Im Zeichen des Sondervermögens Bundeswehr
Auf dem Symposium ‚Perspektiven der Verteidigungswirtschaft‘ treffen Vertreter der Amtsseite auf Repräsentanten aus den Bereichen Wehrtechnik und Verteidigungswirtschaft. Mit der Veranstaltung bieten DWT und SGW seit mehr als zehn Jahren eine bewährte Dialog- und Informationsplattform, die den Startschuss des Jahresprogrammes darstellt. Aufgrund der Regierungsbildung verschob sich der Termin auf den 7. März 2022. Und mit der am 27. Februar eingeleiteten Wende in der deutschen Sicherheitspolitik erhält die Veranstaltung einen neuen Impetus. Das gab den hochrangigen Vertretern des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) Gelegenheit, Fingerzeige zu dem von Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigten ‚Sondervermögen Bundeswehr‘ zu geben.
Generalleutnant Christian Badia, Abteilungsleiter Planung, Vizeadmiral Carsten Stawitzki, Abteilungsleiter Ausrüstung, und Generalleutnant Michael Vetter, Abteilungsleiter CIT, arbeiteten heraus, dass die 100 Milliarden Euro für notwendige Investitionen und Rüstungsvorhaben genutzt werden. Die nicht als Aufrüstung zu verstehen sind. Sondern vielmehr dazu dienen, die Verfügbarkeit des Materials zu verbessern und so kurzfristig die materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erhöhen. Insofern werden in der Endabrechnung die 100 Milliarden Euro nicht on top des NATO-Zwei-Prozent-Zieles anzusetzen sein. Zumindest teilweise soll das Sondervermögen dazu verwendet werden, um den Aufwuchs in Richtung Nato-Quote zu finanzieren. Mit dem Vorbehalt, vor der Beratung des Bundeshaushalts 2022/2023 und des Finanzplans bis 2026 nicht in Details gehen zu können, stellte der Abteilungsleiter Haushalt, MinDir Karl Henning Bald, die haushälterischen Perspektiven vor. Nach dem gültigen Finanzplan (vom Juni 2022) sind 2022 51,8 Milliarden Euro vorgesehen, 2023 50,9 Milliarden Euro. Das entspräche 1,46 Prozent bzw. 1,33 Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Industrie im Boot
Eingehend auf zwei von Vizeadmiral Stawitzki als Nationalem Rüstungsdirektor einberufenen Dringlichkeitskonferenzen mit 280 Industrie- und Wirtschaftsvertretern versicherte Dr. Hans-Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des BDSV, dass die Industrie dem Aufruf des Verteidigungsministeriums entsprechen können werde. Und dies nicht nur wegen der stabilen Planungsgrundlage, für die sie die 100-Milliarden-Euro-Investition sieht.
Die 260 Teilnehmer des DWT-/SGW-Symposiums erhielten darüber hinaus Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen, vorgestellt von MinDirig Stefan Sohm, Unterabteilungsleiter RIII im Bundesverteidigungsministerium. Der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Dr. Hans-Peter Bartels, ließ sich in einem Vortrag als auch in einem Podiumsgespräch zur Perspektive Personal ein. Auf dem Podium wurde er von Prof. Dr. Patrick Sensburg, dem Präsidenten des Reservistenverbandes, und einem Vorstandsmitglied des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant i.G. Dr. Detlef Buch, sekundiert.
Der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Hiltschler eröffnete die Veranstaltung mit einem Resumée der sicherheits- und verteidigungspolitischen Perspektiven.
Was bleibt: Skepsis
Am Ende des Tages waren Vorbehalte zur Verwendung des Sondervermögen zumindest teilweise ausgeräumt. Einzelheiten oder konkrete Beschaffungsabsichten waren ohnehin nicht zu erwarten. Die anwesenden Vertreter des Verteidigungsministeriums verbreiteten Optimismus, dass nun die Möglichkeit bestünde, denjenigen Projekten, die wir seit langem vor uns herschieben, eine Realisierungschance zu geben.
Es bleibt die Skepsis, ob eine Modernisierung des Beschaffungswesens und seine Flexibilisierung gelingt. Die Rahmenbedingungen scheinen günstig. Doch: können die rechtlichen, verfahrenstechnischen und organisatorischen Verhältnisse in der gebotenen Kurzfristigkeit hergestellt werden? Die 100 Milliarden Euro sind wichtig. Geld kommt - man ist geneigt zu sagen: Endlich!. Es allein wird nicht das Dilemma der Bundeswehr lösen. Benötigt wird eine Strategie in der Sicherheitspolitik, die die Zielvorgaben absteckt und Priorisierungen ermöglicht. Darüber wünschenswert: eine anderes gesellschaftliches Gespür für sicherheitspolitische Belange und einen anderen Umgang mit den Streitkräften. Dazu gehört auch die Einsicht, dass militärische Maßnahmen durchaus ein 'normales' politisches Instrument sein können.
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