Wie sensibel sind unsere Parteien für die maritimen Themen? Im Herbst wählt die Republik ihren 20. Bundestag und für uns ist es mittlerweile Tradition, dass wir uns mit den Wahlprogrammen der Parteien und ihren maritimen Inhalten auseinandersetzen! Begonnen haben wir die Reihe mit dem Wahlprogramm der Freien Demokraten (FDP), in diesem Beitrag betrachten wir das programmatische Angebot der Sozialdemokraten (SPD) für die kommende Legislaturperiode. Es folgen die Positionspapiere der Grünen und der Christdemokraten (CDU/CSU); zu guter Letzt wollen wir Anfang September die Themenschwerpunkte der Parteien im Wahl-O-Mat unter die maritime Lupe nehmen.
Eine Wahlempfehlung seitens der Redaktion sprechen wir auch an dieser Stelle nicht aus; und über die Qualität der Inhalte wollen wir ebenfalls nicht urteilen. Vielmehr möchten wir unserer Leserschaft einen ersten Überblick verschaffen: Gibt es ein maritimes Bewusstsein in der Positionsbestimmung der jeweiligen Partei und wie ist es verankert? So wollen wir zur weiteren Auseinandersetzung und Diskussion anregen. Die Programme werden nach maritimen Inhalten abgeklopft, außerdem suchen wir darin nach den folgenden Begriffen (und ihren Variationen): Marine, Bundeswehr, Werft, Schiff, maritim, offshore, Hafen, Handel, Logistik, Wasserstraßen, Seewege, Wasser, Meer, Ozean, Ostsee, Nordsee, Atlantik, Mittelmeer, Indischer Ozean und Pazifik. Wie immer gilt: Für die Inhalte und die Lesbarkeit ihrer Programme sind die Parteien selbst verantwortlich!
Die Sozialdemokraten haben neben den Christdemokraten die größte Erfahrung in der Führung des deutschen Staates und seiner Ministerien: Sie waren von 2005 bis 2021 in drei von vier Regierungen als Koalitionspartner der Christdemokraten vertreten und hatten die Leitung über die verschiedensten Ressorts inne, darunter Finanzen, Auswärtiges, Justiz, Wirtschaft, Verkehr, Gesundheit sowie Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Aus den 66 Seiten Wahlprogramms der Sozialdemokraten für die Bundestagswahl 2021
Auszug aus dem Inhalt des SPD Parteiprogramms:
Energy
Wir werden Schlüsselindustrien auf ihrem Weg zur Klimaneutralität unterstützen und konkrete Transformationsziele entwickeln und fördern. Wir werden Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien machen – für die klimaneutrale Erzeugung von Stahl, für CO2 arme PKWs, LKWs und den Schiffs- und Flugverkehr.
Mobilität
Wir wollen, dass sich die Deutsche Bahn AG auf ihr Kerngeschäft des Transports von Personen und Gütern auf der Schiene konzentriert und auf gemeinwohlorientierte Ziele ausrichtet. Den Schienengüterverkehr wollen wir ausbauen und modernisieren. Wir werden in die Erneuerung und Digitalisierung von Loks und Waggons investieren. Wir werden die Kostennachteile der Schiene gegenüber der Straße parallel zum Kapazitätsaufbau im Schienengüterverkehr verringern. Die Potenziale unserer Wasserstraßen werden wir stärker nutzen, um mehr Güterverkehr vom LKW auf die umweltfreundliche Binnenschifffahrt zu verlagern.
Wir werden ein Tempolimit von 130 km/h auf Bundesautobahnen einführen. Das schützt die Umwelt und senkt die Unfallzahlen deutlich. Zusätzlich werden wir Forschung, Entwicklung und Pilotprojekte vorantreiben, damit Schiffe, Flugzeuge und Laster kein klimaschädliches CO2 mehr ausstoßen. Wir verbinden das mit Projekten zum Aufbau einer umweltfreundlichen Wasserstoffwirtschaft.
Natur
Wir wollen unseren natürlichen Lebensraum erhalten. Dazu müssen wir raus aus der Wegwerfgesellschaft. Der Kreislaufwirtschaft gehört die Zukunft. Insbesondere die Verschmutzung der Meere durch Plastik ist alarmierend. Wir müssen die zunehmende Plastikflut zurückdrängen. Das gelingt nur, wenn wir unnötiges Plastik vermeiden und abschaffen. Dort, wo Einweg-Kunststoff nicht vermeidbar ist, werden wir umweltfreundliche und recycelbare Lösungen einfordern. Möglichst viel Kunststoff muss aufbereitet und wiederverwendet werden. Wir wollen die Hersteller noch stärker in die Pflicht nehmen. Produkte müssen so gestaltet werden, dass man sie wiederverwenden, recyceln und auch reparieren kann.
German Armed Forces
Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden oder auch bei der Bundeswehr bekämpfen wir konsequent. Der Entstehung von rassistischen Denkmustern im Polizeialltag wirken wir durch die Ermöglichung von mehr Supervision, Fort- und Weiterbildungen sowie guten Arbeitsbedingungen entgegen. Wir unterstützen die Einrichtungen von Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Antisemitismus und Rassismus.
Zur Sicherung des Friedens- und der Verteidigung leistet die Bundeswehr einen verantwortungsvollen Beitrag. Wir stehen für das Primat der Politik und für das Leitbild der Inneren Führung der Soldat*innen als Staatsbürger*innen in Uniform. Für uns steht fest, dass wir nur mit einer gut ausgestatteten und modernen Bundeswehr unseren Aufgaben als zuverlässiger Partner in Europa und der NATO gerecht werden können.
Unsere Soldat*innen können sich auf uns verlassen. Wir haben daher nach vielen Jahren immer neuer Sparrunden die Investitionen im Verteidigungshaushalt erhöht. Unsere Soldat*innen verdienen die bestmögliche Ausrüstung und den höchsten Grad an Ausbildung. Ausrüstung statt Aufrüstung - diesem Prinzip verpflichtet, haben wir wesentliche Beschaffungsvorhaben für die Bundeswehr vorangetrieben und setzen uns kontinuierlich für die Verbesserungen der persönlichen Ausrüstung und sozialen Absicherung ein. Zugleich werden wir die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr weiter steigern. Wir stehen für den bestmöglichen Schutz unserer Soldat*innen. Dazu gehört auch der Einsatz von Drohnen. Die Entscheidung, ob diese auch bewaffnet werden sollen, kann verantwortbar erst nach einer umfassenden politischen und gesellschaftlichen Debatte und der sorgfältigen Würdigung aller Aspekte getroffen werden.
Handel
Das Abkommen zwischen der EU und dem MERCOSUR-Staatenbund ist ein wichtiges Projekt, um die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika zu festigen. Einem Abkommen ohne Stärkung der Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialstandards durch zusätzliche verbindliche und sanktionierbare Überprüfungs-, Umsetzungs- und Durchsetzungsmechanismen, werden wir aber nicht zustimmen.
Mit unserer Handelspolitik werden wir die sozial-ökologische Transformation unterstützen. Dafür soll der Handel mit nachhaltigen Gütern besonders gefördert werden. Handelspolitische Maßnahmen auf einer werteorientierten Basis haben immer die Interessen der Partner mit im Blick, insbesondere die der weniger entwickelten Länder. Deshalb werden wir auch insbesondere kleinbäuerliche und agrarökologische Landwirtschaft fördern. Damit die Handelspolitik demokratischer werden kann, werden wir die Kontroll- und Entscheidungsrechte des Europäischen Parlamentes ausdehnen und Vertreter*innen von Gewerkschaften wie auch der Zivilgesellschaft besser als bisher an Verhandlungsprozessen beteiligen.
International
Wir setzen uns dafür ein, dass Europa eine Vorreiterrolle bei internationaler Krisenprävention, Friedens- und Demokratieförderung sowie zum Schutz von Menschenrechten einnimmt. Europas Verantwortung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe werden wir durch eine Erhöhung der EU-Mittel stärken.
Mehr Eigenständigkeit setzt höhere Handlungsfähigkeit voraus. Grundlegend dafür ist die Einführung von Mehrheitsentscheiden in der Außenpolitik – statt des jetzigen Einstimmigkeitsprinzips. Auch das Amt des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sollte langfristig zu einem EU-Außenminister weiterentwickelt werden. Wir wollen eine gemeinsame Ausrichtung unserer globalen Entwicklungszusammenarbeit und deswegen unsere Kräfte in Europa bündeln.
Ein Europa, das geschlossen auftritt, trägt zur Belebung eines funktionierenden und kooperativen Multilateralismus bei. Wir sind auf internationale Vertrauensnetzwerke angewiesen, so wie die Allianz für Multilateralismus, die bereits wichtige Impulse für die Zusammenarbeit gesetzt hat.
Die NATO ist und bleibt ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar. Parallel dazu muss die EU sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger werden. Die europäische Zusammenarbeit werden wir ausbauen. Unser Ziel bleibt eine europäische Armee als Teil der Friedensmacht Europa. Durch die Bündelung europäischer Rüstungskooperation nutzen wir Synergien und sparen unnötige Mehrausgaben ein. Souverän muss Europa neue Rüstungskontroll- und Abrüstungsinitiativen für den europäischen Kontinent entwickeln, um frühzeitig auf die Risiken neuer Technologien und gefährliche Entwicklungen im Cyberbereich oder im Weltraum reagieren zu können.
Die Nachbarschaft Europas im Süden wie im Osten ist durch Krisen sowie durch die wachsende Einflussnahme anderer Staaten geprägt. Diese Herausforderungen muss die EU durch eine konzeptionell neu ausgerichtete europäische Nachbarschaftspolitik angehen. Die Länder des Westbalkans werden wir integrieren. Die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika wollen wir politisch und wirtschaftlich deutlich ausbauen und auf ein neues Level der Zusammenarbeit heben.
Wir gehen auf die neue US-Regierung zu, die sich wieder verstärkt in der internationalen Zusammenarbeit einbringt. Wir brauchen nicht weniger als einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen. Wir werden die Partnerschaft zwischen Europa und den USA, die auf gemeinsamen und demokratischen Werten beruht, grundsätzlich stärken und die Zusammenarbeit bei Themen wie Klimaschutz, globaler Gesundheitspolitik, Handel, Abrüstung und Sicherheitsfragen intensivieren.
Es ist im deutschen und europäischen Interesse, wenn wir mit Russland in Fragen der gemeinsamen Sicherheit, Abrüstung und Rüstungskontrolle wie auch bei Klima, Nachhaltigkeit, Energie und der Bekämpfung von Pandemien gemeinsame Fortschritte erreichen. Wir sehen jedoch auch, dass Europas Beziehungen zu Russland immer wieder Rückschlägen ausgesetzt sind.
Die wachsende Bedeutung Chinas in der Welt hat zur Folge, dass eine globale Antwort auf die ökonomischen, ökologischen, sozialen und politischen Herausforderungen unserer Zeit kaum ohne Peking vorstellbar ist. Interessens- und Wertekonflikte mit China nehmen zu. Europa muss den Dialog mit China über Kooperation und Wettbewerb geschlossen, konstruktiv und kritisch führen. Die gravierenden Menschenrechtsverletzungen gegenüber Minderheiten, insbesondere uigurischen Muslimen, verurteilen wir. Für Honkong muss das international verbriefte Prinzip „Ein Land – zwei Systeme“ gewahrt bleiben. Wir betrachten mit großer Sorge den wachsenden Druck auf Taiwan.
Anmerkung: Die folgenden Suchbegriffe haben in dem Programm keine Treffer ergeben: Marine, Seewege, offshore, Werft, maritim, Ozean, Logistik, Seewege, Ostsee, Nordsee, Atlantik, Mittelmeer, Indischer Ozean und Pazifik.
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