Zu den bekanntesten Flugzeugen des Zweiten Weltkriegs gehört der Stuka-Kampfbomber. Im Mittelmeer wurde vor einigen Jahren ein gut erhaltenes Exemplar gefunden – und bis heute nicht geborgen.
Unzählige militärhistorisch bedeutsame Objekte liegen auf dem Grund der Meere. Jedes einzelne Objekt ist etwas Besonderes, das es zu entdecken und zu entschlüsseln gilt. Häufig sind es Fischer, die durch den Einsatz von Grundschleppnetzen erste Hinweise liefern – durch zufälliges Auffischen von losen oder abgebrochenen Gegenständen oder durch wiederholte unerklärliche Netzharker in Seegebieten, die eigentlich als „rein“ gelten. Sport- und Berufstaucher entdecken vor allem bei Tauchgängen außerhalb bekannter Tauchplätze bisweilen unbekannte historische Objekte. Häufig dauert es längere Zeit, bis derartige Informationen zuständige Stellen erreichen. Aber auch dann ist nicht garantiert, dass sofort alle Hebel in Gang gesetzt werden, um den Fall zu lösen. Vieles muss zusammenkommen, damit aus solchen Hinweisen gerade unter Wasser mit den besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich Suche, Entdeckung und Identifizierung eine Erfolgsgeschichte wird.
Während des Kroatienkriegs wurde Mitte September 1991 die dalmatinische Küstenstadt Šibenik von der jugoslawischen Volksarmee und von serbischen paramilitärischen Truppen schwer angegriffen. Obwohl sie über deutlich weniger Waffen verfügten, gelang es den kroatischen Streitkräften und der Bevölkerung von Šibenik, die Stadt zu verteidigen.
Zur Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis, das als Schlacht von Šibenik in die Geschichtsbücher einging, veranstaltet jedes Jahr der Verteidigungsverein Ruža Hrvatska eine traditionelle Gedenkfeier.
Im September 2014 fand sie auf der dalmatinischen Insel Žirje statt. Als ein Höhepunkt der Feierlichkeiten sollten mehrere Tauchgänge im Inselumfeld durchgeführt werden, die von der Abteilung für Unterwasserarchäologie des Kroatischen Instituts für Restaurierung, einem Zagreber Tauchclub und dem Militärmuseum des Verteidigungsministeriums organisiert wurden. Neben dem Besuch bereits bekannter historischer Fundorte war geplant, mehrere neue Positionen zu überprüfen, die in den Jahren zuvor gemeldet worden waren. Bei einer dieser Stellen sollte es sich um ein unbekanntes Flugzeugwrack handeln, das während eines Harpunierwettbewerbs entdeckt worden war.
Kaum waren die Taucher an der benannten Stelle auf der Südseite der Insel abgetaucht, zeigte sich in 28 Meter Wassertiefe eine Junkers Ju 87 aus dem Zweiten Weltkrieg, besser bekannt unter dem Namen Sturzkampfbomber, oder kurz Stuka. Aufrecht auf seinen Rädern stehend, wirkte die ganze Szenerie, als wäre die Stuka gerade sanft auf dem Meeresboden gelandet. Sofort war allen Beteiligten klar, dass es sich hierbei um einen äußerst wertvollen historischen Fund handelte. So wurde umgehend das Gebiet für Taucher gesperrt, und es wurden umfangreiche Untersuchungen und Recherchen zum Wrack ergriffen.
Das Unglück
Experten des Militärmuseums identifizierten das Wrack sehr schnell als Stuka des Typs Ju 87 R-2. Die Maschinen dieser Baureihe waren mit zwei abwerfbaren Zusatztanks anstelle der Bomben unter den Flügeln ausgerüstet, um die Reichweite zu erhöhen. Diese Flugzeuge wurden vorzugsweise im Mittelmeerraum eingesetzt.
Nach vorliegenden Berichten zu Kriegshandlungen und Verlusten während des Zweiten Weltkriegs stellte das deutsche Reichsluftfahrtministerium auch der verbündeten Königlich Italienischen Luftwaffe (Regia Aeronautica) Maschinen dieses Typs zur Verfügung. So griffen am 12. April 1941 drei italienische Stukas des 239. Geschwaders der 97. Sturzkampfbombereinheit (239. Squadriglia, 97 Gruppo Bombardamento a tuffo) mehrere Torpedoboote der Zweiten Torpedobootsdivision sowie das Wasserflugzeuggeschwader der jugoslawischen Marine an, die zum Marinestützpunkt Jadrtovac bei Šibenik gehörten. Ziel des Einsatzes war die Unterstützung der deutschen Wehrmacht, die im Rahmen des Balkanfeldzuges kurz zuvor am 6. April 1941 die Königreiche Jugoslawien und Griechenland angriffen hatte, um eine italienische Niederlage gegen Griechenland zu verhindern. Durch jugoslawisches Flugabwehrfeuer wurden zwei Stukas getroffen, von denen eine abstürzte und die Besatzung mit in den Tod riss. Die zweite Maschine wurde nur leicht beschädigt, musste aber in der Adria notwassern und versank bei der Insel Žirje auf den Meeresgrund. Ob die Besatzung überlebt hat, ist nicht bekannt. Jedoch fehlt bei dem erst über 70 Jahre später entdeckten, gut erhaltenen Wrack die Kabinenhaube über dem Cockpit, und es wurden keine menschlichen Überreste gefunden. Vermutlich konnte sich die Besatzung also selbst retten.
Die Geschichte
Die Junkers Ju 87 war ein einmotoriges Kampfflugzeug aus deutscher Produktion, das von 1937 bis 1944 in mehreren Baureihen und verschiedenen Versionen hergestellt wurde. Der von den Junkers Flugzeugwerken entwickelte und vor allem durch die Weser Flugzeugbau mit Sitz in Bremen gebaute Tiefdecker mit Knickflügeln, starrem Fahrgestell und zwei Mann Besatzung wurde von der deutschen Luftwaffe und den Luftstreitkräften verbündeter Länder eingesetzt. Der erste Fronteinsatz der Stukas erfolgte im Februar 1938 im Spanischen Bürgerkrieg bei der Legion Condor. Seine Hauptaufgabe bestand in präzisen Bombenangriffen bei Tag im Rahmen taktischer Einsätze als Sturzkampfflugzeug. Besonders effektiv waren Stukas bei Angriffen auf Seeziele. Spätere Versionen der D- und G-Baureihe wurden vorwiegend als Erdkampfflugzeuge eingesetzt.
Anfang 1940 stellte die italienische Luftwaffe 108 Stück in Dienst, später folgten weitere. In Italien wurden die Flugzeuge Picchiatello genannt und waren bei vier Sturzkampfbomber-Einheiten im Einsatz. Die 1941 vor der Insel Žirje versunkene Ju 87 gehörte zur Baureihe R (Reichweitenausführung) und war damit für Langstreckenflüge geeignet, um gegen Schiffsverkehr im gesamten Mittelmeer eingesetzt zu werden. Insgesamt wurden davon 721 Stück gebaut, wobei speziell die bei Žirje entdeckte Version R-2, die einen stärkeren Motor aufwies als die Version R-1, 472 Mal produziert wurde. Insgesamt 59 Flugzeuge dieser Stuka-Version waren bei der Regia Aeronautica im Einsatz.
Trotz der insgesamt hohen Zahl von bis zu 5800 gebauten Stukas sind nur zwei vollständig erhaltene Ju 87 bekannt. Ein Exemplar wird im Museum of Science and Industry in Chicago gezeigt. Hierbei handelt es sich um eine Ju 87 R-2 mit der Zusatzbezeichnung „/trop.“, die speziell als tropentaugliche Version für den Afrikafeldzug gebaut wurde. 1941 wurde das Flugzeug durch die Briten in Afrika aufgefunden, noch während des Kriegs in die USA verschifft und dort 1974 restauriert. Das zweite Flugzeug, eine Ju 87 G-2, befindet sich im Royal Air Force Museum in Hendon. Diese Stuka wurde durch die Briten im Mai 1945 bei Eggebek in Schleswig-Holstein erbeutet. Bei allen übrigen Funden handelt es sich um mehr oder weniger stark beschädigte Flugzeugwracks. 1989 wurden bei St. Tropez in 90 Meter Wassertiefe zwei Ju 87 B entdeckt, von denen eine geborgen wurde und im Auto- und Technikmuseum Sinsheim zu sehen ist. Außerdem konnte das Deutsche Technikmuseum Berlin in den Jahren 1990 und 1994 zwei Wracks erworben, die in der russischen Tundra bei Murmansk gefunden worden waren. Eines (Version R-2) ist in Berlin ausgestellt, die zweite Ju 87 (Version R-4) wurde an das Flying Heritage & Combat Armor Museum von Microsoft-Mitgründer Paul Allen in Washington verkauft und soll dort vollständig bis zur Flugtauglichkeit restauriert werden. Im Oktober 2006 wurde eine Ju 87 D-3/Trop. bei Rhodos aus dem Meer geborgen. Die Maschine war am 9. Oktober 1943 durch die Briten abgeschossen worden und ist heute im Griechischen Luftwaffenmuseum in Acharnes bei Athen ausgestellt. Das Luftfahrtmuseum in Belgrad besitzt eine Ju 87 B-2, die 1944 beim Unternehmen „Rösselsprung“ von der Deutschen Wehrmacht gegen die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee eingesetzt wurde, um deren Führer Tito gefangen zu nehmen. Im Oktober 2015 wurden Teile einer Ju 87 B-3 bei Krościenko Wyżne in Polen ausgegraben, nachdem ein Augenzeuge sich an den 1944 dort erfolgten Absturz einer Stuka erinnert hatte.
Im Vergleich zu den beschädigten Museumsexemplaren ist der Zustand des Stuka-Wracks von Žirje bemerkenswert gut. Rumpf, Tragflächen und Höhenleitwerk sind weitestgehend unversehrt. Als die Taucher 2014 an verschiedenen Stellen den Bewuchs von der Beplankung lösten, zeigte sich blankes, kaum von Korrosion angegriffenes Aluminium. Selbst die Nieten sind bestens erhalten. Leider sind drei größere Schäden vorhanden. Die Kuppel über dem Cockpit fehlt und das Seitenleitwerk ist an der Basis abgerissen, möglicherweise erst nach der Notwasserung durch verhakte Fischernetze. Auch der Motor riss ab und wurde in einer benachbarten Meeresbucht gefunden. Wahrscheinlich lag der Motor nach der Notwasserung im Umfeld der Stuka auf dem Meeresboden und wurde später durch Schleppnetze weiter weg verfrachtet. Heute ist der Motor wieder direkt neben dem Flugzeugwrack positioniert. Ob noch Munition im Wrack oder in dessen Nähe vorhanden ist, ist unbekannt.
Die Zukunft
Bis heute wurde die Idee, das Stuka-Wrack zu bergen, um es zu restaurieren und in einem Militärmuseum auszustellen, nicht umgesetzt. Um es trotzdem der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, wurden durch Experten einige Teile, die beliebte Sammlerstücke sind, entfernt, darunter der Kopf des Steuerknüppels aus dem Cockpit und das bewegliche Maschinengewehr MG 15. Diese Gegenstände wurden fachgerecht eingelagert, um sie zu gegebener Zeit in einem Museum ausstellen zu können. Das Flugzeugwrack wurde offiziell zum Kulturerbe erklärt und steht unter Denkmalschutz. Seit Ende April 2015 ist das Betauchen des Bombers wieder für Tauchzentren erlaubt, die eine entsprechende Lizenz erworben haben. Während der Tauchgänge von Tauchgästen muss mindestens eine Person aus dem jeweiligen Tauchzentrum anwesend sein, um sicherzustellen, dass niemand Teile des Wracks beschädigt oder entfernt. Ob das militärhistorisch bedeutsame Wrack allen Widrigkeiten unter Wasser dauerhaft standhält, wird die Zukunft zeigen.
Dr. Stefan Nehring ist selbstständiger Umwelt-Consultant und Experte für subaquatische Rüstungsaltlasten.
Stefan Nehring
0 Kommentare