Deutschland ist wie kaum eine andere Nation abhängig von sicheren Seewegen. Marine und Reedereien sorgen gemeinsam für verlässliche Warenströme über das Meer.
“A good Navy is not a provocation to war. It is the surest guaranty of peace.” Diese berühmten Worte, die US-Präsident Theodore Roosevelt am 2. Dezember 1902 vor dem amerikanischen Kongress sprach, könnten heute nicht aktueller sein.
Frieden ist die Grundvoraussetzung für unseren heutigen und künftigen Wohlstand. Um diesen dauerhaft und nachhaltig zu gewährleisten, benötigt es Freiheit und Sicherheit, die wiederum durch die verschiedensten Akteure garantiert werden. Wenn es um die maritime Dimension der deutschen Sicherheit geht, so führt kein Weg an der Deutschen Marine vorbei. Denn sie ist es, die Seewege sichert und der deutschen Handelsflotte buchstäblich „den Weg frei macht“, damit diese ihre Verpflichtungen erfüllen und Güter und Rohstoffe zuverlässig zum Ziel bringen kann.
Denn mit 90 Prozent aller transportierten Waren, jährlich 11 Milliarden Tonnen Güter im Wert von 15 Billionen Dollar, beherrscht die Schifffahrt die globalen Handelsströme. Deutschland zählt dabei zu einer der wichtigsten Schifffahrtsnationen der Welt. Von dort aus wird aktuell die weltweit größte Containerschiffsflotte und die siebtgrößte Handelsflotte der Welt betrieben. Bei der Containerschiffsflotte belegt Deutschland vor China Platz eins, was die Anzahl der von Deutschland aus bereederten Containerschiffe betrifft. Die deutsche Handelsschifffahrt ist dabei dringend auf eine starke Marine angewiesen. Denn nur durch genügend Präsenz und ausreichende Ressourcen ist es dieser möglich, weltweit aktiv zu sein, um auch die für die Handelsschifffahrt essenziellen Seewege zu schützen. Eine leistungsstarke Marine ist daher im ureigenen Interesse deutscher Reeder.
Gerade in Deutschland ist Schifffahrt einzigartig: Eine internationale Führungsrolle wird mit mittelständischer Prägung vereint. Mehr als drei Viertel der ansässigen Reedereien haben lediglich zehn oder weniger Schiffe im Eigentum. Viele dieser Häuser sind familiengeführt und tief am Standort verwurzelt. Diese Unternehmen waren in der über zehn Jahre dauernden Schifffahrtskrise das Rückgrat des Sektors. Ein zuvor deutlich geschwächter Standort konnte in den letzten zwei Jahren erfreulicherweise wieder an Stabilität gewinnen und sich zukunftsfähig ausrichten. Als weltweit drittgrößtes Import- und Exportland spielt die Handelsflotte bei der Versorgung der Bevölkerung durch Importe als auch für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands aufgrund von Exporten über den Seeweg eine tragende Rolle. Diese Führungsrolle gilt es nun weiter auszubauen. Deutsche Marine und Handelsflotte stehen damit zweifelsohne in einer engen Beziehung zueinander. Gestalten sie doch gemeinsam maßgeblich die für Deutschland wichtige maritime Dimension.
Maritime Souveränität
Nicht zuletzt der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat uns alle mit einer neuen Wirklichkeit konfrontiert, geopolitische Ordnungen verrückt und im Rahmen der damit eingeläuteten Zeitenwende zu einer neuen Auseinandersetzung mit Sicherheitsfragen geführt. Die seit dem Ende des Kalten Kriegs für beendet geglaubten Bedrohungslagen müssen nun neu bewertet werden und Deutschland seine neue Führungsrolle in Europa und der Welt ausbauen. Dabei ist die maritime Souveränität Kern einer neuen nationalen Resilienz. Denn Ziel der maritimen Souveränität ist, die möglichst nachhaltige Versorgung und Sicherung Deutschlands mit Waren und Energie – auch im Krisenfall. Maritime Souveränität darf daher nicht reaktiv sein, sondern Strukturen und Prozesse müssen proaktiv und langfristig geschaffen werden.
Für Deutschland ist dabei die beste Vorbereitung auf veränderte Versorgungsnotwendigkeiten und künftige Krisen, seine Handelsflotte und seine Führungsrolle als maritime Leitnation weiter zu stärken. Dafür bedarf es Marine und Handelsschifffahrt gleichermaßen. Gemeinsam verschaffen diese Deutschland nicht nur den Zugang zu sicheren Seewegen und somit eine verlässliche Anbindung an den internationalen Handel, auch hängt der Übergang zu sauberer Energie maßgeblich von funktionierenden globalen Lieferketten bei der Beschaffung von der für die Energiewende benötigten Rohstoffen wie Nickel, Aluminium, Palladium oder Seltenen Erden ab. Um Abhängigkeiten von bestimmten Ländern und Regionen zu vermeiden, ist eine Diversifizierung der Lieferketten geboten. Durch ihre internationale Ausrichtung können deutsche Reedereien diese jederzeit bedienen. Maritime Resilienz erfordert transformative Ansätze in einem sich künftig stetig wandelnden Umfeld. Hierfür bedarf es für die Reedereien aber auch einer standortbezogenen und verlässlichen Schifffahrtspolitik, um mit diesen Herausforderungen entsprechend umgehen zu können.
Auch der Klimawandel birgt für Deutschland Veränderungen im Sicherheitsbereich. Durch die Verschiebung agrarischer Muster und Migrationsbewegungen aufgrund steigender Temperaturen werden sich global langfristig ebenfalls Logistikketten und damit Schifffahrtsrouten verschieben. Internationale Handelsrouten sind und waren schon immer Seismografen für Störungen. Das gilt nicht nur für kriminelle Aktivitäten auf See und Kriege, sondern künftig insbesondere für Naturkatastrophen. Umso wichtiger ist es, dass die Bundesregierung ihre Anstrengungen zur Bekämpfung des Klimawandels auf internationaler Ebene im Rahmen der Internationalen Maritimen Organisation weiter verstärkt. Die Seeschifffahrt ist schon heute das effizienteste Transportmittel, um Waren international zu transportieren. Die Branche hat es sich zudem zum erklärten Ziel gesetzt, spätestens 2050 ihre Schiffe klimaneutral zu betreiben.
Zweifelsohne ist die Stärkung der maritimen Dimension für die strategische Autonomie Deutschlands eine notwendige Bedingung. Wichtig ist dabei, dass die Handelsschifffahrt auf nationaler Ebene als wichtiger und verlässlicher Partner im Rahmen einer nationalen Sicherheitsstrategie anerkannt und eingebunden wird; auf die Unterstützung der Deutschen Marine sind wir dabei angewiesen. Die Schaffung eines Forums zum Austausch zwischen Marine, Handelsschifffahrt und Bundesregierung über maritime Sicherheitsfragen wäre ein wichtiger Etappenschritt.
Maritime Fragen entsprechend zu adressieren, ist für Deutschland nicht nur im sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen, sondern auch im ökologischen Interesse. Insgesamt braucht es ein klares Bekenntnis der Bundesregierung zum politisch-strategischen Stellenwert der Handelsschifffahrt und der Marine für Deutschland. Es ist höchste Zeit, Deutschland vom Meer aus zu betrachten und nicht nur von Land.
“When you are asked if you can do a job, tell 'em: 'Certainly I can!’”
Auch diese Worte Roosevelts sollten uns dabei Aufforderung und Ansporn sein. Der Verband Deutscher Reeder gratuliert der Deutschen Marine zu ihrem 175-jährigen Bestehen und freut sich auf die weitere Zusammenarbeit.
Irina Haesler ist Leiterin der Brüsseler Vertretung und Mitglied der Geschäftsleitung des Verbands Deutscher Reeder.
Irina Haesler
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