Patrouillenschiff Yashima (PLH 22) beim Einlaufen in den Hafen von Seattle, Foto: USCG

Patrouillenschiff Yashima (PLH 22) beim Einlaufen in den Hafen von Seattle, Foto: USCG

It's about the islands

Als bedeutende Wirtschaftsmacht unterhält Japan neben seiner Marine auch eine überaus leistungsfähige Küstenwache mit breitem Aufgaben- und Fähigkeitsspektrum. Zusammen sorgen sie in einer konfliktträchtigen Weltgegend für Sicherheit.

Japan gehört mit seinen über 6800 Inseln (davon mehr als 400 dauerhaft bewohnt) und einer Küstenlänge von 29 751 Kilometern zu den großen maritimen Nationen. Neben den vier großen Hauptinseln sorgen vor allem kleinere Inselgruppen wie die Ogasawara- und Ryukyu-Inseln dafür, dass Japan bei einer Landfläche von 380 000 Quadratkilometern über fast ebenso große Territorialgewässer (430 000 km2) und eine Ausschließliche Wirtschaftszone (AWZ) vom mehr als dem Zehnfachen seiner Landfläche verfügt. Mit Blick auf Japans Abhängigkeit von Rohstoffimporten, Güterexporten und Fischereirechten verlässt sich die Inselnation daher in Fragen der maritimen Sicherheit nicht nur auf eine starke Marine (Japan Maritime Self-Defense Force, JMSDF), sondern auch auf eine der größten Küstenwachen weltweit, die Japan Coast Guard (JCG).

Die JCG kann auf eine über siebzigjährige Geschichte zurückblicken. In den chaotischen Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg erkannte die amerikanische Besatzungsmacht schon früh die Notwendigkeit eines verlässlichen Küstenschutzes rund um Japan, das mit illegaler Einwanderung, Piraterie, Schmuggel und zurückgebliebenen Weltkriegsminen zu kämpfen hatte. Nachdem bereits 1946 ein Illegal Immigration Control Headquarter installiert worden war, initiierten die Amerikaner deshalb 1948 die Gründung der Maritime Security Agency (MSA), die als Teil des Transportministeriums fortan für den Küstenschutz verantwortlich zeichnete.

Patrouillenschiff Yonakuni (v.) beim Beschatteneines Patrouillenschiffs der CCG, Foto: JCG

Patrouillenschiff Yonakuni (v.) beim Beschatten
eines Patrouillenschiffs der CCG, Foto: JCG

Die 1952 innerhalb der MSA ins Leben gerufene Coastal Safety Force fasste die Minenabwehrkräfte der MSA und die nun vermehrt zulaufenden größeren Schiffseinheiten aus den USA zusammen und ging am 1. Juli 1954 in der JMSDF auf – eine Reaktion auf den auch in Fernost zunehmend spürbaren Ost-West-Konflikt, befeuert durch die Machtübernahme der Kommunisten in China 1949 und den Koreakrieg 1950-1953. Die MSA selbst konzentrierte sich nun auf die Aufgaben einer klassischen Küstenwache. Im April 2000 wurde die MSA in Japan Coast Guard umbenannt, blieb aber der Nachfolgebehörde des Transportministeriums unterstellt.

Wachsendes Aufgabenspektrum
Kurz nachdem die JCG ihren neuen Namen erhalten hatte, wurde ihr Aufgabenspektrum im April 2001 erheblich ausgeweitet. Bildeten in den Jahren vor der Jahrtausendwende noch die allgemeine Aufrechterhaltung der maritimen Sicherheit in küstennahen Gewässern, Einsätze im Umfeld der Seenotrettung und bei Katastrophen sowie Meeresforschung und Umweltschutz die Aufgabenschwerpunkte der JCG, rückte nun die Sicherung territorialer Gewässer und der AWZ stärker in den Fokus. Auch Aufgaben im Rahmen der Terrorismusbekämpfung, der Überwachung fremder Fischerei-, Forschungs- und Patrouillenboote, der Abwehr illegaler Einwanderung und des Schmuggels wurden im Zuge der Reformen ausgeweitet oder völlig neu definiert. Die JCG mauserte sich fortan zu einer heimlichen „zweiten Marine“ neben der JMSDF.

Patrouillenschiff Akaishi vor einem chinesischenKüstenwachschiff nahe der Senkaku-Inseln, Foto: JCG

Patrouillenschiff Akaishi vor einem chinesischen
Küstenwachschiff nahe der Senkaku-Inseln, Foto: JCG

Schon am 22. Dezember 2001 kam es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Einheiten der japanischen Küstenwache und einem nordkoreanischen Spionageschiff innerhalb der japanischen AWZ nahe der Insel Amami-Oshima im Ostchinesischen Meer. Nach einem sechsstündigen Feuergefecht sank das nordkoreanische Schiff nach mehreren Explosionen, wurde aber später von der JCG geborgen und ist seither im Museum der japanischen Küstenwache in Yokohama ausgestellt. Zwei Jahre zuvor hatte die JCG bei einem ähnlichen Zwischenfall nahe der Noto-Halbinsel noch die JMSDF um Unterstützung bitten müssen. Der Zwischenfall nahe Amami-Oshima bildete bei weitem nicht die erste Auseinandersetzung mit nordkoreanischen Spionageschiffen, demonstrierte aber die japanische Entschlossenheit, Verletzungen seiner Gewässer entschiedener entgegenzutreten und hierfür nun verstärkt auf die JCG zu setzen.

Hintergrund der Reformen von 2001 waren neben nordkoreanischen Spionageunternehmen freilich auch ein erstarkendes Russland und ein militärisch selbstbewusster auftretendes China, das seine territorialen Ansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer immer deutlicher anmeldete. In den zwanzig Jahren seit der Erweiterung des Aufgabenspektrums der JCG hat speziell der schwelende Konflikt mit China im Umfeld einiger Inselgruppen enorme Kräfte der JCG gebunden, was einen zahlenmäßigen Aufwuchs der Küstenwache unumgänglich machte.

Umfang und Struktur der JCG
Die JCG gehört mit einer Personalstärke von rund 14 300 Angehörigen, 473 Schiffen und Booten sowie 85 Luftfahrzeugen zu den größten Küstenwachen weltweit. Dem Hauptquartier in Kasumigakesi (Präfektur Tokio) unterstehen elf regionale Hauptquartiere, die schwerpunktmäßig im Süden des Landes konzentriert sind. Die schwimmenden und fliegenden Einheiten der JCG sind ebenfalls im Süden des Landes konzentriert und können auf eine Vielzahl von Stützpunkten zurückgreifen, die teilweise gemeinsam mit der JMSDF genutzt werden.

Die schwimmenden Einheiten der JCG umfassen 140 Patrouillenschiffe, darunter 17 große Einheiten mit bis zu zwei Hubschraubern, die in der JCG als „patrol vessel, large, with helicopter“ (PLH) bezeichnet werden, sowie 49 große, 38 mittlere und 36 kleinere Einheiten. Die größten Patrouillenschiffe bringen es auf 6000 bis 9300 Tonnen Wasserverdrängung, was durchaus der Größenordnung moderner Zerstörer entspricht. Die weitaus meisten Patrouillenschiffe erinnern jedoch eher an typische Offshore Patrol Vessel mit Wasserverdrängungen zwischen 700 und 2000 Tonnen. Darüber hinaus verfügt die JCG über 238 kleine Patrouillenboote sowie 68 kleine Wachboote, 14 hydrografische Vermessungsschiffe, sechs Leuchtturmtender, drei Messboote für radioaktive Strahlung, drei Trainingsschiffe und ein großes Feuerlöschschiff.

Kadetten der JCG mit amerikanischen Kameraden vor einem Cutterder US Coast Guard auf Hawaii, Foto: USCG

Kadetten der JCG mit amerikanischen Kameraden vor einem Cutter
der US Coast Guard auf Hawaii, Foto: USCG

Die insgesamt 33 Flugzeuge, darunter Beechcraft Super King Air, Bombardier Dash 8 und Dassault Falcon 2000, und 52 Hubschrauber (u.a. AugustaWestland AW 139, Bell 212 Twin Huey und Airbus Helicopters H 225) der JCG unterstützen die schwimmenden Einheiten oder nehmen selbstständige Aufgaben im Transport- und SAR-Bereich sowie der für Japan besonders wichtigen Seeraumüberwachung wahr. Um die riesigen Seegebiete rund um Japan besser überwachen zu können, wird die JCG künftig auch über Unmanned Aerial Vehicles (UAV) verfügen, erste Versuche mit der MQ-9B SeaGuardian wurden bereits 2020 durchgeführt.

Alles in allem hat die JCG in den vergangenen Jahren einen spürbaren quantitativen und qualitativen Aufwuchs erfahren, der ihr erweitertes Aufgabenspektrum widerspiegelt. Die Zahl der Schiffseinheiten mit über 1000 Tonnen ist beispielsweise von 51 im Jahr 2012 auf 63 acht Jahre später angestiegen, zukünftig soll die Flotte um weitere große Patrouillenschiffe erweitert werden. Zum Vergleich: Die US Coast Guard wird nach gegenwärtiger Planung langfristig über lediglich 36 Einheiten der genannten Größenordnung verfügen.

Ebenso sind die Zeiten, in denen die JCG mit ausgemusterten und abgerüsteten Einheiten der JMSDF vorliebnehmen musste, längst vorbei. Die Bewaffnung der schwimmenden Einheiten entspricht dabei dem üblichen Standard von Küstenwachen weltweit und besteht bei größeren Schiffen meist aus einzelnen Geschützen mit Kalibern bis zu 40 Millimetern sowie Maschinengewehren für den Nahbereich. Bei Auseinandersetzungen mit fremden Schiffen und Booten greift die JCG jedoch häufig auf Wasserkanonen zurück, soweit es nicht gelingt, unerwünschte Eindringlinge durch geschickte Manöver abzudrängen.

Aktuelle Herausforderungen
Schon seit Jahrzehnten kommt es zwischen Japan und Russland rund um die von beiden Seiten beanspruchten Kurilen nördlich der japanischen Hauptinseln immer wieder zu Streitigkeiten, in denen es meist um Fischereirechte und damit aus japanischer Sicht letztlich ungeklärte territoriale Fragen geht. Hauptaufgabe der JCG gegenüber Russland ist und bleibt deshalb die Sicherung japanischer Fischgründe vor russischen Fischtrawlern sowie der Schutz japanischer Fischer vor russischen Marine- und Küstenwacheinheiten. Nicht selten haben in den letzten Jahren russische oder chinesisch-russische Marineverbände auch demonstrativ nahe an japanischen Gewässern geübt, teilweise wurden die japanischen Hauptinseln sogar vollständig umrundet – eine unverhohlene Machtdemonstration beider Atommächte, auf die die japanische Küstenwache freilich nicht effektiv reagieren kann.

Die Lage gegenüber Nordkorea gestaltet sich aus Sicht der JCG noch komplizierter, da es neben Spionageaktionen auch immer wieder zu Fluchtversuchen nordkoreanischer Fischer kommt, die dabei nicht selten in Seenot geraten; die aufgegebenen Boote treiben dann oftmals an die japanische Küste. In japanische Gewässer eindringenden nordkoreanischen Fischerbooten ist die JCG in den vergangenen Jahren entschlossen entgegengetreten, wobei neben Warnschüssen meist Wasserkanonen zum Einsatz kamen. Dass die Lage dabei durchaus bedrohliche Ausmaße annehmen kann, zeigte ein Zwischenfall im Juni 2021, als Einheiten der japanischen Küstenwache an Bord eines nordkoreanischen Fischerbootes tragbare SA-16 Boden-Luft-Flugkörper ausmachen konnten. Alles in allem werden die Aufgaben der JCG mit Blick auf Nordkorea hauptsächlich von der Unberechenbarkeit der nordkoreanischen Seite geprägt.

Parade anlässlich des 70-jährigenBestehens der JCG 2018, Foto: JCG

Parade anlässlich des 70-jährigen
Bestehens der JCG 2018, Foto: JCG

Das Hauptaugenmerk der Japan Coast Guard ist jedoch schon seit Jahren auf China gerichtet, das die umfangreichen territorialen Ambitionen des Landes im Ost- und Südchinesischen Meer dank seiner stetig wachsenden Marinestreitkräfte und Küstenwache (Chinese Coast Guard, CCG) immer unverhohlener zur Geltung bringen kann. Besonders um die unbewohnten Senkaku-Inseln am Südzipfel der Ryukyu-Inselgruppe ist in den vergangenen Jahren ein heftiger Streit zwischen beiden Staaten entbrannt, der auf eine lange Geschichte zurückblicken kann und durch vermutete Rohstoffvorkommen rund um die Inselgruppe zusätzlich angeheizt worden ist.

Aus japanischer Sicht wird die Lage um die Senkaku-Inseln dabei gleich in mehrfacher Hinsicht erschwert. Die Inselgruppe wird von der Gemeinde Ishigaki aus verwaltet, die gut 170 Kilometer entfernt und Teil der Präfektur Okinawa ist, Deren Hauptinsel ist von den Senkaku-Inseln über 400 Kilometer entfernt, bis zum chinesischen Festland sind es jedoch nur gut 330 Kilometer. Auch Taiwan, das nur rund 170 Kilometer von den Senkaku-Inseln entfernt liegt, bestreitet die japanischen Ansprüche auf die Inselgruppe vehement, was der geostrategischen Lage rund um die Inseln vor dem Hintergrund des chinesisch-taiwanesischen Dauerkonflikts eine besondere Schärfe verleiht.

Um einer möglichen Veräußerung der Inseln an chinesische Staatsangehörige zuvorzukommen und eigene territoriale Ansprüche zu untermauern, erwarb der japanische Staat die Senkaku-Inseln im September 2012 von einigen Privatleuten. Diese Maßnahme rief umgehend die CCG auf den Plan, die ihre Präsenz rund um die Inselgruppe seither massiv erhöht hat und dabei nicht selten kritische Situationen mit der japanischen Küstenwache provoziert. Schon wenige Tage nach dem Verkauf der Inseln an den japanischen Staat drangen chinesische Schiffe in die Anschlusszone (24-Meilenzone) um die Inseln ein, was bis heute immer wieder geschieht. Im Jahr 2020 waren chinesische Schiffe an insgesamt 333 Tagen rund um die Senkaku-Inseln aktiv, im Juli 2021 beendete erst ein aufkommender Taifun eine bis dahin durchgängige, 157-tägige Präsenz von CCG-Einheiten vor Ort.

HydrographischesVermessungsschiff Heiyo, Foto: JCG

Hydrographisches
Vermessungsschiff Heiyo, Foto: JCG

Für die JCG gehören die Einsätze rund um die Senkaku-Inseln seit nunmehr fast zehn Jahren zur täglichen Routine. Dass die chinesische Seite in diesem Zusammenhang neben Fischerbooten regelmäßig CCG-Einheiten zum Einsatz bringt, verschafft ihr in der medialen Berichterstattung freilich einen strategischen Vorteil. Relativ schwach bewaffnete CCG-Einheiten wirken weit weniger martialisch als reguläre Marineeinheiten, unterstreichen den chinesischen Territorialanspruch aber gerade als Küstenwacheinheiten in markanter Weise. Aus Sicht der JCG kommt erschwerend hinzu, dass die chinesische Küstenwache in den vergangenen Jahren ein dramatisches Wachstum erfahren hat. Verfügte die CCG 2012 noch über lediglich 40 Schiffe mit einer Wasserverdrängung von mehr als 1000 Tonnen, hat sich deren Zahl bis 2020 auf 131 mehr als verdreifacht. Tendenz weiter steigend.

Outlook
Der offene Konflikt um die Senkaku-Inseln, aber auch mögliche chinesische Ansprüche auf andere Teile der Ryukyu-Inselgruppe, dürften die Bedeutung der japanischen Küstenwache für die Sicherheit des Landes in Zukunft weiter erhöhen. Die JCG wird dabei noch enger mit den regulären Streitkräften des Landes kooperieren müssen, die ihr Netz an Stützpunkten auf den umstrittenen Inseln in den letzten Jahren ausgebaut. Damit eröffnen die beiden Institutionen der japanischen Regierung ein breites Spektrum an Reaktionsmöglichkeiten auf chinesische Aggressionen.

Mit Blick auf die Erhaltung des Friedens in der Region wird der JCG in jedem Fall eine Schlüsselrolle zukommen, weil sie als nichtmilitärische Organisation einer Eskalation maritimer Auseinandersetzungen vor Ort effektiv entgegenwirken kann, ohne territoriale Ansprüche aufzugeben. Da die japanische Küstenwache ihre klassischen Aufgaben gleichzeitig nicht aus den Augen verlieren darf und die Beziehungen zu den nordkoreanischen und russischen Nachbarn auch in Zukunft für Konfliktpotenzial sorgen dürften, ist der von der japanischen Regierung angestrebte Ausbau der JCG in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Prof. Dr. Christian Führer ist Studiengangsleiter an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim

Christian Führer

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