Sind weitere U 212CD realisierbar? Foto: hum

Sind weitere U 212CD realisierbar? Foto: hum

Kaum gewonnen, schon zerronnen

Es war einmal ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro. So begann im März ein schöner Traum für die Bundeswehr, der nun von der Realität eingeholt wird.

Sah man in der Marine durch die von Kanzler Olaf Scholz proklamierte Zeitenwende eine Chance zur Stärkung von Einsatzfähigkeit und Kampfkraft der See- und Seeluftstreitkräfte, so macht sich neun Monate später Ernüchterung breit. Dabei war es Marineangehörigen eh klar, dass sich mit dem Sondervermögen Bundeswehr die Zahl der Flaggenstöcke nicht maßgeblich erhöhen würde. Die Option auf zwei weitere Fregatten der Klasse 126 und die Mehrzweckkampfboote (Seebataillon) hätten den Fuhrpark der Flotte geringfügig - und die in Aussicht gestellten „weiteren Seefernaufklärer“ die fliegende Flotte etwas vergrößert. Die Hoffnung auf eine Beschaffung von zusätzlichen Korvetten K130 wäre ohnehin, was die Anzahl seegehender Einheiten der Marine betrifft, auf ein Nullsummenspiel hinausgelaufen. Die Fortsetzung des zweiten Loses sollte lediglich die fünf Korvetten des ersten ersetzen. Womöglich aber kommt es schlimmer!

Was war drin

Doch von Anfang an. Nach dem Gesetz zur Finanzierung der Bundeswehr und zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ und der Änderung der Bundeshaushaltsverordnung vom 1. Juli 2022 waren diese Marinevorhaben veranschlagt:

a) Korvette K130
b) Fregatte F126
c) Future Naval Strike Missile (FNSM)
d) Flugabwehrflugkörper für U-Boot (IDAS)
e) Unterwasserortung (Sonix)
f) Mehrzweckkampfboote (Seebataillon)
g) Nachfolge Festrumpfschlauchboot (RHIB) 1010
h) U 212CD
i) Beschaffung weiterer Seefernaufklärer

Und was blieb drin

Der Bundeshaushalt 2023 wurde im Dezember 2022 verabschiedet. Was aus den Beratungen bekannt wurde, ist ernüchternd!

Überwasser – aus der Traum

Ersichtlich wurde nun, dass die Option für zwei weitere Fregatten der Klasse F126 vorerst nicht gezogen und auf spätere Haushaltsjahre verschoben wird. Das zweite Los der Korvetten K130 wird lediglich um eine sechste Einheit ergänzt. Damit sind schon zwei anfängliche Finanzierungserwartungen geplatzt.

Unterwasser – die Luft ist raus

Ebenfalls abgeräumt wurde die Hoffnung auf zwei zusätzliche U-Boote der zukünftigen Klasse U212CD. Wie aus dem parlamentarischen Umfeld bekannt wurde, soll thyssenkrupp Marine Systems (tkMS) der Anfrage des Verteidigungsministeriums von Anfang März auf zuschlagsfähige Angebote für bis zu sechs weitere U-Boote dieses Typs gefolgt sein – allerdings wurden sie mangels fehlender Haushaltsmittel nicht weiter behandelt. Damit zeichnen sich die Umrisse einer U-Bootflottille von bestenfalls sechs Einheiten ab: 2 x 212A (die beiden Nachzügler des ersten Loses), dazu 2 x U212CD aus der deutsch-norwegischen-Kooperation plus 2 x U212CD aus regulärem Verteidigungshaushalt als Ersatz der ersten 4 Boote U212A. Oder wenn auch die beiden letzteren nicht kommen, dann eben 2 neue, plus 2 alte und 2 ganz alte (die alle 4 eines dringenden Modernisierungsschubes bedürfen!).

Wo wir gerade bei U-Booten sind: Auf das Flugkörpersystem IDAS (Interactive Defence & Attack System for Submarines) wird man weiter warten müssen. Zwar wird seine Entwicklung fortgesetzt, aber eine Beschaffung wird nicht mehr aus dem Sondervermögen, sondern müsste aus dem Einzelplan 14 in späteren Jahren erfolgen.

Nur was fliegt, das fliegt!

Die im Wirtschaftsplan des Bundeshaushaltes genutzte Formel „weitere Seefernaufklärer“ konkretisiert sich auf drei Exemplare. Damit dürfte sich Nordholz auf insgesamt acht P-8A Poseidon einstellen, fünf waren durch die Haushaltsentscheidungen vom Sommer 2021 bereits bewilligt.

Und sonst noch!

Für mehr als 300 Millionen Euro sollen 75 Sea-target missiles RBS 15 beschafft werden.

Für die Einsatzgruppenversorger ist die Beschaffung eines weiteren MERZ (Marine-Einsatz- und Rettungszentrum) vorgesehen; Kosten 42 Millionen Euro, Bereitstellung bis Mitte 2024.

Das Seebataillon darf der Lieferung von zehn Mehrzweckkampfbooten für 40 Mio. Euro entgegensehen. Über Typ und Hersteller dieser zwischen 2025 bis Ende 2027 zulaufenden Einheiten kann hier zurzeit keine Aussage getroffen werden. Die parlamentarische Behandlung ist in 2023 vorgesehen. Allerdings sind vergleichbare Boote bei unseren Nachbarn unlängst für Stückpreise zwischen 2,2 und 3,2 Mio. Euro beschafft worden – und preisgünstiger dürfte es in drei Jahren kaum sein.

Zeitenwende abgewendet

Deutschlands Zeitenwende wird nur Monate später von einer traurigen Realität eingeholt. Das ausgelobte Finanzfeuerwerk brach spätestens in sich zusammen, als klar wurde, dass die 100 Milliarden Euro in eine Verpflichtungsermächtigung im Wirtschaftsplan 2022 für künftige Jahre in Höhe von 81,91 Milliarden Euro mündeten. So geschrieben im Gesetz zur Errichtung eines „Sondervermögens Bundeswehr“ (Bundeswehrsondervermögensgesetz – BwSVermG). Vorauszusehen war ohnehin, dass Inflation und Energiepreise die Preisspirale ankurbeln. Womit die ohnehin gebotenen Priorisierungen unvermeidlich wurden.

Für die Marine sieht es traurig aus

Zwar kommt man bruchstückweise dem operativen Bedarf bei den Seefernaufklärern nahe. Aber mit Blick auf die seegehenden Einheiten muss man sich fragen, ob vor dieser finanzplanerischen Hinterlegung sowohl das ambitionierte Fähigkeitsprofil der Bundeswehr, als auch der NATO-Planungsziele, überhaupt erfüllt werden können. Nach unseren Informationen belaufen sich die Profilziele für den Zeitraum ab 2031 auf 15 Fregatten, 8 Korvetten und 8 U-Boote (wobei das nationale Planungsziel 10 Korvetten vorsah, also zwei mehr). Mit den gegenwärtigen Zahlenspielen ist das anvisierte Fähigkeitsprofil nicht zu erreichen: 6 U-Boote, 6 Korvetten – sollte es bei den jetzt zulässigen Schlussfolgerungen bleiben – und das letzte Wort zur Zahl der Fregatten ist wohl auch noch nicht gesprochen!

Hans Uwe Mergener

 

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