Geschäftsführer Dr. Reinhard Lüken vergleicht die Schiffbauindustrie mit einem Symphonieorchester
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Liebe Leserinnen und Leser,
die Schiffbauindustrie ist wie ein großes Symphonieorchester, bei der Komponist und Dirigent die vielfältigen „Gewerke“ perfekt aufeinander abgestimmt zu einem Meisterwerk zusammenführen. Um in diesem Bild zu bleiben, begann das Jahr wie beim berühmten zweiten Satz von Haydns Symphonie Nr. 94 mit einem Paukenschlag.
Die Insolvenz gleich vier großer Werftstandorte hat nicht nur die Mitarbeiter und betroffen Regionen schwer erschüttert. Sie hat auch den dringenden Handlungsbedarf unterstrichen und damit gleich zu Beginn der Amtsperiode der neuen Bundesregierung das Schiffbauthema auf die Tagesordnung gesetzt.
In der Sache kam der Schritt wenig überraschend. Fast zwei Jahre lang wurde alle Energie in das Überleben der kommenden Monate investiert - wertvolle Zeit, in der eigentlich ein dauerhaft tragfähiger Plan B hätte reifen müssen. So steht die ohnehin nicht einfache Aufgabe für den Insolvenzverwalter zusätzlich unter Zeitdruck. Dabei ist Zeit essenziell, damit nicht nur kurzfristige Probleme abgefedert, sondern langfristig solide Lösungen gefunden werden. Der Bundeswirtschaftsminister ist zur Stunde in Wismar. Die Hoffnung ist groß, dass er einen Plan B unterstützt, dessen wesentliche Randbedingungen vom VSM schon seit Beginn der Pandemie eingefordert wird: die Politik muss geeignete Rahmenbedingungen schaffen, damit Schiffbau in Deutschland und der EU wieder auf einer breiteren Basis realistische Perspektiven erhält. Die Pandemie hat uns brutal auf die Schwächen einer Strategie hingewiesen, die allein auf High-end Nischen setzt. Diese werden auch in Zukunft weiterhin eine tragende Rolle haben, die deutsche maritime Industrie braucht aber zusätzliche Standbeine auch in den Volumenmärkten. Davon gibt es im EU-Binnenmarkt zu Glück reichlich!
Um die europäischen Klimaziele zu erreichen, muss die Handelsflotte schneller umgebaut und ausgetauscht werden, damit sie effizient und klimaneutral arbeiten kann. Wir können den Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung offshore durch smarte Konzepte und optimierte Schiffe beschleunigen. Wir brauchen Lösungen, um künftig saubere Energieimporte leisten und neue Märkte wie Carbon Capture and Storage bedienen zu können. Dazu muss Europa selbst in der Lage sein. Eine immer weiterwachsende Abhängigkeit von China kann für unseren Lebens- und Wirtschaftsraum keine Lösung sein. Die erforderlichen, enormen Investitionen sollten für ein starkes, nachhaltiges Wachstum für Schiffbau und die gesamte industrielle Wertschöpfungskette in Europa genutzt werden. Seit Jahrzehnten ist Schifffahrtsförderung in der EU blind bei der Frage, wo Wertschöpfung entsteht.
Unsere neue Bundesregierung hat die Chance, für eine gute Orchestrierung aller Teilbranchen der maritimen Wirtschaft zu sorgen, damit die Symphonie wie bei Haydn kraftvoll fortgesetzt und lange begeistert aufgenommen wird.
Viel Spaß beim Lesen!
Dr. Reinhard Lüken
(VSM-Hauptgeschäftsführer)
Die Verbandsnachrichten finden Sie auf den Seiten des VSM zum Download.
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