eine im Rahmen des Framework Nations Concept durchgeführte multinationale Studie „Se- abased Upper Layer Effector Feasibility“ werden dort die marktverfügbaren Ab- wehrflugkörper Standard Missile 6 (SM- 6) und Standard Missile 3 (SM-3) mit zukunftsgerichteten und bedrohungsop- timierten nationalen und europäischen Flugkörperkonzepten verglichen. Ambiti- oniertes Ziel ist es, die NATO-Forderun- gen an Deutschland für die Bereiche Ver- bandsflugabwehr, Gebietsschutz sowie Abwehr ballistischer (innerhalb der Atmo- sphäre) und hypersonischer Bedrohungen mit möglichst einem einzigen Abwehrflug- körper wie zum Beispiel dem SM-6 oder dem national in der Konzeptauslegung be- findlichen Ramjet abzudecken. MarineForum 1/2-2020 Neu zum Einsatz kommen könnte ein Sonar-UUV Das 2018 durch den Generalinspekteur gebilligte Konzept „Territoriale Flugkör- perabwehr“ trägt der Fokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung Rechnung. Es beschreibt die Erfordernis- se zum Schutz gegen eine 360°-Bedro- hung durch ballistische Flugkörper aller Reichweitenklassen und den möglichen maritimen Beitrag zu einer nationalen Ge- samtarchitektur zur Flugkörperabwehr, eingebunden in die NATO Integrated Air and Missile Defence. Käme es zu einer (politischen) Entscheidung, für die F 127 auch einen Beitrag zur Abwehr ballisti- scher Raketen außerhalb der Atmosphä- re (über 100 km) vorzusehen, müsste ein weiterer Flugkörper wie der SM-3 oder der im Konzeptentwurf stehende „seabased European Midcourse Interceptor (sEMDI)“ eingerüstet werden. Im Bereich des Nah- und Nächstbereichs- schutzes soll auf bewährte aber moderni- sierte Produkte wie Rolling Airframe Missile (RAM) oder Evolved Sea Sparrow Missile (ESSM) – dann Block 2 – gesetzt werden, auch Hochenergiewaffen wie ein 100-kW- Laser werden betrachtet. Neben den Flug- körpern zur Abwehr von Bedrohungen aus der Luft werden verschiedene Konzepte für die Bekämpfung von See- und Landzielen über weite Entfernungen untersucht. Eben- so betrachtet wird – bedrohungsgerecht – eine weitreichende Waffe gegen U-Boote. Segen und Fluch der Digitalisierung Die durch NATO und das Konzept der Ver- netzten Operationsführung der Bundes- wehr geforderte digitale Vernetzung ist be- Neben dem Hubschrauber finden im Hangar auch Flugdrohne, Speedboot und ein Container Platz 21

stimmend für die technische Realisierung moderner Waffensysteme. Die F 127 muss folglich die Möglichkeit bieten, Lagebild- aufbau, Bedrohungsanalyse und Bekämp- fungsplanung auch auf multinationaler Verbandsebene voll automatisiert durch- zuführen. Nur so entlastet das System den Bediener und bietet dabei dem Entschei- der bestmögliche Unterstützung für den zeitkritischen Waffeneinsatz. Die Umset- zung soll über die mit den Partnernatio- nen abgestimmte „Framework Architecture 2030+“ mit standardisierten Schnittstellen und Prozessen sowie modernen IP-Netz- werken erfolgen. Gleichzeitig aber muss es neben der immer intensiveren Vernetzung auch die Rückkehr zu den Notverfahren ge- ben, die unplugged operations zulassen. Das heißt, auch in elektromagnetisch schwieri- ger Umgebung und nach Ausfall von Satel- liten- und Internet-Verbindungen muss die F 127 noch zum effektiven Waffeneinsatz in der Lage sein. In Verbindung mit der Not- wendigkeit eines immer geringeren Perso- nalansatzes erscheint dies heute wie die Quadratur des Kreises. Hierzu wird auch das Thema Künstliche Intelligenz zur Prozess- Ablaufoptimierung betrachtet werden. Weitere Einsatzmittel in flexibel strukturierten Bereichen Zur Erfüllung der Anforderungen an die in Entwicklung befindlichen Sensor-Wirkver- bünde sowie zur Sicherstellung von späteren Nach- und Umrüstungen ist die zukünftige Fregatte zur Aufnahme modularer Einsatz- mittel (bemannte und unbemannte Luft-, Überwasser- und Unterwasserfahrzeuge etc.) auszulegen. Dafür wurde durch die Fir- ma MTG Marinetechnik ein flexibles Raum- konzept für den Initialentwurf F 127 entwi- ckelt. Dieses ermöglicht in zwei voneinander unabhängigen, internen Schiffsbereichen ei- ne flexible und einsatzspezifische Integration diverser organischer Einsatzmittel und an- derer modularer Bordeinsatzkomponenten. Diese Schiffsbereiche werden nachfolgend als „Flex-Hangar“ und „Flex-Heck“ sowie zu- sammengefasst als „Flex-Bereiche“ bezeich- net. Die Flex-Bereiche erlauben eine flexib- le Konfiguration des Fähigkeitsträgers F 127 bei einer gleichzeitig sinnvollen Begrenzung des erforderlichen Schiffsraumes und der An- zahl der zu erwartenden Einsatzkomponen- ten. Die Einsatzkomponenten werden in der Stauposition gegenüber Witterungseinflüs- sen geschützt, haben keinen negativen Ein- fluss auf die Signatur des Fähigkeitsträgers und sind gegenüber unerwünschtem Einblick von außen verborgen. Durch die Vielfalt der berücksichtigten Möglichkeiten besteht ein hohes Potenzial zur Integration zukünftiger Systeme, die zum Entwurfszeitpunkt nur als Konzept oder Idee existieren. und Instandsetzung des eingeschifften Bordhubschraubers optimiert. Der parallel zum Servicehangar an Steu- erbordseite angeordnete Flex-Hangar er- möglicht unter anderem die Aufnahme und den Betrieb folgender Einsatzmittel: X ein zweiter Bordhubschrauber (hier ex- klusive Instandsetzung) X kleine bis mittlere unbemannte Flug- systeme (UAV), inklusive Wartung und Instandsetzung X ein Einsatzboot oder unbemanntes Überwasserfahrzeug (USV) bis etwa zwölf Meter Länge, alternativ auch mehrere kleinere Typen X verschiedene Unterwasserfahrzeuge (UUV) X ISO-Container (1 x 40 Fuß und 1 x 20 Fuß) Das Flex-Heck kann ein Einsatzboot aufnehmen, … Der Flex-Hangar ist Teil eines räumlich getrennten Doppelhangars für den Bord- hubschrauber. Der an Backbordseite an- geordnete Hangar ist als „Bordhobschrau- ber-Servicehangar“ konzipiert und in Kombination mit seinen angeschlossenen Service-, Lager- und Bodendiensteinrich- tungen auf die Stauung, Pflege, Wartung Das Flex-Heck ist nahe der Wasserlinie mit- tig am Heck unterhalb des BHS-Flugdecks angeordnet und wird zu beiden Seiten von räumlich getrennten Verholdecks flankiert. Es ermöglicht u. a. die Aufnahme und den Betrieb folgender Einsatzmittel: X Einsatzboot oder USV bis etwa zwölf Meter Länge … alternativ auch Minen … … oder ein modulares Schleppsonar 22 MarineForum 1/2-2020

Innovativ. Technologisch führend. Das modernste Schiff der Deutschen Marine. Mit der bereits als Typschiff der Fregattenklasse F125 in Dienst gestellten BADEN-WÜRTTEMBERG und dem Zulauf weiterer drei Fregatten dieser Klasse leistet thyssenkrupp Marine Systems als führendes Systemhaus zusammen mit Partnern und Lieferanten der vornehmlich deutschen Schiffbauindustrie einen wichtigen Beitrag zur Auftragserfüllung der Deutschen Marine. Die Fregatte F125 wurde konsequent dahingehend ausgelegt, Aufgaben im Rahmen der Landes- und Bündnis verteidigung zu erfüllen. Darüber hinaus kann sie insbesondere auch in weltweiten Einsätzen niedriger und mittlerer Intensität zur Sicherung von Seewegen eingesetzt werden. Mit einem hohen Automatisierungsgrad und der Umsetzung weiterer innovativer Konzepte wird die Fregatte F125 bei deutlich reduzierter Besatzungsstärke bis zu 24 Monate im Operationsgebiet verbleiben können. Die Einführung der Fregattenklasse F125 bei der Deutschen Marine ist ein Meilenstein, zu deren Erreichung nicht nur die beteiligte Industrie ihren Beitrag leistet. Allen voran die Deutsche Marine selbst, sowie das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) und dessen nachgeordnete, wehrtechnische Bereiche haben wesentlich zum jetzt erzielten Fortschritt beigetragen. www.thyssenkrupp-marinesystems.com

X containerisiertes modulares Schleppso- nar (TASS) X UUV und damit kompatible Aussetz- und Lagersysteme X sonstige containerisierte Missionskom- ponenten X Seeminen und damit kompatible Lager- und Abwurfschienen Boot oder USV lagern in einer wannenar- tig in den Boden eingelassenen, geneigten Heckschleppe auf haftreibungsvermin- dernden Walzen bzw. Rollen. Diese können im Winkel auf verschiedene Rumpf-Geome- trien angepasst werden. Die Heckschleppe kann mit Profilen abgedeckt werden, die im Flex-Heck an Bord mitgeführt werden. Hier- durch entsteht eine ebene Staufläche von ca. 15 x 5 Metern. Diese Staufläche kann wahlweise zwei parallele Spuren für jeweils zwei 20-Fuß-ISO-Container oder drei paral- lele Minenschienen aufnehmen. Neue Wege der Realisierung sollen eine schnelle Verfügbar- keit sicherstellen Ein komplexes Vorhaben wie das der Fre- gatte Klasse 127 ist stark risikobehaftet. Dies begründet sich darin, dass hier neue, teilweise noch zu entwickelnde Technolo- gien eingesetzt werden. Um diese Risiken beherrschbar zu gestalten, ist ein stufen- weiser Fähigkeitsaufwuchs zielführend. Aus den Erfahrungen der Vergangenheit mit großen, teilweise jahrelangen Lücken zwischen Ablieferung der Schiffe und de- ren operativer Verfügbarkeit, Betreibbarkeit und Einsatzfähigkeit für die Flotte werden im Zusammenhang mit der Klasse 127 zwei grundlegend neue Ansätze in der Realisie- rung vorgeschlagen. AMD-Testbed Eine erste Stufe zur Reduzierung der Risi- ken stellt das dem Projekt F 127 vorgeschal- tete „Air & Missile Defence Testbed“ dar. Um das Entwicklungsrisiko und die Kom- plexität für die neue Klasse beherrschbar zu gestalten, wurde ein zeitnaher, sukzes- siver Aufbau von Teilfähigkeiten auf dieser in Wilhelmshaven geplanten Landanlage schon früh durch das Integrierte Projekt- team F 127 empfohlen. Ziel ist es, sowohl den bedrohungsge- rechten Fähigkeitserhalt im Bereich Flug- abwehr und Luftverteidigung als auch den Fähigkeitsaufwuchs zur Abwehr bal- listischer und hypersonischer Raketen vor- zubereiten. Dies soll entkoppelt von zu- künftigen Plattformen gemeinsam mit multinationalen Partnern und im streit- kräftegemeinsamen Kontext geschehen. Zu einem späteren Zeitpunkt sind dann die Ergebnisse dem Projekt F 127 beizu- 24 stellen. Darüber hinaus soll das AMD-Test- bed im Vorfeld Ergebnisse für weitere Pro- jekte im Zusammenhang mit den Klassen F 124 und MKS 180 liefern, zu denen Sys- tem- und Projektabhängigkeiten auch mit F 127 bestehen. Die Erstellung des Phasendokuments „Fä- higkeitslücke und Funktionale Forderung“ (FFF) zur Einrichtung des AMD-Testbeds wurde zwischenzeitlich durch das Bun- desverteidigungsministerium angewiesen. Zulauf in beherrschbaren Fähigkeitsstufen Um den Zulauf eines solch komplexen Kriegsschiffes sowie seine Einsatzsystem- integration beherrschbar zu gestalten, spiegelt sich der Vorschlag eines stufen- weisen Fähigkeitsaufbaus auch im Zulauf Die Nachrüstungen der Einheiten 1 bis 5 auf die höhere(n) Fähigkeitsstufen erfol- gen grundsätzlich in den routinemäßigen Instandsetzungsphasen. Fazit Die Klasse 125 wurde zu Beginn des Jahr- hunderts als Stabilisierungseinheit mit neu- en Ideen zur Intensivnutzung und MKS 180 auf Grundlage der Einsatzerfordernisse zu Be- ginn dieser Dekade konzipiert. Die Grundidee für F 127 basiert dagegen auf der Wiederaus- richtung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung und repräsentiert den dazugehörigen maritimen Anteil. Die Durch- setzungsfähigkeit im intensiven Seegefecht und gegen Angriffe aus der Luft sowie von Land, der Schutz von zivilen und militärischen Verbänden in See und Einrichtungen in Küs- Eine Generation Marineof fizier – drei Generationen Luf tverteidigungsschif fe Der Autor wurde 1997 Schiffsoperationsoffizier des Zerstörers mölderS. Seit- dem begleitet er auf verschiedenen Dienstposten die Entwicklung der Luftver- teidigungsfähigkeit der Deutschen Marine und dessen Fähigkeitsaufwuchs. Bei der Indienststellung der Fregatte SachSen war er deren Erster Offizier. Seit Januar 2019 ist er bevollmächtigter Vertreter der Marine für die Voranalysephase der Next Generation Frigate (F 127). Die Fregatten der Klasse F 127 sollen ab Mitte der 2030er-Jahre die Fähigkeiten der dann am Ende ihrer Nutzungsdauer ange- kommenen Fregatten F 124 gegen zeitgerechte Bedrohungen aufrechterhalten – und zusätzlich weitere, durch die NATO geforderte neue Fähigkeiten gegen bal- listische und hypersonische Bedrohungen bereitstellen. der einzelnen Schiffe wider. Von Schiff 1 bis Schiff 6 nimmt die Komplexität der Fähigkeitsstufen sukzessive zu. Sie folgen erfüllbaren und nachweisbaren Meilen- steinen und stellen so von Anfang an der Flotte frühzeitig einsatz-, versorgungs- und betriebsbereite Schiffe zur Verfügung. Während Schiff 1 als reines Flugabwehr- schiff mit einer initialen Operational Ca- pability (Fähigkeitsersatz AAW F 124) in Dienst geht, werden auf Schiff 2 die Rest- punkte dieser initialen Fähigkeitsstufe aus Abnahme und Einsatzprüfung besei- tigt und abschließend nachgewiesen. Auf Schiff 3 wird eine Anfangsbefähigung zur Abwehr ballistischer Flugkörper in der un- teren Abfangschicht implementiert und qualifiziert. Die Integration und der Nach- weis weiterer Fähigkeiten (Laser, Einsatz- module etc.) erfolgt über die Schiffe 4 und 5. Um die Entscheidung zur Einrüstung der besonders aufwändigen (kosten- und risi- kobezogen) letzten Fähigkeitsstufe „BMD Upper Layer“, einer exo-atmosphärischen Raketenabwehrfähigkeit, möglichst spät treffen zu können, wurde diese Fähigkeits- stufe bewusst auf das sechste Schiff ge- legt. tennähe sowie der Beitrag zur Abwehr bal- listischer und hypersonischer Bedrohungen stellt bislang nicht gekannte Anforderungen an die technologische Auslegung der Schiffe. Eine besondere Herausforderung wird dabei das Zusammenspiel der internen Prozesse auf den Schiffen mit den externen Sensor- und Wirkverbünden darstellen. Der zu berücksichtigende Zeithorizont der sich entwickelnden Bedrohungen und Technologien bewegt sich dabei zwischen 2030 und 2075. Dies fordert von den Pla- nern und Architekten den berühmten Blick in die Kristallkugel. Gerade deshalb ist es wichtig, Festlegungen bei F 127 zur konkreten Ausrüstung so spät und so flexibel bzw. modular wie möglich zu treffen. Mit diesen Schiffen wird die deutsche Marine eine zukunfts- und durchsetzungsfä- hige Plattform erhalten, die Potenzial für fle- xible Anpassungen an sich verändernde Be- drohungen mitbringt. F 127 wird das Rückgrat der Flotte zur Mitte dieses Jahrhunderts sein. L Fregattenkapitän Andreas Uhl ist Bevoll- mächtigter Vertreter F 127 im Marinekom- mando Rostock in der Abteilung Planung. MarineForum 1/2-2020

y v a N S U : o t o F Sicherheit im Mittelmeerraum und Atlantik Zur Rolle der 6. US-Flotte Dieter Stockfisch Die Zerstörer CARNEY und DONALD COOK im spanischen Rota Seit dem Ende des Kalten Krieges wird der Mittelmeerraum von Kriegen, Krisen und Spannungen heimgesucht, die vor allem Europa bzw. die Europäische Union (EU) und die NATO herausfordern. Eine entscheidende Rolle für die maritime Sicherheit im Mittelmeerraum und im östlichen Atlantik spielt die 6. US-Flotte. Der Mittelmeerraum umfasst das Mittel- meer, in dem die seewärtigen Grenzen der EU und der NATO-Südflanke verlaufen, mit seinen angrenzenden Gewässern, dem Schwarzen Meer und dem Roten Meer. Vier maritime Schlüsselpositionen (choke points) von seestrategischer Bedeutung kontrollieren den internationalen Schiffsverkehr im Mittel- meerraum: Die Straße von Gibraltar, der Su- ezkanal, die Dardanellen und die Straße von Hormus. Im weitesten Sinne zählen auch der Golf von Aden und der Persische Golf als hot spots dazu. Nordafrika und die Levante bilden im Mittelmeer die sicherheitspolitische Gegen- küste zu Europa. Aktuell gehen vom Krisenbo- gen, der von Nordafrika über den Nahen und Mittleren Osten bis in den Indischen Ozean reicht, vielfältige Bedrohungen aus: Bürgerkrie- ge, bewaffnete Konflikte, Terrorismus, organi- sierte Kriminalität, Drogen-, Menschen- und Waffenschmuggel, Piraterie sowie ein nicht abreißender Strom von illegal eingeschleusten Migranten. Die 6. US-Flotte samten östlichen Atlantik, vom Nordpol mit der Barentssee, der Nord- und Ostsee bis in den südöstlichen Atlantik mit der Antarktis und dem südlichen Indischen Ozean. Zur mächtigen 6. Flotte gehören ca. 45 Schif- fe, ca. 180 Flugzeuge und ca. 21.000 Soldaten. Sie setzt sich gegenwärtig aus folgenden Task Forces (TF) zusammen: X TF61: Amphibische Kräfte (Landungsschiffe und Marines) X TF63: Logistik-Kräfte (Versorger, Tanker) in Zusammenarbeit mit dem Sealift Logistic Command X TF64: Luft- und Raketenabwehrkräfte (Bal- listic Missile Defense/BMD), einschließlich strategische Atom-U-Boote (SSBN), sowie das landgestützte Aegis Ashore Missile De- fense System in Rumänien X TF65: Flugzeugträgerkampfgruppe mit Überwasserkampfeinheiten (Kreuzer, Zer- störer) X TF67: Marineflieger (Seefernaufklärer und U-Jagd-Flugzeuge) X TF68: Marineexpeditionseinheit (MEU/Ma- rines) Die 6. US-Flotte ist Teil des militärischen Groß- verbandes United States Naval Forces Europe- Africa (NAVEUR-NAVAF). Der Hauptstützpunkt der Flotte liegt in Gaeta/Italien und ihr Haupt- quartier in Neapel. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst den Mittelmeerraum und den ge- X TF69: U-Jagd-Kräfte (U-Boote/SSN und U- Jagdeinheiten) Die 6. US-Flotte gewährleistet in ihrem weit- räumigen Einsatzbereich Sicherheit und Stabi- lität durch ihre Präsenz, vor allem aber durch eine regelmäßige Beteiligung an multinatio- nalen und NATO-Großmanövern, Übungen und Sicherungs-Operationen. Dazu zählen bei- spielsweise die NATO-Operation „Sea Guar- dian“, die Übung „Phoenix Express“ oder das jährliche U-Jagd-Manöver „Noble Manta“ der NATO im Mittelmeer. Im östlichen Atlantik- raum zählen hierzu beispielsweise die jährli- chen NATO-Großmanöver „Trident Juncture“ oder die BALTOPS-Operationen im Ostsee- raum, die in diesem Jahr gemeinsam mit der 2. US-Flotte durchgeführt wurden. Im Golf von Guinea/Westafrika findet jährlich gemeinsam mit westafrikanischen Marinen die Übungsse- rie „Obangame Express“ statt. Seit 2014 be- teiligt sich auch die Deutsche Marine an die- sen multinationalen Seemanövern. Schließlich engagiert sich die 6. Flotte auch in ostafrika- nischen Gewässern, wo unter anderem die jährliche multinationale Übungsserie „Exercise Cutlass Express“ stattfindet. Schwarzes Meer Das Schwarze Meer ist mit 436.400 Qua- dratkilometern etwas größer als die Ostsee (412.500 km²). Es hat durch den Kaukasus- Krieg 2008 und insbesondere durch Russ- lands Annexion der Krim 2014, den unge- lösten Konflikt in der Ostukraine und aktuell den ukrainisch-russischen Streit um Hoheits- gewässer im Asowschen Meer an sicher- heitspolitischer Bedeutung gewonnen. Die MarineForum 1/2-2020 25

Manöverserien „Sea Shield“ mit der rumä- nischen Marine und die seit 1997 jährlich stattfindenden multinationalen Großmanö- ver „Sea Breeze“ mit der Ukraine. Sea Breeze 2019 mit 19 teilnehmenden Nationen (Dä- nemark, Bulgarien, Estland, Frankreich, Geor- gien, Griechenland, Großbritannien, Italien, Kanada, Lettland, Litauen, Moldawien, Nor- wegen, Polen, Rumänien, Schweden, Türkei, USA und Ukraine) hat eindrucksvoll die Fä- higkeit der 6. Flotte veranschaulicht, gemein- sam mit Partnermarinen in einem konflikt- reichen Meer für Sicherheit und Stabilität zu  sorgen. y v a N S U : o t o F 2010 schützte die HESSEN den US-Träger DWIGHT D. EISENHOWER Ukraine und Georgien streben neben ihrer Unabhängigkeit von Russland eine Mitglied- schaft in der EU und künftig auch in der NA- TO an, was Russland zu verhindern versucht. Georgien ist bereits Mitglied im Europarat. Das Land erhält von den USA seit Jahren Mi- litärhilfe (Ausbildung und Ausrüstung). Die USA sehen in Georgien u.a. einen geostrate- gischen Brückenkopf, der bis nach Zentralasi- en und in den Iran reicht. Die Ukraine ist seit 2004 ein Beitrittskandidat zur EU und NATO. Hinzu kommt, dass die Zufahrten ins Schwarze Meer besonderen sicherheits- politischen Bestimmungen unterliegen. So regelt der Vertrag von Montreux (Meeren- gen-Abkommen) aus dem Jahr 1936 den Schiffsverkehr durch die Dardanellen. Wäh- rend Handelsschiffe in Friedenszeiten den internationalen Schifffahrtsweg jederzeit und unbehindert nutzen können, gelten für Kriegsschiffe von Staaten, die nicht zu den Anrainern des Schwarzen Meeres zäh- len, besondere Regelungen. Nach dem Ab- kommen übt die Türkei die volle Souveräni- tät über die Dardanellen, das Marmarameer und den Bosporus aus, deren Schifffahrtsweg an der engsten Stelle nur 700 Meter breit ist. Kriegsschiffe müssen in Friedenszeiten ihre Durchfahrt acht Tage vorher der Türkei an- melden. Die Tonnage einzelner Kriegsschiffe darf 10.000 Tonnen nicht übersteigen, passie- ren Kriegsschiffe gleichzeitig, dürfen 15.000 Tonnen nicht überschritten werden, und sie dürfen sich nur 21 Tage im Schwarzen Meer aufhalten. U-Boote und Flugzeugträger dür- fen die Meerengen generell nicht passieren. In der Vergangenheit gab es wiederholt Streit über die Auslegung des Vertrags hinsichtlich der Durchfahrt schwerer US-Kriegsschiffe oder auch russischer Flugdeckkreuzer. Im Kau- kasus-Konflikt 2008 verweigerte die Türkei US-Kriegsschiffen die Passage ins Schwarze Meer, weil die erlaubte Gesamttonnage über- schritten worden war. Einheiten der 6. Flotte operieren jedoch regelmäßig im Schwarzen Meer und füh- ren dort multinationale Seemanöver mit der rumänischen und bulgarischen sowie der ukrainischen Marine durch. Es sind die 26 „Gemeinsam sind wir stärker“ Interview mit Vice Admiral Lisa M. Franchetti, Commander US 6th Fleet, Naval Striking and Support Forces Europe, Deputy Commander US Naval Forces Europe and Africa, Joint Force Maritime Component Commander y v a N S U : o t o F Admiral, der Mittelmeerraum bildet ein Krisen- und Spannungsgebiet, das u.a. Eu- ropas Sicherheit bedroht. Welche speziel- le Rolle spielt die 6. Flotte im Mittelmeer- raum? Franchetti: Als ein operativer Arm der US Navy in Europa und Afrika operiert die 6. US-Flotte in allen Randmeeren und Ozeanen – Atlantik, Ostsee, Mittelmeer, Schwarzes Meer und rund um Afrika – um Terrorismus und illegale Aktivitäten zu be- kämpfen, Überwachung und Aufklärung si- cherzustellen und die Freiheit der Seewege (freedom of navigation) im weitesten Sin- ne zu gewährleisten. Unsere Präsenz im Mittelmeerraum präsentiert eine über 70 Jahre alte Tradition sicherheitspolitischer Verantwortung und Verpflichtung in die- ser so wichtigen Weltregion. Wir arbeiten mit der NATO und allen Marinen der Anrai- nerstaaten eng zusammen, um jederzeit ein gemeinsames und aktuelles maritimes Lagebild erstellen zu können und um un- sere Fähigkeit zur Kooperation auf See in allen Bereichen der Seekriegsführung zu stärken. Vom Mittelmeerraum aus haben wir weitreichende Einflussmöglichkeiten – wir bekämpfen Terrororganisationen und Extremisten in Libyen, unterstützen die Operation „Inherent Resolution“ (Kampf der USA gegen die Terrormilizen des Is- lamischen Staates), bekämpfen die Che- miewaffen-Arsenale in Syrien, gewährleis- ten den Schutz gegen ballistische Raketen (Ballistic Missile Defense, BMD) in Europa, leisten humanitäre Katastrophenhilfe und unterstützen eine Vielzahl anderer Hilfs- einsätze im maritimen Bereich. MarineForum 1/2-2020

y v a N S U : o t o F Welches sind die größten sicherheitspoliti- schen Herausforderungen im Mittelmeer- raum? Franchetti: Der Mittelmeerraum stellt seit je- her ein dichtgebündeltes maritimes Seever- kehrsnetz mit vielfältigen Bedrohungen von den Küsten aus dar – und das jeden Tag. Ich sehe mich in der Mitte des Mittelmeerraumes und überblicke 360 Grad an Herausforderun- gen. Im Süden haben wir Instabilitäten in Form von Terrorismus, Extremismus, Waffen- und Menschenhandel, Schmuggel und Migration, die sich zunehmend auf Europa auswirken. Im Osten herrscht ein Dauerkonflikt mit Syrien, gibt es eine zunehmende Präsenz russischer Küstenverteidigungs-Cruise-Missiles (CDCM) sowie russischer Marineverbände, die zwischen dem Schwarzen Meer und dem Marinestütz- punkt Tartus in Syrien operieren. Uns beun- ruhigen auch das iranische ballistische Rake- tenprogramm und iranische Marinekräfte, die stellvertretend in diesen Gebieten operieren. Im östlichen Mittelmeer ist es durch die Entde- ckung von riesigen Gas- und Ölfeldern zu Frik- tionen und Streit zwischen den angrenzenden Staaten gekommen. Und wir beobachten eine stetig zunehmende russische und chinesische Präsenz und Aktivität entlang der nördlichen af- rikanischen Küste, um dort neue Beziehungen zu knüpfen, alte zu erneuern und um Zugang zu den nordafrikanischen Staaten zu bekommen. Die 2. US-Flotte wurde 2018 reaktiviert. Wel- che Konsequenzen ergeben sich daraus für die 6. US-Flotte mit Blick auf gegenseitige Unterstützung und operative Zusammenar- beit im Atlantik? Franchetti: Ich bin sehr erfreut über die Re- aktivierung der auf den westlichen Atlantik ausgerichteten 2. US-Flotte, mit der Aufgabe, die Seeverbindungswege zu schützen, die Al- liierten zu unterstützen und das Heimatland USA zu verteidigen. Die Flotte verfügt über al- le Fähigkeiten, um maritime Operationen im Atlantik, im hohen Norden und im gesamten europäischen Seeraum durchzuführen. Sie ist ein weiterer „operativer Arm“ der Naval Forces Europe. Wir waren bislang außerordentlich er- folgreich in unserer engen und nahtlosen Zu- sammenarbeit bei Operationen und Übungen über die Befehlsgrenzen im Atlantik hinweg. Wir glauben, dass ein Gegner versuchen wird, Lücken an den Nahtstellen unserer Befehlsbe- reiche zu finden, um dort hineinzustoßen. Un- sere Aufgabe ist es, solche Lücken zu vermei- den und alle Bemühungen eines Gegners zu unterlaufen. Das üben wir bereits in Friedens- zeiten, damit unsere Zusammenarbeit in Krise und Krieg effektiv funktioniert. Der Verantwortungs- bzw. Einsatzbereich der 6. Flotte deckt auch Afrika ab. Wie erfüllen Sie diese zusätzliche Aufgabe? Franchetti: Unsere Streitkräfte in Afrika unter- stützen das US Africa Command (AFRICOM) MarineForum 1/2-2020 Admiral Lisa Franchetti (2.v.r.) während der Übung Sea Breeze 2019 in Odessa bei dessen Kernaufgabe, partnerschaftliche Netzwerke zu festigen und die Fähigkeiten unserer afrikanischen Partner zu stärken. Wir arbeiten eng mit unseren afrikanischen Part- nermarinen und Küstenwachen sowie mit an- deren euro-atlantischen Partnern zusammen, um ein gemeinsames Netzwerk aufzubau- en, das den afrikanischen Staaten hilft, ihre Seeräume selbst zu sichern. Dabei liegt der Schwerpunkt unserer Unterstützung in der Bekämpfung der Piraterie, des Schmuggels, der illegalen Fischerei und anderer krimineller Akti- vitäten. Wir führen in Afrika drei jährliche Groß- manöver durch: „Cutless Express“ (im westli- chen Indischen Ozean), „Obangame Express“ (im Golf von Guinea) und „Phoenix Express“ (im Mittelmeerraum). Jedes Manöver trägt zur Steigerung der Führungs- und Einsatzfähigkeit unserer afrikanischen Partner bei. Dabei wird unser Einsatz in Afrika von unseren europäi- schen Partnern maßgeblich unterstützt. Operieren die BMD-Einheiten der 6. Flotte auch im Schwarzen Meer? Franchetti: Unsere BMD-Schiffe operieren routinemäßig im Schwarzen Meer und in al- len anderen Seegebieten. Es sind Mehrzweck- Schiffe, die neben ihrer BMD-Mission auch andere Missionen gemeinsam mit unseren Alliierten und Partnern in der gesamten Re- gion erfüllen. In diesem Jahr operierten z.B. die Zerstörer USS donald cook, USS roSS und USS carney im Schwarzen Meer und beteilig- ten sich dort u.a. an bilateralen Übungen mit Bulgarien, Rumänien, der Ukraine, der Türkei und Georgien sowie an den multinationalen Manövern „Sea Breeze“ und „Breeze“, die ge- meinsam mit der Ukraine bzw. mit Bulgarien geplant und durchgeführt wurden. Die Zer- störer der ARLEIGH-BURKE-Klasse bilden den Kern unserer vorausstationierten Kräfte und gemeinsam mit dem Raketenabwehrsystem Aegis Ashore Romania sind sie Teil des Euro- pean Phased Adaptive Approach (EPAA), un- serer Verpflichtung zur Verteidigung Europas gegen Bedrohungen mit ballistischen Raketen von außerhalb der Region. Im nächsten Jahr wird die US Navy damit beginnen, diese im spanischen Rota stationierten Zerstörer durch neue Zerstörer mit modernster BMD-Techno- logie, modernisierten Waffensystemen und neuen Hubschraubern zu ersetzen. Die 6. Flotte bedeutet eine Investition der USA für Europas Sicherheit. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den europäi- schen NATO-Partnern? Franchetti: Wir pflegen enge Beziehungen mit allen NATO-Marinen, mit dem Allied Ma- ritime Command (MARCOM) und mit den Standing NATO Naval Forces. All meine Ein- heiten der 6. Flotte nutzen jede Möglichkeit, um mit ihren jeweiligen NATO-Partnern ge- meinsam auf See zu üben und zu operieren – über Wasser, unter Wasser, in der Luft und an Land. Wir lernen eine Menge von unseren Partnern. Denn sie kennen ihr spezielles Ein- satzgebiet und ihre Geografie und sie ver- fügen über reichliche Einsatzerfahrungen in ihrer Region. Aus meiner Sicht leisten die NATO-Marinen enorme Unterstützung und fühlen sich verpflichtet, unsere gemeinsa- men Fähigkeiten, Interoperabilität und Ein- satzbereitschaft zu stärken. Hierzu einige Beispiele des letzten Jahres: Die deutsche Fregatte heSSen und die spanische Fregatte mendez munez wurden in die Flugzeugträ- gerkampfgruppen harry S. truman und aBra- ham lincoln als AAW-Schiffe (Anti Air Warfare) integriert. Um unsere Einsatzbereitschaft zu festigen, führten wir umfangreiche „Carrier Air Wing“-Übungen mit Norwegen, Portugal, Ita- lien, Litauen und Großbritannien durch. Sol- che Übungen sollen auch künftig stattfinden. Unsere Zerstörer donald cook und roSS ope- rierten gemeinsam mit der französischen Flug- zeugträgerkampfgruppe charleS de Gaulle. Insgesamt gesehen partizipieren die NATO- Marinen an allen Übungen meiner Flotte: 18 Nationen beteiligten sich an BALTOPS, 12 Nati- onen an Sea Breeze, 13 Nationen an Formidab- le Shield, einer BMD/IAMD-Übung (Integrated Air Missile Defense) vor Schottland und insge- samt 48 Nationen an den Express-Manövern. Wir besitzen große Vorteile im maritimen Wirkungsbereich: Alle Marinen operieren in derselben Geografie, unter denselben Be- dingungen und mit denselben Einsatz- und Operationsverfahren. Insgesamt nutzen wir jede Möglichkeit, gemeinsam in Manövern zu operieren, um die Glaubwürdigkeit unse- rer Abschreckung zu unterstreichen und um unsere Einsatzbereitschaft zur Verteidigung und zum Sieg zu stärken. Gemeinsam sind wir stärker! L 27

i r e i t n a c n F : i o t o F Die „Kleinen“ der US Navy Amerika plant neue Fregatten und beschafft mehr LCS Sidney E. Dean Fincantieri und Marinette Marine bieten die italienische FREMM an fare, EMW). Die Navy stellte im Januar die geplante Ausstattung der Fregatten vor: AAW X AN/SPY-6 EASR Radarsystem mit aktiver elektronischer Strahlschwenkung X 32 im Rumpf eingelassene Mk41 VLS- Zellen zum Führen von SM-2 Block IIIC und ESSM Block 2 Abfangraketen X Mk49-Anlage mit 21 RIM-116 RAM-Ab- fangraketen X UPX-21 IFF-System zur Einstufung an- fliegender Ziele als Freund- oder Feind- maschinen Einbindung in das Cooperative Engage- ment Capability System (CEC), das den Aus- y v a N S U : s o t o F Coast-Guard-Schiff der LEGEND-Klasse Die US Navy will insgesamt zwanzig neue Lenkwaffenfregatten erwerben. Bis zur endgültigen Entscheidung hinsichtlich der Benennung der neuen Klasse läuft das Be- schaffungsprogramm unter der Bezeichnung FFG (X). Die endgültige Ausschreibung für den Entwurfs- und Fertigungsauftrag erfolgte am 20. Juni. Anbieter hatten bis zum 22. August Zeit, ihre Entwurfsvorschläge vorzulegen. Termin für die Kostenschätzung durch die Anbieter war der 26. September. Die Navy geht bislang von Beschaffungskosten zwi- schen 800 und 950 Millionen Dollar pro Schiff aus (Kaufkraftstand: 2018). Die untere Ziffer gilt als Ziel, die obere als maximal tragbare Kostengröße. Für das Typschiff werden 1,281 Milliarden Dollar veranschlagt. Nach Prüfung der vorgelegten Entwürfe soll die Beschaffungsentscheidung im Fe- bruar 2020 getroffen werden. Die Auftrags- vergabe an einen einzigen Anbieter soll im Ju- li 2020 erfolgen. Die Planung sieht vor, 2020 das Typschiff und anschließend im Zeitraum 2021–2029 jährlich zwei weitere Einheiten in Auftrag zu geben; die zwanzigste und letz- te Fregatte soll 2030 beschafft werden. Die Auslieferung des Typschiffs soll im Juli 2026 erfolgen. Dieser knapp bemessene Zeitplan kann nur eingehalten werden, wenn ausschließ- lich baufertige oder bereits im Bau befind- liche Schiffsklassen als Vorlage für die neuen Fregatten dienen. Es werden auch keine neuen Technologien gezielt für das Programm entwickelt; sämtliche Kompo- nenten und Bordsysteme existieren schon oder werden derzeit bereits für die Ver- wendung auf anderen Schiffsklassen ent- wickelt. Insgesamt vier Schiffskonsortien haben sich auf die Ausschreibung vom Juni die- ses Jahres beworben. Ein fünfter Anbieter, Lockheed Martin, wollte ursprünglich ei- nen Entwurf auf Grundlage der FREEDOM- Klasse vorlegen, schied jedoch im Mai auf eigene Initiative hin aus dem Rennen aus. Zwei der verbleibenden Bewerberkonsorti- en präsentierten ausländische Kriegsschif- fe als Basisdesign für die FFG (X). X Austal USA schlägt eine überarbeitete Variante der INDEPENDENCE-Klasse vor X Fincantieri/Marinette Marine (F/MM) bringt die italienische FREMM-Fregatte ins Rennen X General Dynamics (GD) und Bath Iron Works (BIW) präsentieren die spanische F100 ALVARO DE BAZAN als Vorlage X Huntington Ingalls Industries (HII) gibt letzt- hin keine Details hinsichtlich des vorge- legten Entwurfs öffentlich bekannt. Noch letztes Jahr sprach die Firma davon, eine militarisierte Ausführung der LEGEND-Klas- se vorzuschlagen. Diese größte Schiffsklas- se der US Coast Guard wird auch als Natio- nal Security Cutter bezeichnet. Mehrzweckkriegsschiff FFG (X) ist als Mehrzweckkriegsschiff konzi- piert. Die Fregatte kann auf hoher See und in Küstengewässern, autonom oder als Teil eines Verbandes eingesetzt werden. Aufga- benbereiche umfassen Flug- und Raketen- abwehr (Anti-Air Warfare, AAW), Bekämp- fung von Seezielen (Surface Warfare, SuW), U-Jagd (Anti-Submarine Warfare, ASW), sowie Kampführung im elektromagneti- schen Spektrum (Electro-Magnetic War- 28 MarineForum 1/2-2020

tausch von Sensordaten zwischen US-Schif- fen sowie die koordinierte Bekämpfung von Zielen ermöglicht. Die AAW-Fähigkeit wird nicht nur das Schiff, sondern auch ein erweitertes Luft- raumareal umfassen. FFG (X) kann folglich auch in den Flugabwehr-Verbandschutz ei- ner Einsatzgruppe eingebunden werden. Allerdings wird die AAW-Reichweite der Fregatte geringer sein als die entsprechen- de Leistung größerer Kampfschiffe. SuW X ein 57-Millimeter-Deckgeschütz X 2x4 oder 2x8 weitreichende Seeziel- flugkörper (vermutlich Kongsberg Na- val Strike Missile X elektro-optisches Eoss-Zielerfassungs- system Mk20 X weitreichender elektrooptischer Stalker- Überwachungssensor X weitreichendes NGSSR-Meeresüberwa- chungsradarsystem ASW X am Rumpf integriertes Sonarsystem AN/SQS-62 X TB-37 Schleppsonar X ASW-Führungssystem AN/SQQ-89 X ADC-Torpedoabwehrsystem X weitreichende ASW-Waffen (etwa ASROC) in den VLS-Zellen X auf Deck geführte Torpedos (bei späte- ren Einheiten) EMW X SLQ32(V)6 (SEWIP Block II) für elektroni- sche Kampfführung (ELOKA) (soll später durch die geplante SLQ32(V)7 Block III Lite ersetzt werden X Vorrichtung für die spätere Einführung einer Laserwaffe mit 150 kW Anfänglich sollen zwei RHIB-Festrumpf- schlauchboote mit sieben Metern Länge geführt werden. Später sollen diese durch zwei elf Meter lange RHIBs ersetzt werden. Als Bordhubschrauber sind ein bemannter MH-60R sowie ein MQ-8C als UAV geplant. Das neue Gefechtleitsystem für die Fre- gatten wird von Lockheed Martin ent- wickelt. Als Ausgangsbasis dient das Ge- fechtsleitsystem COMBATSS dass derzeit auf den LCS der FREEDOM-Klasse verwendet wird. Das plattformunabhängige System kann mühelos laufend mit neuer Techno- logie nachgerüstet werden. Einige Details der Schiffsausstattung könnten noch abgeändert werden. Bei- spielsweise wird derzeit innerhalb der Navy diskutiert, ob die Anzahl der VLS-Zellen auf 48 gesteigert werden sollte, um die Kampf- kraft der Fregatte zu erhöhen. Die Umset- zung dieses Vorschlags ist eher unwahr- scheinlich. Im Mai stellte die Navy fest, dass ein solcher Schritt bauliche Änderungen an den bereits fertiggestellten Schiffsentwür- fen erfordern würde, die eine nicht wün- schenswerte Verzögerung bei Entwicklung und Beschaffung zur Folge hätte. Umstritten ist auch, ob die vorgesehe- ne Wachstumsmarge ausreicht, um die Schiffe in den kommenden Jahrzehnten mit neuer Technologie nachzurüsten. Bis- lang fordert die Navy hierzu einen Spiel- raum von nur fünf Prozent des verfügbaren Nutzraums. Hinzu kommt eine zusätzliche Wachstumsmarge von fünf Prozent, die ausdrücklich für die Montage von elekt- romagnetischen Waffen (Laser wie oben angeführt, eine Mikrowellenstrahlwaffe oder zusätzliche ELOKA-Systeme) vorge- sehen ist. Die Fregatte ist für 25 Dienstjahre ausge- richtet. Bei 80 Prozent Maschinenleistung soll das Schiff kontinuierlich 28 Knoten Fahrtleistung bringen. Bei 16 Knoten be- trägt die Soll-Reichweite 3.000 Seemeilen. Die Besatzung soll maximal 200 Personen umfassen. Um die Verfügbarkeit der Schif- fe zu optimieren plant die Navy, pro Schiff zwei komplette Mannschaften zu unter- halten; dieses Verfahren wird bereits auf LCS-Einheiten und auf strategischen Un- terseebooten praktiziert. Small Surface Combatant Unabhängig von der Frage, welche Firma den Zuschlag für FFG (X) erhält, bleibt die Fregattenbeschaffung eng mit der LCS-Be- schaffung verbunden. Beide Schiffstypen bilden künftig gemeinsam die Kategorie der kleinen Kriegsschiffe (Small Surface Combatants, SSC) im Rahmen der US-Flot- tenplanung. Diese Kategorie umfasst aktu- ell 17 LCS und 11 Minenkampfschiffe der avenGer-Klasse (letztere werden im Verlauf des kommenden Jahrzehnts ausgemustert). Der 30-jährige Flottenplan (2020–2049) sieht vor, dass die Anzahl der Schiffe in der Kategorie SSC bis 2034 auf 34 LCS und 18 FFG anwächst; den größten Umfang erhält die Kategorie demnach 2040 (30 LCS, 30 FFG, sowie 12 Einheiten einer noch zu de- USS GABRIELLE GIFFORDS finierenden Schiffsklasse). Bis 2049 ist die Ausmusterung sämtlicher LCS vorgesehen; ab dem Zeitpunkt soll die Flotte über 20 FFG sowie 30 Einheiten der zu bestimmenden Schiffsklasse verfügen. Allerdings ist davon auszugehen, dass die genannten Zahlen im Verlauf der nächsten drei Jahrzehnte wiederholt revidiert werden. Die gegenwärtige Diskussion innerhalb der Navy lässt erwarten, dass die angestrebte Zielgröße für die Kategorie SSC sogar schon im Verlauf der kommenden Monate erhöht wird. Die gegenwärtig laufende Bewertung der künftigen Flottenzusammensetzung (Fleet Structure Assessment, FSA) soll Ende des Jahres abgeschlossen werden. Mehrere führende Offiziere haben bereits die Über- zeugung geäußert, dass die Flottenplanung zugunsten der SSC revidiert wird. Dies wür- de sowohl die geografische Flottenpräsenz steigern wie auch die Fähigkeit erhöhen, in- nerhalb eines Operationsgebietes verstreut zu agieren, um die gegnerische Abwehr zu überlasten. Eine wesentliche Grundlage dieses Sin- neswandels liegt bei der Einschätzung der Leistungs- und Kampfkraft der geplanten Fregatte. Die Kampfkraft erwächst weni- ger aus den einzelnen Waffensystemen als aus der Vernetzung der Bordwaffen mit ei- MarineForum 1/2-2020 29

Entsendungstempo steigt „LCS ist volljährig geworden,” erklärte Admi- ral Brown im August. Das Entsendungstem- po steigt merklich, von null Einheiten 2018 auf drei Einheiten in diesem Jahr; zusätz- lich zu diesen Überseeentsendungen wer- den mehrere LCS in die Überwachung der US-Küstengewässer einbezogen. Die Navy nutzte die 19-monatige Entsendungspau- se zwischen Dezember 2017 und Juni dieses Jahres für eine eingehende Prüfung der Aus- bildungsrichtlinien, der Einsatzkonzepte und der Wartungsanforderungen. Viele Lehren wurden gezogen und umgesetzt, erklärte Rear Admiral Casey Moton, Programmdirek- tor für kleine Kampfschiffe. „Wir sind jetzt voll dabei, den LCS-Plan und den Flottenplan umzusetzen, sowohl hinsichtlich der Vorbe- reitungs- und Entsendungszyklen wie auch hinsichtlich der fachlichen Qualifizierung der Besatzungen. Die Schiffe befinden sich nun wie von Anfang an vorgesehen im Einsatz.” Mit steigender Tendenz. In etwa fünf Jahren könnten sich zu jedem gegebenen Zeitpunkt ebenso viele LCS wie Zerstörer auf See befin- den, sagte Admiral Brown. In den vergangenen Jahren wurde auch ein umfassendes Bild der Störanfälligkeit der einzelnen Schiffssysteme erlangt. Die War- tungsmannschaften werden voraussichtlich 2022 vollzählig aufgestellt und ausgebildet sein, sodass die Navy die volle Versorgung der Schiffe übernehmen kann (gegenwärtig sind die Hersteller noch für viele Wartungs- bereiche zuständig). Die Verfügbarkeitsrate der LCS-Flottille soll rund doppelt so hoch sein wie bei den Zerstörern der ARLEIGH-BURKE- Klasse. Die Standardbewaffnung aller LCS wird erweitert, um sowohl den Eigenschutz wie auch die Offensivfähigkeit zu steigern. Hier- zu zählt ein neues Feuerleitsystem für das 57-Millimeter-Deckgeschütz, sowie die Ein- führung des Flugkörpers NSM von Kongs- berg auf allen LCS, unabhängig von der Primärmission. In Koordination mit dem unbemannten MQ-8C Bordhubschrauber als Aufklärer und Zieldesignator kann das Schiff nun mit dem NSM Feindschiffe in bis zu 100 Seemeilen Entfernung mit größ- ter Präzision bekämpfen. Die USS GABRIELLE GIFFORD lief Anfang September als erste mit NSM bewaffnete LCS-Einheit zu einer Über- seeentsendung in den Westpazifik aus. Die Ausstattung sämtlicher LCS mit der Waffe wird zirka zwei Jahre dauern. In den frühen 2020er-Jahren erfolgt die nächste Aufrüstungsrunde. Vorgesehen sind unter anderem die Aufnahme eines ELOKA-Systems und von Nulka-Täuschkör- pern. Auch die Montage von bis zu acht VLS-Silos über dem Deck oder die künfti- ge Einführung einer Laserwaffe werden erwogen. L MarineForum 1/2-2020 Die spanische ALVARO-DE-BAZAN-Klasse wird von General Dynamics und Bath Iron Works angeboten ner Vielzahl weitreichender Sensoren, mit bordeigenen unbemannten Über- und Un- terwasserfahrzeugen sowie durch die Ein- bindung in den Sensor- und Feuerverbund mit anderen Kriegsschiffen. Auch die starke of- fensive wie defensive ELOKA-Fähigkeit gilt als wesentliches Element der Leistungsfähigkeit. Die bisherige Bewertung der vorgeschla- genen Entwürfe übertrifft demnach die ursprünglichen Erwartungen der Navy, er- klärte beispielsweise Vice Admiral William Merz. „Falls ich eine Kristallkugel hätte, wür- de ich voraussagen, dass die FSA-Studie eine Ausweitung der SSC-Komponente – sprich der Fregatten – empfehlen wird, bei einem entsprechenden Abbau des Anteils großer Kampfschiffe [Kreuzer und Zerstörer]”, er- klärte der damalige Leiter der Stabsabteilung N9 (Warfare Systems) im Führungsstab der Navy bereits im April 2019. LCS Auch die Kampfkraft der LCS-Einheiten wächst nun endlich, wenn auch mit erheblicher Ver- zögerung. Die eigentlich auf 32 Einheiten be- schränkte LCS-Beschaffung wurde nun auf 35 Stück erhöht. Die Auslieferungsrate be- trägt drei bis vier Schiffe jährlich. Gegenwär- tig wird die Frage erörtert, ob im kommenden Jahr noch ein bis drei weitere Einheiten bewil- ligt werden sollten als „Sicherheitspolster” für den Fall, dass die Fregattenbeschaffung verzö- gert wird. Die Führung der Navy lehnt diesen Schritt bislang offiziell ab aus Sorge, dass dann Ressourcen von wichtigeren Beschaffungspro- grammen abgezweigt werden könnten. Aller- dings erklärte Vice Admiral Richard Brown, Be- fehlshaber der Überwasserkriegsflotte der US Navy, vor wenigen Wochen in einem Interview mit USNI News, dass die Flotte in zirka fünf Jah- ren über 66 Besatzungen für 38 LCS-Einheiten verfügen wird. 30 Jedes LCS wird ausgestattet, um eine von drei Primäraufgaben durchzuführen: Minen- kampf (MCM), ASW, oder SUW. Hierzu wird das Schiff mit einem Einsatzmodul ausge- stattet, das sämtliche Spezialausrüstung für die jeweilige Einsatzart umfasst. Grundsätz- lich kann jedes Schiff abwechselnd mit ver- schiedenen Einsatzmodulen ausgestattet werden, doch zeigt die Einsatzerfahrung, dass dies wesentlich umständlicher und zeitrau- bender ist als anfänglich erwartet. Die Navy plant derzeit den Erwerb von 44 Einsatzmo- dulen: 24 MCM, 10 ASW und 10 SuW. Un- abhängig der Primärmission können LCS- Einheiten mit ihren Standardbordsensoren Aufklärungs- und Überwachungseinsätze durchführen und allgemeine Präsenzaufga- ben wahrnehmen. Sämtliche LCS sind zwecks Eigenschutz mit einem 57-Millimeter-Bordge- schütz, vier Maschinengewehren (12,7 mm), einem Evolved SeaRAM mit elf Abfangrake- ten, sowie Düppelwerfern ausgestattet. Der 2016 vorgestellte Verwendungs- und Stationierungsplan für die ersten 28 LCS- Einheiten ist noch gültig. Die ersten vier Einheiten dienen weiterhin der Erprobung der Einsatzmodule und der Einsatzkonzep- te. Die nächsten 24 Schiffe werden in sechs Verbänden zu je vier Schiffen zusammen- gestellt. Je drei Verbände sind in Mayport, Florida, und in San Diego stationiert. An beiden Standorten ist jeweils ein Verband für MCM, ASW und SuW vorgesehen. Dabei sollen die Schiffe kontinuierlich die gleiche Primäraufgabe wahrnehmen, statt die Mo- dule von Zeit zu Zeit auszuwechseln. Die sechs Einsatzverbände sollen 2023 ihre Soll- stärke erreichen. Ab diesem Zeitpunkt soll die sys- tematische Entsendung nach Übersee eingeführt werden. Von 24 Schiffen sollen stets 13 Einhei- ten für bis zu 24 Monate einem Überseestütz- punkt zugeordnet werden: sieben in Bahrain so- wie sechs im Westpazifik (davon drei in Singapur).

Die BAD DÜBEN am Tag ihrer Taufe und In- dienststellung vor den Hapag-Hallen im Hafen von Cuxhaven. Das Trio ist komplett Einsatzschiff BAD DÜBEN in Cuxhaven getauft r r a K : o t o F Hans Karr Das dritte und letzte der neuen Einsatz- schiffe der Bundespolizei See, die Bad düBen, wurde am 20. November 2019 in Cux- haven feierlich getauft, gesegnet und in Dienst gestellt. Im Beisein zahlreicher Ehrengäste aus der Politik und den maritimen Behörden, der Bundespolizei sowie der Wirtschaft verlieh in altbewährter Seefahrertradition die Bundespolizistin Kristina Vogel, mehr- fache Olympiasiegerin und Weltmeisterin im Bahnradsport, dem neuen Schiff seinen Namen. Zuvor hatten der evangelische und der katholische Dekan bei der Bundespolizei, ebenfalls einer guten Tradition folgend, das Schiff gesegnet. Redner bei der Feier waren unter anderem der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Stephan Mayer, die Bürgermeisterin der Stadt Bad Düben, Astrid Münster, und der geschäftsführende Gesell- schafter der Fassmer Werft, Harald Fassmer. Die neue Bad düBen mit der Kennung BP 83 ersetzt die 30 Jahre alte, namensgleiche BP 23, die bereits im Jahr 2017 außer Dienst gestellt wurde. Der Name Bad Düben, als Dienstsitz einer Abteilung der Bundesbereitschaftspo- lizei, setzt zum einen ein besonderes Zeichen der Verbundenheit und Wertschätzung zwi- schen der Bundespolizei und der Stadt und steht zum anderen für eine besonders erfolg- reiche zurückliegende Patenschaft. Bei 86,20 Metern Länge, 13,40 Metern Brei- te und einem Tiefgang von 3,95 Metern ver- drängt die Bad düBen 1.890 Tonnen. Schiffs- rumpf und Aufbauten sind aus Stahl gefertigt, der Brückenaufbau besteht aus Aluminium. Als Hauptantrieb sind zwei Dieselmotoren 12V 26F von Wärtsilä vorhanden. Sie wirken jeweils MarineForum 1/2-2020 e e S - i e z i l o p s e d n u B : o t o F auf eine Welle mit Verstellpropeller und haben eine Leistung von je 4.080 kW. Damit erreichen die Schiffe ihre Höchstgeschwindigkeit von 21 Knoten. Für langsame Fahrstufen, zum Beispiel bei Patrouillen- und Überwachungstätigkeit, kann auf einen dieselelektrischen Antrieb um- geschaltet werden. Zwei Bugstrahlruder er- leichtern das Manövrieren des Schiffes. Die Bad düBen ist mit einem Hubschrau- berlandedeck ausgestattet, auf dem auch der größte Hubschrauber der Bundespolizei, der Super Puma, sicher starten und landen kann. Eine Fähigkeit, die bisher auf keinem anderen deutschen Behördenschiff vorhanden ist. Variable Staumöglichkeiten für fünf 20-Fuß- Container bieten ausreichend Raum, auch spe- zielle Missionsmodule aufzunehmen und so flexibel auf künftige Herausforderungen zu reagieren. In den Aufbauten ist beidseitig je ein Kontrollboot untergebracht. Am Heck kön- nen, wie bei den Seenotrettungskreuzern der DGzRS, über Heckklappe und Slippanlage zwei weitere Boote eingesetzt werden. Des Wei- teren ist ein 12-Tonnen-Bordkran vorhanden. Die Besatzung des Einsatzschiffes ist in kom- fortablen Kammern untergebracht und be- steht aus 14 Personen. Darüber hinaus kön- nen für Sondereinsätze 34 weitere Personen zusätzlich eingeschifft werden. Die Bewaffnung der drei Einsatzschiffe POTS- DAM (BP 81), BAMBERG (BP 82) und Bad düBen (BP 83) beschränkte sich in der ursprünglichen Planung auf Handfeuerwaffen und Maschi- nengewehre. Aufgrund der sich verändernden politischen Weltlage hat man jedoch entschie- den, die Einheiten auch mit einem Geschütz des Kalibers 57 Millimeter auszurüsten, das im Laufe des Jahres auf allen drei Einheiten an Bord kommen wird. Zum Einsatz kommen Das neue Einsatzschiff ist offiziell auf den Namen BAD DÜBEN getauft. könnten diese bei der Abwehr terroristischer Bedrohungen auf See. Mit den neuen Einsatzschiffen stehen der Bundespolizei See hochmoderne, effizien- te und umweltfreundliche Einsatzmittel zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben auf Nord- und Ostsee zur Verfügung. Zudem sind die Einhei- ten bei Bedarf in allen Gewässern der EU, vom Mittelmeer bis zum Nordatlantik, und bei jeder Wetterlage einsetzbar. Nach der Indienststellung der Bad düBen ist die Flotte der Bundespolizei See wieder kom- plett. Mit dem Zulauf der drei neuen Einsatz- schiffe vom Typ P 86 hat die Bundespolizei ih- re Flottenmodernisierung abgeschlossen. Die drei Neubeschaffungen ergänzen die bereits seit 2003 etablierten und modernen Schiffe BAD BRAMSTEDT, BAYREUTH, und ESCHWEGE des Typs P 66. Somit versehen jeweils zwei Einsatz- schiffe ihren Dienst in Cuxhaven, Neustadt in Holstein und Warnemünde. Der Aufgabenbereich der Bundespolizei See umfasst die Abwehr grenzpolizeilicher Gefah- ren an der deutschen Schengen-Außengrenze, die Kontrolle des Seeverkehrs und die Ermitt- lung von Verstößen gegen Umweltbestim- mungen. Außerdem berät die Bundespolizei See die deutschen Reedereien bei der weltwei- ten Abwehr von Gefahren durch Piraten. L 31

Es geht nur gemeinsam Behördenübergreifende Übung auf der NILS HOLGERSSON Liliane Rossbach Ein Tag im November 2019, 10:34 Uhr, Lübecker Bucht. Die See ist mäßig be- wegt, Wind aus Südost, 2–3 Beaufort. Die Fähre nilS holGerSSon der Reederei TT-Line befindet sich auf dem Weg ins schwedische Trelleborg. An der Backbordseite öffnet sich die Lotsenpforte. Es sind vier Meter bis zur Wasserlinie. Routinierte Hände lassen eine Lotsenleiter herab. Das Polizeiboot StaBer- huk läuft schwungvoll an und kommt ge- konnt längsseits. Drei Beamte klettern zügig die Sprossen der Leiter empor. Keine leichte Aufgabe mit Schutzweste, Waffe, Funkge- rät und Schwimmweste. Trotzdem stehen sie eine Minute später an Deck. Unter Füh- rung eines Besatzungsmitglieds machen Sie sich auf den Weg ins Schiffsrestaurant, wo ein Zwischenfall gemeldet wurde. Sie wol- len gerade weiter, da ertönt das Kommando „Halt! Übungsunterbrechung!“ Seite an Seite Die Beamten von der Bundespolizei See und der Wasserschutzpolizei Schleswig- Holstein befinden sich mitten in einer i l n e s m o h T a d u a C H S B / : s o t o F Polizei auf der Brücke der NILS HOLGERSSON 32 Übung zur Gefahrenabwehr auf See. Die Übung beruht auf einer Verwaltungsver- einbarung zwischen dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und dem Bundespolizeipräsidium und fin- det seit 2016 jährlich statt. Die Szenarien dienen Polizeivollzugskräften dazu, mariti- me Bedrohungslagen zu bewältigen, neue Vorgehensweisen zu entwickeln, zu erpro- ben und zu verbessern. Es geht vor allem darum, die behördenübergreifende Zusam- menarbeit im Bereich Maritime Security zu optimieren sowie die reedereiinternen Si- cherheitssysteme in die Übungen mit ein- zubeziehen. Dass hierbei eine Vielzahl von Bedrohungsszenarien vorstellbar ist, hat unlängst die Übung NITEX in Wilhelmsha- ven gezeigt. Dort ging es um die Lösung einer Terrorlage, bei der verschiedene Bun- desbehörden und das Land Niedersachen involviert waren (s. MarineForum 10-2019, S. 32). Diesmal ist die Wasserschutzpolizei Schleswig-Holstein Übungspartner und das Szenario ist von geringerer Intensität: Eine Gruppe von Migranten, deren Asylantrag nach detaillierter Prüfung negativ beschie- den worden ist, muss Deutschland verlas- sen. Eigentlich ein Routinefall für die Polizei. Heute kommt es aber simuliert zu Proble- men. Schon vor dem Fährterminal in Tra- vemünde demonstrieren Sympathisanten der Auszuweisenden. Spruchbänder wer- den gezeigt, Parolen skandiert. Ein Teil der Ausweisungsgegner gelangt später an Bord – sie haben eine gültige Fahrkarte. Dort es- MarineForum 1/2-2020

kaliert die Situation. Die Gemüter werden hitziger, es kommt zu Wortgefechten mit der Besatzung. Der Erste Offizier versucht zu schlichten, zeitgleich unterrichtet der Ka- pitän die Reederei und die Behörden über die Situation. Da sich das Schiff außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer befindet, fällt der Fall primär in die Zuständigkeit der Bundespolizei. Sie hat ihr Einsatzschiff BP25 Bayreuth im Seegebiet und schickt dieses in Richtung der nilS holGerSSon. Dort ist es in der Zwischenzeit zu Handgreiflichkeiten gekommen. Der Kapitän hat deshalb um- gedreht und steuert dem Behördenfahr- zeug entgegen. Auch die Wasserschutzpo- lizei Schleswig-Holstein wurde alarmiert, weil die nilS holGerSSon zeitnah das deut- sche Küstenmeer erreicht. Sie entsendet das Streifenboot StaBerhuk. Intersektorale Zusammenarbeit ausbauen „Die Übung zeigt, dass die Gefahrenab- wehr im Seeverkehr selten in den Zustän- digkeitsbereich einer einzigen Behörde fällt. In den deutschen Hoheitsgewässern kom- men zum Beispiel die Wasserschutzpolizei- en fünf verschiedener Bundesländer zum Einsatz. Die Bundespolizei See erfüllt über die Hoheitsgewässer hinaus über die Aus- schließliche Wirtschaftszone (AWZ) bis hin zur Hohen See polizeiliche Aufgaben. Mit den gemeinsamen Übungen gelingt es uns, die Prozesse in der Aufbau- und Ab- lauforganisation schneller, reibungsloser und effizienter zu machen, auch mit den Landespolizeien“, fasst Andreas Bebensee Kontrolle durch die Einsatzkräfte MarineForum 1/2-2020 vom Maritimen Schulungs- und Trainings- zentrum (MaST) der Bundespolizei See in Neustadt zusammen. Die Lagen, die dabei zu bewältigen sind, decken ein weites Spek- trum ab. Während es bei dieser Übung um ein Szenario geringer Intensität geht, reicht das Übungsspektrum von realistischen Ein- satzlagen, die über das normale Alltagsge- schäft hinausgehen, über lebensbedrohli- che Einsatzlagen bis hin zu Szenarien mit terroristischem Hintergrund. „Unabhängig von dem Szenario ist die Zu- sammenarbeit aller Beteiligten, einschließ- lich der Reederei und der Besatzung des Schiffes, von entscheidender Bedeutung, damit Einsatzkräfte der Polizei in einer Be- drohungslage effektiv und schnell helfen können“, berichtet Jörg Kaufmann aus den Erfahrungen der vergangenen Übungen. Er ist Leiter der Abteilung Schifffahrt im BSH und unter anderem für das Sachge- biet „Abwehr äußerer Gefahren auf See“ verantwortlich. Das BSH ist in Deutschland maßgeblich für die Umsetzung des Interna- tional Ship and Port Facility Security Codes (ISPS-Code) auf Seeschiffen zuständig, ein Resultat der Terroranschläge des 11. Sep- tember 2001. Insbesondere die USA fürch- teten nach 2001, dass nicht nur Flugzeuge als Waffe terroristischer Anschläge dienen könnten, sondern auch Schiffe. Der ISPS- Code sieht deshalb eine individuelle Risi- koanalyse für jedes Schiff vor, aufgrund dessen die Reederei einen Gefahrenab- wehrplan ausarbeitet. „Dieser ermöglicht Reedereien, Eigensicherungsmaßnahmen festzulegen und Kriminellen sowohl den Zugang als auch den Zugriff auf Schiffe zu erschweren, auch unterhalb der Schwelle terroristischer Bedrohungen“, führt Kauf- mann weiter aus. Das BSH ist zuständig für die Überwa- chung der Einhaltung des ISPS-Codes in deutschen Gewässern. Es kontrolliert dem- entsprechend und sanktioniert für den Fall, dass sich einzelne Schiffe nicht daran hal- ten. Das BSH koordiniert zudem die Abläu- fe der Zusammenarbeit und trägt damit maßgeblich zur verbesserten Kommunika- tion und Koordination zwischen Behörden, Reedereien und der Verwaltung bei. Parallel zur Übung findet auf der nilS holGerSSon eine Fachtagung statt. Exper- tinnen und Experten von Polizei, Hafen- behörden, Schifffahrtsunternehmen und BSH tauschen sich darüber aus, wie eine vergleichbare Lage am besten zu hand- haben ist. Dabei stellt das BSH der Schiff- fahrt zum einen Handlungsanweisungen zur Verfügung. Des Weitern bauen die Be- teiligten Netzwerke auf, um im Ernstfall die reibungslose Kommunikation zwischen al- len Beteiligten zu gewährleisten. Während die Teilnehmerinnen und Teil- nehmer auf der Fachtagung im Konferenz- Polizisten gehen an Bord der Fähre raum des Schiffes noch angeregt diskutie- ren, läuft die Übung an Deck weiter. Unter den Augen der Polizeitrainer ist es den Be- amten gelungen, die Parteien zu trennen und die Gemüter zu beruhigen. Sie nehmen zwei Personen vorläufig fest. Zufrieden mit diesem Ausgang ist vor allem Torben Gda- niec, Deputy Company Security Officer der Reederei: „Wir begrüßen, dass wir als Part- ner der Behörden ein Schiff bereitstellen können. Unsere Besatzung profitiert von den Trainings und unterstützt die Übung mit großer Motivation. Im Ernstfall kom- men diese Erfahrungen unseren Passagie- ren zugute.“ Auf nationaler Ebene sind die behörden- übergreifenden Übungen von BSH und BPOL mittlerweile best practice und wur- den von der EU-Kommission als solche an- erkannt. Im Rahmen der EU-Strategie für maritime Sicherheit ist das Ziel, die Zusam- menarbeit im Bereich der Abwehr äuße- rer Gefahren im Seeverkehr künftig auch auf europäischer und internationaler Ebe- ne auszubauen. Kein Wirtschaftszweig ist so international wie der Seeverkehr. Schiffe unterschiedlichster Flaggen laufen mit ih- ren multinationalen Besatzungen ständig ausländische Häfen an. Besonders bei Not- fällen wie terroristischen Akten sind klare Zuständigkeiten und erprobte Verfahren zur Zusammenarbeit entscheidend für eine schnelle und wirkungsvolle Bewältigung. Das BSH und die Bundespolizei mit ihren Spezialeinsatzkräften haben bereits gute Erfahrungen, die sie auf europäischer und internationaler Ebene einsetzen können. L Dr. Liliane Rossbach leitet im Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie das Sachgebiet Abwehr äußerer Gefahren auf See. 33

g n i r h e N . r i D v h c r A : s o t o F Riesige Mengen Weltkriegsmunition wurden im Meer versenkt Explosive Altlasten unter Wasser Stefan Nehring Die aktuelle Kritik an der Marine im Umgang mit Sprengungen gab es bereits vor über 20 Jahren. 1996 gaben tote Schweinswale, die in der westlichen Ostsee aufgefunden worden waren, Anlass zu Kritik. Vermutet wurde, dass sie durch Minendetonationen im Rahmen der Ausbildung ums Le- ben kamen. Dies rief auch den damaligen Umweltminister Jürgen Trittin auf den Plan, woraufhin Sprengungen verboten wurden. Folglich musste für die Ausbildung in die französischen Übungs- gebiete vor der Atlantikküste ausgewichen werden. Basis des Verbots war ein internationales Ar- tenschutzabkommen für Schweinswale, welches interministeriell unabgestimmt in nationales Recht übernommen worden war. Das Verteidigungsministerium in Person des Inspekteurs der Marine setzte sich damals mit dem Umweltministerium in Verbindung, um eine einvernehmli- che Lösung zu finden. Dort lagen jedoch weder gesicherte Erkenntnisse über die Population der Schweinswale noch über deren Brutstätten vor. Diese Lücke führte zu dem, was man heute eine Win-win-Situation nennt: Die Marine verpflichtete sich, die Vorkommen von Schweinswalen an das Umweltministerium zu melden und keine Sprengungen mit Gefährdung der Tiere mehr vor- zunehmen, ohne vorher eine Vergrämung durchzuführen. Damit war das Umweltministerium einverstanden und unter strengen Auflagen durften Sprengungen zu Übungszwecken wieder erfolgen. Wie ernst dieses Thema in der Bundeswehr zu nehmen ist, hat das Bundesministerium der Verteidigung 2007 in der „Grundsatzweisung für den Umweltschutz der Bundeswehr“ fest- gelegt. Die Debatten um die Umweltbelastungen, die das Militär verursacht, sind durchaus ernst zu nehmen: Stichwort „Greenwashing“. Die Nachhaltigkeitsberichte des BMVg – zuletzt 2018 für den Berichtszeitraum 2016 bis 2017 – lassen sich darüber nicht aus. Zwar geht es auch um Naturschutz auf Truppenübungsplätzen und nachhaltiges Bauen, ansonsten liest man jedoch von „Vereinbarkeit Beruf, Dienst und Familie, Gleichberechtigung und Korruptionsprävention“. Nichts von Sprengungen. Die Marine hingegen hat den Befehl zum Schutz der Schweinswale und anderer Meeressäuger im Jahr 2019 nochmals erneuert. Er ist restriktiv und zeigt, dass man es ernst meint. Darin heißt es unter anderem: „Alle schwimmenden und fliegenden Einsatzmit- tel der Flotte werden angewiesen, den Einfluss von Unterwasserschall auf Meeressäuger und maritime Lebensräume zu minimieren sowie Schalleinträge zu registrieren.“ Seit einigen Jahren ist im Rostocker Marinekommando in der Abteilung Geoinformationswesen ein Dienstposten für einen Meeresbiologen eingerichtet. Sein Auftrag: den Schutz der Meeressäuger zu überwa- chen und die Flotte mit Informationen und Empfehlungen zu unterstützen. Schwierig wird es für den jeweiligen Entscheider vor Ort jedoch, wenn es nicht mehr um Ausbildung geht, sondern um die Gefährdung von Schifffahrtsrouten, Menschen auf See und die Umwelt allgemein. So ge- schehen 2019. In diesem Fall ist der Befehl eindeutig: „Der Auftrag der Einheiten behält jedoch in jedem Fall Vorrang“. Was in anderen baltischen Ländern zu Beifall und Dank führte, löste an der deutschen Küste heftige Kritik an Bundeswehr und Marine aus. Obwohl Abstimmungen mit Landesbehörden stattgefunden hatten und Weisungen eingehalten wurden, ging es – so schien es mal wieder – weniger um die Sache, als darum, das Militär anzuprangern. Um in dieser The- matik mehr Sachlichkeit einkehren zu lassen, eröffnet das MarineForum mit dem Artikel von Dr. Stephan Nehring eine Reihe, in der es um die belastete Umwelt in der Ostsee an sich geht. Es wird unterschiedliche Ansichten und Stimmen geben. Vielleicht wollen auch die Umweltverbände die Wolfgang Nolting und Holger Schlüter Diskussion bereichern. Auf dem Grund unserer Meere lauert seit Jahrzehnten eine tödliche Gefahr: Riesige Mengen von Munition, die größten- teils strandnah vor sich hin rosten. Teilweise handelt es sich noch um direkte Hinterlas- senschaften beider Weltkriege – vergessene Seeminensperren, untergegangene Muniti- onsfrachter, Fehlwürfe bei Bombardierun- gen. Der weitaus größte Teil der Munition in Nord- und Ostsee stammt aber aus gezielten Versenkungen, die vor allem auf Veranlas- sung der Alliierten im großen Maßstab direkt nach Ende des Zweiten Weltkrieges durchge- führt wurden. Deutschland sollte schnellst- möglich entmilitarisiert werden und die Ent- sorgung der gewaltigen Kampfmittelvorräte auf See galt als kostengünstig, effizient und sicherheitstechnisch unproblematisch. Dass es sich bei diesen explosiven Altlas- ten um eine reale Bedrohung für Mensch und Umwelt handeln könnte, wurde lange verdrängt. So betonte Robert Habeck, Bun- desvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen und ehemaliger stellvertretender Ministerprä- sident Schleswig-Holsteins Anfang Juni in der ARD-Reportage „Bomben im Meer“: „Die Politik der letzten Jahrzehnte war eigentlich ‚Möglichst nicht hingucken.‘“ Als 2005 eine erste unabhängige Studie öffentlich aufzeigte, dass an der deutschen Nordseeküste direkt vor den Stränden noch 1,3 Millionen Tonnen versenkter Kriegsmu- nition lagerten, stand diese Aussage im kras- sen Widerspruch zur Meinung der verant- 34 MarineForum 1/2-2020

wortlichen Behörden. Offiziell wurde betont, dass die vorhandene Menge in der Größen- ordnung von nur noch 10.000 Tonnen läge. Die vorhandenen Dokumente belegten je- doch das Gegenteil und die Behörden be- schlossen notgedrungen, im Rahmen einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe das Ausmaß der Belastung der deutschen Küstengewäs- ser selbst abzuschätzen. Ende 2011 wurde ein 1.000-seitiger Abschlussbericht vorge- legt. Die 1,3 Millionen Tonnen in der Nord- see wurden bestätigt. Die ebenfalls 2005 für die deutsche Ostseeküste postulierten 100.000 Tonnen Munition wurden um 200 Prozent erhöht. „Unrein (Munition)“ Zum Schutz der Menschen wird an Land je- de munitionsbelastete Stelle genau karto- graphiert und abgesperrt. Kaum befindet sich etwas Salzwasser über der Munition, ist Bis in die 1950er-Jahre waren Munitionsfischer aktiv Munitionsbelastete Gebiete in der deutschen Nord- und Ostsee alles anders. Die Seekarte, das Handwerks- zeug eines jeden Nutzers des Meeres, soll Auskunft über alle wichtigen Dinge geben, um das Meer gefahrlos bereisen und nutzen zu können. Schaut man heute auf aktuelle Seekarten, finden sich rund 40 Flächen im Bereich der deutschen Nord- und Ostsee, die mit dem eindeutigen Hinweis „Unrein (Mu- nition)“ ausgewiesen sind. Warum die weite- ren 80 bekannten Flächen, die ebenfalls mit Munition belastet sind, von Amts wegen bis- her nicht eingezeichnet sind, ist ungeklärt. Ohne es zu wissen, kann jeder Nutzer des Meeres, ob Fischer, Taucher oder Strandbe- sucher, jederzeit auch außerhalb der amt- lich ausgewiesenen Flächen mit Munition in Berührung kommen. Aus diesem Grund gilt natürlich auch bei der Munition immer der Grundsatz, nichts anzufassen, was man nicht kennt. Lange Zeit im Meer gelagerte Munition sieht oft durch Bewuchs, Beschä- MarineForum 1/2-2020 digungen oder Rost nicht mehr nach Mu- nition aus, der Zünder oder zumindest die Munitionsinhaltsstoffe können aber noch voll funktionsfähig sein. Selbst wenn die Be- hörden es jahrzehntelang geleugnet haben: Auch chemische Kampfstoffe wurden an der deutschen Nord- und Ostseeküste in nicht unerheblichen Mengen und dabei teilweise sogar nur wenige Hundert Meter von Strän- den entfernt versenkt. Zusätzlich muss im- mer mit hochexplosiver moderner Munition gerechnet werden, die von der Bundeswehr, der NVA, der NATO und von sowjetischen Truppen stammt. Genauere Erkenntnisse lie- gen dazu jedoch bisher nicht vor. Olympia 1972 Zum Schutz der Schifffahrt vor Seeminen und Wracks wurden direkt nach Kriegsen- de als erstes die Hauptschifffahrtswege ge- räumt und als Zwangswege freigegeben. Schnell reduzierten sich dadurch auch die Schadensfälle. Der letzte akute Vorfall an der deutschen Küste datiert aus dem Jahr 1960: Vor Borkum kam der Frachter marmara we- gen schlechten Wetters vom Zwangsweg ab und löste eine Grundmine aus. Im Sommer 1971 wurde die Minensuche offiziell einge- stellt, „weil die Gefahr eines Minentreffers nicht mehr größer war als die der Schifffahrt eigentümliche Gefahr“. Es zeigte sich aber schnell, dass dieses Hände-in-den-Schoß- legen voreilig war. Schon wenige Wochen nach dem offizi- ellen Ende der Suche hatte das deutsche Olympische Komitee Bedenken, weil die Se- gelwettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 vor Kiel-Schilksee direkt über einem großen Munitionsversenkungsgebiet statt- finden sollten. Obwohl sich keine Behörde rechtlich zuständig fühlte, bestand Einig- 35

war. Denn nach Ende des Zweiten Welt- krieges waren allein auf den Kieler Regat- tastrecken bis zu 8.000 Torpedosprengköp- fe, viele Wasserbomben und bis zu 10.000 Seeminen unterschiedlicher Typen versenkt worden. Davon wurde nur rund die Hälfte durch die sogenannten Munitionsfischer in den 1950er-Jahren geborgen und der Alt- metallverwertung zugeführt. Erst am 15. April 2004, als ein Berufstau- cher den Fund von 70 Torpedosprengköp- fen meldete, wurden die Behörden wieder aktiv. Eine kurze Suche im Januar 2005 er- brachte den zusätzlichen Nachweis von 50 Ankertauminen. Um jegliche Gefahren zu minimieren und den Zugriff Unberechtig- ter auf diese explosiven Altlasten zu verhin- dern, wurden durch die Behörden schnell zwei Sperrgebiete eingerichtet. Von 2006 bis heute wurde etwa die Hälfte der ge- fundenen 120 Großkampfmittel gesprengt. Auch nach über 70 Jahren auf dem Meeresgrund bleibt die Munition eine akute Gefahr für Mensch und Umwelt Naturschutz Sprengen löst jedoch keine Probleme son- dern schafft neue. Schon aus Zeiten der Dynamitfischerei dürfte bekannt sein, dass jede größere Unterwasserdetonation auf- grund ihrer starken Druckwelle, gefolgt von einem Schallimpuls mit einem extrem kur- zen Anstieg des Schallsignals, auch enorme Schäden in Natur und Umwelt verursacht. Und je größer die Sprengladung ist, desto größer ist der Radius, in dem Tod und Ver- derben Wirkung entfalten. Besonders betroffen sind Fische, Mee- ressäuger und tauchende Seevögel: Bei der Sprengung einer Seemine mit 350 Ki- logramm Sprengstoff, der einen Spitzen- schalldruckpegel von 293 dB erzeugt, er- leiden die Tiere in einem Umkreis von etwa vier Kilometern erhebliche Verletzungen. Zum Vergleich: Die Schmerzgrenze beim Menschen liegt bei 130 dB. Geplatzte Schwimmblasen, Lungenrisse und innere Blutungen bei den Tieren sind die Folgen, die oftmals zum Tod führen. Dauerhafte Gehörschäden und Schwierigkeiten bei der Orientierung sind vor allem bei Meeressäu- gern in noch deutlich größeren Entfernun- gen zu erwarten, mit allen negativen Kon- sequenzen für deren Fortbestand. Seeminen sind oftmals nicht handha- bungssicher. Solange keine Robotertech- nik zur gefahrlosen Bergung verfügbar ist, ist die Sprengung daher immer noch das Mittel der Wahl. Aber man kann die Aus- wirkungen minimieren, indem mit einem sogenannten Blasenschleier (Schlauch- ring mit sprudelnden Luftblasen um den Munitionskörper) der Todesradius einer Detonation um rund 90 Prozent reduziert werden kann. Der Einsatz ist jedoch zeit- aufwendig, sodass vielfach darauf ver- zichtet wird. MarineForum 1/2-2020 Detonierende Kampfmittel sind ein Problem für den Naturschutz keit darüber, dass schnell gehandelt wer- den müsse. Denn eine Verlegung des Se- gelreviers war nicht möglich und durch eine „übelmeinende in- und ausländische Pres- se“ hätte es zu einem bewusst hochgespiel- ten Skandal kommen können. Eine erste stichprobenartige Überprü- fung des Versenkungsgebietes im Sep- tember 1971 ergab, dass Munition jegli- cher Kaliber mehr oder weniger verstreut auf dem Grund herumlag. Besonders die dabei entdeckten fünf Torpedosprengköp- fe, die jeweils ca. 300 Kilogramm Spreng- stoff enthielten und erwiesenermaßen zur Selbstentzündung neigten, bereiteten den Experten große Sorgen. Bei einer anschlie- ßenden intensiven Suche zwischen März und Juni 1972 konnten weitere 166 Tor- pedosprengköpfe gefunden werden. Um diese unschädlich zu machen, wurden sie jedoch nur angesprengt, sodass der für Mensch und Umwelt giftige Sprengstoff (größtenteils TNT) mit nur wenigen Aus- nahmen nicht durchdetonierte, sondern in kleinen und großen Brocken weiträumig verteilt wurde. Durch Wasserströmung und Wellenschlag kam es anschließend zu gro- ßen Sprengstoffanspülungen am bei Bade- gästen sehr beliebten Schönberger Strand. Nach dieser konzertierten Aktion lehnten sich die Behörden für über 30 Jahre zufrie- den zurück, obwohl alte Dokumente beleg- ten, dass offensichtlich nur die Spitze des Eisbergs gefunden und vernichtet worden 36

Ungelöst ist bis heute die Frage der Schadstoffeinträge in die Wassersäule und damit in die Nahrungskette. Jahrzehntelang im Meer gelagerter Sprengstoff – der für Mensch und Umwelt hochgiftig ist – ist oft- mals wassergesättigt. Bei einer Detonation wird nur ein geringer Teil umgesetzt, der Großteil bleibt einfach als Brocken auf dem Meeresboden liegen oder bedroht mehr oder weniger fein zerstäubt als „Giftwolke“ unter Wasser marines Leben. Ein ähnliches Phänomen, wie es auch für die gesamte langsam aber sicher durchrostende Muniti- on am Grund unserer Nord- und Ostsee gilt. Frisch auf den Tisch Auch wenn viele Details über den Verbleib der giftigen Munitionschemikalien in der marinen Nahrungskette noch nicht geklärt sind. Erste Untersuchungen belegen, dass bestimmte Munitionsinhaltsstoffe signifikante ökotoxi- kologische Wirkungen bei Wirbellosen schon unterhalb der chemischen Nachweisgrenze zeigen. Eine Gefährdung der Lebensmittelsi- cherheit ist sehr wahrscheinlich gegeben. So haben in Munitionsversenkungsgebieten ge- fangene Klieschen eine mehr als fünffach hö- here Rate von Lebertumoren als in Vergleichs- gebieten. Seit einigen Jahren werden in der Ostsee zudem vermehrt Schollen gefangen, die gefährlich erhöhte Arsenwerte aufweisen. Die genaue Ursache der Belastung ist bisher unbekannt, könnte aber mit den zahllosen arsenbelasteten Kampfstoffen wie Adamsit, Clark und Lewisit in Zusammenhang stehen, die in der Ostsee lagern. Der reine Arsenge- halt dieser Altlasten wird auf gut 1.000 Ton- nen geschätzt. Munition wird hergestellt um zu töten. An dieser grundsätzlichen Gefahr ändert sich auch dann nichts, wenn die Munition auf dem Gewässergrund liegt. So findet man heute noch versenkte Munition, deren tech- nischer Zustand auch nach über 60 Jahren einwandfrei ist. Viele Munitionsinhaltsstof- fe, wie beispielsweise Phosphor, Schießwol- le, Senfgas oder TNT, bleiben jahrhunderte- lang voll funktionsfähig und können durch ihre spezifischen Eigenschaften sogar bei nur einfachem Kontakt zu schweren Verlet- zungen beim Menschen führen. Auch dieses Problem wurde jahrzehnte- lang von den Behörden kleingeredet. Die öffentlich zugänglichen Fakten zeigen aber ein ganz anderes Bild: Seit Ende des Zwei- ten Weltkriegs bis heute gibt es mindestens 1.138 Opfer durch Munition an der deut- schen Nord- und Ostsee, darunter 418 To- desfälle. Darüber hinaus ist mit einer be- trächtlichen Dunkelziffer zu rechnen, weil viele Unfälle gar nicht öffentlich bekannt wer- den. Auch wenn sich die meisten Unfälle in den beiden ersten Jahrzehnten nach Ende des Krieges ereignet haben, so zeigt die Sta- tistik eindeutig, dass bis heute regelmäßig Unfälle passieren. Allein in den vergangenen 40 Jahren gab es an den deutschen Küsten mindestens zwei Tote und mindestens 210 Verletzte. Eindeutiger Unfallschwerpunkt ist der Strand von Usedom zwischen Pee- nemünde und Karlshagen, wo es jedes Jahr zu schweren Unfällen mit angespülten Wei- ßen Phosphor-Brocken aus Brandbomben kommt. Munition im Meer ist eine tickende Zeit- bombe für Mensch und Natur. Schon seit Län- gerem liegen fundierte Vorschläge auf dem Tisch, unsere Meere von diesem tödlichen Kriegserbe endlich zu befreien. Doch trotz der gebotenen Fürsorgepflicht sahen sich die Behörden bislang nicht in der Pflicht. Das soll sich jetzt ändern. Lorenz Caffier, Innenminis- ter in Mecklenburg-Vorpommern verkünde- te am 2. September in der Ostsee-Zeitung: „Bund und Land wollen endlich handeln.“ L Dr. Stefan Nehring ist Biologe und Umwelt- Consultant. Er ist Protagonist in der ARD- Doku „Bomben im Meer“ . R E N G I S T O E R W 2020 26-28 May Rotterdam Ahoy, NL THE GLOBAL EVENT FOR UNDERSEA DEFENCE AND SECURITY Undersea Defence Technology (UDT), as the largest global event dedicated to the underwater defence industry, is a multi-faceted exhibition and conference reﬂecting the community’s desire for continuous learning and development. The event will bring together military, academia and industry professionals to focus on cutting edge technologies and developments within one of the harshest environments known to man. 1,500 EVENT ATTENDEES 100+ SPONSORS & EXHIBITORS 100+ VIPS/ DELEGATIONS 5 CONFERENCE STREAMS For more information please contact us: [email protected] www.udt-global.com +44 (0)20 7384 7788

„Nicht alles, was Geschichte ist, ist auch Tradition“ Interview mit dem Kommandeur des ZMSBw, Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann Jürgen R. Draxler Potsdam ist in den Köpfen vieler Menschen immer noch ein Synonym für Preußens Glanz und Gloria. Allerdings wird diese Sicht allein der Stadt mit ihren rund 170.000 Einwohnern längst nicht mehr gerecht. Heute bezeichnet sich Potsdam, Hauptstadt des Landes Brandenburg, gern als Wissensstadt. Denn es beherbergt mittlerweile eine Universität, vier Fachhochschulen und 40 wissenschaftliche Einrichtungen – darunter Max-Planck- und Fraunhofer-Institute, Einrichtungen der Leibniz- sowie der Helmholtz-Gemeinschaft und eben auch das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Insgesamt sind in Potsdam mehr als 10.000 Menschen im Bereich der Wissenschaft tätig. Einer von ihnen ist Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann, Kommandeur des ZMSBw. Mit ihm spra- chen wir über die Aufgaben und das Selbstverständnis seines Hauses, den Spagat zwischen wissenschaftlicher Institution und einer in die militärische Hierarchie integrierten Dienststelle. Wir wollten erfahren, ob im ZMSBw für den Elfenbeinturm der Wissenschaft gearbeitet wird oder ob auch Greifbares für die Soldaten beziehungsweise die militärische und politische Führung her- auskommt. Das ZMSBw ist für die historische und po- litische Bildung in den Streitkräften zu- ständig. Wie erreichen Sie die junge Ge- neration, die nur wenig Gedrucktes liest? Unsere Zuständigkeit haben Sie richtig wie- dergegeben. Für diesen Auftrag arbeiten wir auf, was die historische Grundlagen- forschung liefert. Man kann beispielsweise über den Feld- zug in Nordafrika im Zweiten Weltkrieg ein dickes Buch schreiben. Das trifft jedoch nicht das Leseverhalten unserer jungen Soldatinnen und Soldaten. Daher haben wir beispielsweise beim Reclam-Verlag ei- ne neue Reihe aufgelegt, die sich – so auch ihr Name – mit den „Kriegen der Moderne“ befasst. Das heißt: Wir geben kürzer und leichter lesbar Themen in die historische Bildung hinein, wie jüngst zum Feldzug in Nordafrika. Derartiges kann man aber nur machen, wenn man auf solide quellengestützte Grundlagenforschung zurückgreifen kann. Die wird maßgeblich in der Abteilung For- schung betrieben. Dort setzen wir uns ei- nerseits mit der Militärgeschichte bis 1945 auseinander und in einem weiteren Fach- bereich bis 1989/1990, wobei hier unter anderem der Bereich der Militärgeschichte der DDR verortet ist. l r e x a r D : s o t o F Kapitän zur See Dr. Jörg Hillmann mit dem Autor Des Weiteren haben wir mit der Abtei- lung Einsatz einen Bereich, der sich mit der jüngsten Militärgeschichte beschäftigt, al- so mit der Zeit ab 1990. Dahinein fallen die Einsätze der Bundeswehr, wie Afghanistan oder der Kosovo-Krieg, zu dem wir auch ge- rade ein kleines, handhabbares Buch für die Truppe herausgebracht haben. Die historische Bildung liegt mir beson- ders am Herzen. Ich bin, als ich hier das 38 MarineForum 1/2-2020

Kommando übernommen habe, gefragt worden, wie viel historisches Wissen ein Soldat braucht. Ich habe geantwortet, dass die Frage eigentlich anders lauten müss- te, nämlich: Wie viel historisches Wissen braucht ein deutscher Staatsbürger? Ein junger Soldat, eine junge Soldatin tritt mit etwa 18 Jahren in die Streitkräfte ein. Man kann nicht erwarten, dass er oder sie am ersten Tag des Soldatseins zeitgleich mit dem Anpassen der Uniform das gesam- te historische Wissen über die deutschen Streitkräfte internalisiert hat. Es ist ein Lernprozess, den wir hier ansto- ßen müssen, denn wir können nur auf dem aufbauen, was vorhanden ist. Und wenn wir uns ansehen, was an historischem Wis- sen aus den allgemeinbildenden Schulen – sowie den Elternhäusern – mitgebracht wird, dann ist das für uns heutzutage eine schwierige Aufgabe. Das mangelnde historische Verständnis unserer Bevölkerung, dem wir mit unter- schiedlichsten Mitteln – auch durch die Me- dien – zu begegnen versuchen, führt, wenn wir nicht aufpassen, dazu, dass unsere jun- gen Menschen sehr schnell Opfer von Dema- gogen und denen werden, die ein besseres Leben versprechen – weil ein ganz bestimm- tes Grundwissen nicht mehr gegeben ist. Für die Bildungsarbeit sind auch die mir unterstellten Museen in Dresden und in Berlin-Gatow, neben ihrer Öffentlichkeits- wirksamkeit, wichtig. gie sind zwei eigenständige Disziplinen. Wie passt das zusammen? Gerade im Bereich der jüngsten Militärge- schichte haben wir viele Schnittmengen mit unseren Sozialwissenschaftlern. Im Jahr 2013 fusionierten das Militärgeschichtliche Forschungsamt (MGFA) in Potsdam und das Sozialwissenschaftliche Institut (SoWi) in Strausberg. Ebenso wie früher das So- Wi erhalten wir auch heute Aufträge aus dem Ministerium, bestimmte Befragungen durchzuführen. Die Befragung, die seit vie- len Jahren und am längsten läuft, ist die so- genannte Bevölkerungsumfrage, also wie die Bürger unser sicherheitspolitisches Um- feld sehen und wie hoch ihr Vertrauen in das sicherheitspolitische Tun unseres Staa- tes und in unsere Streitkräfte ist. Dabei ha- ben wir, wie der Sozialwissenschaftler sagt, ein großes n. Das bedeutet, unsere Stich- proben sind sehr valide, was unsere Glaub- würdigkeit stärkt. Für die weitere Ausrichtung des Hauses haben sie jüngst eine Agenda 2028 erar- beitet. Wir haben im letzten Jahr vier Leuchtturm- projekte angeschoben, angelegt bis 2028. Die sind übergreifend im Hause verortet und nicht an bestimmte Fachbereiche ge- bunden. Beim ersten Projekt geht es um „Militär und Gewalt“. Dahinein spielt auch das Thema „Mi- litär und Verbrechen“. Wir wollen feststellen, werden muss. Untersucht wird die Zeitspan- ne von 1815 bis heute. Das zweite Projekt befasst sich damit, wie Gesellschaften mit ihren Veteranen umgehen. Es gibt hier sehr unterschiedli- che Mechanismen, die ineinandergreifen. Das berührt auch die Frage der sogenann- ten Traditionsverbände. Nach 1871 ent- standen schon einige Kriegervereine, nach dem Ersten wie dem Zweiten Weltkrieg gründeten sich Traditionsverbände – wo- bei Letztere eine Wirkung bis in die Bun- deswehr hinein hatten. Das dritte Projektthema ist die „Multina- tionalität“. Ein Thema, das für uns heute in der Bundeswehr eine besondere Bedeu- tung hat, aber keine heutige Erfindung ist. Multinationalität haben bestimmte Teil- streitkräfte bereits in den 50er-, 60er- oder 70er-Jahren abgebildet. Und weiter zurück. So beispielsweise im Zweiten Deutsch-Dänischen Krieg (1864), als Österreich den Deutschen auf See zu Hilfe eilte, sie aber auch zu Lande unter- stützte – wobei Preußen und Österreich allerdings zwei Jahre später gegeneinan- der Krieg führten. Genau in diese Richtung wollen wir gehen und fragen: Was gab es damals – also vor dem Ersten Weltkrieg – für Koalitionen? Was waren die Beweggründe, derartige Koalitionen einzugehen, wie brüchig oder stabil haben sie sich dargestellt, und hatten Sitz des ZMSBw ist die Villa Ingenheim in Potsdam Das ZMSBw betreibt – auftragsbezogen – neben der militärhistorischen Grundla- genforschung sicherheitspolitische und militärsoziologische Forschung für die Bundeswehr. Geschichte und Soziolo- wie es dazu kommt, dass Menschen in einem Krieg verrohen. Hier wird deutlich, dass es sich nicht nur um eine historische Themenstel- lung handelt, sondern um eine, deren Beant- wortung sozialwissenschaftlich unterfüttert sie gegebenenfalls Auswirkungen in wei- tere Zeitläufe? Auch dort wollen wir 1815 beginnen. Dabei geht es nicht darum, Jahr für Jahr abzuzählen, sondern um die gro- ßen Linien. MarineForum 1/2-2020 39 w B S M Z : o t o F

Handlungen, gewisse Personen gegeben hat, die basierend auf unserer Werteordnung – unserem demokratischen Werteverständnis – Leistungen erbracht haben, an die wir uns positiv erinnern, die wir also herausgestellt betonen. Nehmen wir beispielsweise einen Kaser- nennamen: die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover. Sie war lange Jahre Offizierschule des Heeres. Mit dem Namen verband eigent- lich niemand mehr etwas. Er war nicht iden- titätsstiftend. Oberst Dirk Waldau, damaliger Kommandeur der in der Kaserne stationierten Schule für Feldjäger und Stabsdienst der Bun- deswehr, hat den Prozess angestoßen, einen Namen zu finden, mit dem sich die Soldaten identifizieren können – der ihnen etwas sagt. Aus dem Kreis der Soldatinnen und Soldaten wurde der Wunsch geäußert, einen in Afgha- nistan gefallenen Soldaten zu ehren. Sie woll- ten an Hauptfeldwebel Tobias Lagenstein, an die Untadeligkeit seines Tuns, seines Auftre- tens und seine menschliche Art erinnern. Und das ist genau das, was wir mit dem Traditions- erlass bewirken wollen, nämlich dass ein Mei- nungsbildungsprozess von unten einsetzen kann und dass wir beispielsweise mit einem Kasernennamen einen hohen Identifikations- grad bei den Soldaten schaffen. Wir wollen eine Wertebindung erzielen, wollen den Soldaten sagen: Schau hin, wo- ran du dich orientieren kannst! Wir wollen den inneren Kompass des Soldaten stär- ken, ihm für seinen Entscheidungspro- zess Möglichkeiten des Handelns aufzei- gen und auch positive Beispiele für „gutes Tun“ deutlich machen. Die Bundeswehr besteht demnächst so lange wie das (kaiserliche) Deutsche Heer (1871–1918), die Reichswehr (1921–1935) und die Wehrmacht (1935–1945) zusam- men. Eine Zeitspanne, die mit ihren viel- fältigen Einsätzen genug Stoff für eine ei- gene Tradition bietet. Ja, aber da ist der Traditionserlass auch sehr deutlich. Im Fokus unserer Betrach- tung und unseres Traditionsverständnis- ses heute steht die Geschichte der Bundes- wehr. Das ist der Grund, warum wir dieser beim ZMSBw einen ganzen Bereich gewid- met haben – und die Abteilung Einsatz, die sich mit der jüngeren Militärgeschichte be- schäftigt, leistet dazu gleichfalls einen Bei- trag. Ein Großteil unseres Hauses kümmert sich sowohl militärgeschichtlich wie sozi- alwissenschaftlich um diese Zeitepoche. Im Traditionserlass steht sehr klar, dass wir Rückbezüge in unsere deutsche Gesamtmili- tärgeschichte zulassen müssen und wollen – aber eben mit dem deutlichen Hinweis: Nicht alles, was Geschichte ist, ist auch Tradition. Das heißt: Die Wehrmacht kann als Institution und Organisation nicht traditionsbildend sein, wo- bei es Menschen in der NS-Zeit und in der Zeit des Zweiten Weltkrieges gegeben hat, wie bei- spielsweise die Männer und Frauen des deut- schen Widerstandes, an die wir uns als positive Beispiele erinnern und die wir beispielsweise auch mit entsprechenden Namensehrungen bedenken. Es steht ebenfalls im Traditionser- lass, dass Letzteres auch für diejenigen gilt, die zwar in der Wehrmacht gedient, sich dann al- lerdings in der Gründungsphase der Bundes- republik Deutschland verdient gemacht ha- ben. Es geht also um jene, die tatsächlich in der Demokratie angekommen sind und die Bundesrepublik Deutschland demokratisch gestaltet haben. Zum Abschluss: Findet sich das ZMSBw in dem vom Verteidigungsministerium he- rausgegebenen Traditionserlass wieder? Ja, da finden wir uns inhaltlich und auch er- wähnt wieder. Erwähnt deswegen, weil wir mit dem historischen Bildungsangebot, das wir im ZMSBw und darüber hinaus mit dem mir unterstellten Militärhistorischen Muse- um in Dresden und in Gatow leisten, den Tra- ditionserlass erfüllen. Mit unserer Bildungs- arbeit untermauern wir ihn und tragen dazu bei, dass seine Implementierung und das Verständnis weiter gefördert werden. Wir haben hier im Hause eine Ansprech- stelle für militärhistorischen Rat einge- richtet. Sie dient allen Kommandeuren und Dienststellenleitern zur Klärung von Fragen. Unser Referat für das Museums- und Sammlungswesen betreut und unter- stützt die militärhistorischen Sammlungen an den unterschiedlichen Dienstorten. Wir bieten außerdem Weiterbildungsveranstal- tungen an. Ich fand die Art und Weise ausgezeich- net, wie der neue Traditionserlass ins Le- ben gerufen wurde – mit unterschiedlichen Workshops an der Führungsakademie, am Zentrum Innere Führung, in unserem Hause und in der Bundesakademie für Si- cherheitspolitik. Das war ein sehr breit angelegter Prozess. Die [damalige] Verteidi- gungsministerin, Dr. Ursula von der Leyen, hat sich hier von vielen Seiten, intern und extern, beraten lassen. Jetzt kommt es darauf an, dass dieser Er- lass implementiert wird. Das ist eine wich- tige Aufgabe für die Teilstreitkräfte und Or- ganisationsbereiche. Interessant ist, dass der Traditionserlass im Verständnis man- cher zivilen Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter nur ein Erlass für die Soldaten ist. Er ist jedoch ein Traditionserlass für die Bun- deswehr, und da gehört nach meinem Ver- ständnis eben auch der zivile Anteil mit da- zu. Von daher ist die neue Kampagne, der neue Slogan „Wir sind eine Bundeswehr“ eine Hilfestellung. L Fregattenkapitän d.R. Jürgen R. Draxler ist Journalist und Publizist. MarineForum 1/2-2020 Kapitän zur See Dr. Hillmann Das vierte Thema lautet: „Wie begegnet das Militär neuen Herausforderungen?“ Wir wollen die Frage beantworten: Was sind neue Kriege? Bei Besuchen im Ausland ha- ben wir festgestellt, dass manche Länder militärhistorisch nur darauf zielen, aus dem Vergangenen für die Zukunft zu lernen, um den nächsten Krieg besser zu bestehen. Das ist nicht unser Ansatz. Jeder Krieg ist anders als der vorangegangene und folgt anderen Gesetzmäßigkeiten. Doch wie verarbeitet Militär neue Herausforderungen, was ist die Gedankenwelt der Menschen, die im Militär dienen? Diese vier Leuchtturmprojekte zeigen die enge Verschränkung zwischen den unter- schiedlichen Disziplinen hier im Haus. Dazu haben wir intensive Kooperationen mit zi- vilen Universitäten, die ja ebenfalls zu The- men wie „Gewalt“ oder „Gewaltgedächt- nisse“ forschen. Es sind zugleich aber auch Themen, die im internationalen Kontext interessant sind. Ist die Agenda bis 2028 bereits komplett beschlossen? Und: Wer formuliert die Zie- le für die Arbeit und damit für die Ausrich- tung des ZMSBw? Die Agenda haben wir inhaltlich so weit fest- gelegt. Wenn es um die Frage von Auftrags- forschung geht, sind wir als Historiker und Sozialwissenschaftler im Bereich der Grund- lagenforschung frei. „Frei“ heißt, dass wir als eine Dienststelle der Bundeswehr eine For- schungsweisung haben, in welche Richtung wir in den kommenden Jahren nachdenken und arbeiten sollen. Diese Forschungswei- sung stammt in erster Linie aus der Feder des Ministeriums (BMVg) – jedoch in Ab- sprache mit uns und in Abstimmung mit unserem wissenschaftlichen Beirat. Unsere Dienststelle wird als Ressortforschungsein- richtung vom Wissenschaftsrat evaluiert. Was ist nach heutiger Definition traditi- onsbegründend, wie soll Tradition gelebt werden? Wenn man diese Frage beantworten will, dann geht es darum, festzustellen, ob es gewisse 40

DER REIBERT – IMMER AKTUELL! DIE NEUE AUSGABE IS T DA ! DER REIBERT Das Handbuch für die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr Der Reibert ist seit Jahrzehnten das bewährte Handbuch für alle Bundeswehrangehörigen. Es baut auf dem aktuellen Stand der Gesetze, Verordnungen, Erlasse und Dienstvorschriften auf und soll Soldatinnen und Soldaten das Grund- wissen über Staat, Gesellschaft und Bundeswehr vermitteln. In dieser überarbeiteten und aktualisierten Ausgabe ﬁ nden sich Informationen über die Änderungen beim Kommando CIR (Cyberinformationsraum) und beim Kommando SKR (Streitkräftebasis), über Neuigkeiten bei den Gewehren und Wirkmitteln sowie im Bekleidungsmanagement und über die neue NATO-Struktur durch die Aufnahme Montenegros. Immer aktuell ist Der Reibert ein unverzichtbares Hilfsmittel und ein verlässliches Nachschlagewerk! Broschur 11 x 15 cm über 900 Seiten zahlr. Abbildungen in Farbe und S/W sowie Farbtafeln € (D) 19,95 ISBN 978-3-8132-0993-8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B U N D E S W E H R S I C H E R H E I T S P O L I T I K M A R I N E Z E I T G E S C H I C H T E L U F T F A H R T T E C H N I K . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . mittler-books.de

Die „Hacken“ 50 Jahre Minentransporter Holger Schlüter Minentransporter SACHSENWALD O D N A M M O K N E T T O L F : O T O F c s h : o t o F Berühmte alte Schiffe werden in Museen vertäut, heißen victory, aurora, mölderS und Gepard. Das älteste seetüchtige Kriegs- schiff der Welt ist übrigens nicht das Lan- dungsboot lachS, sondern die USS conStitu- tion von 1797. Weniger berühmte werden zu Stahlmatten, Schrauben oder im Falle einiger hölzerner Minensuchboote schlicht zu elek- trischer Energie verwertet. Ein Schiff, das nicht zur prominenten kämpfenden Gattung gehört, kann noch so beispiellos sein – es wird meist vergessen. Das gilt auch für die „Hacken“, die einst zu den größten Schiffen der Marine zähl- ten und trotz ihrer seltsamen Silhouette und ihrer Hilfsschiffkennung zu den gefährlichs- ten Waffen der Bundesmarine im Kalten Krieg zählten. Die Minentransporter SteiGerWald und SachSenWald wurden 1966 als letzte Bauten der Stülcken-Werft Hamburg auf Kiel gelegt, von Blohm+Voss fertig- und 1969 in Dienst ge- stellt. Der Auftrag war Seeminentransport und Minenlegen, zunächst im Minenlegergeschwa- der und ab 1972 im 1. Minensuchgeschwader in Flensburg. Im Kalten Krieg galt es, die Ostsee- zugänge zu schützen, also zu „Verminen“. Das Verändern der Geografie durch Minenlegen war ein wesentlicher Kampfauftrag gegen den Warschauer Pakt, deshalb waren nahezu alle Einheiten mit Minenschienen ausgerüs- tet. Nachversorgt werden konnten bis zu vier Minensuch- oder Schnellboote. Sie wurden in See längsseits liegend mit Hilfe von Aufzügen und Kränen zeitgleich binnen einer Stunde zügig beladen. Zwar konnten die Transporter über Minenwurfklappen im Heck auch selbst werfen, aber meist wurde das Nachbeladen in nahezu jeder geeigneten – meist dänischen Bucht – geübt. Dass war einzigartig in der Welt und wurde oft vorgeführt. Das durchgehende Zwischendeck mit Minenschienen sah daher auch aus wie ein kleiner Güterbahnhof, vor- bereitet wurden die Minen im sogenannten 42 Klarmachraum, der aufgrund seiner schieren Größe auch für Musterungen, Empfänge und Kommandoübergaben nutzbar war. In den un- teren vier Plattformdecks lagerten Minen in geheimer Anzahl – obwohl jeder Rondengänger täglich hätte nachzählen können. Theoretisch waren je nach Größe bis zu 5.000 möglich, praktisch eher nicht. Mit der Gesamtmenge aller deutschen und dänischen Minen hätten die Ostseegeschwader in einer Nacht völlig die Geografie verändert und die Zugänge für einen Angreifer abgeriegelt. Das war der unfreund- liche Hauptauftrag, auch wenn die quirligen Bootsfahrer das nie richtig wahrhaben woll- ten. Man war sehr gut darin und hätte mehr Flottenrespekt verdient gehabt. Man sah gern auf diese unförmigen Hilfsschiffe herab, ob- wohl: sie hatten die höchste Bordwand von allen – als „Eigernordwand“ bespöttelt –, die für anlegende Boote eine Herausforderung war. Aufgrund der brisanten Ladung traute man diesen Schiffen nicht in jedem Hafen – sogar das Flensburger Zuhause fürchtete Unheil. Dabei gab es noch nicht einmal ein Rauchver- bot an Bord. Damals waren diese Schiffe eine wirkliche Bedrohung und ein vorrangiges, sehr schützenswertes Angriffsziel. Auch das wur- de gerne und oft geübt. Im Nachhinein weiß man aus späten Zeugnissen, insbesondere von Kampfbomberpiloten, dass man einen derart geschützten Minenverband aufgrund der Fä- higkeit, bis zu 22 Geschützrohre gleichzeitig auf einen Angreifer zu richten, eher nur aus respektvoller Distanz anzugreifen gewagt hät- te. Im Falle des Schutzes durch Schnellboote wäre selbst dieser wahrscheinlich nicht einmal versucht worden. Dieses Selbstbewusstsein gab man sich selbst damals nicht immer. Die Minen lagerten in Depots z.B. in Norwegen, den Niederlanden und Dänemark. Man hielt die Decks abwechselnd beladen oder leer. Der Spitzname „Hacke“ rührte von den Vorgängern Bochum und Bottrop. Das waren hässlich mu- tierte, alte und langsame US-Landungsschiffe mit auffälliger Frontklappe. Selten kamen Mi- nentransporter an fremde Gestade: mal bis nach Trondheim, in den englischen Kanal, nach Schottland und zu den Depots. Viele Seetage verbrachten die Schiffe im Belademodus vor Anker, das war eben die Taktik dieser Jahre. Als Führungsplattform konnten die Schif- fe trotz ihrer Größe nur vereinfacht genutzt werden, weil die operative Ausstattung mit dem eines Minensuchbootes identisch war. Trotzdem wurden auch Aufklärungsfahrten in die östliche Ostsee unternommen, dabei hat die SteiGerWald 1988 einen russischen Torpedo ergattert. Dieser Coup führte zu einer spektaku- MarineForum 1/2-2020

lären Verfolgungsjagd durch mehrere russische Einheiten, darunter ein krivak, und endete mit freundlich-unmartialischer Rückgabe des Die- besgutes in See nach Intervention der höheren Führung – die politischen Entwicklungen in der UdSSR waren dort eben auch nicht unbemerkt geblieben. Eine vergessene, aber durchaus spannende Episode kurz vor dem Zusammen- bruch des kommunistischen Systems. Die Patenstädte waren Abtswind im Steigerwald und Aumühle im Sachsenwald. Das eine Dorf war nett und zugewandt, aber mit der Größe und der Zuwendung etwas überfordert, das andere interessierte sich nicht für die Marine. Ausgerechnet Aumühle, hatte der prominente Einwohner dieser Gemeinde den Ort traumati- siert? Spekulation. Jedenfalls wurde die Sach- senwald-Patenschaft Ende der 80er gekündigt – ein seltener Vorfall. Die Schiffe waren zwar operativ einzigartig und gefährlich, aber weder dynamisch noch martialisch im Auftritt. Es ging gelassen und menschlich zu, Offiziere und Un- teroffiziere mit Portepee hatten gemeinsame Messen. Man stand auch nie in der Zeitung, we- der mit Skandalen noch mit Heldentaten. Tech- nisch und operativ herausfordernd waren die Schiffe auch nicht, man hatte nur eine kleine, aber wirkungsvolle Flugabwehr-Bewaffnung, kaum Elektronik und erst in den letzten Jahren andeutungsweise eine Art Operationszentrale mit einer ESM-Anlage. Feinste Seemannskunst Minentransporter Klasse 762 A 1437 SACHSENWALD und A 1438 STEIGERWALD Technische Daten Verdrän- gung Tiefgang Länge Breite 2.962 ts 3,4 m 111 m 14 m Bewaffnung und Ausrüstung 2 x 40 mm Bofors Doppel- lafetten mit opt. Richtsäu- len OGR 7 2 x Düppelwerfer Breda ESM Anlage FL 1800 4 Bordkräne und Aufzüge Geschw. 17 Knoten Antrieb 2 x 2.800 PS Escher Wyss VSP 4 Minenwurfablaufbühnen mit Heckklappen Anzahl Minen einsatzab- hängig und daher geheim KK KL KL L / OL Besatzung 67 Mann Komman- dant I WO STO 2 Offz (AO/FMO) 8 Unteroffi- ziere m.P 16 Unterof- fiziere o.P 36 MSch (SaZ und WDL) war gefragt, denn geringe Maschinenkraft und große Segelfläche passten nicht immer gut zusammen. 1990 hatten die Einheiten dann den letzten wichtigen Auftrag: Unter dem Kommando des Geschwaderkommandeurs, Fregattenkapitän Klaus-Peter Hirtz, der später als Konteradmiral a.D. Vorsitzender der Marine- Offizier-Vereinigung war, wurden Nahrungs- mittel nach Russland transportiert. Der kalte Krieg war vorüber, es gab nichts mehr zu tun. Das Ergebnis der Prüfung, ob noch logistische oder operative Aufgaben zukünftiger Einsätze möglich waren, war negativ. Containertrans- port oder Sanitätsaufgaben waren aufgrund der ursprünglich hohen Spezialisierung nicht möglich. Relativ jung an Jahren und „gut in Schuss“ wurden die Einheiten 1991/93 mit wenig Meilen außer Dienst gestellt und durch die VEBEG zur Abwrackung verkauft. Ob noch irgendwo Bilder oder Namensläppchen hängen, möge man der Redaktion bei Gelegenheit ver- raten. L TO BE e r e h d o o g BALT MILITARY EXPO 1 6 T H B A L T I C M I L I T A R Y F A I R THE 9TH INTERNATIONAL TECH-SCIENCE CONFERENCE ON NAVAL TECHNOLOGIES FOR DEFENCE AND SECURITY. GDAŃSK, POLAND 22–24 JUNE 2020 WWW.BALTMILITARY.PL

Wie konnte das nur passieren? Lessons learned, die eigentlich schon lange gelernt sein sollten Axel Stephenson y v a N n a g e w r o N i : o t o F Gekenterte Fregatte HELGE INGSTAD Wieso kollidieren eigentlich Kriegs- schiffe, ausgestattet mit reichlich und gut ausgebildetem Personal, dazu elek- tronisch hochgerüstet mit den modernsten Anlagen, überhaupt noch mit anderen Schif- fen? Die amerikanischen Zerstörer FitzGerald und John S. mccain waren laut Untersuchung des National Transportation Safety Board (NTSB) Opfer der „gutgläubigen“ Nutzung von elektronischen User Interfaces, also der vermeintlich vertrauensvollen Interaktion von Mensch und Maschine über Bildschirme, die – einfach gesagt – der Schiffsführung Lagebil- der unterschiedlichen Aufdatierungsstandes anzeigten. Oder aber Fahrkommandos, wie Eingaben zu Fahrtstufe und Ruderlage, an mehr als einer Stelle zuließen – und damit auch die Kontrollkette zwischen Kommando und Ausführungszustand aufgehoben haben. Wenn der Wachoffizier nicht weiß, welches Ruderkommando eingegeben wurde und wie das Ruder tatsächlich liegt, dann sollte das an sich schon ein Ausnahmezustand sein. Und das in einer nautisch unklaren Situation – auf Dauer kann das nicht gut gehen. Folglich wer- den die US-Zerstörer mittlerweile wieder auf manuelle Maschinentelegrafen und Handru- der mit Rückmelder rückgerüstet. Und wie war das bei der HELEGE INGSTAD? Auf den Tag genau ein Jahr nach der Hava- rie der norwegischen Fregatte mit dem mal- tesischen Tanker SOLA TS am 8. November 2018 im Hjeltefjord, der nördlichen Einfahrt nach Bergen, hat die staatliche Unfall-Un- tersuchungsstelle zusammen mit der natio- nalen Havariekommission der Marine eine 44 minutiöse Aufarbeitung des Hergangs und der Unfallursachen vorgelegt. Dieser erste Teil der Untersuchung betrachtet den nauti- schen Vorgang an sich, ein zweiter Teil wird sich wohl den technischen Umständen des abteilungsweisen Wassereinbruchs auf der Fregatte widmen. Dabei ging es nicht um Schuldermittlungen, sondern ausschließ- lich um die Fehlersuche zwecks zukünftiger Vermeidung, also dem klassischen „Lessons learned“-Ansatz. Mitgewirkt hatten der mal- tesische Eigner des Tankers und die spanische Bauwerft der Fregatte. Als Lektüre ist die nüchterne Zusammen- fassung der nautischen Entwicklung an Bord der Unfallbeteiligten und der Verkehrsleit- stelle Fedje VTS im Norden des Fjords für den brückenerfahrenen Seeoffizier nur schwer zu ertragen: Bereits nach den ersten Sätzen fangen die Alarmglocken an zu läuten! Und die darauf folgenden Passagen hätte Stephen King nicht haarsträubender schreiben kön- nen. Nautisch knappe Situationen hat jeder Kommandant durchlebt und durchstanden – und in den meisten Fällen ist es ja auch noch mal gut gegangen. Aber wenn, wie in die- sem Fall, die Beteiligten vorliegende Signale ignoriert und vorgesehene Routinen vernach- lässigt haben und demzufolge jeder der drei Akteure in der Beurteilung der eigenen Situ- ation gravierenden Fehleinschätzungen auf- gesessen war, dann sind alle Fahrvorschriften, Sicherheitsrichtlinien und Handlungsan- weisungen schlichtweg Makulatur. Die Un- tersuchungsbehörde kommt zu fünfzehn (!) Empfehlungen, die an verantwortlichen Stel- len durchaus schmerzhaft wahrgenommen werden müssten. Zur Situation bis zur Havarie: Die Brücke der Fregatte war mit sieben Wachgängern besetzt (darunter zwei Schülern), das Schiff lief mit 17 Knoten südwärts und das Automatic Identifi- cation System (AIS) war passiv geschaltet. Ent- sprechende Informationen der INGSTAD konn- ten auf anderen Schiffen also nicht angezeigt werden. Nur selten wurde das Navigationsra- dar beachtet, denn der vorgesehene Ausbil- dungsschwerpunkt lag auf optischem Navi- gieren. Zwar wurde die Leitstelle Fedje beim Einlaufen in den Fjord über die Bewegungen der Fregatte informiert, das Schiff danach je- doch nicht weiter im Lagebild berücksichtigt. Südlich davon hatte die SOLA TS ihre Betan- kung mit Rohöl beendet, vom Sture Termi- nal abgelegt und drehte mit geringer Fahrt das Fahrwasser querend in den nach Norden auslaufenden Verkehr ein. Die Brücke war mit vier Personen besetzt, darunter der Lotse. Der Radarkontakt der Fregatte wurde zwar ge- sehen, aber nicht geplottet, denn was kann schon ein Kontakt ohne AIS überhaupt sein? Vermutlich nicht viel mehr als ein kleines Se- gel- oder Fischerboot. Als sich die Gefahren- situation deutlich abzeichnete, forderte man den unbekannten Kontakt mehrmals auf UKW zum Abdrehen auf. Auf dem Tanker waren je- doch wegen der restlichen Oberdecksarbeiten zahlreiche voraus gerichtete Flutlichtstrahler eingeschaltet, sodass Positionslaternen und Signalscheinwerfer für andere Schiffe nicht sichtbar waren. Diese alles überblendenden Lichtquellen hielt man auf der Fregatte für MarineForum 1/2-2020

die Beleuchtung eines stationären Objekts in Landnähe Radar und AIS wurden nicht zu Rate gezogen. Die Situation auf der Fregatte kom- plizierend, vollzog sich nur wenige Minuten vor der Kollision auch noch ein Wechsel des Wach- offiziers und seines Assistenten. Die Aufrufe über Funk wurden – weil an Steuerbord ja al- les stationär erschien – dem auslaufend entge- genkommenden Schiffsverkehr an Backbord zugeordnet. Wenn dann auch der Dritte im Bunde die Situation nicht verfolgt und sortie- rend eingreift, dann trifft das Unvermeidbare ein. Das alles ist in der Animation unter www. aibn.no vom 8. November 2019 zu verfolgen – siehe dort auch „Summary Report“. Abgesehen vom Unvermögen der Beteilig- ten, die eigene Außenwirkung richtig einzu- schätzen und verantwortlich sowie voraus- schauend einzugreifen, gilt es insbesondere für die Fregatte, einige Punkte zu notieren, die an professioneller Seemannschaft und gelunge- ner Schiffsführung zweifeln lassen. Straffun- gen in Laufbahn und Ausbildung der seefah- renden Offiziere sowie ein Fehl an erfahrenem Navigationspersonal hatten in der norwegi- schen Marine wohl dazu geführt, dass junge und noch nicht ausreichend erfahrene Wach- offiziere vorzeitig ihr „Ticket“ erhielten. Als Brü- cken-WO an Bord warteten dann auch noch zusätzliche Ausbildungsaufgaben auf sie. Kurz gesagt hatte der unerfahrene Wachoffizier in navigatorisch nicht ganz unkritischem Fahr- wasser bei Nacht auch zeitgleich noch Brü- ckenschüler auszubilden. In einer Situation, in der man alle verfügbaren Mittel für die siche- re Navigation hätte nutzen können (und sei es auch nur in der OPZ als Backup), wurden weder Radar noch AIS zur Erstellung eines konsisten- ten Schifffahrts-Lagebildes genutzt. Und auch kein wirklich erfahrener Vorgesetzter hatte die Aufsicht geführt, sofern denn eine „Ausbil- dungsfahrt unter erschwerten Bedingungen“ angesetzt gewesen wäre. Selbst eine lieblos eingeworfene „Belehrungsfahrt Optische Na- vigation“ sieht vermutlich anders aus. Der Report kommt zu dem Schluss, dass die Havarie das Ergebnis einer Vielzahl von ope- rativen, organisatorischen, technischen und systemischen Fehlern bei allen drei beteilig- ten Akteuren war. Um diese zukünftig zu ver- meiden, haben die Untersuchungsbehörden Empfehlungen ausgesprochen, wobei insbe- sondere an die Marine Folgendes adressiert ist: Grundsätzlich darf die notwendige Aus- bildung auf der Brücke die sichere Navigation und seemännisch verantwortliche Schiffs- führung nicht beeinträchtigen. Ausbildung und Führung sollten also getrennt sein. Fest- zulegen sind Maßnahmen zur Kompensation bei der Passivschaltung des AIS sowie Abspra- chen zwischen Marine und Norwegian Coas- tal Administration (NCA) zum Verhalten bei Nutzung des AIS im Mode 3 (Warship AIS) in allen kritischen Gewässern. Zu überarbeiten sind die Fahrvorschrift für die Fregatte in den MarineForum 1/2-2020 i y v a N n a g e w r o N : o t o F t u s e : o t o F Abtransport der verunglückten Fregatte y a w r o N d r a o B n o i t a g i t s e v n I t n e d c c A i : o t o F Computersimulation der Kollision Punkten Brückendienst und Ausbildungsrou- tine, der Stellenplan der Fregatte beim Navi- gationspersonal, die Befähigungsnachweise für das Navigationspersonal sowie die medi- zinische Qualifikation des Brückenpersonals in Bezug auf das Sehvermögen. Zu entschei- den ist über den Einbau eines Voyage Data Recorders (VDR) entsprechend dem Flugda- tenschreiber im Luftverkehr sowie über das Vorgeben von Ruhezeiten für kritisches Per- sonal, um eine Übermüdung zu vermeiden. Ähnlich deutliche Hinweise ergehen an die Schifffahrtsbehörden bezüglich der Rege- lungen zur Oberdecksbeleuchtung und die Verkehrsleitung bezüglich des Monitoring- Verfahrens und der Informationsroutinen für den Schiffsverkehr. Die amerikanischen Zerstörer sind übrigens seit Kurzem instandgesetzt und fahren wie- der. Die HELGE INGSTAD konnte zwar geborgen werden, gilt aber als technisch verloren. An- ders als an Bord von FITZGERALD und MCCAIN waren bei ihrer Havarie jedoch keine Toten zu beklagen. In keinem Fall hätte es bei et- was mehr Gespür und Wissen um die Ver- kehrslage so weit kommen müssen. Fachlich fundierte Ausbildung, Übung im Team und eine ordentliche Prise Salz auf dem Buckel des Wachoffiziers sind immer noch das un- schlagbare Rezept für eine nautisch sichere Seefahrt. Das gilt an Bord nicht nur für Schiff und Besatzung, für See und Wetter, sondern heute auch für die situational awareness im digitalen Informationsraum! L 45

Marinen aus aller Welt p u o r G l a v a N : o t o F A RGE NTIN IE N – CH ILE Es ist Sommer in der Antarktis! Während die Klimabesorgten (zurecht) die abbre- chenden Eisplatten zählen, führen die ar- gentinische und chilenische Marine vom 15. November bis 31. März 2020 ihre be- reits 22. gemeinsame Antarktispatrouille durch. Mit den wenigen dazu verfügbaren Mitteln zeigen das „Comando del Área Na- val Austral de la Armada Argentina“ und die „Tercera Zona Naval de la Armada de Chile“ Präsenz an den Gegenküsten des südame- rikanischen Kontinents so gut es geht. Ge- währ maritimer Sicherheit, Überwachung der Meeresverschmutzung und Erhalt des a n i t n e g r A a d a m A r : o t o F ALMIRANTE IRIZAR, ESPERANZA BASE Ökosystems vor der antarktischen Halbin- sel stehen im Aufgabenportfolio. Dabei le- gen die Verbände etwa 15.000 Seemeilen zurück, besuchen und versorgen 34 For- schungsstationen der unterschiedlichsten Nationen, führen wo nötig Rettungs- und Evakuierungsoperationen durch, reparieren ausgebrachte Navigationshilfen und korri- gieren kartografisches Material. Nicht nur, dass diese jährlichen Vorhaben im Antark- tis-Vertrag von 1984 so vorgesehen sind – heute verstärkt sich zusehends der Transit- verkehr aus dem chilenisch-argentinischen Beagle-Kanal von Amerikas Südspitze zu den nächstgelegenen Anlaufpunkten auf 46 A R G E N T I N I E N In der ersten Dezemberwoche flog der Chef des argentinischen Admiralstabes, Admi- ral José Luis Villán, nach Toulon, um im südfranzösischen Hafen an Bord der Kor- vette L'ADROIT den Flaggen- und Namens- wechsel auf ARA BOUCHARD zu vollziehen. Dann erst konnte das acht Jahre in franzö- sischen Diensten gelaufene Unikat der Se- rie OPV 90 GOWIND mit seiner neuen Be- satzung nach der materiellen Auffrischung (Wechsel von Flugkörper auf 30-Millimeter- Kanone, Eisverstärkung für Antarktisope- rationen) die Atlantikquerung in Angriff nehmen und sich in die argentinische Flotte einreihen. Die drei Serienbauten von Piriou (Concarneau) und Kership (Lorient) folgen wie berichtet planmäßig in den nächsten zwei Jahren. EX-L'ADROIT Antarktika, dem antarktischen Festland. Und da gerade mischt China fleißig mit! Ushuaia am Beagle-Kanal und Punta Aren- as an der Magellanstraße sind bevorzugte Umschlagplätze zur Versorgung chinesi- scher Stationen im Eis auf dem Luft- und Seeweg. Wer da nicht aufpasst, hat schon verloren! z f f o : o t o F Plätze der Welt, die Einrichtung einer Ant- arctic Specially Managed Zone (ASMA) zu erwirken. Damit würde nämlich eine nicht unerhebliche Region des Kontinents unter C H I L E Eine kleine Nachricht für die alten Kap Horniers: Die dem südchilenischen Wol- laston-Archipel (Kap Horn) nahegelegene Isla Nueva, die östlichste der feuerländi- schen Inselwelt um den Beagle-Kanal, ist für minenfrei erklärt worden. Chile hat- te aus Furcht vor einer argentinischen In- vasion auf dieser und anderen Inseln in den 70er-Jahren Landminen ausbringen lassen – und weil unbewohntes Land – auch quasi „vergessen“. Mit der Unter- zeichnung des Vertrages von Ottawa 1997 zur Räumung verpflichtet, haben die Kommandos der chilenischen Marine- infanterie zwar spät, aber gerade noch vor Ablauf des ultimativen Zeitlimits die letz- ten der vor über 40 Jahre eingegrabenen Minen entschärfen können. Hintergrund: Wer im Feuerland die Landesgrenzen ver- schiebt, gewinnt erhebliche Anspruchszo- nen in der Antarktis! C H I N A Seit 2013 versucht nun China für die Kun- lun-Station nahe dem Argus-Dome mitten im Nirgendwo (auf Google stark verpixelt!), eine der höchsten Erhebungen des Konti- nents und somit einer der für die Welt- raumforschung am besten geeigneten XUE LONG 2 chinesische Vormachtstellung fallen, so wie übrigens der Staatspräsident dies auch un- geniert angekündigt hat. In diesem Zusam- menhang wird der Begriff „Umweltschutz“ zum Feigenblatt für geostrategische Ab- sichten von territorialer Dominanz bis zu ungehindertem Rohstoffabbau unter dem Eis und unter der Erde. Und die verfolgt das Land mit „kleinen“ Geschenken und Vor- zugsverträgen für Antarktis-Anrainer rund um den südamerikanischen Kontinent, wie an dieser Stelle mehrfach berichtet wur- de. Hier getätigte Investitionen sollen ein wohlwollendes Abstimmungsverhalten der so bedachten Länder erwirken, wenn 2048 der Antarctic Treaty neu verhandelt wird. Im November entsandte China die beiden Eisbrecher Xue lonG und Xue lonG 2 (erster national gebauter AI) auf die 32. Antarktis- Mission mit dem Auftrag, den Aufbau der mittlerweile fünften chinesischen Station auf dem Weißen Kontinent bis 2022 sicher- zustellen. MarineForum 1/2-2020

t l u a s s a D : o t o F Marinen aus aller Welt C H I N A Chinesische Auslandsmedien berich- ten über ein trilaterales Marinema- növer, das die südafrikanische Mari- ne vor Kapstadt mit russischer und chinesischer Beteiligung für die letz- te Novemberwoche organisiert hatte. Zentrale Punkte sind dabei die Sicher- heit im maritimen Wirtschaftsraum, Zusammenarbeit und Verbindungs- pflege. Drei Tage Vorbereitung an Land, danach Artillerieschießen, He- lotransfer und Anlandung von Katas- trophenhelfern. Es gehe um den „mul- tinationalen Erhalt des Friedens, der Sicherheit und Stabilität in der mariti- men Region“, so die chinesische Lesart für den Begriff „Strategisches Interes- se“. Unterschiedlicher geht es kaum! Da hilft nur Sprachmittlung und guter Wille – am Kap der Guten Hoffnung. F R A N K R E I C H la comBattante – ein in Schnellbootskrei- sen wohlklingender Name – auch wenn die Boote aus Stahlblech gebaut waren! Das Na- mensschild schmückt nun wieder ein fran- zösisches Patrouillenboot – das dritte der neuen Klasse la conFiance. In Auftrag ge- geben 2017 nach dem Hurrikan Irma, soll das Boot die Fähigkeiten der französischen Streitkräfte im Gebiet der Westindischen Inseln (Martinique, Guadeloupe) verstärken. l e a n o i t a N e n i r a M : o t o F on der Dassault Atlantique 2. Ende Okto- ber wurden die ersten zwei, nunmehr auf den „Standard 6“ umgerüsteten Maschi- nen dieses Typs in den Betrieb der Marine zurückgegeben. Insgesamt 18 Flugzeuge werden mit neuem Suchradar (scanned ar- ray), Führungs- und Sensor-Integrations- system sowie einzelnen weiteren Senso- ren (u.a. elektro-optisch/infrarot) auf den neuesten Stand gebracht. Sie sollen bis 2030 ihren Dienst versehen. Vier Einheiten verbleiben in der einfachen Aufklärungs- version. ATL-2 Standard 6 F R A N K R E I C H Von den fünf Fregatten der etwa 25 Jahre alten LA-FAYETTE-Klasse sollen lediglich das Typschiff sowie COURBET und ACONIT ab 2020 ein umfangreiches Upgrade erhal- ten. Mit diesem Programm soll der ministeriell geforderte Umfang an 15 modernen Fregatten der Marine Nationale über das kommende Jahrzehnt erhalten bleiben. Für die Laufzeitverlängerung werden Flugkörper- und Torpedobewaffnung (Crotale CN2, Exocet Block III, Eurotorp MU90), sowie Rechner- und Sensorsysteme erneuert. SURCOUF und GUEPRATTE sollen dafür bis zum Zulauf der ersten neuen FTI-Fregatten ab 2025 in Dienst bleiben. l e a n o i t a N e n i r a M : o t o F ACONIT LA COMBATTANTE Das Typboot und sein Schwesterschiff la réSolue sind bereits seit zwei Jahren zum Schutz des Weltraumbahnhofs Kourou in Französisch Guyana stationiert – in Ca- yenne. Da, wo der Pfeffer wächst! F R A N K R E I C H Die 22 Seefernaufklärer ATL-2 der fran- zösischen Marine sind schon eine bereits 2010 waffenseitig aufgewertete Versi- MarineForum 1/2-2020 F R A N K R E I C H Verteidigungsministerin Florence Parly hat- te es Ende November während eines Be- suchs der französischen Marinebasis in Abu Dhabi angekündigt: Frankreich wird in Kür- ze seine eigene Überwachungsmission im Persischen Golf als Ergänzung zur amerika- nisch-britischen Operation Sentinel begin- nen, und zwar als Leadnation mehrerer euro- päischer Marinen, darunter der britannischen und der niederländischen. Als führende Zen- trale könnte das Maritime Information Co- operation and Awareness Centre (MICA) im Marinestützpunkt Brest dienen, das bereits national Verantwortung übernommen hat für den Golf von Guinea, das Horn von Afri- ka, den Indischen Ozean, den ostasiatischen Seeraum und das Mittelmeer. Im Seegebiet nördlicher Indik und Persischer Golf hat die Fregatte COURBET gerade die Luftabwehrfre- gatte Jean Bart abgelöst und zeigt dort Prä- senz. Aber ohne genaue Daten und klare Mit- spieleransagen gibt es noch kein Bild an den Nagel zu hängen – aber den Nagel wollen wir doch schon mal in die Wand schlagen! Und Deutschland wartet aus verfassungsrechtli- chen Gründen weiter auf die große EU- oder VN-Lösung. Kommt uns das bekannt vor? 47

Marinen aus aller Welt FSS G R O S S B R I TA N N I E N Drei neue Feststoff-Versorger (Fleet Solid Support Ship, FSS) für Munition und Ver- brauchsgüter sollen als Ersatz für die alternden RFA (Royal Fleet Auxiliary) der FORT-Klasse gebaut werden. Die Zeitlinie sieht einen Vertragsabschluss 2020 vor mit Ablieferung der ersten Einheit 2026. Dafür läuft derzeit eine internationale Wettbewerbsphase, die allerdings Anfang November vom Verteidigungsministerium abrupt angehalten wurde. Grund seien Bedenken wegen finanzieller Rentabilität und wirtschaftlicher Un- gereimtheiten. Gewerkschaften sowie einige Politiker und Industrieunternehmen ap- plaudieren, denn sie empören sich darüber, dass die Regierung ihre Ausschreibung von Verteidigungsaufträgen im Wert von etwa zwei Milliarden Euro auch im europäischen Ausland ausgeschrieben hat. Und nun liegt obendrein auch noch ein erstes Konzept vor: Navantia, im Team mit der englischen Designschmiede BMT, hat einen Entwurf zur Diskussion gestellt, der allerdings den Bau in Spanien vorsieht. Navantia ist nämlich derzeit im Versorgerbau nicht nur in Europa eine der führenden Werften. Manchmal muss man eben anhalten, um den verlorenen Faden wiederzufinden! a i t n a v a N : o t o F G R O S S B R I TA N N I E N Zur Übergabe an die Royal Navy und der anschließenden Indienststellung ist Eng- lands zweiter Träger der Queen-elizaBeth- Indienststellungstermin ist der 10. Dezem- ber vorgesehen. Im Februar geht es dann weiter mit technischen Nachweisen und dem Einfahren der gesamten Besatzung. allerdings richtig teuer: Instandhaltung und Reparatur, U-Boot-Rettung, Tauchereinsatz, Schleppen und Bergen, Katastrophenhilfe, Truppentransport (mehr als 350 Fahrzeuge) und Spezialkräfteverbringung, Hubschrau- ber- und Bootseinsatz, Wahrnehmen von l s e a h T : o t o F PRINCE OF WALES Klasse, die prince oF WaleS, Mitte November nach acht Wochen Erprobung in der Nord- see erstmals in Portsmouth eingelaufen. Als s r e n t r a P l i a v e r P : k i f a r G G R O S S B R I TA N N I E N Das Littoral Strike Ship (LSS) ist eine seege- hende Marinelogistik- und Operationsbasis. Zwei davon vorausstationiert für Notfall- Operationen größerer Verbände in West- europa und östlich von Suez, das wäre doch taktisch clever! Der wohlklingende Name lässt großes erwarten – oder eher doch nicht, so wie manch anderes, was man von der Insel hört? Die Studienphase ist jeden- falls eröffnet, 2023 könnte die Designpha- se beginnen und 2025 die Bauphase mit Indienststellungen 2029 und 2030. Als Hilfs- schiffe könnten sie nach zivilen Normen im In- und Ausland gebaut werden ähnlich wie die Versorger tide-Klasse oder das Fleet So- lid Support Ship (FSS). Schaut man sich das Aufgabenportfolio an, dann wird das Schiff Littoral Strike Ship Führungsaufgaben. Das Ganze auf 200 Me- tern Länge mit 30.000 Tonnen. Aber unbe- waffnet. That remains to be seen. I TA L I E N Das erste der sieben neuen Mehrzweck- OPVs (Pattugliatore polivalente d'alture, PPA), die PAOLO THAON DI REVEL (P 430), hat Mitte November im Seegebiet vor La Spezia seine Seeerprobung aufgenommen. Dieser neue Schiffstyp ist Teil des ambitionierten Planprogramms zur Flottenerneuerung in Italien. Was sich anfänglich wie ein mäßig dimensioniertes Boot anhört, ist bei genau- erem Hinsehen ein 130-Meter-Fregatten- Schiff mit 4.500 Tonnen Verdrängung, mit wave piercing bow und elektrischem Antrieb bis 10 Knoten, mit zwei Hubschraubern und wahlweise Container- oder Bootsladung mittschiffs. Mit der in der Grafik aufgezeig- ten Bewaffnung wird es nicht nur Patrouille fahren können. Mal was anderes! MarineForum 1/2-2020 e r a t i l i M a n i r a M : o t o F 48 Neues Mehrzweck-OPV

Marinen aus aller Welt M A L AYS I A Nach den Parlamentswahlen 2018 mit dem schockierenden Ergebnis einer Abwahl der seit über 60 Jahren regierenden Koalition hat der Wechsel in den wichtigsten Positionen zu grundlegenden Bestandsaufnahmen geführt. Das malaysische Projekt einer Küstenkampf- Korvette der maharaJa lela-Klasse (GoWind) als Lizenzbau auf der nationalen Boustead Na- val Shipyard (BNS) in Lumut/Sitiawan läuft mit einem Verzug von fast drei Jahren und Kos- tenüberschreitung von 25 Prozent aus dem Ruder. Die erste Einheit sollte noch dieses Jahr übergeben werden – von den erwarteten 80 Prozent Baufortschritt sind aber lediglich 55 e n i r a M e h c s i s y a a M l : o t o F MAHARAJA LELA Prozent erreicht worden. Für einen Stopp des sechs Schiffe umfassenden Bauvorhabens ist schon zu viel investiert worden (zwei Drittel der Bausumme von zwei Milliarden Euro), so- dass letztlich nur eine Nachfinanzierung von 330 Millionen Euro das Dilemma zufrieden- stellend wird lösen können. Fluch und Segen gleichzeitig – schließlich ist es nicht weniger als ein nationales Prestigeprojekt. PH I L I PPI N E N In der Biskaya hat vor Sables d'Olonne der französische Schiffbauer OCEA erfolgreich das für die Philippinen vorgesehene, 84 Me- ter lange OPV GaBriela SilanG erprobt. Das Boot wurde im Sommer bereits zu Wasser gelassen und läuft mit zwei Dieselmotoren vom Typ MTU 16V 4000. Die Reichweite A E C O : o t o F GABRIELA SILANG beträgt 8.000 Seemeilen bei einer Seeaus- dauer von fünf Wochen. Neben einer Crew von 40 Personen ist noch Platz für weitere 26 Personen, die je nach zugewiesener Auf- MarineForum 1/2-2020 PA K I S TA N Während die Arbeiten an der dritten und vierten Einheit der Luftabwehr-Fregatten vom Typ 054A in pakistanischem Auftrag nun doch in Schanghai auf der chinesischen Hudong-Werft beginnen (zunächst war ein Nachbau in Karachi angekündigt), laufen in Rumänien auf der Damen Galatai Shipyard die beiden Korvetten vom Typ OPV 1800 für die pakistanische Küstenwache (Maritime Security Agency) vom Stapel. Beide Ein- heiten, deren Namen und Klassenbezeichnung noch unbekannt sind, werden 2020 nach Karachi ausgeliefert. Offensichtlich klappt das mit dem eigenen Schiffbau noch nicht ganz zufriedenstellend: Pakistan lässt seine Schiffe ungefähr jeweils zur Hälfte im Westen und im Osten bauen. The best of two worlds! P 272 e n i r a M e h c s i n a t s i k a P : o t o F gabe an Bord genommen werden können – respektive 35 Personen im humanitären Einsatz. Ein echter Inselhüpfer – und sieht dabei auch richtig gut aus! R U S S L A N D Die russischen Marineflieger haben zwei neue Hauptquartiere ausgebracht: ei- nes auf der Krim und ein zweites im Ge- biet Königsberg (Oblast Kaliningrad). Als „Kampf-Zentralen“ sollen sie die Luftope- rationen über den sensiblen Bereichen Ostsee und Schwarzes Meer etwas filig- raner steuern können als die abgelegenen Kommandozentralen im russischen Kern- land. Schwerpunkt ist eindeutig die Krim: Hier wird das HQ auf dem Fliegerhorst Nowofedoriwka, 40 Kilometer nördlich von Sewastopol und nahe der Stadt Saky eingerichtet und über je ein Regiment Su- 24-Bomber und Su-30SM-Jäger verfügen. Zusätzlich wird in Kacha, auf halbem Weg nach Saky, ein gemischtes Regiment dazu gehören, bestehend aus Transportflug- zeugen vom Typ Antonov 26, U-Jägern vom Typ Beriev Be-12 sowie Transport- und Kampfhubschraubern vom Typ Ka- mov Ka-29. Angaben zum Ostsee-Disposi- tiv waren nicht zu finden – dort sind aber auch die Möglichkeiten der aufgrund der wenigen Flugfelder deutlich begrenzter. R U S S L A N D Neues von der nanuchka-Klasse. Das kna- ckig bestückte Mädel aus den Zeiten des Kalten Krieges soll auch bei der russischen Marine im zarten Alter von 40 Jahren noch einmal zum Kosmetiker! Andere Marinen haben ein ähnliches Lifting schon vor eini- ger Zeit durchgeführt. Das „Kleine Raketen- schiff“ erhält statt den 2x3-fach-Startern mit Seeziel-Flugkörpern vom Typ SS-N-9 Siren/Malakhit nun neue 4x4-fach-Starter für den SS-N-25 Switchblade/Uran mit fast l g o b _ r a m _ s u r : o t o F SMERCH dreifacher Reichweite (160 sm). Auch der Doppelstarter für die acht Flugabwehr-FK SA-N-4 Gecko wird wohl durch ein Startsys- tem für sechs SA-N-14 Grouse getauscht. Weitere Veränderungen betreffen das Rundsuchradar und eine neue 57-Millime- ter-Kanone sowie die Umrüstung von sechs auf zwei Dieselmotoren. Die Smerch (Wir- belwind) ist die erste ihrer Klasse und hat kürzlich im Pazifik ihre Abnahmefahrten durchgeführt. Es sollen wohl alle 12 der ehemals 13 „Nanus“ bis 2024 die Verjün- gungskur durchlaufen. 49

S I N G A PU R Die Marine des ostasiatischen Stadtstaates betreibt jetzt die letzten zwei Schnellboo- te der FEARLESS-Klasse, die mit ihrer Silhouette an das von der deutschen Lürssen-Werft über einige Jahrzehnte geprägte Design erinnern. Die zwölf Boote der Mitte der 90er- Jahre in Singapur gebauten Serie hatten aber mit Wasserstrahlantrieb und teilweiser Ausrüstung als U-Jagd-Einheiten ein spezifisches Aufgabenprofil (choke point surveil- lance), das heute durch die deutlich größeren Korvetten der INDEPENDENCE-Klasse (Saab Flex-Design) im Konzentrationsgebiet der Seefahrtswege um die Halbinsel wahrge- nommen wird. Nachdem bereits 2003 das erste Boot nach einer Kollision aus der Liste gestrichen wurde, hatte die INDEPENDENCE nach ihrer Ausmusterung 2017 Platz gemacht für die neue Korvettenklasse – zumindest für die Namensgebung! Sukzessive wurden acht weitere Boote aus der Fahrbereitschaft genommen, sodass heute nur noch die FREEDOM und die GALLANT für dieses Jahr im Dienst bleiben werden. z t i N l e a h c i M : o t o F Marinen aus aller Welt SAUDI ARABIEN Das zunehmende Säbelgerassel im Iran und dessen heftige Nadelstiche im Persi- schen Golf lassen das Königreich unruhig werden. Der immense Wüstenstaat ist keine traditionelle Seefahrernation und entsprechend ist der Bestand an größe- ren seegehenden Einheiten nicht sehr umfangreich, obendrein veraltet (vier Fregatten und vier Korvetten aus den 80er-Jahren, dazu drei LA-FAYETTE-Fregat- ten aus dem Jahr 2000) und bedarf der Erneuerung. Dafür sind bereits fünf Kor- vetten AVANTE 2200 (2.500 tn; Navantia) und vier Mehrzweck-Überwasserkampf- schiffe der amerikanischen FREEDOM-Klas- se (3.400 tn; Lockheed Martin) geordert – mit einer Option auf vier weitere Ein- heiten. Obwohl diese Zuläufe den Fähig- keitsbedarf im Roten Meer und im Per- sischen Golf decken sollten, streckt man saudischerseits wohl schon die Fühler aus und sucht ein adäquates Design für bis zu fünf weitere Fregatten aus dem 3,5- bis 4-Tausendtonner-Spektrum. Alle Hersteller von Rang und Namen bieten diesen Schiffstyp an und könnten in die engere Wahl kommen. Mehr Tonnage produziert aber nicht unbedingt mehr Sicherheit. S I N G A PU R S PA N I E N Das achte und letzte Schiff der neuen independence-Klasse (Littoral Mission Ves- sel), die FearleSS, die diesen Namen von ei- nem Vorgängermodell der gleichnamigen Schnellbootklasse geerbt hat, ist zu ihrem Heimathafen, der Tuas Naval Base, verlegt worden. Es ist eines von vier Booten dieses z t i N l e a h c i M : o t o F INDEPENDENCE Typs, das einen Bordhubschrauber mitfüh- ren kann. Auch zwei Konstanten des deut- schen Schnellbootdesigns sind weitergege- ben worden: Der Antrieb erfolgt durch vier MTU-Diesel (20V 400 M93), auf der Back steht eine OTO Melara (76/72 Super Rapid). 50 Bis 2018 war Admiral Juan Rodríguez Ga- rat spanischer Flottenchef in Rota. Heute ist er als Pensionär gleichzeitig „Director de Historia y Cultura Naval“ (!) des Marine- museums im Gebäude des altehrwürdigen Cuartel General de la Armada (Marinemi- nisterium) zwischen Cibeles-Brunnen und Prado-Museum, mitten in Madrid. Da er in seiner letzten dienstlichen Funktion häufig Vorträge zu Aufgaben und Ausstattung der Marine hielt und feststellen musste, dabei eigentlich nur „Eulen nach Athen“ zu tra- gen, beschloss er, ein Buch zu schreiben: ein „Manual de usuario de la Armada Es- pañola“, also ein Handbuch für den Mari- nenutzer! Und das sind seiner Ansicht nach alle Bürger Spaniens, die sich ihres mariti- men Bewusstseins und ihrer Historie als Seefahrernation nicht mehr ganz so sicher sind. Sie seien die eigentlichen Besitzer und Eigentümer der Marine – und sollten sich darüber im Klaren sein, welche Verpflich- tung und Verantwortung ihnen da (wenn auch vielleicht unwissentlich) zugewiesen wurde. Streitkräfte – so schreibt er – sind ein Werkzeug, um sich gegen das Böse zu wehren und die Welt eine bessere werden zu lassen. Kriege, Gewalt und organisierte Kriminalität sind Probleme, die es zu lösen RESILIENCE gilt. Kein Bürger kann sich der Befassung mit dem Thema „Nationale Sicherheit“ ent- ziehen. Um nun diesem Bürger entgegen- zukommen und ihm einen verständlichen Zugang zur Marine anzubieten, hat Admi- ral Garat in einfachen und leserlichen Pas- sagen das Notwendige in seinem Buch zu- sammengestellt. Das Buch ist rechtzeitig zum ersten Advent veröffentlicht worden und logischerweise kostenfrei im Netz her- unterzuladen. So macht man das – ein Blick l a o ñ a p s E a d a m A r : o t o F Admiral J. Rodríguez Garrat auf unsere europäischen Partner tut immer gut! Anmerkung: Der Redakteur dieser Ru- brik ist Absolvent des spanischen Admiral- stabslehrganges und daher natürlich „be- fangen“. Aber wenn Sie Madrid besuchen – gönnen Sie sich das Museum – am bes- ten beide! MarineForum 1/2-2020

U S A Nachdem die Missionsmodule der Küsten-Kampfschiffe (Littoral Combat Ship, LCS) sowohl der FREEDOM- als auch der INDEPENDENCE-Klasse in den letzten Monaten erheb- liche Fortschritte gemacht haben, konnte nun auch auf der GABRIELLE GIFFORDS (LCS 10), einem der Trimarane, die Kongsberg Naval Strike Missile (NSM) ihren Funktions- nachweis erbringen. Während der jedes zweite Jahr stattfindenden, bilateralen Ge- fechtsübung Pacific Griffin der amerikanischen und singapruischen Marine feuerte die GIFFORDS am 1. Oktober den Seaskimmer mit verbessertem Suchkopf und Terrain- follwing-Fähigkeit auf ein Ziel in über 100 Seemeilen Distanz. Ein solcher Schuss wur- de bereits 2014 von der CORONADO abgefeuert, aber dies ist jetzt der Beginn der Ein- rüstung der Over-the-Horizon-Fähigkeit (OTH) auf den weiteren Trimaranen. Ein Findling aus der Recherche: Zum „Loadout“ der CORONADO (LCS 4) im September 2012 gibt es übrigens ein Video, zwar untermalt mit pathetischer Musik, so zwischen „Das Boot“ und „Roter Oktober“, aber sehr sehenswert! NSM-Schuss der GABRIELLE GIFFORDS y v a N S U : o t o F Marinen aus aller Welt U K R A I N E Sie sind zwar klein, aber ihre Übergabe an die ukrainische Marine und ihre Namens- gebung legen den Finger in die Wunde! Die m r o f n i r k u : o t o F OCEAN FREEDOM beiden ausrangierten 150-Tonnen-Boote der iSland-Klasse der US Coast Guard wur- den auf dem Cargoship ocean Freedom über den Atlantik verfrachtet und Mitte Oktober im neuen Heimathafen Odessa auf die Na- men SlovianSk und StaroBilSk umgetauft. Schaut man auf die Landkarte, dann findet man diese Orte mitten in der umkämpf- ten Zone am Westrand des Donezbeckens in der Ostukraine. Beide Besatzungen er- hielten eine zehnwöchige Einweisung in das Material und NATO-Prozeduren in Bal- timore, Maryland, um im zukünftigen Ein- satzgebiet Schwarzes und Asowsches Meer mit westlichen Verbänden kooperieren zu können. U S A Die John S. mccain ist wieder auf eigenem Kiel unterwegs und macht die asiatischen Pazifikgewässer unsicher! Mit umfangrei- chen Abnahmefahrten und Funktionsnach- y v a N S U : o t o F USA Die Kiellegung als erster Akt im materiellen Schiffbau, das zeremonielle Ausrichten des Rückgrats und damit des tragenden Bauele- ments eines werdenden Schiffes – das war einmal. Heute wird zwar der erste Schnitt der Stahlplatten für die Module des zu- künftigen Seefahrzeuges gefeiert als der Beginn des Vorhabens, aber erst wenn die- se Rumpfmodule zusammengesetzt wer- den zu einem Ganzen, dann spricht man von der Kiellegung. Und dann wird noch einmal gefeiert, denn vorher lag da ja nur eine dösige Blechplatte! Im amerikanischen Sprachbereich sagt man „the keel was laid and ceremoniously authenticated“. Genau das hat man Anfang November für die JACK H. LUCAS (DDG 125) gemacht, den ersten ARLEIGH-BURKE-Klasse Zerstörer des dritten Loses, der vielgepriesenen Flight III. Damit hat nun offiziell der Bau dieses Schiffes be- gonnen, obwohl bei Ingalls Shipbuilding in Pascagoula, Mississippi, schon seit Mai 2018 die Module gefertigt werden. Wich- tigste Aufwertungen der neuen Serie wer- den das Aegis Baseline 10 Combat System sowie das Raytheon AN/SPY-6 Flug- und Raketenabwehr-Radar AMDR sein. Gleich- zeitiges Kontern unterschiedlicher Angriffs- wege (Seaskimmer und ballistischer An- flug) mit hohen Geschwindigkeitsprofilen ist die heute erforderliche Antwort auf ak- tuelle Waffenentwicklungen in Russland und China. 51 JOHN S. MCCAIN weisen in allen Bereichen hat die US Navy nach Reparatur der Kollisionsschäden aus dem Jahr 2017 bewiesen, dass das Schiff mit seinen Nachrüstungen und die Besat- zung wieder seetauglich sind. Ebenso ist die FitzGerald seit einigen Monaten wieder im Einsatz, nachdem zusätzlich zur Wiederher- stellung des Schiffsrumpfes etwa hundert Änderungen an Material, Gerät und Routi- neverfahren vorgenommen wurden. MarineForum 1/2-2020

Neuer Kommandant der FRANKFURT AM MAIN Rund drei Jahre lang lenkte Fregattenkapitän Carsten Kauke erfolgreich die Geschicke des Einsatzgruppenversorgers FrankFurt am main. Ende November hat Fregattenkapitän Hanno Weisensee das Kommando übernommen. „Für mich waren es drei spannende Jahre mit vie- len tollen Erinnerungen, die ich meiner Besatzung zu verdanken habe. Eine Zeit, die ich nicht missen möchte“, so der scheidende Kommandant. Zukünftig wird er als Referent im Bundes- ministerium für Verteidigung im Bereich Logistik tätig sein. Deutsche Marine Showroom Minenabwehr eröffnet Am 13.November eröffnete das in Kiel be- heimatete 3. Minensuchgeschwader einen ständigen Showroom Minenabwehr im Ma- rinestützpunkt in der Wik. Das Besucherzen- trum des Geschwaders zog im Offizierheim des Stützpunktes ein und ist ab 21. November 2019 für die Öffentlichkeit zugänglich. Von der Operation „Südflanke“ im Persischen Golf 1990 bis zu heutigen Ostseemanövern wie Northern Coasts sind die deutschen Minenstreitkräfte im Einsatz. Nun erklären sie anschaulich, wo- rauf es bei der Minenabwehr ankommt und welche Gefahen für die Schifffahrt unter Was- ser lauern. Der Leiter des Einsatzausbildungs- zentrums Minenabwehreinheiten, Fregatten- kapitän Arne Müller, eröffnete die Ausstellung. Dargestellt werden nicht nur die Minenkrieg- e k c n ö r K l e c r a M M Z P : / I k e i s n e k a r B m K M Z P : / I i o t o F o t o F Die Hauptorganisatoren der Ausstellung: Oberleutnant zur See Hecke, Leutnant zur See Roden-Hagenstein, Kapitänleutnant von Ditfurth, Fregattenkapitän Müller (v.l.) führung selbst, sondern auch das Leben an Bord der Boote und der tägliche Dienst der Sol- daten auf See. Erläuterungen, Exponate und digitale Inhalte sind so abgestimmt, dass sich die Besucher mit Waffen und Technik des Ge- schwaders und dem Ablauf der Minenabwehr auseinandersetzen können. Bastian Fischborn/HL Der Sea Lion bleibt noch am Boden Airbus Helicopters hat den ersten neuen Ma- rinehubschrauber vom Typ Sea Lion Ende Ok- tober 2019 an das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundes- wehr (BAAINBw) übergeben. Insgesamt soll die Deutsche Marine 18 Exemplare erhalten. Die- se sollen nach gegenwärtiger Planung bis 2022 von der Marine in Betrieb genommen werden. Doch der Sea Lion ist aus Sicht der Bundeswehr erst durch Nacharbeiten und Korrekturen be- triebssicher zu fliegen. Er kann daher noch nicht in Betrieb genommen werden. Aus dem Vertei- digungsministerium heiß es dazu: „Wir stellen unseren Soldatinnen und Soldaten Waffensys- teme zur Verfügung, auf die sie sich verlassen Fregattenkapitän Hanno Weisensee, Thorsten Geldmacher, Carsten Kauke (v.l.) Der neue „Alte“ wechselte von der Führungsakademie der Bundeswehr auf die Brücke des Trossschiffes. „Für jeden Marineoffizier stellt die Übernahme des Kommandos über eine schwimmende Einheit der Marine einen besonderen Höhepunkt in seiner dienstlichen Lauf- bahn dar“, erklärte Weisensee. Die Übergabe leitete der Kommandeur des Troßgeschwaders, Fregattenkapitän Thorsten Geldmacher. PIZM/HL können und die sie absolut sicher handhaben können ... Im Fall des Sea Lion sehen wir diesen Maßstab durch den Hersteller nicht erfüllt. Wir sind zwar grundsätzlich von der Leistungsfä- higkeit des Hubschraubers überzeugt. Aber aufgrund der unzureichenden und lückenhaf- ten technischen Dokumentation kann jedoch zum jetzigen Zeitpunkt ein Flugbetrieb durch die Frauen und Männer der Marine nicht ver- antwortet werden.“ Das Verteidigungsministerium hat sich da- her entschlossen, den Betrieb des Sea Lion vorerst nicht aufzunehmen. Airbus Helicop- ters erklärte, die Firma arbeite zügig mit al- len beteiligten Partnern an der Behebung der Mängel. Dabei gehe es nicht um technische Defekte, sondern um unzureichende, lücken- hafte und widersprüchliche Unterlagen für notwendige Wartungsarbeiten. Nach Dar- legung der Deutschen Marine hat die Ent- scheidung, den Hubschrauber vorerst nicht in Betrieb zu nehmen, keine unmittelbaren Auswirkungen auf ihre Einsatzfähigkeit und Auftragserfüllung. Dieter Stockﬁsch Richtigstellung Im Artikel „Warum kommt ihr erst jetzt, so spät? Deutscher Flottenbesuch 1989 in Lenin- grad“ in MF 12-2019 Seite 32 schreibt Autor Bernhard Mroß: „Es war nach 77 Jahren und zwei Weltkriegen das erste Mal, dass drei deutsche Kriegsschiffe in einen sowjetischen Hafen einliefen.“ Das ist unrichtig. Es fehlt der Hinweis darauf, dass es sich um den ersten westdeutschen Flottenbesuch handelte, schließlich waren Besuche von Kriegsschiffen der Volksmarine der DDR in der UdSSR Routine. Der Fehler trat bereits 2010 in Heft 10 auf. Dies war der heutigen Redaktion unbekannt. Für diese übersehene Ungenauigkeit, die von eini- gen Lesern als ehrverletzend empfunden wird, entschuldigen wir uns. Den Vorwurf einer politischen Absicht oder Geisteshaltung in der Redaktion weisen wir jedoch zurück. Holger Schlüter, Chefredakteur 52 MarineForum 1/2-2020

 S t a n d p u n kt ( e ) Zu Beginn des Jahres haben wir mehrfach zum Herzensthema des Herrn Inspekteurs der Marine lesen können: „Wir sind Mari- ne.“ Offensichtlich hat die Führung der Bundeswehr die zahlreichen Beiträge nicht gelesen. Sonst wäre vielleicht die Weisung zur bundes- wehrweiten Nutzung der neuen olivgrünen Corporate ID unterblieben. Auf Briefköpfen wurde der Anker durch das Eiserne Kreuz verdrängt, elegantes Marineblau wird auf Vortragsfolien von digitalem Olivgrün erschlagen. Mal sehen, wann die Schiffe statt in Feegrau in Fünffarb- Flecktarn auslaufen müssen. Wann der Kommandant statt „Manöver- anpfiff“ ein schmissiges „Fregatte Marsch“ in die Brücke ruft. Was soll das? Die Bundeswehr steckt mal wieder mitten im Umbruch: Mit dem plötzlichen Wechsel an der Spitze des Ministeriums wurde auch das samtene Tuch heruntergerissen, das viele Missstände lange erfolgreich verdecken konnte. Auf einmal traten überbordende Büro- kratie, unklare Zuständigkeiten, unendliche Prozesse und unglaubli- cher Realitätsverlust wieder ins Licht der Öffentlichkeit. Niemand ist stolz darauf, einer solchen Organisation anzugehören. Doch mit der Bundeswehr wird in der Öffentlichkeit im Allgemeinen der olivgrüne Anteil verbunden. Das ist eine Chance für uns, denn die Marine weicht nicht nur optisch ab: Die Marine ist anders. Wir fuhren bereits 107 Jahre vor dem deutschen Heer erstmals unter schwarz-rot-goldener Flagge. Die Marine ist anders. Wir operieren für Freiheit, Frieden und Demo- kratie auf der blauen See, nicht im olivgrünen Schlamm. Die Marine ist anders. Wir tragen (in weiten Teilen) eine blaue Uniform, nur wenn wir an Land operieren, kleiden wir uns in Olivgrün. Die Marine ist anders. Wir tragen Schirmmütze oder Schiffchen, nicht das Barett (Ausnahme siehe oben). Die Marine ist anders. Wir haben Admirale und Kapitäne, nicht Genera- le und Obristen. Und wir haben Matrose Senkblei, nicht Schütze Arsch. Die Marine ist anders. Ohne Scheiß. Das habe ich auf meinen zahlrei- chen Verwendungen in der Streitkräftebasis erfahren dürfen. Leider hat selbst die große US Navy gerade erst ihre blauen Di- gital-Camouflage-Anzüge gegen ebensolche in Grün getauscht. Auch die dänische Marine trägt an Bord olivgrün. Ich bleibe bei meiner blauen Uniform. Mit goldenen Knöpfen. Und beim An- ker über meinen Powerpoint-Folien. Weil: Wir sind Marine! Wir sind anders! Oder? Ahoi – oder muss ich jetzt „Mahlzeit“ sagen? Andreas Uhl Forum Zu „Warum kommt ihr erst jetzt, so spät?“ (MF 12-19) Ich war dabei! Nach 30 Jahren kommen Erinnerungen hoch. Ich ge- hörte zu einer kleinen Gruppe Journalisten, die den Flottenbesuch in das damalige Leningrad begleitet hat. Ich erinnere mich, dass wir nach Leningrad geflogen sind und mit einem Boot der Ostsee-Flotte dem deutschen Marineverband entgegen gefahren sind. Ich erinnere mich an herzliche Gespräche und ein ergreifendes Be- suchsprogramm. Ein Vorgang ist mir heute noch präsent: Wir Jour- nalisten haben Admiral Boehmer gefragt, was denn passiere, wenn Bürger der DDR beim „Open Ship“ auf einem (west-)deutschen Ma- rineschiff Asyl suchen? Werden sie abgewiesen, bleiben sie an Bord? Es war die Zeit des Umbruchs in der DDR. Die pragmatische Lösung, die zwischen Boehmer und den mitreisen- den Journalisten gefunden wurde: Wir befassen uns mit der Frage, wenn sie sich stellt. Darüber wird weder gesprochen noch geschrie- ben, bis der Verband sowjetische Gewässer verlassen hat. Daran ha- ben sich beide Seiten gehalten; zudem gab es kein Vorkommnis. Bei den Fotos der jungen Marinesoldaten muss ich schmunzeln. Mein Auftrag an Matrosen auf der niederSachSen: Besorgt eine russische Matrosenmütze gegen einen Kasten Bier. Der Auftrag war innerhalb weniger Stunden erfüllt! Die Mütze liegt immer noch auf meinem Heinz Schulte Bücherregal. Maritime Informationsüberlegenheit MarineForum widmet sich den maritimen Aspekten un- serer Sicherheitspolitik, unserer Wirtschaft, unserer Ge- schichte und Kultur. • Sicherheits- und Verteidigungsfragen • Deutsche Marine und Marinen anderer Nationen • Schiffbau mit Schwerpunkt Marineschiffbau einschließ- lich rüstungswirtschaftlicher Zusammenhänge, Seerecht und Nutzung der See • Schifffahrt und maritime Aspekte der Verkehrspolitik • Meeres- und Polarforschung und maritimer Umweltschutz • fachbezogene Literatur. Die Zeitschrift ist unabhängig und überparteilich. Abonnement bestellbar unter: www.mittler-report-shop.de oder unteren Abschnitt übermitteln an: MITTLER REPORT VERLAG GMBH · Baunscheidtstraße 11 53113 Bonn · Fax 0228 / 3500871 · [email protected] ❏ Ich bestelle ein MarineForum-Probeabonnement. Bitte senden Sie mir drei Ausga- ben zum Sonderpreis von € 12,00. Sollte ich nicht nach Erhalt der dritten Ausgabe widerrufen, bin ich mit einer weiteren Belieferung im Abonnement einverstanden. ❏ Ich abonniere das MarineForum ab sofort für mindestens ein Jahr (10 Ausgaben, davon 2 Doppelausgaben). Ich erhalte das MarineForum zum Jahresabonnement- preis von € 64,00 inkl. Versandkosten. Ich zahle wie angekreuzt: ❏ Bequem und bargeldlos durch Bankeinzug ❏ Nach Erhalt der Jahresrechnung Ich bin der neue Abonnent BLZ: Kto-Nr.: Geldinstitut: Name/Vorname: Straße/Nr.: PLZ/Ort: Datum/Unterschrift: Datum/Unterschrift: 53

Schifffahrt · Schiffbau · Technologie Nummer eins in der Containerschifffahrt Aus dem aktuellen „Review on Maritime Trans- port 2019“ der Konferenz der Vereinten Nati- onen für Handel und Entwicklung geht her- vor, dass deutsche Reedereien unverändert die größte und wertvollste Containerschiffsflotte weltweit kontrollieren. Ihren Wert beziffert die UN-Organisation auf fast 17,7 Milliarden Dol- lar. Auf den nächsten Plätzen folgen China mit 14,4 Milliarden, Dänemark mit 9,65 Milliarden, Japan mit 9,5 Milliarden, Hongkong mit 9,1 Mil- liarden, Griechenland mit 7,5 Milliarden, Singa- pur mit 5,7 Milliarden und die Schweiz mit 5,3 Milliarden Dollar. Der einst hohe Marktanteil der von deutschen Reedereien kontrollierten Flotte ist inzwischen jedoch wegen der rück- läufigen Anzahl der Schiffe von 30 Prozent im Jahr 2015 auf 16,1 Prozent 2018 geschrumpft. Nach einer Statistik des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) befanden sich 2012 noch rund 1.700 Schiffe in deutschem Eigentum, Ende 2018 waren es nur noch 903 und laut Statistik des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hyd- rographie (BSH) für September 2019 sogar nur noch 741. Eine weitere Verschiebung ist offen- kundig, wenn die derzeit noch im Bau befind- lichen Schiffe gewertet werden. Danach hat allein China Neubauten im Wert von deutlich mehr als vier Milliarden Dollar geordert. So weist es jedenfalls der Branchendienst Ves- sels Value aus. Auch die Flotten anderer Na- tionen werden massiv mit Neubauten ver- größert. hjw Neuer Schiffbaugigant in China Vor dem Hintergrund der allgemeinen Flaute im globalen Schiffbau haben Werften in etli- chen Ländern durch Zusammenschluss ihre Kräfte gebündelt. So hat beispielsweise jüngst die koreanische Hyundai Heavy Industries (HHI) zwar ihre Stellung als weltgrößte Werft durch die Übernahme von Daewoo (DSME) noch weiter ausbauen können, wird diese Spit- zenposition aber demnächst an einen neu ge- bildeten Schiffbaugiganten in China abgeben müssen. Dort fusionieren die beiden großen staatlichen Schiffbaukonzerne CSSC und CSIC zur China Shipbuilding Group. Zu CSIC gehö- ren Dalian Shipyard, Bohai Shipyard, Wuchang Shipyard und eine Vielzahl von verbundenen Zulieferern und Forschungslabors im Osten und Süden des Riesenreiches. CSSC führt die Shanghai Waigaoquiao Shipyard sowie die Ji- angnan Shipyard und Hudong-Zhonghua Ship- building und dominiert den Norden und Wes- ten. Die China Shipbuilding Group bringt es auf einen Gesamtumsatz von gut 141,5 Milliarden Dollar. Dabei ist noch anzumerken, dass dieser neue Weltmarktführer nicht einmal 50 Prozent der in China vorhandenen Werftkapazität auf sich vereinigt. hjw Große Pläne bei TKMS in Kiel Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), nach eigenen Angaben drittgrößtes deutsches Unternehmen im Verteidigungsbereich und Weltmarktführer beim Bau konventionel- ler U-Boote, will 250 Millionen Euro in Kiel investieren, um den Werftstandort zu einem internationalen Kompetenzzentrum für den Bau konventioneller U-Boote weiterzuent- wickeln. Dafür, und um den gegenwärtig guten Auftragsbestand abwickeln zu können, sollen bis Ende 2020 unternehmensweit, vor allem aber in Kiel, rund 500 Mitarbeiter S M K T : o t o F TKMS in Kiel eingestellt werden. Gesucht werden vornehmlich Ingenieure und Fachkräfte, insbeson- dere für die Bereiche Entwicklung, Konstruktion und Produktion. Des Weiteren sei in den nächsten Jahren der Bau etlicher hochmoderner Gebäude einschließlich der entspre- chenden Infrastruktur geplant, heißt es weiter. Darunter eine neue Schiffbauhalle zur Groß-Sektionsfertigung, eine zweite Ausrüstungslinie, ein neues Bühnensystem sowie eine modernisierte Servicehalle und ein Schiffslift. Das Ziel, das Thyssenkrupp Marine Systems dabei verfolgt, ist anspruchsvoll: „Wir wollen Europas modernstes Marineun- ternehmen sein“, unterstreicht die Geschäftsführung. Schleswig-Holsteins Landesregie- rung habe die Pläne ausdrücklich begrüßt und die geplanten Investitionen als ein gutes Zeichen für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bezeichnet sowie als ein starkes Signal sowohl für die Belegschaft als auch für die Region. Thyssenkrupp Marine Systems verweist darauf, dass „das gesamte Leistungsspektrum im Marineschiffbau aus einer Hand geboten wird: U-Boote, Überwasserschiffe sowie maritime Elektronik, und sieht sich bei den Planungen durch eine erfreuliche Entwick- lung in allen Geschäftsbereichen bestätigt. So habe das Unternehmen im August 2019 gegen starke internationale Konkurrenz von Ägypten den Auftrag zum Bau von vier Fregatten des Typs MEKO A200 gewinnen können. Beim Bau der Fregatten der Klasse 125 sei TKMS federführend und beim Bau des 2. Loses der Korvetten K 130 beteiligt. Im April dieses Jahres wählte Brasilien das Unternehmen für den Bau von vier Korvet- ten als bevorzugter Bieter aus und im Mai folgte die Taufe der ersten von vier Korvet- ten für die Marine Israels. Im Unterwasserbereich sei der Bestand und die Entwicklung ebenfalls positiv: In den ersten Monaten dieses Jahres wurden für Singapur das größte bisher in Deutschland gebaute konventionelle U-Boot sowie das dritte von vier U-Booten für Ägypten ge- tauft. Mit dem Projekt 212CD zum Bau von sechs identischen U-Booten für Norwegen und Deutschland soll gemeinsam mit Kunden und Partnern der europäische NATO- Standard der Zukunft im Bereich konventioneller U-Boote geschaffen werden. Darüber hinaus sieht sich TKMS auch im Service gut aufgestellt. So konnten der erste Auftrag innerhalb eines strategischen Rahmenvertrages mit Portugal zur Modernisierung von Unter- und Überwasserschiffen sowie der Auftrag zur Modernisierung eines indischen U-Bootes abgeschlossen werden. Zudem gelang im Bereich der maritimen Elektronik ein entscheidender Durchbruch: Als weltweit erster Anti-Torpedo-Torpedo wurde der SeaSpider erfolgreich getestet. Mit der Integration von Atlas Elektronik sei die Entwicklung vom Plattformanbieter hin zum ganzheitlichen Systemhaus vollzogen worden. Damit reiche das Angebot von der Konzeption, Konstruktion, Entwicklung und Fertigung bis hin zur Integration von Füh- rungs- und Waffeneinsatzsystemen. hjw 54 MarineForum 1/2-2020

Schifffahrt · Schiffbau · Technologie Mobiles Batterie-System im Test Der dänische Reedereigigant Maersk verfolgt erklärtermaßen das Ziel, bis 2050 klimaneu- tral zu werden und testet nach durchaus er- folgreich verlaufenen Versuchen, etwa mit Flettner-Rotoren, nun erstmals ein mobiles Batterie-System an Bord eines Schiffes. Diese k s r e a M : o t o F Containerterminal rüstet auf Mit der Beschaffung von drei neuen Con- tainerbrücken für ihren Containerterminal Burchardkai sorgt die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) für zusätzliche Ka- pazitäten zur Abfertigung der neuen Me- ga-Containerschiffe mit Stellplätzen für 23.000 Standardcontainer (TEU). Die Zahl dieser Mega-Carrier nimmt zu. 2018 ist der Hamburger Hafen von 150 Schiffen mit Ka- pazitäten zwischen 18.000 und 22.000 TEU angelaufen worden, Tendenz steigend. Die neuen Umschlagbrücken haben Ausleger mit einer Länge von knapp 80 Metern und reichen damit über 26 Containerreihen an Deck der abzufertigenden Schiffe. Mit ei- nem Move können sie zwei 40-Fuß-Con- tainer oder vier 20-Fuß-Container mit ei- nem Gewicht von zusammen 110 Tonnen bewegt werden. Die HHLA plant, bis 2022 450 Mio. Euro für den weiteren Ausbau des Containerumschlags zu investieren. Geliefert wurden die in China hergestellten, jeweils 2.480 Tonnen wiegenden Contai- nerbrücken mit dem unter Hongkong-Flag- ge fahrenden chinesischen Schwergut- transporter zhen hua 27. Die achtwöchige Reise von Shanghai nach Hamburg war mit den hochaufragenden Schwerstücken an Deck eine außergewöhnliche nautische Leistung. Die 1989 in Japan gebaute zhen hua 27 kommt bei 234 Metern Länge und 44 Metern Breite auf eine Vermessung von 43.086 GT und 49.060 tdw. Besonders wich- tig für Schiffe dieses Typs ist jedoch nicht in erster Linie die Tragfähigkeit, sondern die große freie Decksfläche, wie der Transport dieser Großgeräte einmal mehr zeigt. hjw A L H H : o t o F Batteriecontainer zusätzliche Energiequelle mit einer Akku-Leis- tung von 600 kWh wird auf dem Post-Pana- max-Containerschiff maerSk cape toWn (4.500 TEU) installiert. Mit Hilfe des Batterie-Packs soll der Einsatz von Stromgeneratoren verrin- gert werden, um so den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren. Gleichzeitig kann zum Beispiel bei schnellen Lastwechseln, wie etwa beim Be- trieb des Querstrahlers, Leistung zugeschaltet werden. Durch Bereitstellung von redundan- tem Strom lässt sich außerdem die Zuverläs- sigkeit auf See verbessern. Das auf der maerSk cape toWn ebenfalls installierte Wärmerückge- winnungssystem soll genutzt werden, um die Akkus wieder aufzuladen. hjw Erfolge für Meyer Werft Mit der NORWEGIAN ENCORE hat die Mey- er Werft in Papenburg zum ersten Mal drei Kreuzfahrtschiff-Neubauten in einem Jahr ab- geliefert. Die Fahrt des Neubaus von der Werft emsabwärts zur Nordsee war für zahlreiche Schaulustige ein Erlebnis. Allerdings war erst- mals sogar Polizeischutz aufgeboten worden, um gegen Störungen durch Umweltschüt- zer gewappnet zu sein. Die mit 169.145 BRZ vermessene NORWEGIAN ENCORE kann in ih- ren 2.043 Passagierkabinen bis zu gut 4.000 Personen Platz bieten. Dazu kommen etwa 1.700 Besatzungsmitglieder. Der elektrische Pod-Antrieb, eine verbesserte Hydrodynamik, viele Energiesparvorrichtungen, darunter Wär- merückgewinnung und Wasseraufbereitungs- systeme, führt die Werft als Beispiele für einen ökologisch verantwortungsvollen Schiffsbe- trieb an. Besonders hebt die Werft hervor, dass auf ihrem jüngsten Neubau die mit 350 Metern längste Kartbahn auf See zur Verfü- gung steht. Für 2020 stehen wiederum drei Ablieferungen auf dem Programm. MarineForum 1/2-2020 Hier ist seemännisches Können gefragt Und um das Ganze komplett zu machen, konnte die Werft kurz nach der Ablieferung der NORWEGIAN ENCORE mit einer weiteren Bestellung ihr ohnehin ansehnliches Auf- tragsbuch noch weiter auffüllen. Die Disney Cruise Line beauftragte die Papenburger mit dem Bau von drei Kreuzfahrtschiffen mit 130.000 GT für jeweils 4.000 Passagiere. Auch sie werden Flüssiggasantrieb erhalten. Die Ablieferung des ersten der neuen Schif- fe, der DISNEY WISH, wird Ende 2021 erwar- tet. hjw t f r e W r e y e M : o t o F 55 Farbenprächtig präsentiert sich die NORWEGIAN ENCORE

Schifffahrt · Schiffbau · Technologie Piräus genießt Priorität Der Ausbau des griechischen Hafens Piräus im Rahmen des chinesischen Mammutpro- jekts Neue Seidenstraße genießt, auf Europa bezogen, offenkundig höchste Priorität. Das unterstreicht einmal mehr der Besuch von Chi- nas Staatschef Xi Jinping, bei dem dieser sich persönlich dafür einsetzte, die bestehenden Hürden bei den von der Staatsreederei COSCO unterbreiteten Ausbaupläne für den Hafen Pi- räus zu überwinden. Mit einem Memorandum of Understanding, das er zusammen mit dem griechischen Staatspräsidenten unterzeichne- te, wurde dies noch einmal bekräftigt. Xi Jin- ping soll der Nachrichtenagentur Reuters zu- folge geäußert haben, dass man die Rolle von Piräus als „Chinas schnellem See-Land-Zugang über Griechenland nach Europa“ stärken wolle. hjw Estland will eigenen LNG-Terminal Um von russischen Gasimporten unabhängi- ger zu werden und um die LNG-Importe lang- fristig zu sichern, will der estnische Öl- und LNG-Terminalbetreiber Klaipedos Nafta eine eigene LNG-Speicher- und Regasifizierungsein- heit (FSRU, Floating Storage and Regasification Unit) beschaffen. Bis Ende 2024 soll eine Ent- scheidung getroffen sein. Dann endet nämlich die zehnjährige Charter der 2014 von Hyundai Heavy Industries für die norwegische Höegh LNG gebauten FSRU independence mit einer Speicherkapazität von 170.000 Kubikmetern. Sie war seinerzeit gleich nach ihrer Ablieferung in Charter von Klaipedos Nafta im Hafen von Klaipeda als schwimmender Terminal statio- niert worden. Der Chartervertrag enthält ei- ne Kaufoption, die nach Ablauf der Charter angeboten wird. Höegh LNG hatte die Kos- ten für den Bau der FSRU seinerzeit mit rund 330 Millionen Dollar beziffert. Klaipedos Nafta sieht nach eigener Aussage eine FSRU als zu- verlässige Alternative für den Gasimport, um zur nationalen Energiesicherheit des Staates beizutragen. Dies wiederum biete Litauen die Möglichkeit, die regionale Führung im Energie- sektor zu übernehmen und Klaipedos Nafta, die grenzüberschreitende LNG-Wertschöp- fungskette aktiv weiterzuentwickeln. hjw Kampfeisbrecher ante portas Russland geht es in der Arktis in erster Li- nie um die enormen Bodenschätze, die un- ter dem Eis lagern. Es geht aber ebenfalls darum, als Großmacht wahrgenommen zu werden und mit allen verfügbaren Mitteln zu demonstrieren, dass man willens und in der Lage ist, in dieser menschenfeind- lichen Region seine international umstrit- tenen Ansprüche mit allen Mitteln auch durchzusetzen zu können. Diesem Ziel dient offensichtlich, seine schon jetzt weltgröß- d n a l s s u R D o M : o t o F te Eisbrecherflotte mit Kampfeisbrechern hochzurüsten, ohne dass diese offiziell als solche bezeichnet werden. Auf der St. Pe- tersburger Admiralitätswerft ist kürzlich Stapellauf der IWAN PAPANIN in St. Petersburg als erste von zunächst drei Einheiten die „Iwan Papanin“ vom Stapel gelaufen. Der 114 Meter lange, 18 Meter breite und 8.500 Tonnen verdrängende Neubau ist mit einem 76-Millimeter-Geschütz und mit Marsch- flugkörpern ausgerüstet. Hinzu kommen Aufnahmestationen für zwei Speedboote, ein Hubschrauberhangar und die Möglich- keit für den Einsatz von autonomen Un- terwasserfahrzeugen (UAV). Platz ist auf der „Iwan Papanin“ für eine 50 bis 60 Mann starke Besatzung, sowie für 47 zusätzli- che Kräfte. Als Antriebsleistung sollen 12 bis 15 Megawatt für 15 Knoten installiert sein. Die Seeausdauer soll, unterschiedli- chen Quellen zufolge, bei 60 bis 70 Tagen oder 10.000 Seemeilen liegen. Die Kampf- eisbrecher können auch für Überwachungs- und Rettungsmissionen eingesetzt werden, Versorgungsschiffe unterstützen oder For- schungsaufgaben erledigen. hjw Wasserstraßen im Blick Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bun- destages hat bei seinen Beratungen zum Bun- deshaushalt 2020 Beschlüsse für den verstärk- ten Ausbau von Flüssen und Kanälen getroffen. Damit reagiert die Politik auf die seit Langem vorgetragene Kritik von Branchenvertretern über die bislang unzureichenden Mittel für diese Zwecke. Insgesamt wurden jetzt mehr als 100 zusätzliche Stellen für die Wasserstra- ßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV), für die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) und die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) bewilligt. Vertreter der Binnenschifffahrt be- grüßten, dass nach den vielen Mahnungen die Flüsse und Kanäle nun nicht mehr länger „auf Verschleiß“ gefahren würden und endlich für eine genügende Personaldecke in der WSV ge- sorgt werden könne. Nun müsse die WSV al- lerdings zusehen, dass die bewilligten Stellen auch rasch besetzt werden, was bei dem ge- gebenen allgemeinen Personalmangel sicher nicht einfach zu bewerkstelligen sein werde. hjw Fixe Fähre Bis zu 37 Knoten schnell soll der Super-Hochgeschwindigkeitskatamaran werden, den die dänische Fährreederei Molslinjen ab 2022 zur Bedienung ihrer Route zwischen Ystad und Romö einsetzen will. Entstehen wird der 115 Meter lange Neubau auf der australischen Werft Austal, die bereits viele Katamarane geliefert hat, darunter auch die eXpreSS 4 für den gleichen Auftraggeber. Der Neubau ist ausgelegt für die Aufnahme von 1.610 Fahr- gästen und 450 Fahrzeugen. hjw l a t s u A : o t o F Austal lieferte bereits die EXPRESS 4 56 MarineForum 1/2-2020

Schifffahrt · Schiffbau · Technologie s e s i u r C a d A i : o t o F Desaster für Aida Cruises Ein derartiges Missmanagement, wie es kürzlich im Fall des Kreuzfahrtschiffes aidamira zutage getreten ist, hätte man bei der an sich erfahrenen Rostocker Reederei Aida Cruises nicht vermutet. Vielleicht ging ihre Entwicklung zu schnell, gingen die Wo- gen ihres Erfolges zu hoch. Wie auch immer, es ist unerklärlich, wie es bei dem immerhin 14. Schiff der Flotte zu einer derartigen Häu- fung von Fehlern oder Fehlentscheidungen kommen konnte, die nicht nur das Erschei- nungsbild dieses derzeit größten deutschen AIDAMIRA Kreuzfahrtreisen-Anbieters trüben sowie an seiner Kompetenz und sogar Seriosität zwei- feln lassen, sondern auch den zahlreicher gewordenen Kritikern der Branche weite- re Argumente liefert wird. Fakt ist, dass die immerhin 20 Jahre alte aidamira (Ex-coSta neoreviera, Grand miStral, miStral) als neu- er Star des Anbieters angekündigt und mit großem Bohei in Palma auf Mallorca ge- tauft wurde. Zuvor war sie nach vielen für das Schiff fordernden Dienstjahren in ex- trem kurzer Zeit auf einer relativ unbekann- ten Werft in Genua umgebaut worden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Reederei bereits klar sein müssen, dass die voll ausgebuchte, kurze Zwischenreise bis zum Start der eigentlichen Jungfernfahrt nicht stattfinden kann. Das eigentliche De- saster ist aber der Ausfall der Jungfernfahrt selbst, die das Schiff nach Südafrika führen sollte. Tausend Fahrgäste wurden sehr spät informiert, mache nur wenige Stunden vor ihrer Abreise von zu Hause oder vom Hotel. Dieser Imageschaden wird sicher nicht so rasch in Vergessenheit geraten. hjw Mittelschiff auf Fahrt Ein außergewöhnlicher Schleppzug hat kürzlich an Mecklenburg-Vorpommerns Küste für einige Spannung gesorgt: Das n e t f r e W V M : o t o F Ausdocken in Rostock 216 Meter lange und 57 Meter hohe Mit- telschiff des bei MV Werften im Bau be- findlichen Kreuzfahrtschiffes GloBal dream wurde von der Werft in Rostock zur Werft in Wismar transferiert. Beide Werften ge- hören zum Unternehmen. Für die 43 See- meilen benötigte der Schleppverband einschließlich Ausdocken in Wismar, Fest- machen in Rostock und der Revierfahrten auf beiden Seiten fast einen Tag. Alles ver- MarineForum 1/2-2020 lief reibungslos, sodass in Wismar der Zu- sammenbau und die Endausrüstung erfol- gen können. Der 342 Meter lange und 46 Meter breite Neubau mit einer Vermessung von 208.000 GT ist für den rasch wachsen- den asiatischen Markt konzipiert und bietet Platz für bis zu 9.500 Passagiere. Die Ablie- ferung ist für 2021 vorgesehen. hjw Neues Seenotrettungssystem Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenz- physik und Radartechnik (FHR) hat gemein- sam mit den Firmen Raytheon Anschütz und Kademic Seenotrettungssysteme ein Radar- System entwickelt, das Personen im Was- ser sicher entdecken kann. Geht ein Mensch auf hoher See über Bord und gerät außer Sicht, ist mit den herkömmlichen Schiffsra- darsystemen eine Detektierung kaum mög- lich. Die im Wasser befindliche Person hebt sich kaum von der Wasseroberfläche ab, da die Wellen das Radarsignal zu stark reflektie- ren. Die Neuentwicklung, die auf den Namen Seerad hört, ermöglicht es, Schiffsbrüchige oder kleine Rettungsboote selbst in großer Entfernung ausfindig zu machen. Seerad ar- beitet mit frequenzumsetzenden Transpon- dern, sogenannte Taps, die in Retungswesten integriert werden und das vom Schiffsra- dar ausgesendete Signal mit doppelter Fre- quenz zurückstrahlen. Dies ermöglicht die Detektion selbst kleinster Objekte über ei- ne Distanz von bis zu zehn Kilometern. Das Fraunhofer FHR entwickelt für Seerad die An- R H F r e f o h n u a r F : o t o F tennen für Schiffsradar und Tags. Die Anten- nen sind wetterbeständig und widerstands- fähig gegen Salzwasser und Belastungen. Bei der Praxisdemonstration in der Ostsee gelang es den Forschern, einen Dummy auf eine Distanz von sechs Kilometern mit einer Sendeleistung von nur 100 Watt zu orten. Offene Fragen bestehen allerdings noch hinsichtlich der Integration des Systems in die Schiffsnavigationssysteme, der Mini- mierung von Störungen sowie der Sicher- stellung der stabilen Funktion unter rauhen Seebedingungen. Künftig könnte, ähnlich wie beim Sicherheitsgurt oder Airbag im Rettung naht dank Seerad Auto, ein solches Rettungssystem auch für Schiffe verpflichtend vorgeschrieben wer- den. Dieter Stockfisch 57

Bücher Hans-Jürgen Kaack: Kapitän zur See Hans Langsdorff. Der letzte Kommandant des Panzerschiffs GRAF SPEE. Eine Biographie, Ferdinand Schöningh-Verlag, Paderborn 2020, 68,00 Euro, ISBN 978-3-506-70262-3 Mit seiner Bio- grafie über ei- nen Marineoffi- zier, der mit dem Kreuzergefecht vor der Mün- dung des Rio La Plata im Dezem- ber 1939, der fol- genden Selbst- zerstörung des Schiffes und dem sich an- schließenden Freitod interna- tionale Bekannt- heit erlangt hat, legt der Autor ein umfang- reiches Werk vor. Es soll nach Überzeugung des Autors noch 70 Jahre nach Langsdorffs Tod Wirkung in der heutigen Marine entfal- ten und ein Defizit in der Entwicklung des Offizierkorps ausgleichen, da die Marine Langsdorff „beschweigt“. Erfrischend of- fen erklärt der Autor seine Agenda, die Ma- rine habe eine Auseinandersetzung mit ihm und seinem Schicksal verhindert. Kaack at- testiert der Marine daher „fehlenden Mut“ zu „existentiellen Fragen der ethisch-mora- lischen Grundausrichtung“. Er schreibt, dass dies ein erinnerungswürdiges Ereignis dar- stellt und hebt hervor, Langsdorff habe durch Verzicht auf ein zweites Gefecht 1.200 briti- schen Seeleuten einen Kampf auf Leben und Tod erspart – ohne allerdings eine besonde- re Ethik des militärischen Führers im Kriege abzuleiten, der für seine hohe Moralität zu loben ist, wenn er mögliche Verluste beim Gegner durch Selbstaufgabe vermeidet. Er stellt Humanität und funktionale Professio- nalität als Eigenschaften im Verhalten eines Kriegsschiffkommandanten dar, die sich of- fenkundig gegenseitig ausschließen – was beim Rezensenten eine leider unerfüllte Er- wartungshaltung bezüglich einer tieferge- henden Ableitung ausgelöst hat. Was also bietet das Werk? Es gibt ein sehr detailreiches, mit vielen Selbstzeugnissen Langsdorffs und von Zeitzeugen angerei- chertes Bild der deutschen Marineentwick- lung von 1912 bis Ende 1939. Besondere Auf- merksamkeit widmet der Autor schließlich dem Panzerschiff admiral GraF Spee, dem Ein- satz im Handelskrieg, der Selbstzerstörung und der Tragik des persönlichen Ehrverständ- nisses Langsdorffs – sie sind gründlich recher- chiert und dürften eine Fundgrube für jeden an deutscher Marinegeschichte Interessier- ten darstellen. 58 Darüber hinaus sind bis ins Jahr 1933 die Selbstzeugnisse Langsdorffs, seine Briefe und Postkarten an Familienmitglieder, eine ganz wesentliche Quelle. Dabei fällt aller- dings die mehrfach beobachtete Vorgehens- weise des Autors ins Gewicht: Äußerungen Langsdorffs, die Rückschlüsse auf positive Charaktermerkmale zulassen, werden als klare Feststellung von Sachverhalten gewer- tet, ja im Einzelfall schon 1919 als Hinweise auf sein Verhalten 1939. Anders verhält es sich bei Äußerungen, die eventuell kritisch bewertet werden könnten. In diesen Fällen wirbt der Autor um Verständnis dafür, dass der Leser sie nicht wörtlich und als Ausdruck persönlicher Überzeugung nehmen soll, son- dern den Zeitumständen zuzurechnen sei. Das mag ohne Belang sein, wird aber bedeut- sam, wenn der Autor auf Langsdorff ein Wort Henning von Tresckows zum sittlichen Wert eines Menschen anwendet, das dieser nach dem gescheiterten Attentat des 20. Juli 1944 und kurz vor seiner Selbsttötung zum Schut- ze der Mitverschwörer gesagt hat. Die Annä- herung an die Männer des Widerstands ist zumindest geschmacklos – um es zurückhal- tend auszudrücken. Die Rückverfolgung des Zitats führt übrigens zur Internet-Adresse ei- ner „Feld- und Militärloge Henning von Tres- ckow“, wo man nur nach Anmeldung oder als Bruder Zugang erhält. Eine Petitesse, aber für den Rezensenten eine Zumutung. In sei- ner detaillierten Darstellung der Südatlan- tikoperation und ihrem Ende zeigt der Au- tor Langsdorff als einen Kommandanten, der sich entschließt, sich vom Operationsbe- fehl zu lösen und bewusst Risiken einzuge- hen, die er nicht kritisch abschätzt. Natürlich gilt, dass in sorgfältiger Lagebeurteilung der Kommandant in See die Grenzen eines alten Operationsbefehls überschreiten kann, wenn er glaubt, dies in der aktuellen Lage verant- worten zu können. Er muss dann auch das Ergebnis verantworten, und nur der Erfolg gibt ihm Recht. Hier hat Langsdorff Fehler gemacht – wie auch später vor und im Kreu- zergefecht und beim Entschluss, nach Mon- tevideo zu gehen. Der Autor legt dies offen. Dies aber damit zu erklären oder zu entschul- digen, dass die Langsdorff durch den Kreuzer- krieg „erzwungenen Abweichungen von sei- nem eigenen Wertekompass ... moralischen Verletzungen gleichkamen“ und die letzte Fehlentscheidung, Montevideo anzulaufen, eine „moralische Entscheidung“ war, „die nach militärischen Maßstäben rational nicht abzurechnen ist“, legt ein Erklärungsmuster des Autors offen, das nicht mit Belegen, son- dern verklärenden Annahmen arbeitet; das die Tatsache verdecken will, dass Langsdorff schwerwiegende Fehler gemacht hat. Wie sehr Langsdorff darunter gelitten hat, kann auch der Autor nicht feststellen. Er zeigt aber deutlich, dass Langsdorff in Montevideo jedenfalls nüchtern und verant- wortungsvoll gehandelt hat – nicht weniger, aber auch nicht mehr. Für das vom Autor behauptete finstere Fehl- verhalten der Marine durch „Beschweigen“ von Langsdorff, liefert der Autor in seinem Buch keinerlei Beleg. Auch auf seine Ankün- digung, dass erst durch die Beschäftigung mit Langsdorff ein Marineoffizier ein ange- messenes Wertesystem bilden und Grundla- gen für Entscheidungen in unsicheren Lagen finden kann, liefert das Werk keinen Hinweis. Ein losgelöster Exkurs zum Thema „Befehl“ hätte dem Werk und seinem postulierten Anspruch gutgetan und vielleicht sogar ei- ne Relevanz für die Gegenwart begründet. Bleibt schließlich die Frage nach der Ange- messenheit der „Werbeaktionen“ vor Er- scheinen des Buches. Wäre das Buch ohne Begleitlärm und ohne zweifelhafte Vor- schusslorbeeren auf den Markt gebracht worden, wäre es als das erschienen, was es zweifelsohne ist: Ein hochinteressantes, gut recherchiertes, gut geschriebenes und sehr lesbares Buch zu einem wichtigen Teil der deutschen Marinegeschichte, das aber Ur- teile über und Vorwürfe gegen die Marine nicht belegt. Entscheidendes für das Innen- leben der Deutschen Marine wird nicht prä- sentiert. Viktor Toyka 1. Thüringer-Hochseefischer-Stammtisch (Hrsg.) und Landolf Scherzer: Zwischen Wellen und Wolken. Hochseefischer er- zählen Abenteuer aus ihrer Fahrenszeit, Oceanum Verlag, Wiefelstede 2018, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86927-428-7 „So war es!“ lau- tet das Credo die- ser Veteranen. Der 1. Thüringer Hoch- seefischer-Stamm- tisch rief ehemalige DDR-Hochseefischer auf, mit persön- lichen Geschich- ten und Fotos zu einem Literatur-Fo- to-Wettbewerb bei- zutragen. Aufgrund der großen Reso- nanz konnten einige davon in diesem Pa- perback zusammengestellt und publiziert werden. Es umfasst rund 50 authentische Berichte und Erzählungen von Erlebnissen und Erfahrungen im Alltag – und nicht so All- tägliches. Spannende, rührende und lustige Anekdoten. Von Männern und Frauen, die zu Zeugen ihrer Welt und Zeit avancieren. Mit unterschiedlichem sprachlichen Geschick. In der unverfälschten Arbeits-Perspektive liegt gleichwohl die Stärke des Buches, das um- MarineForum 1/2-2020

sichtig zusammengestellt und liebevoll edi- tiert ist. „So war es!“ – ein Credo, dem nichts hinzufügen ist. Eberhard Hemmen Klaus Peter Kiedel: Auf Seen, Flüssen und Kanälen. Binnenschiffe auf Fotografien von der Kaiserzeit bis heute, Schriften des Deutschen Schiffahrtsmuseums, Oce- anum-Verlag, Wiefelstede 2018, 19,90 Euro, ISBN 978-3-86927-087-6 Der von Klaus Peter Kiedel zusammengestellte Bildband enthält 70 ganzseitig reproduzierte Fo- tos von Binnenschiffen. Die Originale finden sich in der Sammlung des Deutschen Schifffahrts- museums, dessen wissenschaftlicher Leiter des Archivs in Bremerhaven Kiedel bis 2015 war. Mit 21 qualitativ und ästhetisch herausragenden Bil- dern werden im Kapitel „Zu Kaisers Zeiten: Rä- derdampfer und Salondampfer auf dem Rhein“ Passagier- und Schleppdampfer porträtiert. Es folgen im Abschnitt „Mit Dampf und Motor. Das vielfältige Bild der Binnenschi- fffahrt der Nachkriegszeit“ nach Behe- bung von Kriegsschäden und Umbauten wieder in Fahrt gebrachte Dampfschiffe, neugebaute motorgetriebene Fracht- schiffe und kleine Hafenfahrzeuge die- ser Epoche. Das dritte Kapitel „Conta- inerschiffe, RoRo Carrier und River Boats: Das moderne Gesicht der Binnenschiff- fahrt“ leitet mit Farbbildern über in die Gegenwart der Binnenschifffahrt. Das liebevoll gestaltete Buch ist aber weit mehr als nur ei- ne Augenweide, sondern eine profunde schiff- fahrtsgeschichtliche Dokumentation. Durch die dezent angebrachten Bildunterschriften werden zu jedem Bild die technischen Daten, Herkunft, Verwendungszweck und Schicksal des vorge- stellten Schiffes beschrieben. Klaus Peter Kiedel hat hier als unbestrittener Fachmann zugleich auch eine technikgeschichtliche Dokumentati- on des Weges der deutschen Binnenschifffahrt vom Dampf- zum Motorantrieb und vom Rad- dampfer zum Schraubenschiff geschaffen. Mit den großformatigen Schiffsporträts, teilwei- se vor der beeindruckenden Naturkulisse des Rheintales aufgenommen, wurde hier auch eine wichtige Bildquelle für den Schiffsmo- dellbau vorgelegt. Heinrich Walle MarineForum 1/2-2020 Walter König: Johannes Holst – Maler der See, Koehler im Maximilian Verlag, Hamburg 2019, 148,00 Euro, ISBN 978-3-7822-1297-7 Wilde Wellen umwogen ein wacker der Na- turgewalt trotzendes Segelschiff. Eine Möwe gleitet über den Horizont einer verträumten Dünung. Dunkle Wolken sammeln sich über der schäumenden Gischt, die nach ihnen zu greifen versucht, bis sich die Elemente schi- er zu berühren scheinen. Solche und ähnliche Sujets, Momentaufnahmen maritimer Intimi- tät, hat der Maler Johannes Holst auf der Lein- wand festgehalten, um sie für die Nachwelt einzufangen und so die Seele des geneigten Betrachters zu bewegen – wie die Wogen der See ein mächtiges Schiff. Holst hat aber nicht einfach nur gemalt, er hat für sein Werk ge- lebt. Anders ist es nicht zu erklären, dass er über 3.000 Bilder mit maritimer Motivik schuf, deren Stimmigkeit und poetische Genauigkeit aller dort gezeigter Facetten seine Berühmt- heit begründen. 1880 geboren, widmete er den Großteil seines 85 Jahre währenden Le- bens einer naturalistisch anmutenden Male- rei, deren idealistischer Kern das Wesen des Meeres und der Seefahrt stimmungsvoll wi- derspiegelt. Malerische Kompositionen sind so entstanden, die gekonnt auf der Klaviatur von Farben, Formen und Stimmungen spie- len. Der Künstler aus Altenwerder schuf un- ermüdlich, geprägt durch sein unmittelbares Umfeld der Elbinseln und die besondere dort vorherrschende Atmosphäre der Ewer, Yach- ten und Clipper. Um dem Le- benswerk des Künstlers ge- recht zu wer- den, hat es sich Walter König, wie Holst in Al- t e n w e r d e r geboren, zur Aufgabe ge- macht, dessen Schaffenskraft, ja -wucht, in einem eindrucksvollen Bildband festzuhalten. Die erweiterte 4. Auflage des Buches „Johannes Holst – Maler der See“ wartet dabei mit 470 neuen Holst-Bildern auf, ohne jedoch den An- spruch auf Vollständigkeit zu erheben. Vielmehr bleibt die genaue Werkanzahl des Künstlers ein so offenes Geheimnis wie letztlich die See selbst mit ihren Tiefen. Und dennoch schafft es König, eine in sich völlig stimmige Komposi- tion aus fundiertem Textteil, vervollkommnet durch sieben Gastbeiträge von Fachleuten, aus- gewählten Gemälden und einem ausführlichen Werkverzeichnis zu präsentieren, das bildgewal- tiger, informativer und übersichtlicher kaum hätte sein können. So ist ein Muss für alle Lieb- haber der See entstanden – und für all jene, die es werden wollen. Dirk Sieg MarineForum 95. Jahrgang · 2020 Herausgeber: Deutsches Maritimes Institut e.V. (DMI) www.marineforum.info Redaktion Chefredakteur (ViSdP): Holger Schlüter (hsc) Tel.: +49 (0) 170 99 91 002 E-Mail: [email protected] Stv. Chefredakteur und Chef v. Dienst: Marcus Bredick (mb) Tel.: +49 (0) 228 9659 6963 E-Mail: [email protected] Ulrich-von-Hassell-Straße 2, 53123 Bonn Tel.: +49 (0) 228 9191 521 Fax: +49 (0) 228 9191 522 Redakteure Deutsche Marine: OStBtsm Hagen Liedtke (HL) Marinen aus aller Welt: Axel Stephenson (ajs) Schifffahrt, Schiffbau, Technologie: Hans Jürgen Witthöft (HJW) Buchbesprechungen und Geschichte: Dr. Heinrich Walle (HeiWa) See- und Völkerrecht: Dr. Michael Stehr (M.S.) Ständige Mitarbeiter Sidney E. Dean, Michael Nitz, Andreas Uhl, Andreas Knudsen, Hans Karr Verlag Mittler Report Verlag GmbH Baunscheidtstraße 11, 53113 Bonn Tel.: +49 (0) 228 3500 870, Fax: -871 Gerichtsstand und Erfüllungsort Bonn Ein Unternehmen der Gruppe Tamm Media Abonnementbestellung Tel.: +49 (0) 40 38 6666-319, Fax: -299 [email protected] Probeabonnement [email protected] Layout und Produktion Creativ Consulting GmbH Tel.: +49 (0) 2225 608 6742 Abonnentenbetreuung MOV-Mitglieder: Geschäftsstelle MOV Ulrich-von-Hassell-Straße 2 · 53123 Bonn Tel.: +49 (0) 228 9191 50 Nichtmitglieder MOV PressUp GmbH Wandsbeker Allee 1 · 22041 Hamburg Tel.: +49 (0) 40 38 6666-319, Fax: -299 Marketing/Anzeigen Jürgen Hensel Tel.: +49 (0) 228 3500 876, Fax: -871 [email protected] Waldemar Geiger Tel.: +49 (0) 228 3500 887 [email protected] Anzeigenrepräsentanz Osteuropa/Irland/Israel/ Türkei/Vereinigtes Königreich/ Frankreich/Italien Stephen Barnard Tel.: +49 (0) 228 3500 886 [email protected] Anzeigenrepräsentanz USA/Kanada Black Rock Media, Inc. Diane Obright Tel.: +1 858 759 3557 [email protected] Anzeigenrepräsentanz Russische Föderation Laguk Co., Yury Laskin Tel.: +7 495 911 1340 [email protected] Die Zeitschrift MarineForum erscheint zehnmal jährlich jeweils zum Monatsanfang. Der Preis beträgt je Heft € 7,25 zuzügl. Versand- kosten, der Abonne mentspreis € 64,00 pro Jahr inklusive Versand- kosten (nicht per Luftpost sowie ins Ausland). Das Abonnement verlängert sich um ein weiteres Jahr, wenn es nicht spätestens sechs Wochen vor Ablauf des Bezugszeitraums schriftlich abbe- stellt worden ist. Preisände rungen vorbehalten. Gerichtsstand und Erfüllungsort ist Bonn. Die mit Namen oder Initialen des Verfassers gekennzeichneten Artikel decken sich nicht unbedingt mit der Meinung der Redakti- on. Dies gilt insbesondere auch für die Leserbriefe. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Bilder wird keine Gewähr übernommen. Durch Annahme eines Manuskripts er- wirkt der Verlag auch das Recht zur teilweisen Veröffentlichung und ggf. zu sinnwahren der Kürzung. Alle Rechte des Nachdrucks bleiben vorbehalten. Das MarineForum ist unabhängig und überparteilich. Es ist auch Publikation der Marine-Offiziers-Vereinigung. Das MarineForum behandelt maritime Themen aus Politik und Wirtschaft mit den Schwerpunkten Außen- und Sicherheitspolitik, Rüstungswirt schaft sowie Seeverkehr. Die Berichterstattung bezieht sich auf maritime Geschehnisse in al- ler Welt. Schwerpunkte sind Schifffahrt und Schiffbau in Deutsch- land sowie die Deutsche Marine, histo rische Beiträge und Bespre- chungen zu fachbezogenen Büchern und Zeitschriften. ISSN (Allgemeinausgabe) 0172 – 8547 ISSN (Mitgliederausgabe) 0172 – 8539 59

MOV MOH DMI NACHRICHTEN AUS DEN VEREINEN UND DER MARINE 1/2-2020 Strategisch und militärisch sind Deutschland und seine Verbündeten in der NATO und der Europäischen Union auf freie und sichere See- verbindungen angewiesen. Deutschland, und damit auch die Deutsche Marine, trägt als größ- te Bündnismarine im Ostseeraum eine beson- dere Verpflichtung für unsere Verbündeten in dieser Region und die Sicherheit der dortigen Seewege. Ganz besonders dort haben die Ent- wicklungen der vergangenen Jahre, begonnen mit der Annexion der Krim durch Russland im Jahr 2014, dazu geführt, die Bedrohungswahr- nehmung unserer Verbündeten in Osteuropa deutlich zu verschärfen. Doch nicht nur die Seewege der Ostsee sind von entscheidender strategischer Bedeutung, auch die Seewege über den Atlantik, durch den englischen Kanal und hinein in die Nordsee bilden wichtige Le- bensadern für uns und den Kontinent. Auch hier wird die Deutsche Marine im Ernstfall ge- fordert sein, Bedrohungen zum Beispiel gegen die aus den Vereinigten Staaten und Kanada übersetzenden Verstärkungskräfte abzuweh- ren. Beide Aufgaben erfordern dabei allein auf- grund unterschiedlicher geographischer Gege- benheiten völlig unterschiedlicher Fähigkeiten, die der Deutschen Marine abverlangt werden. Bedarf es in der Ostsee vor allem kleiner, für den Einsatz in Küstengewässern optimierter Einheiten, so benötigt die Marine im Atlantik vor allem Fähigkeiten zur großräumigen See- und Luftraumüberwachung sowie zur Uboot- jagd – über Wasser, unter Wasser und aus der Luft. In Ergänzung zur Nordflanke des Bündnisgebie- tes bilden internationaler Terrorismus, Piraterie, Migration, illegale Landnahme, Überfischung, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Proli- feration, die Abwanderung von Schlüsseltech- nologie ein globales, maritimes Sicherheits- umfeld, in dem die Deutsche Marine bestehen können muss. Insbesondere im Mittelmeer, aber auch im Indischen Ozean ist die Deutsche Marine dabei gefordert. Als Mitglied der Verein- ten Nationen und nichtständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat trägt Deutschland Verant- wortung für eine regelbasierte Ordnung auf den Weltmeeren. Die aktuellen Entwicklungen, beispielsweise in der Straße von Hormus und im Südchinesischen Meer zeigen, dass diese regelbasierte Ordnung nicht selbstverständ- MARINEFORUM – Digitale Ausgabe Benutzer: mf2019 Kennwort: Flensburg Mitglieder der Marine-Offizier-Vereinigung haben unter www.mittler-report.de/ produkte/marineforum die Möglichkeit, die aktuelle Ausgabe des MARINEFORUM sowie der »Gelben Seiten« als PDF-Datei herunterzuladen. lich ist, sondern geschützt und durchgesetzt werden muss. Zu guter Letzt ist der freie und sichere Zugang zur See, den Seewegen und den Ressourcen des Meeres für uns auch wirtschaftlich von entscheidender Bedeutung. Gemessen an der Zahl der Handelsschiffe im Besitz deutscher Eigner besitzt Deutschland die viertgrößte Handelsflotte der Welt, betrachtet man nur die Zahl der Containerschiffe sogar die größte. Gleichzeitig steigt die Bedeutung des Meeres für unsere Prosperität auch an anderen Stellen stetig an. Über 95 Prozent des weltweiten Datenflusses werden über Unterwasserkabel übertragen, der Ausbau von Windenergieanla- gen im Meer nimmt stetig zu und die Menge der aus dem Meer gewonnenen Bodenschätze wächst. Auch die Bundesrepublik Deutschland besitzt, vertreten durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Ex- plorationslizenzen für die Rohstoffsuche am Meeresgrund, 75.000 km² zur Erkundung von Manganknollen im Pazifischen Ozean und 10.000 km² zur Erkundung von Massivsulfiden im Indischen Ozean. Dies alles gilt es bei Bedarf zu schützen. In der deutschen Sicherheits- und Verteidi- gungspolitik kommt der See und damit der Deutschen Marine eine entscheidende Rolle zu. In unseren Heimatgewässern, im Bündnis- gebiet und auch darüber hinaus ist ein Schutz Deutschlands und seiner Interessen ohne eine starke Deutsche Marine nicht denkbar. Die dabei zugrundeliegenden strategischen Leitlinien, daraus abgeleiteten Einsatz- spektren sowie die geforderten Fähigkeiten der Deutschen Marine ergeben sich aus den durch die NATO gemeinsam festgelegten und von Deutschland akzeptierten Vorgaben, dem Weißbuch der Bundesregierung von 2016 so- wie der daraus resultierenden Konzeption der Bundeswehr von 2018. Im Fähigkeitsprofil der Bundeswehr, das ebenfalls 2018 veröffentlicht wurde, sind sie letztlich operationalisiert und quantifiziert. Aus diesen nationalen und internationalen Vor- gaben abgeleitet, durchlebt die Marine derzeit den umfassendsten Modernisierungsprozess ihrer Geschichte. Wie dargestellt, erfordern weltweite sicher- heitspolitische Entwicklungen eine Marine, die zum weltweiten Einsatz befähigt ist. Nur mit einer zum Kampf befähigten Marine wird Deutschland seinen Verpflichtungen als ver- lässlicher Bündnispartner in der NATO und EU gerecht und nur so kann sie glaubwürdiges In- strument deutscher Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik sein. Eine zum zur Bewältigung hochintensiver, drei- dimensionaler Gefechte befähigte Marine ist im Sinne einer „Abwärtskompatibilität“ damit gleichzeitig befähigt, Einsätze von geringerer Intensität, beispielsweise im Rahmen huma- nitärer Hilfe, zu leisten. Die Deutsche Marine e n i r a M Z P : o t o F I Vizeadmiral Andreas Krause derart weiter auszurichten, auszustatten und auszubilden ist erklärtes Ziel. Die Refokussierung auf Landes- und Bündnis- verteidigung bedeutet dabei nicht die Rückkehr zu einer Ausrichtung wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Das weltweite Sicherheitsumfeld hat sich grundlegend geändert und ist kom- plexer als jemals zuvor. Der Schwerpunkt der Deutschen Marine verbleibt auf den Kern- fähigkeiten in allen Bereichen der Seekriegs- führung, dies allerdings ergänzt durch neue Bedrohungsszenarien durch hoch technisier- te, auch hybrid und asymmetrisch agierende Akteure in allen Dimensionen – unter, auf, über dem Wasser sowie in Cyber-, Informations- und Weltraum. Das bereits jetzt sehr komplexe und stetig wei- terwachsende Aufgabenspektrum der Marine erfordert jedoch nicht nur eine umfassende Modernisierung, um es zu bewältigen bedarf es auch einer größeren Zahl an Marineeinhei- ten. Erstmals seit 25 Jahren wächst die Deut- sche Marine daher wieder. Dies ist zwingend erforderlich, denn die zahl- reichen Einsätze und einsatzgleichen Verpflich- tungen haben auch in diesem Jahr der Marine sowie ihren Frauen und Männern enorme Ent- behrungen und Anstrengungen abverlangt, die mit einer über viele Jahre immer weiter gesunkenen Anzahl an Schiffen und Booten zu bewältigen war. Die neuen Fregatten der Klas- se 125, die Ergänzungsbeschaffung von fünf weiteren Korvetten sowie die neuen NH90 SEA-LION-HUBSCHRAUBER werden dringend benötigt, um Entlastung zu bringen und es zudem zu ermöglichen, wieder operative Re- serven zu bilden. Mit der Indienststellung der Fregatte „Baden- Württemberg“ im Juni dieses Jahres ist ein wichtiger Meilenstein in Richtung der dringend notwendigen Entlastung der Flotte gemacht. Der erste NH90 SEA LION ist im Herbst von der Industrie abgeliefert worden, und die neuen Korvetten nehmen seit dem Brennstart der MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 · 1

„Köln“ im Februar dieses Jahres bereits sichtbar Form an. Zudem haben wir mit dem Baubeginn des neuen integrierten Marineeinsatzrettungs- zentrums (iMERZ) für den Einsatzgruppenver- sorger „Frankfurt am Main“ im Oktober einen weiteren Schritt zur Verbesserung der Sanitäts- dienstlichen Fähigkeiten der Marine getan. Der richtige Weg ist eingeschlagen. Das Mehr- zweckkampfschiff 180, neue Flottentanker der Klasse 707, UBoote der Klasse 212CD, welche in strategischer Partnerschaft mit Norwegen entstehen, die Einführung kleiner Kampfboote für die spezialisierten und Spezialkräfte der Marine, die Einführung unbemannter luft- gestützter Aufklärungssysteme auf Kor- vetten, der Ausbau amphibischer Fähigkeiten nenabwehrsysteme sollen in Kooperation mit unseren europäischen Partnern entstehen und auch neue seegehende Aufklärungseinheiten sind als Nachfolge der aktuellen Flottendienst- boote in Planung. Im Bereich der NATO-Kommandostruktur hat die Deutsche Marine 2019 mit der Beset- zung zusätzlicher Dienstposten sowohl beim Allied Maritime Command im englischen Northwood, als auch im neu aufgestellten Joint Forces Command in Norfolk (USA) einen operativen Akzent gesetzt und unterstreicht so gleichzeitig das deutsche Bekenntnis zur NATO und die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika. dauerhafte Präsenz eines deutschen Marine- offiziers im maritimen Information Fusion Cen- ter in Singapur sind nur einige Beispiele hierfür. All dies ist und bleibt abhängig von der kriti- schen Ressource Personal. Dabei geht es für die Deutsche Marine zunehmend weniger um reine „Kopfstärken“, sondern vielmehr darum, ausreichend Personal mit den benötigten, immer komplexeren Qualifikationen zu gewin- nen und ausbilden zu können. Neben dem Zentrum Wiedereinstellung Marine, dem verstärkten Einsatz von Einheiten für die Personalgewinnung und dem marineinternen Identitätsprojekt „Wir sind Marine“, hat die Marine in diesem Jahr viele wichtige Meilen- steine hinter sich gelassen, die den Dienst in e n i r a M Z P : o t o F I in Zusammenarbeit mit den Niederlanden, das „Re-Winging“ der Seefernaufklärer P-3C ORION zum Erhalt dieser wichtigen Fähigkeit sowie der Ersatz der SEA-LYNX-MK-88-Hubschrauber durch den neuen SEA TIGER sind beispielhaft für die grundlegende Modernisierung und den Ausbau der Fähigkeiten der Deutschen Marine in den kommenden zehn Jahren. Gleiches gilt für die Einrüstung einer gänzlich neuen Fähigkeit auf den Korvetten. Mit dem Pi- lotprojekt „Vordringliches Marine Unmanned Aircraft System“ erhält zunächst die Korvette „Braunschweig“ die Befähigung zum Einsatz von Drohnen. Die Einrüstung ist in Teilen be- reits im Rahmen des aktuellen Werftaufent- haltes erfolgt, die Erprobung ist für Sommer 2020 geplant und die erste Bewährung im Ein- satz steht Anfang 2021 an. Auch die aktive Vertiefung der deutsch-nieder- ländischen Marinekooperation ist mit dem Ziel verbunden, ein gemeinsames amphibisches Fä- higkeitsportfolio zu entwickeln. Damit gewinnt die Deutsche Marine eine fast verlorene Fähig- keit zurück. Wie herausragend sich diese Koope- ration bereits entwickelt hat, konnte Anfang September dieses Jahres beobachtet werden, als Soldaten des Seebataillons gemeinsam mit Truppen des Korps Mariniers von der „Johan de Witt“ aus humanitäre Hilfe auf den Bahamas leisteten. Ein nächster wichtiger Schritt im Rah- men dieser Kooperation wird die gemeinsame Beteiligung an der NATO Response Force 2020 in Form einer Amphibious Task Group sein, an der auch Belgien und Großbritannien teilneh- men werden. Die Zertifizierung für diese Betei- ligung wurde 2019 erfolgreich absolviert. Weitere ambitionierte Projekte zeichnen sich bereits am Horizont ab. Neue, moderne Mi- Diesen Weg zur stärkeren internationalen Integration geht die Deutsche Marine konse- quent und übernimmt dabei auch selbst eine Führungsrolle. Erst in diesem Jahr wurde DEU MARFOR als nationales Führungselement mit der Fähigkeit zum Aufwuchs zu einem Baltic Maritime Component Command in Krisenzei- ten aufgestellt. Dessen Aufgabe wird es sein, als international besetztes Hauptquartier im Auftrag der NATO oder der EU teilstreitkraft- übergreifende Operationen zu führen. Wir bauen damit für das scharfe Ende möglicher Einsatzszenarien einen „Upthreat Command Post“ mit regionaler Expertise für den Ostsee- raum am Standort des Marinekommandos in Rostock auf. Durch die Führung des fast 50 Schiffe umfassenden Übungsverbandes während Northern Coasts 2019 wurde von DEU MARFOR bereits eine Anfangsbefähigung zur Führung einer multinationalen Task Force nachgewiesen. Trotz der besonderen regio- nalen Expertise ist diese Führungsfähigkeit dabei keinesfalls auf eine bestimmte Region begrenzt, sondern global einsetzbar. Die Steigerung und Gewährleistung von mari- timer Sicherheit und der Freiheit und Sicherheit der Schifffahrt ist strategisches Interesse der Bundesrepublik Deutschland. Die Fähigkeit, im multinationalen Verbund ein weltweites maritimes Lagebild zu gewinnen, ist daher eine logische konzeptionelle Vorgabe für die Deutsche Marine. Um dieses Ziel zu erreichen, kooperiert die Marine mit einer Vielzahl an in- ternationalen Partnern. Der Beobachterstatus der Deutschen Marine im Indian Ocean Naval Symposium, die regelmäßige Teilnahme der Marineschifffahrtsleitung an den Übungen des US CENTCOM in Bahrain und die zukünftig 2 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 der Marine und die Entscheidung, sich in der Marine zu engagieren, erleichtern sollen. Mehr als eine Milliarde Euro wird derzeit in die Infra- struktur der Marine investiert, sowohl in mo- derne Unterkünfte, neue Dienstgebäude als auch in hochtechnisierte Ausbildungsanlagen. Zudem wurde mit dem Beschluss des Besol- dungsstrukturenmodernisierungsgesetzes im Oktober dieses Jahres ein weiterer, wichtiger Schritt getan, den fordernden Dienst, insbesonde- re an Bord der seegehenden Einheiten, angemes- sen zu vergüten. Gleichzeitig arbeitet die Marine aktiv daran, Werdegänge und Ausbildungsmo- delle, insbesondere der Unteroffiziere, an die Er- fordernisse der heutigen Zeit anzupassen. Die Marine hat im Jahr 2019 vieles erreicht und viele wichtige Weichen für die kommenden Jahre stellen können. All dies war nur möglich, da die Marine neben der harten Arbeit ihrer Soldatinnen und Soldaten auch auf die breite Unterstützung ihrer Freundinnen und Freunde in Politik, Wirtschaft und Bevölkerung zählen konnte. Hierfür möchte ich mich an dieser Stelle herz- lich bedanken. Nur diese Unterstützung wird es uns ermöglichen, unseren Kurs in den nächsten Jahren erfolgreich weiter verfolgen zu können. Ich wünsche Ihnen alles Gute für das kommen- de Jahr 2020. Ihr Andreas Krause Vizeadmiral

Der Vorstand der MOV gibt bekannt Mitgliederversammlung der Marine-Offizier-Vereinigung am 8./9. Mai 2020 in Wilhelmshaven ANKÜNDIGUNG gem. § 9 c (1) der MOV-Satzung: Die or- dentliche Mitgliederversammlung 2020 (MV 20) der MOV findet statt am Sonn- abend, den 9. Mai 2020, im Gorch-Fock- Haus, Viktoriastr. 15, 26382 Wilhelmshaven. Die förmliche Einladung des Vorstandes und die Tagesordnung werden fristgerecht veröf- fentlicht. WAHLEN Zu wählen sind: (in Klammern die derzeitigen Amtsinhaber) gem. § 7 c der MOV-Satzung der Vorsitzender des Gesamtvorstandes (VAdm a.D. Nolting) 2. Beisitzer und Schatzmeister (KptzS a.D. G. Schneider) 4. Beisitzer (KptzS Riensch) 6. Beisitzer (FKpt Leonardy) 8. Beisitzer (FKpt Dietrich) gem. § 10 der MOV-Satzung die Rechnungsprüfer (FKpt a.D. Lochbaum, KptzS a.D. Stappen) ANTRÄGE und WAHLVORSCHLÄGE aus dem Kreise der Mitglieder müssen nach § 9 c) (1) der MOV-Satzung bis zum 18. April 2020 bei der MOV-Geschäftsstelle eingegangen sein. PROGRAMM Freitag, 8. Mai 2020 17:15 Uhr: Bustransfer vom Hotel Home über Hotel Keil zum Helgolandkai (1. Einfahrt) – vorbei am Sitz der neuen Geschäftsstelle in der Jadeallee 18:00 Uhr: ca. dreistündige Fahrt auf der Jade auf gechartertem Fahrgastschiff mit Büfett an Bord (Angehörige und Freunde sind herzlich willkommen). 21:00 Uhr: Bustransfer von der 1. Einfahrt/Flut- mole über Hotel Keil zum Hotel Home Sonnabend, 9. Mai 2020 Mitgliederversammlung im Gorch-Fock-Haus - vormittags: Vorträge/Diskussionen über + aktuelle Themen aus unserer Marine + zweiter Vortrag noch offen - Mittagessen in der Tagungsstätte - (u.a. des Inspekteurs der Marine oder Vertreter) nachmittags: Fortsetzung Mitgliederver- sammlung. Partnerinnenprogramm: Busfahrt nach Bad Zwischenahn (Anmeldung erforderlich) KOSTENBETEILIGUNG Für die Bootsfahrt und das Kalte Büfett an Bord wird ein Beitrag von 31,- € pro Person erbeten, für Essen und Getränke während der MV eine Pau- schale von 17,- € (ohne Mittagessen 7,– €). Die Teil- nehmer werden gebeten, beide Beiträge bis zum 04.05.2020 auf folgendes Konto zu überweisen: Postbank Essen IBAN DE04 3601 0043 0046 0274 37 BIC PBNKDEFF Verwendungszweck: MV 2020. In Ausnahmefällen können Kurzentschlossene ihre Beiträge auch am Sonnabendmorgen, 09.05.2020, bei der Registrierung zur MV entrichten. Die MOV lebt von der aktiven Mitwirkung ihrer Mitglieder! ANMELDUNG Der Vorstand appelliert wie immer an alle Mitglieder, zahlreich an der Mitgliederver- sammlung teilzunehmen. Wir bitten um möglichst frühzeitige Anmel- dung, damit wir die organisatorischen Vorbe- reitungen rechtzeitig einleiten können (siehe Anmeldevordruck). HOTELUNTERKUNFT Wir bitten, benötigte Hotelunterkunft selbst zu buchen und empfehlen, dies möglichst frühzei- tig zu tun. Wir haben in den nachstehenden zwei Hotels jeweils ein Zimmerkontingent reservieren lassen. Die Zimmer können bis zum 13.03.2020 unter dem Kennwort: MOV 2020 abgerufen werden: Hotel Home Börsenstraße 78-80 26382 Wilhelmshaven Ruf: (04421) 18 12 500 Fax: (04421) 18 12 555 E-Mail: [email protected] www.hotelhome.de 88,00 oder 98,00 € für EZ, 108,00 € für DZ pro Nacht mit Frühstück Hotel Keil Marktstraße 23 26382 Wilhelmshaven Ruf: (04421) 94780 64,00 € für EZ, 93,00 € für DZ pro Nacht mit Frühstück www.hotel-keil.de Wer auf Gestaltung, Zielsetzung und Arbeit der MOV Einfluss nehmen will, kommt zur Mitgliederversammlung der MOV! Michael Vangerow Anmeldung: Mitgliederversammlung der Marine-Offizier-Vereinigung am 8./9. Mai 2020 in Wilhelmshaven Ich nehme an folgenden Veranstaltungen teil (Zutreffendes ankreuzen und Teilnehmerzahl angeben): Freitag, 8. Mai 2020 18:00 Uhr Fahrt auf der Jade mit Fahrgastschiff (Dauer ca. drei Stunden) mit Büfett an Bord insgesamt _ Personen Anleger Flutmole (hinter 1. Einfahrt) Für die Fahrt auf der Jade mit Büfett wird ein Beitrag von 31,- Euro pro Person erbeten. Sonnabend, 9. Mai 2020 09:00 Uhr Mitgliederversammlung im Gorch-Fock-Haus (Ende ca. 16:00 Uhr) Imbiss im Gorch-Fock-Haus insgesamt _ Personen. 10:00 Uhr Partnerinnenprogramm insgesamt _ Personen Für Essen und Getränke während der Mitgliederversammlung wird ein Beitrag von 17,- Euro pro Person (ohne Imbiss 7,- Euro) erbeten. Anmeldung zur Mitgliederversammlung 2020 Absender (bitte in Blockschrift) MOV-Mitglieds-Nr.: __ Name, Vorname ____________________________________________________________________________________________________________________ Straße ____________________________________________________________________________________________________________________________ PLZ, Ort ___________________________________________________________________________________________________________________________ Den ausgefüllten Vordruck bitte senden an: Marine-Offizier-Vereinigung e.V., Ulrich-von-Hassell-Straße 2, 53123 Bonn E-Mail: [email protected], Fax: 0228 – 91 91 522

„Bayern“ in Bayern Vom 23. bis 28. September 2019 besuchte eine 23-köpfige Delegation der Fregatte „Bayern“ im Rahmen einer Patenschaftsfahrt den Frei- staat Bayern. Organisiert wurde der Besuch von der Bayerischen Staatskanzlei und dem Freundeskreis der Fregatte. Nach einem Jahr einsatz- bedingter Pause war dies der erste Patenschaftsbesuch einer Delegation unter der Führung des neuen Kommandanten, Fregattenkapitän Tilo Kalski. Auf der Fahrt gen Süden gab ein Besuch der Stadt Würzburg Anlass für einen zweitägigen Zwischenstopp, in dessen Verlauf die Delega- tion durch die Bayerische Landespolizei herz- lich aufgenommen und betreut worden ist. Im Beamtenkeller der Würzburger Residenz wurde den Marinesoldaten die Geschichte der Stadt, der Region und des Frankenweins veranschaulicht. Während einer umfangrei- chen und hochinteressanten Stadtführung wurden auch in dieser romantischen und wun- sich stellvertretend beim Ersten Vorsitzen- den, Rudolf Peterke, für die hervorragende Zusammenarbeit und Unterstützung mit einem zum Tablett umfunktionierten Stück Außenhaut der Fregatte. Es war eine hohe Ehre, dass Landtagspräsidentin Ilse Aigner bei dieser Gelegenheit die Schirmherrschaft über die besondere Beziehung zwischen Fregatte und Freundeskreis übernahm und dieser damit nochmals eine ganz spezielle Bedeutung verlieh. Freundeskreis und Be- gung Münchens und hier als Höhepunkt den Besuch der Synagoge am St.-Jacobs-Platz. Die überaus offene und hochinteressante Führung durch Gemeindehaus und Synago- ge Ohel Jakob offenbarte und schloss viele Wissenslücken bei den Besuchern und regte zu einem offenen Austausch und Fragen im Nachklang an. Dass Dr. Charlotte Knobloch, die Präsidentin der Israelitischen Kultusge- meinde München und Oberbayern (IKG) und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Ju- e s u a r K a h c s a S : s o t o F Abordnung vor der Residenz in Würzburg Im SOS-Kinderdorf Gespräch mit Oberbürgermeister Würzburg derschönen Stadt immer wieder die Einflüsse und jahrhundertelangen Auswirkungen von Krieg, Zerstörung, Völkermord, Vertreibung, Fanatismus und Despotentum deutlich. Besser als in jedem Unterrichtsraum wurde hier und bei späteren Gelegenheiten den Soldaten plas- tisch und tiefenwirksam die Bedeutsamkeit unserer demokratischen, rechtsstaatlichen Werte und damit die Wichtigkeit ihres Beru- fes vor Augen geführt. Dies betonte auch der Oberbürgermeister von Würzburg, Christian Schuchardt, der es sich nicht nehmen ließ, die Gäste aus Wilhelmshaven persönlich zu begrü- ßen und Gespräche mit den Besatzungsange- hörigen zu führen. Nach diesem durch Burkhart Berthold von der Bayerischen Staatskanzlei so hervorragend organisierten Aufenthalt im Norden unseres Patenlandes verlegte die Gruppe nach Mün- chen. Ein Besuch der Staatskanzlei umfasste auch eine Besichtigung des Gebäudes und der umgebenden Anlagen mit dem Krieger- denkmal im Hofgarten sowie Gespräche mit mehreren hochrangigen Mitarbeitern der Staatskanzlei, einschließlich des Leiters, Staatsminister Dr. Florian Herrmann. Ehrli- ches Interesse, Wahrnehmung und Anerken- nung konnten die Männer der „Bayern“ nicht nur bei diesen Gelegenheiten, sondern auch immer wieder bei Kontakten mit der Bevöl- kerung in Würzburg und München, erleben – eine nicht alltägliche Erfahrung. Im Landtag hatte der Freundeskreis der Fre- gatte „Bayern“ zur Jahreshauptversamm- lung geladen und die Besatzung bedankte satzung bedankten sich bei Aigner mit ei- nem Bild des Schiffes für diese nicht selbst- verständliche Initiative. Zum Abschluss der Versammlung berichtete Fregattenkapitän Kalski den anwesenden Mitgliedern des Freundeskreises über die Einsätze des Schif- fes, die Herausforderungen der momenta- nen Instandsetzung für die Besatzung und die Zukunftspläne der „Bayern“. Bei einem Besuch des SOS Kinderdorfs in Die- ßen, zu welchem die Besatzung der „Bayern“ eine jahrelange Patenschaft unterhält, wurde der Einweihung des neuen Spielschiffs bei- gewohnt. Karin Baumüller-Söder, Gattin des bayerischen Ministerpräsidenten, übernahm den Taufakt der neuen, kleinen „Bayern“ und der Kommandant des großen Schwester- schiffes übergab einen Scheck über 500 Euro und eine komplette Besatzung Kuscheltiere für die neue „Arche“ der Kinder. Das alte Spiel- schiff, welches vor über zehn Jahren durch die Besatzung der Fregatte aufgebaut wor- den war, musste aufgrund der jahrelangen Wettereinflüsse leider als nicht mehr dienst- tauglich abgetakelt werden. Im Anschluss an die Taufe hatten die kleinen Bewohner des Kinderdorfs Gelegenheit, sich im Gespräch und Spiel mit den Marinesoldaten ein Bild vom Bordleben zu machen und über ihr Dorf zu erzählen. Der rote Faden der sicherheits- und gesell- schaftspolitischen Bildung der Soldaten zog sich nach der Besichtigung Würzburgs und den Gesprächen mit Politikern und Staats- bediensteten auch durch die Stadtbesichti- den in Deutschland sich die Zeit genommen hat, mit den Marinesoldaten ins Gespräch zu kommen, hat diese besonders berührt. Durch das Zusammentreffen mit dieser derart ein- flussreichen Persönlichkeit und imponieren- den Zeitzeugin hat der Besuch der Synagoge einen ganz anderen Stellenwert erhalten und wird jedem der Teilnehmer ewig im Ge- dächtnis bleiben. Bedrückend wirkte auf alle der ständige Personenschutz der Präsidentin, selbst innerhalb des bereits sehr umfassend und hochprofessionell überwachten Gebäu- dekomplexes der IKG. Die Notwendigkeit derartiger Maßnahmen wurde wenige Tage später leider durch den Anschlag in Halle ver- deutlicht und unterstreicht die Dringlichkeit des offenen Austauschs und der politischen Bildung, um Vorurteile abzubauen und die Angst vor angeblich Fremdem im Keim zu ersticken. Mit einem kulturellen Höhepunkt, dem Be- such des Oktoberfestes, auf welchem die Delegation durch den Bayerischen Staats- minister des Innern, Oberstleutnant d. R. Joachim Herrmann, begrüßt wurde, endete der Besuch in der Landeshauptstadt Bay- erns. Alle Teilnehmer waren begeistert von dem herausragenden und abwechslungsrei- chen Programm, welches bleibende Eindrü- cke hinterlassen hat. Der bewsondere Dank aller gilt dem hochengagierten Organisator der Fahrt, Burkhart Berthold, sowie dem Ersten Vorsitzenden des Freundeskreises, Rudolf Peterke. Hauptbootsmann Schwarze 4 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020

Großer Zapfenstreich zur Verabschiedung von Admiral Manfred Nielson (Crew VII/73) Am 26.09.2019 wurde unser Crewkamerad Manfred Nielson mit einem Großen Zapfen- streich im Bendlerblock (Berlin) aus dem ak- tiven Dienst der Marine entlassen. Die Crew war mit zwölf Kameraden vertreten, davon zehn über ein Kontingent des BMVg. Nachmittags trafen sich die „Kontingent“- Teilnehmer der Crew mit Thorsten Kähler (der als Ortskundiger dankenswerterweise auch das Hotel besorgt hatte) zu einem Einlaufbier in der Bar des Ibis Hotels am An- halter Bahnhof. Nachdem sich alle in Schale geworfen hatten, ging es dann per Doppel- deckerbus zur Stauffenbergstraße. Im Gästekasino des Bendlerblocks ver- sammelten sich mit uns sicher mehr als zweihundert Personen, um Manfreds Ver- g v M B b a t s o f n I - e s s e r P / g n k n e R t s n r E : s o t o F i i abschiedung beizuwohnen. Neben hoch- rangigen Offizieren in deutschen und NATO- Uniformen aller Teilstreitkräfte sahen wir Gäste aus der ganzen Welt. Natürlich reih- ten auch wir uns in die Schlange ein, um Manfred zur Feier dieses Tages persönlich die Hand zu schütteln. Da sich die Ankunft der Verteidigungsminis- terin Annegret Kramp-Karrenbauer verzöger- te, wurde das Büfett (schmackhaft und reich- lich!) vor den Reden eröffnet. Anschließend gelang es uns gerade noch rechtzeitig, an der Seite des Podiums ein Foto mit Manfred und den Teilnehmern aus der Crew machen zu las- sen. Unmittelbar danach traf die Ministerin ein, und wir konnten einfach stehen bleiben und ihrer Rede – in der sie vor allem die Sta- tionen von Manfreds Laufbahn beleuchtete – aus bevorzugter Position zuhören. Danach überreichte die Ministerin Man- fred seine Verabschiedungs-Urkunde. Manfred würdigte in seiner Abschiedsre- de vor allem ehemalige Kameraden, Vor- gesetzte, Kollegen und Mitarbeiter, die ihn auf seinem Weg begleitet und unterstützt haben. Viele davon waren an diesem Abend anwesend. Humorvoll und kritisch (und mehrfach von Beifall unterbrochen) setzte er sich aber auch mit der gegenwär- tigen Lage der Bundeswehr auseinander – einschließlich mancher Entscheidungen, die dahin geführt haben. Im Anschluss an die Reden begaben wir uns auf den Paradeplatz gegenüber dem Widerstands-Mahnmal und durften uns auf die Tribüne setzen, während Manfred und die Ministerin vorne auf dem Podium stehen mussten. Bei mittlerweile völliger Dunkelheit war der Große Zapfenstreich – nur beleuchtet von Fackelträgern in Marineuniform – eine feierliche und ergreifende Zeremonie. Wer nicht dabei war, möge sich das YouTube- Video ansehen, das gibt einen besseren Eindruck, als es die Worte eines Chronisten könnten. Ein würdiger Abschied für unse- ren „Manni“, der als fünfter Marineoffizier seit Bestehen der Bundeswehr den Rang eines Admirals erreicht hat! Den Rest des Abends ließen wir im „Linden- bräu“ am Potsdamer Platz ausklingen. Wir haben dort bei bayerischen Schmankerln zahlreiche Biere auf das Wohl unseres Admirals getrunken und auch darauf, dies zukünftig mit Manfred und Annette noch auf vielen Crewtreffen tun zu können. Die Crew VII/73 ist nun außer Dienst ge- stellt, aber sie lebt! Clemens Grambow Die Crew ist dabei MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 · 5

RUND UM UNSERE MITGLIEDER Wir gedenken unserer verstorbenen Mitglieder Wir begrüßen unsere neuen Mitglieder Adresse unbekannt: Fregattenkapitän aD Helmut Meyer (C IV/59) geb. 02.11.1939 gest. 15.10.2019 Kapitän zur See aD Wolfgang Barth (VI/42) geb. 03.12.1924 gest. 01.12.2019 Leutnant zur See aD Hellmuth Müller (C VI/42) geb. 11.10.1924 gest. 13.11.2019 Dr. Volker Köhler, Michael Maennchen, OLtzS dR (InfoDVag 77/19) OLtzS Monica Amschl, Severin Kranich, KptLt (C VII/19) Skad (C VII/18) Thomas Körtge, Lars Keune, KptLt (C VII/09) Skad (C VII/18) Peter Wuppermann, Daniel Vukelic, OLtzS dR (C VII/72) FähnrzS (C VII/17) Leon Keske, LtzS (C VII/16) Tilo Hocke, KptLt (C VII/09) 50 Vorstand und Geschäftsstelle danken für 50 Jahre Mitgliedschaft in der MOH/MOV (Eintritt März 1970) FKpt aD Bernd Lehmann Karl-Heinz Beckmann OLtzS Sebastian Becker (C VII/08) LtzS Kai Stehrenberg (C VII/12) OLtzS dR Max Winkler (C VII/12 ROA) OStArzt dR Dr. Bernd Skowronek (C VII/73) OLtzS Marius Risch LtzS Christoph Weichenrieder (C VII/12) Die MOV gratuliert ganz herzlich zum Geburtstag und wünscht alles Gute im neuen Lebensjahr. Geburtstage im Februar 2020 (Aufstellung nach den vorhandenen Unterlagen. Wird die Bekanntgabe nicht gewünscht, erbitten wir mindestens zwei Monate vorher um Nachricht.) 102 2. Hildegard Rust (D 35) 101 17. Berndt von Walther und Croneck (C 38) 97 14. Hans Reusch (C X/41) 95 24. Henny Preuß (C 25) 94 17. Helmut Seidler (C VII/44) 24. Dr. Heribert Offermann (C I/44) 93 18. Hilde Schmidt (C 1909) 89 15. Helga Engehausen (C X/44) 26. Klaus zur Nieden (D 1914) 87 7. Siegfried Günther (C I/56) 6 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 86 7. Dr. Arno Weinert (InfoWÜb 92) 85 7. Jürgen Creydt (C IX/57) 9. Meinhard Groothuis (C IX/56) 22. Helmut Knappert (C I/73 M) 25. Harm-Jörg Fellner (C V/56) 28. Dieter Karl Speiser (InfoWÜb 89) 84 12. Dr. Martin Beilig (D II/54) 15. Willi Scheyka (C V/56) 83 9. Jürgen Worms (C IV/57) 17. Wolfgang Schilling (C IV/57) 18. Volker Hogrebe (C IV/59) 27. Hans-Jürgen von Hößlin (C IX/57) 82 2. Klaus Schubert (C IV/58) 7. Dr. Hans-Georg K. Geiger (C IV/59 Lw) 15. Wilhelm Reiss (C IV/58) 17. Ulrich Thieme (C IV/59 R) 19. Bernhard Otte (C IV/58) 25. Klaus Schwabe (C IX/57) 28. Hansjoerg Grundmann (D 59) 81 4. Ingo Eddicks (C IV/58) 11. Frank Altmann (C IV/65) 18. Dr. Oskar von Hinüber (C IV/59 R) 20. Wolf Wegner (C IV/59) 80 1. Friedrich Jacobi (C IV/59) 4. Heinrich Wittemann (InfoWÜb 97) 8. Joachim Hoesch (C IV/61 R) 13. Günther Schnez (C IV/60) 20. Dietrich Moehle von Hoffmannswaldau (D 77) 28. Klaus Petersen (C IV/59) 75 10. Walter Kümmel (C IV/65) 12. Karl-Heinz Ritzmann (C X/71 M) 15. Dr. Klaus-Peter Liebscher (D 73) 17. Detlev Schuth (C IV/64) 22. Hartwig Siebold (C IV/65) 70 2. Godehard Schmidt-Goertz (C X/70) 17. Hans-Wolfgang Steinbuch (D 70) 19. Ewald Popp 24. Dr. Eberhard Hemmen (D 73 InfoWÜb 49/05) 28. Manfred Ernst (C IV/71 ROA)

Die MOV gratuliert ganz herzlich zum Geburtstag und wünscht alles Gute im neuen Lebensjahr. Geburtstage im März 2020 (Aufstellung nach den vorhandenen Unterlagen. Wird die Bekanntgabe nicht gewünscht, erbitten wir mindestens zwei Monate vorher um Nachricht.) 104 29. Friedrich Grade (C 35) 99 10. Hans Harro Stüben (C X/39) 97 21. Joachim Hardam (C V/41) 96 2. Carola Becker (C 24) 23. Ruth Gottheiner (C 1903) 93 11. Dr. Martin Koch (C X/44) 17. Dr. Hans-Günther Stoessel (C I/45) 18. Joachim Klug (C I/45) 88 14. Kurt Jablonski (C I/71) 87 31. Dr. Wolfgang Kuhr (D 67) 86 13. Hans-Joachim Heldt (InfoWÜb 81) 85 7. Kurt Ziebis (C V/56) 12. Jutta Abry (C 1909) 22. Hein-Peter Weyher (C I/56) 84 6. Herbert Neumann (C X/63) 18. Klaus-Ulrich Dahl (C IV/57) 20. Gisela Hermanski (C 1923) 22. Hans-Jürgen Hopf (C IV/58) 23. Herbert Ploetz (C IV/57) 28. Dr. Friedrich Lederer (C X/58) 30. Manfred Rütten (InfoWÜb 86) 30. Ingo Maahz 83 1. Friedrich Huber (C IV/58) 82 2. Klaus Berger (C IX/56) 12. Thilo Rüder (C IV/59) 12. Horst Sommermeyer (C IV/58) 16. Dieter Leonhard (C X/59) 21. Uwe Marxen (C IV/58) 81 2. Klaus Tschiersch (C IV/59) 7. Johann-Peter Bauer (C IV/61) 11. Werfried Schoenijahn (C IV/61) 13. Hans Hermann Vollmöller (C IV/63) 15. Peter Sattler (C IV/60) 16. Werner Brosowsky (C IV/60) 25. Heinz-Jürgen König (C IV/59 R) 30. Rüdiger Mohrstedt (C IV/58 R) 80 1. Lothar Völz (C X/61) 3. Gerold Bläse (C IV/61 R) 7. Dr. Frank W. Fink (C IV/61 R) 8. Siegmar Spangenberg 11. Klaus Fahlbusch (C IV/60) 15. Karsten Klupsch (C IV/61 R) 26. Hubertus Hagemann (C X/64) 26. Burkhard von Groll (C X/60) 26. Hella Keil (C V/56) 28. Peter Becker (C IV/62) 75 10. Bernd E. Chittka (C X/70) 10. Richard Himstedt (C IV/65) 16. Georg Friedrich Langheld (C IV/65) 25. Gernot Meyer-Schwarzenberger (C IV/64) 70 10. Prof. Dr. Hans-Anton Adams (C VII/72) 10. Klaus Möllhoff (D 39) 11. Reinhard Lorch (C X/68) 13. Hans Jochen Witthauer (C X/68) 13. Martin Bauersfeld (C X/69) 20. Bernd Hümmer (D VIII/69) 24. Werner Kerschgens (C I/72 R) In eigener Sache Es ist soweit: Die Marine-Offizier-Vereinigung e.V. (MOV) Die MOV folgt dem Zug der Zeit sucht für ihre neue Geschäftsstelle nach dem Umzug nach Wilhelmshaven ab dem 2. Halbjahr 2020 zwei Bürosachbearbeiter/-innen mit guten MS-Office-Kenntnissen im Angestelltenverhältnis für jeweils 20 Stunden pro Woche und bietet ab sofort auch Ballcaps mit Emblem an. Für Mitglieder für den Betrag von 10,00 EURO bei der Geschäftsstelle zu bestellen. Marine-Offizier-Vereinigung e.V. (MOV) Ulrich-von-Hassell-Str. 2 53123 Bonn Ruf: 0228 91 91 5-0 Fax: 0228 91 91 5-22 E-Mail: [email protected] MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 · 7

Das „technische Herz“ der Stadt r e u e s n a G k n a r F : s o t o F Im Küstenmuseum Wilhelmshaven, mit der dortigen Kunsthalle, dem Deutschen Marinemuseum und dem Besucherzent- rum Wattenmeer Teil eines bemerkenswert weitgefächerten Ausstellungsensembles, ging erst unlängst die spektakuläre Son- derausstellung zur britischen Design-Firma „Hipgnosis“, Schöpfer u.a. der Pink Floyd- Plattencover, über die Bühne, mit überre- gionaler, selbst über die Grenzen Deutsch- lands hinausreichender Zuschauer- wie Medienresonanz. Nunmehr präsentiert das Küstenmuseum die in Kooperation mit dem Marinearsenal und unterstützt mit Leihga- ben aus dem Deutschen Marinemuseum erstellte Sonderausstellung ‚Von der könig- lich-preußischen Werft zum Marinearsenal‘. 1951 unter dem Namen „Heimat- und Küstenmuseum“ gegründet, ursprünglich ausschließlich befasst mit der Siedlungs- geschichte an der Küste, widmet sich das Museum nach einem entsprechenden Be- schluss des Rates der Stadt im Jahr 1997 auch der Geschichte der Marine- und Ha- fenstadt an der Jade. Und schließlich ist man nach einigen Standortwechseln nun auch endgültig, und wie es sich für Wil- helmshaven gehört in Wassernähe, direkt am Großen Hafen, vor Anker gegangen – in Küstenmuseum am Großen Hafen in Wilhelmshaven. die „Expo am Meer“, um im Folgejahr dann zum Haus des Küstenmuseums zu werden – mit dessen Dauerausstellung zur Ge- schichte und Archäologie des Lebens an der Küste, mit Deichbaustelle, Gerätschaften und Arbeitskleidung der Deicharbeiter, in de- ren Stiefel man selbst steigen kann, und mit dem interaktiven Medientisch, an dem per Touchscreen Verlauf und Veränderung der Etablissements“ – gleichsam Antriebsriemen der in Wilhelmshaven stationierten und bis heute am größten Standort der Bundeswehr beheimateten Marine(n). Denn die Werft und später das Marinearse- nal waren stets nicht nur geografischer Mit- telpunkt der Stadt, sondern auch größter Ar- beitgeber und Magnet für Zuwanderer in die Region. Die Werft, selbst eine kleine Stadt in- Schwimmkran „Langer Heinrich“ Modelle in Wilhelmshaven gebauter Kriegsschiffe, (vl.: Schlachtschiff „Scharnhorst“) einer ehemaligen Exerzierhalle der Kaiserli- chen Marine und späteren ‚Jahn-Turnhalle‘, selbst dunkler Ort der Wilhelmshavener Stadtgeschichte als Stätte der Deportation jüdischer Bürger nach der Reichspogrom- nacht 1938. Nach dem Krieg beherbergte das Gebäude eine Kammgarnspinnerei, wurde im Jahre 2000 Ausstellungsraum für 8 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 „Marinehafen Wilhelmshaven“ im Jahre 1915 (Modell 1:1000) norddeutschen Küstenlinie erkundet werden können, namentlich auch die Entstehung des Jadebusens mit seinem natürlich tiefen Fahrwasser, sozusagen dem „Geburtshelfer“ der Marinestadt. Ausgrabungsfunde seit der frühen Bronzezeit zeigen die frühe Besiede- lung der Region, sodann Einblicke in Woh- nen, Arbeit, Bekleidung und Ernährung der „ersten Wilhelmshavener“ und die medien- gestützte Darstellung der Stadtgeschichte mit Fotos, Karten, Filmen, Hörstationen und Objekten. In dieses stadt- und küstenhistorische Am- biente fügt sich nun die Sonderausstellung zur Werft- und Arsenalgeschichte geradezu passgenau ein. Eine fakten- und ansichten- reiche Dokumentation zum historischen wie „technischen“ Herz der Stadt, rund um den „Bauhafen“ als einem der ersten Hafenbau- werke des ab 1856 hier am „Heppenser Fähr- huk“ entstehenden preußischen „Marine- nerhalb der Stadt, mit Observatorium, Kran- kenhaus, Werftspeisehaus, „Lehrlingserho- lungsheim“ und mit der 1886 als einer der ersten Kindergärten Norddeutschlands ein- gerichteten „Kinderbewahranstalt“ – dazu Feuerwehr, Werftpolizei und Spielmannszug – Kraftzentrum der Stadt und ihrer Entwick- lung, die sich in der Ausstellung in einem mit exquisiten, ausgewählten Fotos und sorgsa- men Untertitelungen bestückten ‚Zeitstrahl‘ der Werft- und Stadtgeschichte entfaltet: Vom Jadevertrag über den ersten Erdaus- hub mit Hacke, Schaufel und Schubkarren und der Malaria, die fast ein Drittel der aus allen Gegenden Deutschlands zur zeitweilig größten Baustelle Europas strömenden Bau- arbeiter befiel und zu deren Bekämpfung gar Robert Koch aus Berlin herbeieilte, dem Aufwuchs der Werftgebäude, einem Gang durch die alten Werkhallen, Schlosserei, Torpedowerkstatt, Maschinenbauhalle, vor-

bei an Docks, dem Werfttor 1, heute noch bauliches Signet des Marinearsenals, an Stapelläufen wie dem des Schlachtschiffes „Tirpitz“, dessen Bug fast in die an der Kriegs- marinewerft vorbeiführende Gökerstraße hineinragte, dann Bilder der Zerstörung der Werftanlagen im Zweiten Weltkrieg, unter- legt mit raren filmischen Dokumenten in ei- nem kleinen Kino, Demontage und Wieder- aufbau ab 1957 als Marinearsenal mit zwei Betrieben in Wilhelmshaven und Kiel. Eine wechselvolle Geschichte, eingefasst von erlesenen Exponaten wie den Modellen der auf der Kaiserlichen oder der Kriegsmari- newerft gebauten Schiffen, vom Küstenpan- zerschiff SMS „Heimdall“ über ein UBoot Typ VII C und dem Schlachtschiff „Scharnhorst“ bis zu den beiden Wahrzeichen von Werft und Marinearsenal über die Jahrzehnte, der Schwimmkrane „Langer Heinrich“, im Jahre 1915 und immer noch im Hafen von Genua „in Dienst“ und der heute noch das Stadt- bild von Wilhelmshaven bestimmenden „Griep“, von 1963 bis heute unentbehrlich im Schwerlasttransport, zuletzt, wie in der Ausstellung zu sehen, eines defekten Schleu- sentores der großen Seeschleuse. Dazu ein großformatiges Modell der Werft- Stadt im Jahre 1915 und eine „Bekleidungs- kammer“ mit Uniformen und Arbeitsbeklei- dung samt Stahlspind, flankiert von einer Kriegsschiffgösch und einer Reichsdienst- flagge der Kaiserlichen Marine. Ein infor- mativer, bunter und lehrreicher Parcours, ein Blick gleichsam hinter die Kulissen von Bau und Erhalt der Marinen, die die Stadt im Verlaufe ihrer Geschichte „beherbergte“, mithin nicht weniger als die Ausleuchtung des Maschinenraums der deutschen Ma- rinegeschichte – nicht nur als materielles Fundament einer 150-jährigen Stadtge- schichte, sondern auch als bedeutender Teil deutscher Technik-, Sozial- und Wirt- schaftsgeschichte. Die Sonderausstellung ‚Von der königlich- preußischen Werft zum Marinearsenal‘ ist noch bis zum 1. März 2020 zu sehen im Küstenmuseum Wilhelmshaven, Weserstr. 58, 26382 Wilhelmshaven (www.kuesten- museum.de). Frank Ganseuer Preisverleihung Admiral-Kriebel-Preis der MOV 04.12.2019 „Alle Jahre wieder …“ überreicht der Regional- beauftrage der Marine-Offizier-Vereinigung für den Bereich Bremerhaven/Nordholz, Fregattenkapitän Oliver Ottmüller, bei den Marinefliegern den Admiral-Kriebel-Preis. Als Zeichen der Anerkennung durch die Marine-Offizier-Vereinigung und in Geden- ken an den ersten Kommodore des MFG 3 „Graf Zeppelin“, Admiral Paul Kriebel, wird mit diesem Preis die ausgezeichnete Leistung eines einzelnen luf tfahrzeug- technischen Nachwuchsoffiziers gewür- digt. Hierbei steht neben der fachlichen Leistung die Gesamtpersönlichkeit im Vordergrund. Erneut im Rahmen des re- gelmäßig stattfindenden Commander‘s Calls des Kommandeurs der Marineflieger, Kapitän zur See Thorsten Bobzin, ergriff Fregattenkapitän Ottmüller die Gelegen- heit, die Ehrung durchzuführen. In diesem Jahr stellte das Marinefliegerge- schwader 5 den Preisträger: Oberleutnant zur See Konstantin Rudolph gehört seit gut zwei Jahren dem MFG 5 an und hat sich so- wohl in seiner Verwendung als Technischer Offizier als auch im Einsatz hervorragend bewährt! Oberleutnant Rudolph motiviert mit seiner aufgeschlossenen und mitreißen- den Wesensart seine Teileinheit und ge- währleistet damit das Maximum an Auf- tragserfüllung. Seine vorbildliche Dienst- auffassung sowie seine herausragende Pflichterfüllung empfahlen ihn für diese Würdigung! Entsprechend groß war die Freude beim Preisträger, der neben einem Gutschein und einem Jahresabonnement des MarineForums in der Preisträgerliste der Admiral-Kriebel-Lounge in Nordholz festge- halten ist! Oliver Ottmüller 3 G F M : o t o F v. l.: FKpt Jörg Matthée (Kommodore Marinefliegergeschwader 3 „Graf Zeppelin“); FKpt Oliver Ottmüller (RegBea und Chef des Stabes Mari- nefliegerkommando); Preisträger OLtzS Konstantin Rudolph; KptzS Thorsten Bobzin (Kommandeur Marinefliegerkommando); FKpt Jan Keller (Kommodore Marinefliegergeschwader 5) MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 · 9

Der Schiffsbohrwurm, eine Gefahr für die Museumsflotte des Deutschen Marinemuseums n n a m a H z n e r o L / M M D : o t o F Schon Christoph Kolumbus litt unter ihm. In Holland zerfraß er hölzerne Deichtore. Er ist also kein Profiteur des Klimawandels wie etwa die Malariamücke. Dass er relativ unbekannt ist, ist wohl seinem Lebensraum unterhalb der Wasserlinie geschuldet. Dabei ist der in Teilen der Nord- und Ostseehäfen ansässige Schiffsbohrwurm, eigentlich eine Muschelart. Relativ unsichtbar setzt er sich sowohl an Holzschiffen als auch Hafen- und Pieranlagen fest, die einen Zugang zum of- fenen Meer haben. Er bohrt sich von außen in das Holz hinein, hinterlässt dabei eine nur schwer zu erkennende winzig kleine Öffnung und zerfrisst als Wurm aus seiner Muschel heraus den nach innen gerichteten Teil der Beplankung in Faserrichtung. Erst bei einem größeren Befall oder bei Ausbesse- rungsmaßnahmen wird er erkannt und muss dann sehr aufwendig bekämpft werden, wenn der Schaden nicht schon zu groß ist. Im Deutschen Marinemuseum in Wil- helmshaven befinden sich zwei stationäre schwimmende Exponate, das Minenjagd- boot „Weilheim“ und das Schnellboot S 71 „Gepard“ sowie ein noch in Fahrt befindli- ches Boot, das Segelschulboot „Nordwind“ – sie alle mit Holzrümpfen. Erstmalig wurde der Bohrwurm vor drei Jah- ren noch relativ kleinflächig an einer Stelle des Unterwasserschiffes der „Nordwind“ entdeckt und entsprechend den Vorgaben der Aufsichtsbehörde „bekämpft“. Der Gesetzgeber schreibt, was die Expona- te betrifft, eine regelmäßige Kontrolle der schwimmenden Einheiten auf „Sinksicher- heit“ vor, um ein plötzliches Absinken auf den Grund des Hafenbeckens zu verhindern. Bei Stahlschiffen lässt sich die Dicke der Au- ßenhaut mit entsprechenden Geräten durch Schwimmtaucher feststellen, aber leider nicht bei Holzbooten. Sie müssen gedockt werden und die Dicke bzw. die Fäulnis wird – wie eh und je durch einen Marlspieker oder durch Probebohrungen gemessen. Nach einer fast zehnjährigen Liegezeit im Museumshafen wurde das nunmehr 60 Jah- re alte Minenjagdboot „Weilheim“ für ein Verschleppen und Kontrolldocken in der Hal- le der Neuen Jadewerft in WHV angemeldet. Nach dem Entfernen von vier Tonnen Mu- scheln und Bewuchs am Unterwasserschiff wurde ein durchgehender Bohrwurmbefall im Bereich des Wasserpasses festgestellt. Die vier Zentimeter starke Holzaußenschicht aus Eiche war in bis zu zwei Zentimeter Tiefe weithin sichtbar zerfasert und abgetragen. In das weitere Innere des insgesamt zwölf cm starken Rumpfes der „Weilheim“ hatte sich der Bohrwurm nicht vorgearbeitet. Ty- pischerweise sucht er seinen Weg längs der Beplankung und mag die aus Rotleim beste- hende Verleimung mit dem dahinterliegen- den Teakholz wohl auch nicht. Zusammen mit dem Prüfer für Traditions- schiffe und dem Werftpersonal wurde ein kostengünstiger und zeitnah umsetzbarer Instandsetzungsvorschlag erarbeitet mit dem Ziel der Zertifizierung für die nächsten zehn Jahre. 10 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020

Anzeige Die Instandsetzung und die Bekämpfung des Bohrwurmes erfolgte nun in drei Schritten: • Abflammen der Schadstellen mit einem Brenner von mindestens 70 Grad. Was bei einem Holzrumpf nicht ganz ungefährlich ist; wegen der Brandgefahr muss man gro- ße Vorsicht walten lassen. • Danach wurde mit dem Spachtel eine zwei Zentimeter starke Bitumenschicht auf- getragen, die die Sauerstoffzufuhr mögli- cherweise noch vorhandener Bohrwürmer unterbinden soll. • Auf dieser Schicht wurden wiederum zwei Millimeter starke große Kupferplatten an- gebracht und erhitzt, damit sie eine Ver- bindung mit dem Bitumen eingehen und anschließend noch mit einem Holzhammer „gedengelt“, um Lufteinschlüsse und Un- ebenheiten zu vermeiden. Erfahrungen haben gezeigt, dass der Bohr- wurm die metallische Zusammensetzung von Kupfer nicht mag und das Boot somit – wahrscheinlich – vor künftigem Befall ge- schützt ist. Die gesamte Instandsetzung erfolgte durch im Holzschiffbau erfahrene Bootsbauer der Wilhelm Werft auf einen Rollgerüst in Hand- arbeit. Den Abschluss bildete dann ein zweifacher Anstrich mit Antifoulingfarbe. So hofft das Team des DMM, den Schädling zumindest für die nächsten zehn Jahre von der „Weil- heim“ abhalten zu können. Das im unmittelbaren Einzugsbereich lie- gende Schnellboot S 71 „Gepard“ soll pro- phylaktisch untersucht werden. Das heißt abtauchen und docken. Es gilt, Schäden frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen er- greifen, um dem Exponat eine lange Lebens- dauer im DMM zu bescheiden. Der Schiffsbohrwurm ist eine zukünftige und ernstzunehmende „Bedrohung“ für alle „Shiplover“ und „Bewahrer“ von Holzbooten, aber auch eventuell für „unsere Marine“. Denn seine Anpassungsfähigkeit auch an geringere Salzgehalte (und an höhere Tem- peraturen) als in der Nordsee (und anderen Weltmeeren) lassen ihn mittlerweile auch in der Ostsee antreffen. Lorenz Hamann MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 · 11

Landtagspräsidentin erste Schirmherrin Landtagspräsidentin Ilse Aigner ist die erste Schirmherrin des Freundeskreises Fregatte „Bayern“ e.V. Auf der Mitglieder- versammlung am 25.9.2019 im Konferenz- saal des Bayerischen Landtages wurde sie mit großem Beifall begrüßt! Daneben ge- rieten die turnusmäßigen Vorstandswah- len fast schon zur Nebensache. Großes Interesse fand der Vortrag des Komman- danten, Fregat tenkapitän Tilo Kalski. Er führte eine 23-köpfige Delegation der Besat- zung an, die zu einem Patenschaftsbesuch auf Einladung der BBayerischen Staatsregierung nach Würzburg und München angereist war. Über 60 Teilnehmer, Besatzungsmitglieder und Freundeskreis, konnte der 1. Vorsitzende Rudi Peterke begrüßen. Und er kam auch gleich zum wichtigsten Punkt der Tagesordnung: Ver- leihung der Schirmherrschaft! Landtagspräsi- dentin Ilse Aigner nahm aus den Händen von Rudi Peterke die Urkunde und das Ehrenge- schenk – ein Ölbild der Fregatte „Bayern“ auf hoher See – in Empfang. Dem Vorsitzenden assistierten dabei Fregattenkapitän Kalski und die Mitglieder des Vorstandes. Peterke würdigte zuvor die nunmehr auf höchstem Niveau stehende Verbindung zum Bayerischen Landtag. Die dauerhafte Schirmherrschaft, so Peterke, zeichnet den gemeinnützigen Verein und das Schiff in be- sonderem Maße aus. Schirmherrin Ilse Aigner zeigte sich hoch er- freut und hob in ihrer Ansprache besonders die Leistungen der Marinesoldaten hervor. Anfeindungen gegenüber Soldatinnen und Soldaten, wie es in anderen Bundesländern leider oft der Fall ist, kennt man in Bayern nicht. „Ihr seid bei uns immer hochwillkommen“, so die Botschaft der Präsidentin an die Be- satzung. Die Neuwahlen unter der Leitung von Chris- toph Moosbauer wurden gemäß einer Vor- schlagliste zügig durchgeführt. Im Wesentli- chen wurde die bewährte Führung bestätigt: 1. Vorsitzender: Rudi Peterke 2. Vorsitzender: Prof. Dr. Michael Koch Schriftführer: Ulrich Mocka Schatzmeister: Günther Moog Beiräte: Hans-Gerhard Braun, Jörg Braun, Heinz Bruns, Prof. Dr. Peter-Paul Gantzer, Prof. Dr. Ulrike Lechner, Elisabeth Wagner- Gantzer, Dr. Dirk Wolfertz Kassenprüfer: Peter Frühe und Martin Scherer Kooptiert: Burkhart Berthold, Patenschafts- referent Verbindungsoffizier: Kapitänleutnant Ole Brüggen (vom Kommandanten ernannt ) Rudi Peterke hob in seinem Rechenschaftsbe- richt die sehr gute Entwicklung des Vereins in den letzten neun Jahren hervor. Gegründet von 36 Mitgliedern im Jahre 2010 weist der Ilse Aigner, Rudi Peterke und Tilo Kalski Verein nunmehr 110 eingetragene Mitglieder und eine weit größere Anzahl Freunde und Förderer auf. Großen Beifall gab es für den Vortrag des Kom- mandanten, Tilo Kalski. In einem Bildvortrag stellte er die wichtigsten Einsatzfahrten und Ereignisse vor. Nach einer Werftliegezeit und Generalüberholung wird die „Bayern“ Anfang 2020 wieder in See stechen. Und eine wichtige Botschaft brachte Kalski mit: „Nach jetztigem Stand wird die „Bayern“ noch für weitere 15 Jahre in Dienst gestellt sein“! Nach der Mitgliederversammlung verlegte das Gremium in den nahe gelegenen Hofbräukel- ler, wo der Abend spät mit guten Gesprächen ausklang. Michael Beck e k r e t e P i d u R : o t o F Impressum MOV MOH DMI Nachrichten Redaktion: Fregattenkapitän aD Ottmar Becher Redaktionsschluss: am 1. des Vormonats E-Mail: [email protected] Marine-Offizier-Vereinigung (MOV) Marine-Offizier-Hilfe (MOH) Vorstand: Vizeadmiral aD Wolfgang Nolting Deutsches Maritimes Institut (DMI) Präsident: Vizeadmiral aD Hans-Joachim Stricker Vorstand: Flottillenadmiral Christian Bock Geschäftsstelle: Ulrich-von-Hassell-Straße 2, 53123 Bonn Telefonnummern: MOV (02 28) 91 91 50 MOH (02 28) 919 15 15, DMI (02 28) 919 15 20 Telefax: MOV/MOH/DMI (02 28) 919 15 22 E-Mail: Internet: www.marine-offizier-vereinigung.de www.deutsches-maritimes-institut.de MOV: [email protected] MOH: [email protected] DMI: [email protected] 12 · MarineForum-Nachrichten 1/2-2020 Leiter der Geschäftsstelle: Fregattenkapitän aD Bernd-Michael Vangerow MOV-Mitgliedsbeitrag: 85,– Euro pro Jahr Konten: Mitgliedsbeitrag MOV, 53123 Bonn Commerzbank Bonn - IBAN DE98 3804 0007 0232 2519 00 - BIC COBADEFFXXX Postbank Essen - IBAN DE04 3601 0043 0046 0274 37 - BIC PBNKDEFFXXX Spenden MOH, 53123 Bonn, Postbank Köln, - IBAN DE85 3701 0050 0219 2635 00 - BIC PBNKDEFFXXX Commerzbank Bonn - IBAN DE63 3804 0007 0232 2535 00 - BIC COBADEFFXXX DMI 53123 Bonn, Postbank Essen, - IBAN DE15 3601 0043 0035 2314 30 - BIC PBNKDEFFXXX Commerzbank Bonn - IBAN DE04 3804 0007 0232 2501 00 - BIC COBADEFFXXX Deutsches Maritimes Kompetenz Netz GmbH (DMKN GmbH) www.dmkn.de - IBAN DE15 3804 0007 0230 1968 00 - BIC COBADEFF380XXX MOH-Briefmarkensammelstelle: Fregattenkapitän dR aD Rolf Friedrich Müller Eßkamp 59, 26127 Oldenburg Telefon 0441-30 14 88