Der russisch-ukrainische Krieg hat auch starke Auswirkungen auf die Marinen der Ostseeanrainer. Bereits zuvor befanden sie sich im Wiederaufbau von Kapazitäten, die nach dem Kalten Krieg radikal beschnitten worden waren.
Das historisch neutrale Schweden ist eines der Länder, dessen Sicherheitsarchitektur am stärksten von der jüngsten russischen Aggression betroffen ist; eine Tatsache, die am deutlichsten durch den bevorstehenden Beitritt des Landes zur NATO zum Ausdruck kommt. Das Land befindet sich bereits mitten in einem großen Programm zur militärischen Wiederbelebung mit dem Namen Totalförsvaret 2021–2025 (übersetzt etwa: Totale Verteidigung), das Ende 2020 vom schwedischen Parlament verabschiedet wurde. Aus Sicht der Marine wurde damit der Schwerpunkt wieder auf die Verteidigung der Ostsee gelegt, nachdem bis dahin internationale Stabilisierungsmissionen im Mittelpunkt standen.
Dabei war der wichtigste Aspekt die Modernisierung der schwedischen Unterwasserfähigkeiten. Damit in Zusammenhang stehen zwei Verträge mit Saab aus dem Jahr 2015, die die Modernisierung von zwei der drei U-Boote der Gotland-Klasse und den Bau von zwei neuen Nachfolgeeinheiten, der Blekinge-Klasse, umfassten. Die Modernisierung der Gotland-Klasse stellt im Wesentlichen sicher, dass die bestehende U-Boot-Flottille weiterhin einsatzrelevant ist. Gleichzeitig trägt sie dazu bei, die relevante Infrastruktur zu erneuern und einen technologischen Fortschritt im Hinblick auf die Blekinge-Klasse einzuleiten. Zu den Schlüsselelementen des 189 Millionen Euro teuren Updates gehörten der Einbau einer zwei Meter langen Rumpfsektion, um Platz für zusätzliche Ausrüstung zu schaffen sowie die Installation der neuesten Mk-4-Version des außenluftunabhängigen Stirling-Antriebs. Es umfasst auch Modernisierungen im Sensor- und Kommunikationsbereich. Der ursprüngliche Vertrag wurde mit der Rückgabe der Uppland, dem zweiten zu modernisierenden Boot, an die schwedische Verteidigungsmaterialverwaltung im Dezember 2020 abgeschlossen. Totalförsvaret 2021-2025 erlaubt zudem, das dritte Boot der Klasse, die Halland ebenfalls zu modernisieren, um die Anzahl einsatzbereiter Boote auf insgesamt fünf zu erhöhen. Im März 2022 wurde mit Saab ein Vertrag im Wert von 99 Millionen Euro unterzeichnet, um die notwendigen Arbeiten durchzuführen.
Der Bau der neuen Blekinge-Klasse war eine andere Größenordnung. Der 2015 unterzeichnete Vertrag sah vor, dass die beiden Boote zwischen 2022 und 2024 zu einem Preis von rund 685 Millionen Euro ausgeliefert werden. Saab hatte jedoch Schwierigkeiten, sowohl den Zeitrahmen als auch das Budget einzuhalten. Dies lag an den erheblichen Aufwendungen zur Revitalisierung der Planungs- und Konstruktionskapazitäten in Karlskrona, die nach der Übernahme durch Thyssenkrupp Marine Systems erforderlich waren. Im August 2021 gab Saab bekannt, dass die Auslieferung der beiden neuen U-Boote auf 2027 und 2028 verschoben wird. Darüber hinaus hatte die Verteidigungsmaterialverwaltung weitere 468 Millionen Euro für die Fertigstellung des Projekts und für eine (nicht näher spezifizierte) Erweiterung der Fähigkeiten der Boote bereitgestellt. Die Verzögerung erklärt die weitere Entscheidung, die Lebensdauer des aus den 1980er-Jahren stammenden und modifizierten U-Bootes Södermanland um weitere sechs Jahre zu verlängern. Der Auftrag wurde im September 2022 vergeben. Der Fortschritt beim Bau der Blekinge-Klasse wird mit der Kiellegungszeremonie vom 30. Juni 2022 in der Karlskrona-Werft von Saab Kockums deutlich. Damals konnten die beiden ersten fertiggestellten Rumpfabschnitte der Baunummer eins vorgestellt werden.
Die Modernisierung der wichtigsten Überwassereinheiten Schwedens, der fünf bestehenden Korvetten der Visby-Klasse, verläuft ähnlich wie bei den U-Booten und genießt höchste Priorität. Sie soll bis 2025 aufgenommen werden. Neben der Verbesserung bestehender Fähigkeiten wird ein Boden-Luft-Flugkörpersystem eingeführt. Außerdem wird das Fähigkeitsprofil für eine zweite Generation der Visby-Klasse erarbeitet, das schließlich die vier Einheiten der Stockholm- und Gävle-Klassen eins zu eins ersetzen wird. Diese werden sich stark auf die für die Modernisierung der in den aktuellen Visby-Einheiten verbauten Technologie stützen, und es ist beabsichtigt, dass die ersten zwei Schiffe bis 2030 in Betrieb genommen werden. In der Zwischenzeit wird die derzeitige Überwasserflotte durch die Rückkehr der Gävle und ihrer Schwester Sundsvall in den operativen Dienst verstärkt, nachdem sie im Laufe des Jahres 2022 ihre eigenen Mid-Life-Upgrades abgeschlossen haben.
Die Erneuerung der U-Boote und der größeren Überwassereinheiten wird durch Investitionen in kleinere Boote und in Hilfsschiffe ergänzt. Dazu gehören die Mid-Life-Erweiterungen für Minenabwehrschiffe und die fortschreitende Modernisierung der Flottille schneller Kampfboote der CB-90-Serie. Eine autonome Variante mit der Bezeichnung Enforcer III befindet sich derzeit in der Erprobung. Weitere wichtige Modernisierungsprogramme sind der neue Leichtgewichtstorpedo Torped 47 von Saab, eine Lebensverlängerung für den Schwergewichtstorpedo Torped 62 und die neueste Variante des Schiff-Schiff-Flugkörpers RBS 15, dem Mk IV Gungnir.
Das für 2023 geplante neue Verteidigungsgesetz hat Hoffnungen auf zusätzlichen Beschaffungen für die Marine geweckt. Dabei zeichnet sich die Erhöhung der Anzahl der U-Boote auf sechs als eine Priorität ab. Dies würde höchstwahrscheinlich auf den Bau eines dritten Bootes der Blekinge-Klasse hinauslaufen. Darüber hinaus forscht und entwickelt Saab ein Nachfolgedesign – vorläufig als UB-30-Konzept bezeichnet –, das die Gotland-Klasse ersetzen könnte.
Finnische Gemeinsamkeiten
Die Gründe für die Einführung einer neuen finnischen Verteidigungsstrategie basieren auf ähnlichen Überlegungen wie im benachbarten Schweden. Dazu gehört die Umsetzung einer „umfassenden“ Sicherheitspolitik, die sich auf die territoriale Verteidigung konzentriert. Und natürlich die gemeinsame Entscheidung, infolge der russischen Invasion in der Ukraine eine NATO-Mitgliedschaft anzustreben. Auch die Beschaffung von Marineeinheiten verlief ähnlich wie Schweden. Vorgesehen ist eine umfassende Erneuerung der Überwassereinheiten der Hamina-Klasse und die Anschaffung neuer Korvetten der Pohjanmaa-Klasse. Interessanterweise ist ein Großteil der in beiden Projekten verwendeten Ausrüstung schwedischen Ursprungs.
Die Pohjanmaa-Klasse ist das Ergebnis des Projekts Squadron 2020. Es wurde entwickelt, um sieben ältere Einheiten verschiedener Typen durch ein Quartett größerer und leistungsfähigerer Kriegsschiffe zu ersetzen. Mit einer Verdrängung von fast 4000 Tonnen werden die neuen Korvetten die größten Schiffe sein, die jemals von Finnland betrieben wurden. Als Mehrzweckeinheiten sollen sie für den Seekrieg über und unter Wasser, gegen Flugziele und für die Wirkung an Land eingesetzt werden können. Ein Vertrag über 648 Millionen Euro wurde 2019 nach erheblichem Zögern mit Rauma Marine Constructions unterzeichnet. Der ursprüngliche Plan sah den Beginn der Fertigung im Jahr 2022 und die Auslieferung aller vier Schiffe bis 2028 vor. Obwohl Komponenten mit langen Lieferzeiten schon beschafft wurden, verzögerte sich die Konstruktion der neuen Schiffe. Damit sehen die ursprünglich geplanten Liefertermine nun reichlich optimistisch aus.
Das Mid-Life-Upgrade der vier Schiffe der Hamina-Klasse ist eng mit der Übernahme der Squadron 2020 verbunden und wird manchmal auch als Squadron 2020 MLU bezeichnet. Ein Großteil der für die neuen Korvetten vorgesehenen Ausrüstung soll die Gemeinsamkeiten der beiden Klassen unterstreichen. Dabei liegt auf der U-Jagd ein besonderer Schwerpunkt. Das Projekt scheint relativ reibungslos vorangekommen zu sein und wurde im September 2022 mit der Rückkehr der Pori, dem vierten und letzten Schiff, das das Upgrade erhielt, erfolgreich abgeschlossen.
Auch eine Reihe kleinerer Akquisitionen ist im Gange. Dazu gehört eine Serie von neun schnellen Landungsbooten der Üto-Klasse mit 21,5 Tonnen, die bei der finnischen Werft Kewatec bestellt wurden. Die erste Einheit wurde im August 2022 ausgeliefert, die restlichen sollen bis 2024 in Betrieb sein. Darüber hinaus wurde ein Ersatz für die Mitte der 1970er-Jahre gebauten Küstenminensucher der Kuha- und Kiiski-Klasse ausgeschrieben.
Fokusverlagerung
Auch die dänische Sicherheitspolitik verändert sich durch die wieder stärker wahrgenommene Bedrohung. Die Verteidigungsausgaben werden stetig steigen, um das NATO-Zweiprozentziel in den nächsten zehn Jahren zu erreichen. Mit dem positiven Ausgang des Referendums vom Juni 2022 zur Teilnahme an der Verteidigungspolitik der Europäischen Union nähert sich das Land der Gemeinschaft weiter an. Nach Ende des Kalten Kriegs vernachlässigte die Königlich Dänische Marine ihre baltischen Verpflichtungen. Im Mittelpunkt standen nun die weit entfernten nördlichen Territorien des Landes und die globalen Seehandelsinteressen. Wahrscheinlich ist, dass die zusätzlichen Finanzmittel, die im Rahmen der neuen Politik bereitgestellt werden, eine Wiederfokussierung auf die vor der Haustür liegenden Seegebiete zur ermöglichen.
Details zur zukünftigen Marinebeschaffung werden erst bekannt gegeben, wenn das Verteidigungsabkommen 2018–2023 ersetzt ist. Dies beinhaltete nur bescheidene Investitionen in die Flotte. Dazu gehörte die lange verzögerte Anschaffung eines begrenzten Bestandes an SM-2-Flugkörpern für die drei Fregatten der Iver-Huitfeldt-Klasse. Ein umfassendes Programm zur Aufrüstung der Flotte scheint sich abzuzeichnen. Im August 2022 erklärte der damalige dänische Verteidigungsminister Morten Bødskov, dass in den kommenden Jahren rund 5,4 Milliarden Euro in neue Kriegsschiffe investiert würden. Er kündigte eine neue Partnerschaft mit der Industrie an, um die lokale Beteiligung an dem Vorhaben zu maximieren. Der Mangel an zurückliegenden Investitionen in den Marineschiffbau bedeutet, dass ein Großteil der Infrastruktur verloren gegangen ist. Dementsprechend besteht ein Hauptziel der Partnerschaft darin zu ermitteln, wie die Kapazitäten des einheimischen Schiffbaus am besten gestärkt werden können, bevor eine neue Phase der Beschaffung eingeleitet wird.
Mehr als Minenbekämpfung
Obwohl sich die baltischen Republiken wenig Illusionen über das Potenzial einer russischen Aggression gemacht haben, sind die Kapazitäten ihrer Marinen bescheiden geblieben. Einzig die Aufrechterhaltung wirksamer Fähigkeiten in der Minenabwehr war Priorität. Infolgedessen bilden kleine Flottillen modernisierter ehemaliger britischer (Estland und Litauen) und niederländischer (Lettland) Minenjäger den Schwerpunkt aller drei Flotten. Im Juli 2022 bestätigte sich der Erwerb eines dritten modernisierten Minenabwehrboots der Hunt-Klasse durch Litauen. Die ehemalige HMS Quorn wird nun vor der formellen Auslieferung im Jahr 2024 auf der Appledore-Werft von Harland & Wolff einem umgerechnet 74 Millionen Euro teuren Upgrade unterzogen. Im Oktober 2021 beschaffte Estland Boden-Boden-Raketen vom Typ Blue Spear beim Joint Venture IAI und ST Engineering Land Systems Proteus Advanced Systems. Dies könnte eine breitere Neuausrichtung hin zur Beschaffung stärker offensiv ausgerichteter Technik durch die baltischen Staaten einläuten.
Mit ausländischer Unterstützung
Die aktuelle polnische Verteidigungspolitik wurde bei einer 2016 eingeleiteten strategischen Überprüfung festgelegt und im folgenden Jahr im Verteidigungskonzept der Republik Polen detailliert beschrieben. Gegenüber den anderen Teilstreitkräften wird der Marine nach diesem Entwurf weiterhin eine geringere Priorität eingeräumt. Ihre Aufgabe bleibt die Verteidigung der polnischen Küste und der südlichen Ostsee. Dieser recht geringe Status hat sich in begrenzten Fortschritten bei der Modernisierung der Marine in den letzten Jahren niedergeschlagen, wobei eine Reihe von Programmen schrittweise verschoben wurde. Zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht klar, inwieweit die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland zu einer Überarbeitung der gesamten Sicherheitsarchitektur Polens führen wird. Das sich geänderte geopolitische Umfeld könnte bessere Aussichten für die Realisierung bestehender Beschaffungspläne bieten. Sie sind in einem Technischen Modernisierungsplan 2021–2035 (TMP) enthalten, in dem auch Marineakquisitionen gelistet sind.
Die Modernisierung der polnischen U-Boot-Flottille hat im TMP nach wie vor hohe Priorität. Zudem scheint die Erneuerung der großen Überwassereinheiten ebenfalls in den Vordergrund zu treten. Dies wird beim Miecznik-Programm (deutsch: Schwertfisch) von einem lokalen Konsortium umgesetzt. Nach den ursprünglichen Plänen sollten drei korvettengroße Schiffen gebaut werden, mittlerweile aber setzt man auf ein Trio viel größerer Fregatten. Das Projekt sieht den lokalen Bau eines Lizenzentwurfs mit entsprechender technischer Unterstützung vor. Im März 2022 wurde die Auswahl des Designs Arrowhead 140 des britischen Unternehmens Babcock International bekannt. MBDA UK und Thales UK werden Beiträge in den Bereichen Führungs- und Waffeneinsatzmanagement sowie Sensor- und Flugkörpertechnologie leisten. Im September 2022 berichtete Babcock über die Unterzeichnung eines Entwicklungsvertrags in Vorbereitung auf den Baubeginn, der noch vor Ende 2023 erfolgen soll. Die Vereinbarung sieht einen Technologietransfer vor. Der Planung nach soll das erste Schiff im Laufe des Jahres 2028 ausgeliefert und das Projekt bis 2031 abgeschlossen sein. Die geschätzten Programmkosten beliefen sich Mitte 2021 auf 1,7 Milliarden Euro.
Die Umsetzung des Miecznik-Projekts stellt zweifellos eine große Herausforderung für die polnische Industrie dar. Der Bau des einzigen in der jüngeren Zeit lokal gebauten großen Kriegsschiffs, die Korvette Ślazak der Klasse Meko A-100, nahm etwa 18 Jahre in Anspruch. Die Fortschritte, die Remontowa Shipbuilding – ein wichtiges Mitglied des Miecznik-Konsortiums – bei der Lieferung eines Trios neuer Minenabwehrfahrzeuge vom Projekt 258 Kormoran II erzielt hat, sind jedoch vielversprechend. Die Albatros – die zweite Einheit dieser Klasse – wurde im August 2022 abgeliefert, das dritte Schiff mit dem Namen Mewa befindet sich derzeit in der Endphase der Seeerprobung. Im Juni 2022 unterzeichnete das polnische Verteidigungsministerium einen Vertrag über eine zweite Charge über drei weitere Schiffe dieser Art für die Lieferung zwischen 2026 und 2027. Die ausgewiesenen Kosten liegen bei 530 Millionen Euro.
Längerfristig sieht das TMP auch den lokalen Bau von sechs leichten, flugkörpertragenden Einheiten im Rahmen des Murena-Programms sowie der bereits erwähnten U-Boote vor. Das letztgenannte Projekt ist unter der Bezeichnun Orka bekannt und hat trotz der Reduzierung der aktuellen Unterwasserflotte auf das verbliebene ältere Boot der Kilo-Klasse, der Orzel, Schwierigkeiten, an Zugkraft zu gewinnen. Obwohl verschiedene Hilfsmittel wie der Kauf oder das Leasing von gebrauchten U-Booten geprüft wurden, wird sich ein geplanter Kauf wahrscheinlich verzögern bis das Miecznik-Programm weitere Fortschritte aufweist. Ob die als Folge des russisch-ukrainischen Konflikts vorgesehene Ausweitung der polnischen Verteidigungsausgaben dazu beitragen wird, das drei Einheiten umfassende Programm zu stärken, bleibt offen.
Conrad Waters ist Mitglied der Chefredaktion unserer internationalen Schwesterzeitschrift Maritime Defence Monitor.
Conrad Waters
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