Wie sensibel sind unsere Parteien für die maritimen Themen? Auszug aus dem Parteiprogramm 2021 Bündnis 90 Grüne

Wie sensibel sind unsere Parteien für die maritimen Themen? Auszug aus dem Parteiprogramm 2021 Bündnis 90 Grüne

Maritimer Faktencheck zur Bundestagswahl 2021 – Grüne (Bündnis 90/Die Grünen)

2. Sep 2021 | Blog, Security policy | 0 Kommentare

Deutschland, selbst im Herzen von Europa gelegen, ist als globale Handelsnation für seine eigene – und die seiner Partner – ökonomische Freiheit und Sicherheit abhängig von den Wasserstraßen, Meeren und Ozeanen… und doch scheint es an einem maritimen Grundverständnis in Politik und Gesellschaft zu fehlen, so zumindest der Eindruck.

Wie sensibel sind unsere Parteien für die maritimen Themen? Im Herbst wählt die Republik ihren 20. Bundestag und für uns ist es mittlerweile Tradition, dass wir uns mit den Wahlprogrammen der Parteien und ihren maritimen Inhalten auseinandersetzen! Begonnen haben wir die Reihe mit dem Wahlprogramm der Free Democrats (FDP), gefolgt von dem programmatischen Angebot der Sozialdemokraten (SPD)  für die kommende Legislaturperiode.

In dieser Ausgabe der Reihe wollen wir das Grundsatzprogramm von Bündnis 90/Die Grünen untersuchen; es folgt das Positionspapier der Christdemokraten (CDU/CSU) und im Anschluss wollen wir die Themenschwerpunkte der Parteien im Wahl-O-Mat unter die maritime Lupe nehmen.

Eine Wahlempfehlung seitens der Redaktion sprechen wir wie gewohnt nicht aus; und über die Qualität der Inhalte wollen wir ebenfalls nicht urteilen. Vielmehr möchten wir unserer Leserschaft einen ersten Überblick verschaffen: Gibt es ein maritimes Bewusstsein in der Positionsbestimmung der jeweiligen Partei und wie ist es verankert? Auf diese Weise wollen wir zur weiteren Auseinandersetzung und Diskussion anregen. Die Programme werden nach maritimen Inhalten abgeklopft, außerdem suchen wir darin nach den folgenden Begriffen (und ihren Variationen): Marine, Bundeswehr, Werft, Schiff, maritim, offshore, Hafen, Handel, Logistik, Wasserstraßen, Seewege, Wasser, Meer, Ozean, Ostsee, Nordsee, Atlantik, Mittelmeer, Indischer Ozean und Pazifik. Wie immer gilt: Für die Inhalte und die Lesbarkeit ihrer Programme sind die Parteien selbst verantwortlich!

Bündnis 90/Die Grünen waren von 1998 bis 2005 in zwei Regierungen des Bundes als Koalitionspartner der Sozialdemokraten vertreten und hatten die Leitung über vier Ressorts inne, konkret Auswärtiges, Verbraucherschutz, Gesundheit und Umwelt. Aus dem 272 Seiten starken Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen für die Bundestagswahl 2021 (Auszug):

Biologische Vielfalt an Land und im Meer schützen
Der Artenrückgang und die Zerstörung natürlicher Lebensräume schrei­ten auch global weiter voran. Wir werden uns für ein ambitioniertes Abkommen der Vereinten Nationen zum Erhalt der biologischen Viel­falt einsetzen und es in Deutschland umsetzen. Entsprechend der Biodiversitätsstrategie der Europäischen Union sollen mindestens 30 Prozent der Landfläche und 30 Prozent der Meere wirksam geschützt werden. Die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung wollen wir über­all als neue Leitprinzipien verankern und für eine kohärente Politik sorgen. Im Meeresbereich verfolgen wir eine gemeinsame internatio­nale Meeresstrategie. Wir werden uns dafür einsetzen, den Schutz der Meere über verbindliche Abkommen zu schärfen, Vollzugsdefizite und Regellücken zu schließen und damit in den Fokus zu rücken, damit auch bisher legale Verschmutzung, wie zum Beispiel Tankwäschen auf hoher See, verboten und Übernutzung verhindert wird. Wir unterstüt­zen Programme zum Stopp der globalen Entwaldung und zum Schutz oder zur Wiedereinwanderung oder -ansiedlung besonders bedrohter Arten. Landnutzer*innen, deren Lebensunterhalt durch Schutzmaßnah­men bedroht wird, müssen einen Ausgleich erhalten. Gezielte Arten­schutzprogramme von Zoos und wissenschaftlichen Instituten wollen wir unterstützen und zugleich die Haltung der Tiere dort verbessern. Lebensräume, für die wir in Deutschland internationale Verantwor­tung tragen, wie das Wattenmeer und alte Buchenwälder, wollen wir gemeinsam mit den Ländern besser als bisher schützen und entwi­ckeln. Bei Eingriffen in die Natur müssen nicht verantwortbare Risiken, wie die Manipulation oder Ausrottung ganzer Populationen oder Arten durch gentechnische Methoden, sogenannte Gene Drives, ausgeschlos­sen werden. Es braucht eine umfassende Biomassestrategie, damit die Produktion und der Import von Biomasse zur Energieerzeugung oder für Tierfutter nicht zur Zerstörung der Artenvielfalt führt.

Flüsse und Moore schützen und renaturieren
Die Renaturierung von Flüssen, Auen und Wäldern und die Wiederver­nässung von Mooren – all das schützt nicht nur seltene Lebensräume und die biologische Vielfalt, sondern auch das Klima. Deshalb werden wir eine Renaturierungsoffensive starten. Naturnahe Bäche und die letzten frei fließenden Flüsse wie die Elbe müssen erhalten bleiben, einen Ausbau der Oder lehnen wir ab, das gilt auch für die Tideelbe. Maßnahmen, die den ökologischen Zustand unserer Fließgewässer verschlechtern, sind nicht erlaubt. Diese Vorgabe aus dem europäi­schen Recht werden wir durchsetzen. Flüsse mit weiten Auen und Überschwemmungsgebieten sind auch der beste Schutz gegen Hoch­wasser und halten das Wasser in der Landschaft. Wir werden des­halb die Aufgaben der Bundeswasserstraßenverwaltungen nach öko­logischen Kriterien neu ausrichten. Spezifische Programme für wilde Bäche, naturnahe Flüsse, Seen, Auen und Feuchtgebiete wie das Blaue Band wollen wir stärken und gemeinsam mit den Ländern die EU-Wasserrahmenrichtlinie endlich konsequent umsetzen. Moorschutz ist Klimaschutz. Daher wollen wir ein Ende der Torfnutzung und unsere Moore so schnell und umfassend wie möglich wiedervernässen. Dazu legen wir gemeinsam mit den Ländern ein großflächig wirksames Moor- Renaturierungsprogramm auf. Um die noch intakten Moore vor Torfabbau, Überdüngung und Entwässerung zu retten, werden wir sie unter strengen Schutz stellen. Für genutzte Moorböden wollen wir ökonomische Perspektiven für eine nachhaltige nasse Landwirtschaft ermöglichen und extensive Weidewirtschaft und Paludikultur stärken.

Sauberes Wasser ist Leben
Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Düngemittel, Pestizide, Waschmittelrückstände und Medikamentenreste gehören nicht in unser Wasser. Zum Schutz unseres Grundwassers, der Seen, Flüsse und Meere wollen wir deshalb klare gesetzliche Vorgaben, etwa zur Flächenbindung der Tierhaltung und des Pestizid- und Dünge­mitteleinsatzes, verankern sowie die Kläranlagen verbessern. Ein Verursacherfonds und eine Reform der Abwasserabgabe sollen so zu einer fairen Verteilung der Kosten von Abwasser- und Trinkwas­seraufbereitung führen. Wir wollen die Produktverantwortung von Hersteller*innen stärken. So verringern wir etwa durch verbesserte Genehmigungs- und Entsorgungsvorschriften für Medikamente die Bildung von Resistenzen und andere Gefahren von Arzneimittelrück­ständen im Wasser. Besonders gefährliche und schlecht abbaubare Schadstoffe dürfen nicht mehr in den Wasserkreislauf gelangen. Wir setzen das EU-Wasserrecht endlich konsequent um und reduzieren den Eintrag von hormonverändernden Stoffen und Mikroplastik ins Wasser deutlich. Den Vorrang der Trinkwasserversorgung gegenüber gewerblicher Nutzung gilt es sicherzustellen, Wiederverwendung von Abwässern und Speicherung von Regenwasser wollen wir fördern und Anreize zum Wassersparen schaffen. Wir machen das Vorsorge­prinzip auch im Gewässerschutz zur Richtschnur, deswegen wollen wir im Bergrecht Fracking und künftige Projekte zur Förderung von Erdöl und Erdgas ausschließen.

Meere schützen, Plastikmüllflut stoppen
Die Meere befinden sich in einem katastrophalen Zustand – und dieser droht sich durch weitere Versauerung, Überdüngung, Überfi­schung, Verschmutzung und Plastikmüll noch zu verschlechtern. Um der Plastikmüllflut Einhalt zu gebieten, wollen wir ein international verbindliches Abkommen zum Stopp der Plastikvermüllung unserer Meere auf den Weg bringen sowie ein Sofortprogramm mit ehrgei­zigen Müllvermeidungszielen auflegen. Wir wollen Technik fördern, die eine Bergung der Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee und ein umweltverträgliches Abfischen von Müll aus dem Meer ermög­licht. Aus den Erdölförderanlagen in der Nordsee treten durch Unfälle, ölhaltigen Bohrschlamm mit Bohrabfällen und auch durch die Abfa­ckelung von Gas giftige Stoffe aus. Wir setzen uns für ein Ende der Förderung fossiler Energieträger ein. In der deutschen Ausschließ­lichen Wirtschaftszone wollen wir einen sofortigen Stopp neuer Öl- und Gasbohrungen umsetzen sowie ein Förderende bis 2025. Auf europäischer und internationaler Ebene setzen wir uns für ein Ende der Öl- und Gasförderung in der gesamten Nord- und Ostsee ein. Wir wollen auch den Ausstieg aus dem Kies- und Sandabbau in Schutzgebieten vorantreiben und zugleich Raubbau in Ländern des globalen Südens durch Importstandards verhindern. Um die Überfi­schung zu beenden, die Fischbestände zu stabilisieren und Fischer*in­nen eine nachhaltige Perspektive zu geben, wollen wir Fangquoten und Fischereiabkommen anpassen, Schonzeiten ausdehnen und die Umstellung der Fischerei auf umwelt-, klima- und artenschonende Fangmethoden erreichen. Dazu gehören auch ein schnellstmöglicher Ausstieg aus der klima- und umweltschädlichen Grundschleppnetz­fischerei und eine naturschutzgerechte Regulierung von Stellnetzen. Wir wollen die Fischereisubventionen auf eine ökologische Meeres­nutzung ausrichten. Regionale Fischereibetriebe werden wir bei der Umstellung ebenso unterstützen wie beim Aufbau von Alternativen durch umweltfreundliche touristische Angebote. Ein wichtiger Schritt, um ökologische Fischerei und Aquakultur auskömmlich zu honorie­ren, ist eine verbindliche und für die Verbraucher*innen transparente resschutzgebieten notwendig. Kennzeichnung. Für lebendige Weltmeere sind die Umsetzung der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie, ein Tiefseebergbaumorato­rium sowie die Ausweisung von großflächigen nutzungsfreien Meresschutzgebieten notwendig.

Die Energierevolution: erneuerbar heizen, wohnen, wirtschaften
Klimaneutralität heißt: raus aus den fossilen Energien. Nicht nur der Strom, auch das Benzin in unseren Autos, das Kerosin im Flugzeug­tank, das Schweröl im Schiff, das Öl für die Heizung und das Gas im Industriebetrieb müssen auf erneuerbare Energien umgestellt wer­den. Das ist nichts weniger als eine Energierevolution. Dazu braucht es zuallererst eine massive Ausbauoffensive für die Erneuerbaren, die so schnell wie möglich umgesetzt wird. Daran hängen die Zukunft unseres Industriestandortes und unsere Versorgungssicherheit. Der Ausbaupfad wird durch die Kraft und Kapazität von Industrie und Handwerker*innen beschränkt, darf aber nicht von den politischen Rahmenbedingungen begrenzt werden. Daher beseitigen wir in einem kontinuierlichen Prozess bestehende Ausbauhemmnisse – naturver­träglich und zugunsten der Bürger*innen. Unser Ziel ist ab sofort ein jährlicher Zubau von mindestens 5 bis 6 Gigawatt (GW) Wind an Land, ab Mitte der 20er Jahre von 7 bis 8 GW, bei Wind auf See wollen wir 35 GW bis 2035. Im Bereich Solarenergie werden wir den Ausbau von beginnend 10 bis 12 GW auf 18 bis 20 GW pro Jahr steigern ab Mitte der 20er. Mit einer umfassenden Steuer- und Abgabenreform wollen wir dafür sorgen, dass die Sektorenkoppelung vorankommt und Strom zu verlässlichen und wettbewerbsfähigen Preisen vorhanden ist. Das Energiemarktdesign ändern wir, sodass erneuerbarer Strom nicht länger ausgebremst wird. Wir stellen Sonne und Wind ins Zentrum und ermöglichen es Industrie, Gewerbe und Handel, über flexibleren Verbrauch besonders viel zur Integration der Erneuerbaren beizutra­gen. Erzeugungsspitzen machen wir nach dem Prinzip „nutzen statt abschalten“ für Speicher und die Produktion von Wärme oder grünem Wasserstoff nutzbar. Doppelte Belastungen und andere Bremsklötze schaffen wir ab. Kritische Infrastrukturen sichern wir mit notstrom­fähigen Solaranlagen. Verteilnetze und Verbraucher*innen statten wir mit intelligenter Technik aus, damit sie flexibel reagieren können, wenn gerade viel erneuerbarer Strom produziert wird.

Mit Windenergieausbau den Wirtschaftsstandort Deutschland sichern
Auch bei der Windkraft müssen wir schneller vorankommen, zum Bei­spiel indem wir den Ausbau außerhalb der Ausschreibungen stärken. Beim Windausbau gilt es den Konflikt mit Natur- und Artenschutz zu minimieren, Anwohner*innen zu schützen und die Verfahren zur Genehmigung, auch durch den Abbau bürokratischer Hürden und klare Rahmenbedingungen, zu beschleunigen. In einem ersten Schritt wollen wir die erneuerbaren Energien als zwingend für die Versor­gungssicherheit definieren und dafür 2 Prozent der Fläche bundes­weit nutzen. Alle Bundesländer haben hierfür ihre entsprechenden Beiträge zu leisten. Verhinderungsplanungen lehnen wir ab. Exzessive, pauschale Mindestabstände zu Siedlungen leisten keinen Beitrag zur Akzeptanzsteigerung. Wir sorgen mit frühzeitiger Bürger*innenbetei­ligung vor Ort, klaren Vorrang- bzw. Eignungsgebieten für Wind sowie mit Ausschlussgebieten und gezielten Artenschutzprogrammen für eine anwohner*innenfreundliche und naturverträgliche Standort­wahl und stärken zugleich den Schutz von Vögeln und Fledermäusen. Wir werden die Planungen und Genehmigungen durch vereinfachte Verfahren, mehr Personal und einheitliche Bewertungsmaßstäbe beschleunigen. Repowering wollen wir erleichtern, sodass alte Wind­energieanlagen am gleichen Standort zügig durch leistungsstärkere ersetzt werden können. Über 20 Jahre alten Anlagen werden wir einen Weiterbetrieb ermöglichen. Den Bau von Windenergieanlagen auch in direkter Nähe zu Industrie und Gewerbe wollen wir unterstützen, um Strom dort zu produzieren, wo er gebraucht wird und wo der Lärm­schutz von Anwohner*innen leichter zu gewährleisten ist. Wir bauen unsere Offshore-Parks weiter aus und verbinden sie in der Europäi­schen Energieunion mit den Solarparks der Mittelmeerstaaten, mit der Wasserkraft Skandinaviens und der Alpen. Je vernetzter, desto stärker. Ein Kontinent ist für die Energiewende eine gute Größe.

Unsere Energieinfrastruktur klimaneutral machen
[…] Denn auch Erdgas ist ein klimaschädlicher Brennstoff, sein Gebrauch muss immer weiter abnehmen. Die extrem klimaschädlichen Emissionen, die bei Erdgasförderung und -transport entstehen, wollen wir schnellstmöglich reduzieren. Neue Hafenter­minals zur Anlandung von Flüssigerdgas sollen nicht mehr geneh­migt werden. Neue Erdgas-Pipelines wie Nord Stream 2, die nicht auf grünen Wasserstoff ausgerichtet sind, zementieren auf Jahrzehnte Abhängigkeiten von klimaschädlichen Ressourcen, konterkarieren die Energiewende und sollten gestoppt werden.

Eine grüne Wasserstoffstrategie
Wasserstoff aus erneuerbaren Energien, sogenannter grüner Wasser­stoff, ist zentral für die Versorgungssicherheit in einer klimaneutralen Welt. Denn Wasserstoff ist gut speicherbar und, wenn er mit Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, auch klimafreundlich. Deutschland ist bei den Technologien zur Erzeugung von Wasserstoff weit vorne. Diese Führungsrolle wollen wir weiter ausbauen und die entsprechende Infrastruktur dafür schaffen. […] Es gilt daher, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe gerade dort zum Einsatz zu bringen, wo sie wirklich gebraucht wer­den: etwa in der Industrie, in der Schifffahrt oder beim Flugverkehr.

Zukunftsfähiger Güterverkehr
Jeden Tag werden durch Deutschland Millionen Tonnen an Gütern transportiert, heute zumeist in Form endloser Lkw-Karawanen auf unseren Straßen. In einem klimaneutralen Deutschland muss auch der Güterverkehr zukunftsfähig, emissionsfrei und weniger lärminten­siv sein. Für weniger Lkw-Verkehr wollen wir den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagern. Dafür werden wir die Kombina­tion von Straße, Schiene und Wasser ertüchtigen und Industrie und Gewerbe wieder ans Bahnnetz anschließen – auch in der Fläche. Wir fördern Investitionen in moderne Güterverkehrstechnik, intermodale Güterverkehrszentren und Umschlagterminals für den kombinierten Güterverkehr. Wir setzen zudem auf regionale Wirtschaftskreisläufe und die Chancen der Digitalisierung und Vernetzung bei der Organisa­tion der Logistik.

Die Schifffahrt klima- und umweltverträglich machen
Für ein außenhandelsorientiertes Land wie Deutschland ist eine inter­national wettbewerbsfähige maritime Wirtschaft von entscheidender Bedeutung. Wir setzen uns für die Entwicklung eines gemeinsamen Seehafenkonzepts durch Bund und Länder ein, das auf Kooperation der Standorte statt auf Konkurrenz setzt. Die Schifffahrt wollen wir durch verbindliche Emissionsminderungsziele und eine Einbeziehung in den EU-Emissionshandel klimaneutral machen. Wir setzen die poli­tischen Rahmenbedingungen dafür, dass die Schifffahrt schnellst­möglich wegkommt vom Schweröl mit seinen giftigen Abgasen und dass sich stattdessen Landstromanlagen, emissionsarme Terminals, alternative Schiffsantriebe und klimaneutrale Treibstoffe ebenso wie faire Arbeitsbedingungen für alle an der Seefahrt Beteiligten durch­setzen. Dafür drängen wir auf weltweit höhere Standards. Moderni­sierte Binnenschiffe müssen künftig einen wichtigen Beitrag zum klimaneutralen Gütertransport liefern. Wir sehen uns in der Verant­wortung für einen guten ökologischen Zustand aller Wasserstraßen. Marode Wasserstraßen müssen umweltverträglich saniert werden, für Flussvertiefungen soll es ein Moratorium und eine grundsätzliche Überprüfung im Rahmen der Neuaufstellung des Bundesnetzplans im Sinne der neuen UN-Dekade für die Wiederherstellung von Öko­systemen geben.

Der Tourismuswirtschaft nachhaltig auf die Beine helfen
Die Reise- und Tourismuswirtschaft – ein zentraler Wirtschaftsfak­tor und millionenfache Arbeitgeberin – ist durch die Corona-Krise schwer getroffen. Wir wollen ihr wieder auf die Beine helfen und zugleich den Nach-Corona-Tourismus klimaschonender, ökologischer und sozial nachhaltiger gestalten. Ein ökologisch und sozial blin­der Massentourismus mit klimaschädlichen Kreuzfahrtschiffen, end­loser Müllproduktion und riesigem Ressourcenverbrauch hat keine Zukunft. Im Gegenteil, die Kreuzschifffahrt muss endlich ihren Bei­trag leisten über neue Antriebe, die Verwendung von Landstrom und bessere Umweltstandards. In einem nachhaltigen Tourismus liegen hingegen riesige Chancen. Nachhaltigen oder sanften Tourismus wollen wir gerade in ländlichen Regionen gezielt entwickeln, zum Beispiel durch den Ausbau touristischer Rad- und Wasserwege. Mit einem Shelter-System wie in Dänemark wollen wir Natur für alle erlebbar machen. Zugleich sollen Nationalparks, Biosphärenreser­vate und Naturschutzgebiete durch einen regulierten Tourismus nachhaltig geschützt werden.

Sichere und legale Fluchtwege schaffen
Niemand sollte für das völkerrechtlich verbriefte Recht, um Asyl zu ersuchen, das eigene Leben oder das der Familie riskieren müssen. Genau das ist aber bittere Realität: Immer noch reichen die Möglich­keiten für sichere Zugangswege bei weitem nicht aus und Geflüch­tete sind deshalb gezwungen, auf lebensgefährliche Routen durch die Wüste oder über das Meer auszuweichen. Wir wollen sichere und legale Zugangswege schaffen – damit Menschen Schutz finden und um zu verhindern, dass Schlepper aus der Not und dem Leid der Geflüchteten Profit schlagen können. […] Wir setzen uns außerdem für die Aufnahme afghanischer Ortskräfte und ihrer Angehörigen ein, die durch ihre Zusammenarbeit mit deut­schen Institutionen wie der Bundeswehr oder der GIZ in Gefahr sind. Das individuelle Asylrecht bleibt unangetastet.

Sicherheit im Cyber- und Informationsraum schaffen
Digitalisierung und neue Technologien bieten viele neue Möglichkei­ten, schaffen aber auch Risiken für offene, demokratische Gesellschaf­ten und werfen in bestimmten Bereichen schwerwiegende ethische, politische und rechtliche Fragen auf. Sie verändern Möglichkeiten staatlicher und nichtstaatlicher Einflussnahme auf individuelle Frei­heiten und gesellschaftliche Diskurse, demokratische Abstimmungs­prozesse sowie die moderne Kriegsführung. Der Staat ist in der Pflicht, die Bevölkerung effektiv vor solchen Angriffen zu schützen. Für Früh­erkennung, Analyse und das gemeinsame Vorgehen staatlicher Stellen braucht es ressortübergreifende Strategien zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen, klare rechtliche Vorgaben und eine starke parlamen­tarische Kontrolle für das Handeln der Bundeswehr im Cyberraum. Die Bundeswehr braucht ein an Schutz und Defensive orientiertes Selbstverständnis im digitalen Raum. Gleichzeitig müssen alle staat­lichen Institutionen kontinuierlich ihre Resilienz stärken und gerade Betreiber*innen kritischer Infrastrukturen hierbei unterstützt werden. Wir setzen uns für neue internationale Übereinkünfte ein, um die Rüstungskontrolle digitaler Güter und das Völkerrecht zu stärken. Die Gültigkeit der VN-Charta muss ausgedehnt und das humanitäre Völ­kerrecht auch im Cyberraum angewendet werden. Hierfür muss auch die europäische Zusammenarbeit ausgebaut werden, wozu Deutsch­land einen entsprechenden Beitrag leisten muss.

 Internationale Schutzverantwortung wahrnehmen
Es ist wichtig, frühzeitig auf Konflikte einzuwirken und zu verhindern, dass sie zu bewaffneten Auseinandersetzungen eskalieren. Uns leitet das Konzept der „Responsibility to Prepare, Protect and Rebuild“ der Vereinten Nationen, das die Staatengemeinschaft verpflichtet, Men­schen vor schwersten Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Völkermord zu schützen. Die Staa­ten sind gleichermaßen verpflichtet, ihre Instrumente für Prävention, Krisenreaktion und Nachsorge bzw. Wiederaufbau kriegszerstörter Gesellschaften auszubauen. Wir unterstützen internationale Einsätze im Rahmen der Vereinten Nationen, die zu Stabilität, dem Schutz der Zivilbevölkerung und der Umsetzung von Friedensprozessen bei­tragen. Wir streben an, Ressourcen- und Fähigkeitslücken in diesem Bereich zu beheben und den zivilen und militärischen Beitrag zu VN-Einsätzen signifikant zu erhöhen. Den Frauenanteil unter entsandten Einsatzkräften, Polizist*innen und Soldat*innen, besonders auch in Leitungspositionen, wollen wir durch gezielte Rekrutierung deutlich erhöhen. Die Anwendung militärischer Gewalt als Ultima Ratio, wenn alle anderen Möglichkeiten wie Sanktionen oder Embargos ausge­schöpft wurden, kann in manchen Situationen nötig sein, um Völker­mord zu verhindern und die Möglichkeit für eine politische Lösung eines Konflikts zu schaffen. Ein Einsatz braucht einen klaren und erfüllbaren Auftrag, ausgewogene zivile und militärische Fähigkeiten und unabhängige (Zwischen-)Evaluierungen. Bewaffnete Einsätze der Bundeswehr im Ausland sind in ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit – das heißt nicht in verfassungswidrige Koalitionen der Willigen – und in ein politisches Gesamtkonzept einzubetten, basie­rend auf dem Grundgesetz und dem Völkerrecht. Bei Eingriffen in die Souveränität eines Staates oder dort, wo staatliche Souveränität fehlt, braucht es ein Mandat der Vereinten Nationen. Wenn das Vetorecht im Sicherheitsrat missbraucht wird, um schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu decken, steht die Weltgemeinschaft vor einem Dilemma, weil Nichthandeln genauso Menschenrechte und Völker­recht schädigt wie Handeln.

Moderne Bundeswehr
Der Auftrag und die Aufgaben der Bundeswehr müssen sich an den realen und strategisch bedeutsamen Herausforderungen für Sicher­heit und Friedenssicherung orientieren und in ein gesamtstaatliches Handeln einfügen. Deutschland soll sich auf seine Bündnispartner verlassen können und genauso sollen sich die Bündnispartner auf Deutschland verlassen können. Dazu gehört auch, dass die Bundes­wehr entsprechend ihrem Auftrag und ihren Aufgaben personell und materiell sicher und planbar ausgestattet und bestmöglich organi­siert sein muss. Dass Soldat*innen mit nicht ausreichender Schutz­ausrüstung in Einsätze gehen, ist nicht hinnehmbar. Neben einer aus­reichenden und optimalen Ausrüstung zu jeder Zeit wollen wir, dass die Soldat*innen nach Einsätzen umfassend betreut und unterstützt werden und das Angebot für Einsatzgeschädigte ausgebaut wird. Die Bundeswehr soll die Vielfalt und Diversität unserer Gesellschaft in ihrer Personalstruktur widerspiegeln. Menschenfeindliche Ideo­logien und rechtsextremistisches Verhalten sind mit dem Auftrag der Bundeswehr und den Pflichten der Soldat*innen in keiner Weise vereinbar. Daher werden wir dies konsequent verfolgen und derar­tige Strukturen zerschlagen. Neben der umfassenden Aufklärung ist die wirksame Prävention entscheidend, durch eine praktizierte und weiterentwickelte Innere Führung, verantwortungsbewusste Per­sonalgewinnung und zeitgemäße, verbindliche politische Bildung. Die Rekrutierung Minderjähriger sowie den bewaffneten Einsatz der Bundeswehr im Inneren lehnen wir ab und wollen den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz beenden sowie die politische Bildung in Schulen, durch Stärkung ziviler Krisenprävention und Konfliktbe­arbeitung, gleichberechtigt gestalten. Bewaffnete Drohnen wurden und werden vielfach auch von unseren Bündnispartnern für extrale­gale Tötungen und andere völkerrechtswidrige Taten eingesetzt. Ein solcher Einsatz ist für uns GRÜNE undenkbar und mit dem deutschen Verfassungs- und Wehrrecht nicht vereinbar. Gleichzeitig erkennen wir an, dass diese Systeme Soldat*innen in gewissen Situationen besser schützen können. Deshalb muss klargemacht werden, für welche Einsatzszenarien der Bundeswehr die bewaffneten Drohnen überhaupt eingesetzt werden sollen, bevor über ihre Beschaffung entschieden werden kann. Auch technische Herausforderungen wie mögliche Hackability müssen in der Gesamtabwägung eine wichtige Rolle spielen.

NATO strategisch neu ausrichten
Die NATO leidet unter divergierenden sicherheitspolitischen Inter­essen innerhalb der Allianz bis hin zu zwischenstaatlichen Konflik­ten. Ihr fehlt in dieser tiefen Krise eine klare strategische Perspektive. Trotzdem bleibt sie aus europäischer Sicht neben der EU eine unver­zichtbare Akteurin, die die gemeinsame Sicherheit Europas garantie­ren kann und die als Staatenbündnis einer Renationalisierung der Sicherheitspolitik entgegenwirkt. Wir werden uns im Rahmen des laufenden Strategieprozesses für eine Neuaufstellung der NATO und darauf aufbauend eine Debatte über eine faire Lastenverteilung und eine ausgewogene Beteiligung der Mitgliedstaaten einsetzen, um strategische Interessen auf Grundlage von europäischen Werten wie Multilateralismus, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gemeinsam zu entwickeln und geschlossener und überzeugender zu vertreten. Das nicht auf Fähigkeiten und Befähigung ausgerichtete NATO-2-Prozent- Ziel gibt darauf keine Antwort und wir lehnen es deshalb ab. Wir set­zen uns für eine neue Zielbestimmung ein, die nicht abstrakt, national und statisch ist, sondern von den gemeinsamen Aufgaben ausgeht, und werden mit den NATO-Partnern darüber das Gespräch suchen. Dazu zählt auch eine stärkere militärische Zusammenarbeit und Koor­dinierung innerhalb der EU und mit den europäischen NATO-Partnern wie Großbritannien und Norwegen.

 Europas Sicherheit gemeinsam gestalten
Gemeinsam mit den internationalen Partnern muss die Europäische Union ihrer Verantwortung für die eigene Sicherheit und Verteidigung gerecht werden. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspoli­tik (GSVP) setzt eine gemeinsame EU-Außenpolitik voraus. Wir wollen eine EU-Sicherheitsunion etablieren mit einer starken parlamentari­schen Kontrolle und einer gemeinsamen restriktiven Rüstungsexport­politik mit strengen Regeln und einklagbaren Sanktionsmöglichkeiten. Anstatt immer mehr Geld in nationale militärische Parallelstrukturen zu leiten, wollen wir die verstärkte Zusammenarbeit der Streitkräfte in der EU ausbauen, militärische Fähigkeiten bündeln, eine effizientere Beschaffung erreichen und allgemein anerkannte Fähigkeitslücken gemeinsam und durch eine Konsolidierung des europäischen Rüs­tungssektors schließen. Dafür sind eine geeignete Ausstattung, der Ausbau von EU-Einheiten sowie eine Stärkung und Konsolidierung der gemeinsamen EU-Kommandostruktur und europäischer Initiati­ven wie zum Beispiel der Permanent Structured Cooperation (PESCO) nötig. Gemeinsame EU-Auslandseinsätze sollten stärker vom Europäi­schen Parlament begleitet und kontrolliert werden. Die Umwidmung von bisher ausschließlich für zivile Zwecke vorgesehenen Geldern aus dem EU-Haushalt für militärische Zwecke lehnen wir ab.

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