International vereinbarte Regeln sollen Seeschiffe und ihre Besatzungen vor äußeren Gefahren schützen. Die Kontrolleure des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie sorgen gemeinsam mit ihren Kollegen der Polizei für die Einhaltung.
„Thank you very much for your cooperation, captain!“, beendet Manfred Feindt die Kontrolle an Bord eines Containerschiffs im Hamburger Hafen. Feindt ist nautischer Inspektor beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und arbeitet im Sachgebiet S 42 Abwehr äußerer Gefahren auf See. Heute hat er drei Polizistinnen und Polizisten der Hamburger Wasserschutzpolizei im Gefolge. Sie sind neu auf ihren Dienstposten und begleiten ihn, um zu lernen, worauf es ankommt bei Kontrollen im Rahmen des Internationalen Codes für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen, dem ISPS-Code. Feindt führt aus: „Das BSH ist gemäß Seeaufgabengesetz für die Umsetzung beziehungsweise Einhaltung des ISPS-Codes auf Schiffen unter deutscher Flagge zuständig und kontrolliert zudem auch Schiffe unter fremder Flagge, die deutsche Häfen anlaufen. Dabei überprüfen wir die Gültigkeit des Zeugnisses über die Gefahrenabwehr an Bord (ISSC) und anderer sicherheitsrelevanter Dokumente. Auch ein Rundgang an Bord gehört dazu, denn die sicherheitssensiblen Bereiche müssen vor dem Zugang Unbefugter geschützt sein.“
Gerade Unbefugten den Zutritt zu Schiffen und Hafenanlagen zu verwehren, ist ein zentrales Anliegen des ISPS-Codes. Er wurde 2002 nach den Terroranschlägen von New York ins Leben gerufen, denn die Sorge war und ist groß, dass sich Kriminelle eines Schiffes bemächtigen könnten, um damit Schaden anzurichten. Doch nicht nur Terroristen oder Piraten stellen eine Bedrohung dar. Das Internationale Abkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (Solas) kennt in Kapitel XI-2 weitere sicherheitsrelevante Ereignisse, durch welche die Sicherheit von Schiffen oder Hafenanlagen bedroht sein können. Präzisierend spricht die europäische Verordnung (EG) 725/2004 „… von vorsätzlichen rechtswidrigen Handlungen, die Schiffe, ihre Fahrgäste oder ihre Fracht sowie die ihnen dienenden Hafenanlagen schädigen können.“ (Art. 2 Abs. 13). Um genau das zu verhindern, erstellen die Reedereien für jedes ihrer Schiffe ein individuelles Ship Security Assessment, SSA. Diese Bedrohungsanalyse berücksichtigt Faktoren wie Fahrtgebiet, Ladung, Schiffstyp und Besatzungszahl. „Natürlich ist die Bedrohungslage für ein kleines Schüttgutschiff mit Fahrtgebiet Ostsee eine andere als beispielsweise für einen Tanker, der Gebiete mit häufigen Piraterievorfällen befährt“, führt Manfred Feindt aus. „Trotzdem sind die Vorgaben des ISPS-Codes für alle Schiffe über 500 BRZ in der internationalen Fahrt beziehungsweise für Fahrgastschiffe auch unter 500 BRZ bindend.“
Die Risikobewertung durch das SSA ist deshalb ein wichtiges Hilfsmittel für den nächsten Schritt, die Ausarbeitung des Gefahrenabwehrplans. Auch er wird individuell für jedes einzelne Schiff angepasst, um den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Der Plan berücksichtigt besonders schützenswerte Bereiche des Schiffs, die als restricted areas gekennzeichnet sind und legt fest, welche Maßnahmen die Besatzung in See und im Hafen ergreifen muss, um den unerlaubten Zugang zum Schiff zu verhindern. Nach dem Solas-Übereinkommen haben die Staaten die Möglichkeit, mit der Erhöhung von Gefahrenstufen auf eine sich verändernde Bedrohungslage zu reagieren. Der Gefahrenabwehrplan enthält daher auf die jeweilige Stufe angepasste Maßnahmen. Die Gefahrenstufen reichen von Stufe 1, dem Normalbetrieb, bis zur Gefahrenstufe 3, bei der eine konkrete Gefährdung besteht, beispielsweise durch eine Bombendrohung.
Schließlich wird aufgrund des genehmigten Plans und dessen Verifikation – oft auch als Audit bezeichnet – ein Zeugnis über die Gefahrenabwehr an Bord ausgestellt, das fünf Jahre gültig ist. Eine Überprüfung zwischen dem zweiten und dritten Laufjahr des Zeugnisses ist dabei Pflicht. Doch damit nicht genug. Neben den geschilderten Zertifizierungen gibt es weitere Maßnahmen, um zu testen, ob der ISPS-Code an Bord korrekt umgesetzt wird. Die heute durchgeführte unangemeldete Kontrolle ist eine dieser Maßnahmen und ein weiterer Tätigkeitsschwerpunkt von BSH-Inspektorinnen und -Inspektoren.
Regelmäßig gehen Beamte wie Manfred Feindt stichprobenartig an Bord und führen auf fremdflaggigen Schiffen Kontrollen durch, wie sie der ISPS-Code, aber auch die Verordnung (EG) 725/2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen vorsehen. „In der Regel sehe ich mir zuerst die Dokumentation an; also das Zeugnis über die Gefahrenabwehr an Bord, die Besatzungsliste und das Zeugnis des Beauftragten für die Gefahrenabwehr, genannt Ship Security Officer (SSO). Aber auch Berichte von Gefahrenabwehrübungen sind sehr aufschlussreich, belegen sie doch, ob die Besatzung sich regelmäßig mit Themen der Gefahrenabwehr auseinandersetzt und neue Crewmitglieder entsprechend einarbeitet. Anschließend mache ich einen Rundgang, schaue mir die Umsetzung vor Ort an und befrage stichprobenartig Besatzungsmitglieder zum Thema Gefahrenabwehr an Bord.“ Stellt Feindt hier Mängel fest, kann es zur Anzeige von Ordnungswidrigkeiten kommen, die schnell 1000 Euro und mehr erreichen können. Ziel der Kontrollmaßnahmen ist aber weniger das Suchen und Finden von Verstößen als vielmehr das Herbeiführen von Verbesserungen zur Erhöhung der Sicherheit. „Das BSH will Maßnahmen zur Gefahrenabwehr auf Schiffen optimieren, den Seeleuten ein gesundes Sicherheitsbewusstsein vermitteln und Tipps für die Praxis geben. Das gelingt am besten in einem dialogischen Prinzip, bei dem wir alle etwas lernen“, betont Feindt, der selbst jahrelang auf Containerschiffen fuhr und dort Ship Security Officer war. Er zehrt noch immer von diesen Erfahrungen, helfen sie ihm doch, das Sicherheitskonstrukt des jeweiligen Schiffes schnell zu erfassen. Was sicherheitstechnisch bei einem Tanker sinnvoll ist, kann bei einem Passagierschiff eher hinderlich sein. Zu unterschiedlich sind die rund 50 000 Schiffe, die weltweit am Seeverkehr teilnehmen. Hier sind Erfahrung und Augenmaß gefragt.
Da die Kontrollmaßnahmen in allen deutschen Häfen von Emden bis Wolgast jedoch nicht vom BSH allein zu leisten sind, gibt es eine Bund-Länder-Vereinbarung. Sie regelt, dass Polizistinnen und Polizisten der Wasserschutzpolizei vor Ort die Überprüfungen vornehmen. Die theoretische Vermittlung des dafür nötigen Wissens erhalten sie an der Wasserschutzpolizeischule in Hamburg. Auch hier ist das BSH-Sachgebiet S 42 tätig und stellt Vortragende für das Seminar. Regelmäßig geben Manfred Feindt und seine Kollegen hier ihr Wissen aus Praxis und Theorie weiter. Des Weiteren hat das BSH in Zusammenarbeit mit den Wasserschutzpolizeien der Küstenbundesländer eine Dienstanweisung und mehrere Checklisten für die ISPS-Kontrollen erarbeitet. Ziel dabei ist es, unter den Vollzugskräften verschiedener Bundesländer eine Standardisierung der Kontrollen herbeizuführen. „Damit das auch gelingt, besuchen wir BSH-Inspektoren regelmäßig Dienststellen der Wasserschutzpolizei entlang der Küste. Wir sind sehr dankbar für die Arbeit unserer Polizeikolleginnen und -kollegen und können bei dieser Gelegenheit Fachfragen klären und die Zusammenarbeit weiter ausbauen“, so Feindt.
Mit dem Ergebnis der heutigen Schiffskontrollen ist er sehr zufrieden. Vor allem mit der professionellen Herangehensweise der jungen Polizisten. Aller Anfang ist schließlich schwer und gerade die Coronapandemie hat es lange verhindert, dass die Vollzugskräfte an Bord gehen durften. Insofern freuen sich am heutigen Tag insgesamt acht Beamte über die Hinweise und Erläuterungen ihres BSH-Kollegen. Sie konnten bei den schulmäßigen Kontrollen ihr Wissen auffrischen, Fachfragen stellen und sind nun fit, um zukünftig selbst in Sachen Gefahrenabwehr an Bord zu gehen.
Oliver Kaus arbeitet beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie im Bereich Abwehr äußerer Gefahren auf See und ist als Reservist im Marinekommando beordert.
Oliver Kaus
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