Drones like the American MFEW-AL can be used to integrate electronic warfare into multi-domain operations, photo: US Army/John Higgins

Drones like the American MFEW-AL can be used to integrate electronic warfare into multi-domain operations, photo: US Army/John Higgins

Cross Domain Command

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At its core, modern warfare results in an increasingly complex interplay of domains. With its Cross-Domain Command Concept, NATO is pioneering this development.

When the Third Reich on 11 December 1941four days after the Japanese navy's attack on the American naval base at Pearl Harbor, declared war on the USA, this came as no surprise to the US armed forces. More than half a year earlier, leading officers in the US Navy had already realised that war with the Third Reich was imminent. The question was not whether, but rather when. This is evidenced by extensive correspondence between hochrangigen amerikanischen Admiralen wie auch das 1940 verfasste Plan-Dog-Memorandum des damaligen Chief of Naval Operations.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Großbritannien bereits in einem existentiellen Überlebenskampf mit Hitler-Deutschland, dessen U-Boote die Versorgung des Königreichs zu unterbinden drohten. Die Royal Navy hatte zu diesem Zeitpunkt ein herausragendes und komplexes System zur Bekämpfung der deutschen Unterseeboote aufgebaut. Die kill chain umfasste nicht nur für die damalige Zeit moderne Taktiken und Technologien wie Radar und Sonar. Das Geheimnis der Erfolge der Royal Navy war vielmehr das Orchestrieren und Synchronisieren der gesamten Wertschöpfungskette zwischen Wissenschaft, Kryptologie, Aufklärung und Taktik in Form von actionable intelligence. Diese stand in der Folge zielgerichtet und für die damaligen Verhältnisse ungewöhnlich schnell den U-Boot-Jägern im Atlantik zur Verfügung. Die Royal Navy markierte Ende 1941 den ungefochtenen weltweiten Goldstandard im Bereich der U-Jagd.

Zu diesem Zeitpunkt hatte bereits ein umfangreicher Technologie- und Doktrinentransfer zwischen der Royal Navy und der US Navy eingesetzt. Zahlreiche amerikanische Offiziere fuhren als Observer auf britischen Schiffen mit, besuchten britische Einrichtungen und waren teilweise in britische Stäbe integriert, wo sie tiefe Einblicke in Schlüsseltechnologien und erprobte und bewährte Taktiken wie das Konvoisystem erhielten.

Beim Joint Warfighting Assessment der US Army werden neue Konzepte aus dem Bereich der Multi Domain Operations getestet und bewertet, Foto: US Army/Tenzing Sherpa
Beim Joint Warfighting Assessment der US Army werden neue Konzepte aus dem Bereich der Multi Domain Operations getestet und bewertet, Foto: US Army/Tenzing Sherpa

Trotz dieser Erkenntnisse in bewährte Taktiken und Technologien und deren operativer Anwendung sowie dem Wissen um einen bevorstehenden Krieg mit dem Dritten Reich trafen die deutsche Kriegserklärung und die unmittelbar folgende Operation Paukenschlag die US Navy völlig unvorbereitet. Es dauerte über sechs Monate, bis die amerikanischen Streitkräfte an der amerikanischen Ostküste eine Struktur und eine Command-and-Control-Organisation eingenommen hatten und Verfahren anwendeten, die ihnen bereits seit über einem Jahr bekannt waren. Die Unfähigkeit, rechtzeitig und schnell zu lernen, ist ein in der Fachliteratur bekanntes Beispiel für die Trägheit großer Organisationen, sich rechtzeitig auf bekannte Herausforderungen einzustellen und vorzubereiten. Im Fall der US Navy bezahlten die Alliierten mit Tausenden versenkter Bruttoregistertonnen und Hunderten Menschenleben – mit blood and treasure – wie man in den USA zu sagen pflegt.

Wir stehen heute an einem ähnlichen Punkt der Geschichte. Unsere Nachrichtendienste warnen vor einem Russland, das in einem verdächtigen Maße aufrüstet, sich gesellschaftlich auf einen langanhaltenden und intensiven Konflikt vorbereitet und uns bereits heute an vielen Stellen testet und herausfordert. Der Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa schließt einen größeren militärischen Konflikt auf dem Kontinent in den nächsten sieben bis zehn Jahren nicht mehr aus – ebenso der deutsche Generalinspekteur Carsten Breuer.

Die NATO reagiert auf die veränderte Bedrohungslage mit einer Anpassung ihrer Planungsziele, die materiell und personell eine massive Aufrüstung der einzelnen Mitgliedsstaaten nach sich zieht. Gleichzeitig reagiert sie mit einer Weiterentwicklung ihrer Strategie, um geringere Verlustakzeptanz und zeitweise zahlenmäßige Unterlegenheit auf dem Gefechtsfeld durch technologischen Vorsprung auszugleichen. Der technologische Ausgleich soll A2/AD-Herausforderungen glaubwürdig relativieren und potenzielle Gegner ausreichend abschrecken.

Auf der operativen Ebene bedeutet dies die Einführung von Multi Domain Operations (MDO), von manchen auch als „joint warfare on steroids“ bezeichnet. Doch MDO bedeutet viel mehr als eine Erweiterung des auf operativem Level geführten Gefechts der verbundenen Waffen (joint warfare). MDO bindet mit Cyber und Space nicht nur zum ersten Mal zwei weitere Domänen aktiv in die Gefechtsführung mit ein, sondern zielt auch auf Effekte durch die zielgerichtete Aktivierung und Einbindung nichtmilitärischer Akteure ab. Darüber hinaus – und das ist nicht zu unterschätzen – strebt MDO eine maßgebliche Steigerung des operativen Tempos durch den Rückgriff auf die Fähigkeit zur Massendatenauswertung und -analyse und der Erarbeitung von Möglichkeiten des Handelns unter Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz an. Der Gegner wird durch eine schnelle Abfolge sich gegenseitig überlappender Effekte frühzeitig in einem Konflikt überfordert und überwältigt. Es kommt gar nicht erst dazu, dass Abnutzung, materielle Reserven und Leidensfähigkeit der Gesellschaft eine Rolle spielen.

Das Kernstück von MDO ist seine Command-and-Control-Architektur, das sogenannte Cross Domain Command. Die NATO wird hierzu in Kürze das Cross-Domain Command Concept (CDCC) als Grundlage für die weitere Implementierung beschließen. Das CDCC beschreibt in seinem Aufbau die zunehmende Komplexität des Zusammenspiels der Domänen und der unterschiedlichen Akteure im Kontext mit dem Aktionsraum des militärischen Führers (commander’s influence space). Damit verbunden ist der notwendige Wandel, die Evolution von command and control to command intent and mindset, auf die das CDCC mit Prinzipien und Imperativen Antworten für einen zu schaffenden CDC-Rahmen gibt. Das angestrebte Ergebnis ist eine agile und vereinte Führung für informierte, schnellere und bessere Entscheidungen, die datenbasiert und technologieunterstützt die erwünschten Effekte erzielt.

In dieser neuen CDC-Welt sind die Kommandeure im Feld mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und greifen auf eine nahezu an Echtzeit heranreichende Lagebilderstellung und -auswertung sowie Entscheidungsprozesse zurück. Diese stützen sich ganz wesentlich auf künstliche Intelligenz und Data Analytics ab. Gleichzeitig werden Unterstellungsverhältnisse im Sinne eines supporting and supported commanders deutlich dynamischer. Sie wechseln fließend über alle Domänen hinweg. Militärische Führer erhalten für bestimmte Operationen und Zeiträume Zugriff auf Fähigkeiten, die teilweise außerhalb ihrer eigenen Domäne liegen. Dies bedeutet eine enorme mentale Herausforderung für Kommandeure, die bisher in einer stark hierarchisch geprägten C2-Welt sozialisiert und trainiert wurden. Wenn wir bisher von einer anzustrebenden kill chain sprachen, dachten wir immer auch eine hierarchische und aufeinanderfolgende Kette von Autoritäten und Befugnissen mit. Die Zukunft aber wird vielmehr ein kill web sein, welches sich elastisch und immer neu um bestehende Bedrohungen oder courses of action spinnt.

Für unsere Streitkräfte und damit auch für unsere Marine hat das entscheidende Konsequenzen. Wir werden unseren zukünftigen way of war nicht nur in der Beschaffung unserer Plattformen, sondern auch bei unserer Personalauswahl und -ausbildung mitdenken müssen. Wie rekrutieren wir unser Personal und wie bilden wir es aus? Wie fördern wir unser Personal und wie wählen wir zu fördernde Kommandeure überhaupt aus? Hier spielen aus Sicht des CDCC Kompetenzen im Bereich data literacy, kritisches Denken, technisches Interesse und technische Eignung eine Schlüsselrolle. Gleiches gilt für die Frage, wie wir taktische und operative Kriegsführung – auch in den Domänen – denken, planen und ausbilden.

Leitbegriffe wie data sharing, data exchange, data appreciation and data exploitation sind geeignet, unserer Führung als Orientierungspunkte bei der notwendigen Einnahme neuer Strukturen und Etablierung neuer Verfahren zu dienen. Gleichzeitig unterstreichen sie die Unausweichlichkeit einer dringend notwendigen Verschmelzung der Führungsgrundgebiete Intelligence und Operationsführung. Insgesamt müssen wir uns fragen, ob die klassische M-Struktur mit ihrer Aufteilung der Führungsgrundgebiete noch die richtige Antwort auf den Krieg von morgen ist. Das wird sicherlich für viele auf beiden Seiten herausfordernd und schwer zu akzeptieren sein.

Wenn es uns aber nicht gelingt, eine Marine entlang dieser Leitmarken weiterzuentwickeln, dann werden wir auf dem Gefechtsfeld nicht stattfinden und wie die US Navy vor über 80 Jahren unsere Lektionen mit blood and treasurebezahlen. Konsequenterweise fordert der Inspekteur der Marine in seinem diesjährigen Commander’s Intent, diese Trends aufzugreifen und die Anpassungsfähigkeit und Innovation der Marine zentral zu denken und zu leben.

US-Soldaten bereiten den Start einer RQ-20 Puma während der Übung Baltic Sentry im Süden Finnlands vor, Foto: US Marine Corps/Brian Bolin Jr.
US-Soldaten bereiten den Start einer RQ-20 Puma während der Übung Baltic Sentry im Süden Finnlands vor, Foto: US Marine Corps/Brian Bolin Jr.

Interessant ist übrigens, dass die Autoren des CDCC davon überzeugt sind, dass wir Cross-Domain Command im Rahmen eines stufenweisen Experimentierens ausrollen und einführen müssen. Das konzeptionelle Erarbeiten unter Beschaffung aller notwendigen technischen Fähigkeiten vorab erachten sie als fatal. Damit müssen wir auch nicht notwendigerweise jetzt schon wissen, wie unsere zukünftige Führungsstruktur aussehen wird. Wir müssen sie am „laufenden Gefecht“ im Rahmen von Übungen und Operationen experimentell erproben und stufenweise ausbauen. Die kommende enhancing and vigilance activity Baltic Sentry bietet hierzu eine günstige Gelegenheit für unsere Marine, nicht nur Geräte und Verfahren zu erproben, sondern auch ihre Führungsstrukturen zu überprüfen.

Das macht Hoffnung. Denn wenn wir es zulassen, Dinge auszuprobieren und experimentell neue Wege zu beschreiten, dann wird es uns im Rahmen eines Change Managements besser gelingen, die Menschen zu motivieren, zu aktivieren und mitzunehmen. Im selben Zug werden wir auch schneller und mehr erreichen als auf unseren alteingefahrenen Wegen.

Unsere Marine hat schon einmal bewiesen, dass sie das kann. 2020 und 2021 führte sie eine der größten teilstreitkraftübergreifenden Aufklärungsoperationen mit Luftwaffe und Cyber unter Einbindung neuer Schlüsseltechnologien und nicht für diesen Zweck vorgesehenen Führungsmitteln durch – mit so nicht erwarteten und bahnbrechenden Ergebnissen. Damals generierte sie wie die Royal Navy vor über 80 Jahren durch ein zielgerichtetes Vernetzen von Wissenschaft, Technologie, Kryptologie und dem Orchestrieren verschiedener Lagebilder operational intelligence, wie sie U-Jägern bis dahin so noch nicht zur Verfügung gestanden hatte. Die dabei erzielten Ergebnisse stellten die angestrebten Ziele einer jahrelangen konzeptionellen Beschaffung in der U-Jagd weit in den Schatten.

Menschen sind für eine Organisation entscheidend: Sie machen den Unterschied. Jedoch übersehen wir dabei, dass Menschen in ihnen vorgegebenen Strukturen agieren müssen. Mit unseren Führungs- und Entscheidungsstrukturen, unserer Kultur, etwas Neues einfach mal auszuprobieren, setzen wir den Rahmen für das Handeln unserer Männer und Frauen. Es sind die Organisation und ihre Struktur, die über ihre eigene Effektivität und die lethality entscheiden und damit ein kill web auswerfen, das den Unterschied auf dem Gefechtsfeld macht. Wer dies in der Organisation nicht ermöglicht, der verhindert wirksame Abschreckung und den Erfolg im Gefecht. Die US Navy passte sich nach den herben Rückschlägen vor über 80 Jahren an und fand dann die richtigen Antworten auf die Bedrohungen. Doch die anfängliche Inkonsequenz im Handeln hatte einen hohen Preis: Tote, Verwundete, Kampfkraftverlust und existenzgefährdende Kaskadeneffekte für ihren wichtigsten Alliierten in Europa.

Fregattenkapitän Frédéric Strauch ist Grundsatzreferent im Stab des Deutschen Militärischen Vertreters im Militärausschuss der NATO und der EU.

Frédéric Strauch

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