Ein Satellitenfoto, das von Associated Press (AP) am 27. Mai 2022 veröffentlicht wurde, zeigt die „Shahid Mahdavi“ im gefluteten Trockendock von Shahid Darvishi Marine Industries, einem Schiffbaubetrieb bei Bandar Abbas an der Straße von Hormus. Die Werft, die sowohl militärische als auch zivile Einheiten herstellt und betreut, gilt als eine der modernsten und führenden Werften am Persischen Golf. Der militärische Anteil liegt in einem Komplex zum Bau und zur Instandsetzung von Überwasserschiffen und U-Booten ca. 40 Kilometer westlich der südiranischen Stadt.
Die „Shahid Mahdavi“ ist Experten zufolge der Umbau der iranischen „Sarvin“. Sie lief im Juli 2021 Bandar Abbas an und entzog sich weiterer Beobachtung. Das Containerschiff wurde 2000 von HYUNDAI HEAVY INDUSTRIES, Ulsan, Südkorea gebaut. Ursprünglich als „Iran Isfahan“ getauft, diente es unter drei weiteren Namen, bis es am 1. September 2012 zur „Sarvin“ wurde. Bei 240 Metern Länge, einer Breite von 32 Metern und einem Tiefgang von knapp 12 Metern kommt die „Sarvin“ auf eine Verdrängung von knapp 42.000 Tonnen. Der Antrieb ist von MAN B&W mit einer Gesamtleistung 29.000 KW.
Der jetzige Name „Shahid Mahdavi“, deutsch „Märtyrer Mahdavi“, geht auf Nader Mahdavi zurück, einen iranischen Seemann, der 1987 bei Auseinandersetzungen mit der US-Navy im Gefecht fiel.
Mögliche Bewaffnungsoptionen
Nach den jetzt vorgenommenen Analysen soll das Schiff an Bug und Heck mit Flugabwehrwaffen bestückt sein. Die weitere Bewaffnung liegt im Dunkeln. Ein Blick auf ähnliche Unterstützungseinheiten lässt Vermutungen zu späteren Ausstattungen zu. Frachtschiffe in Unterstützungseinheiten für die Seestreitkräfte zu konvertieren, sowohl für die Marine wie für den maritimen Anteil der Revolutionsgarden, ist im Iran üblich. Im Juli 2021 präsentierte sich der umgebaute Öltanker (111.530 Tonnen Verdrängung) IRINS „Makran“ (Hull-Number 441) in der Ostsee. Islamic Republic of Iran Navy Ship „Makran“ dient den iranischen Seestreitkräften als Einsatzplattform für Schnell- und Kampfboote. Wobei das ‚Unterstützen von Schnellbooten‘ im Iran nicht mit dem gleichgesetzt werden darf, was hierzulande unter einem Schnellboottender verstanden wird. Bei ihrem Gastspiel in der Ostsee transportierte „Makran“ acht Speedboote als Oberdecksladung. Die kleinen Speedboote verfügen über Raketenwerfer 107 mm. Außerdem gehören die Marschflugkörper ‚Shahid‘ (oder Shahid Abu-Mahdi al-Muhandis in der Langform) mit einer Reichweite von 1.000 Kilometern sowie die Schiff-Schiff-Lenkflugkörper Ghadir (die navalisierte Form des von Lastwagen eingesetzten Land-Schiff-Lenkflugkörpers Ghader) mit über 330 Kilometer Reichweite zum Arsenal der „Makran“. Darüber hinaus kann sie mehrere Hubschraubertypen aufnehmen. Zwei AB 212, zwei ASH-3D ‚Sea King‘ (U-Jagd und SAR), ein RH-53D ‚Sea Stallion‘ sollen von ihrem Hubschrauberdeck eingesetzt werden können. Zusätzlich können von der „Makran“ unbemannte Drohnen eingesetzt werden. IRINS „Makran“ ist das größte Schiff der iranischen Seestreitkräfte.
Iranische Marine - oder Revolutionsgarden-See?
Während augenblicklich offen ist, welche Bewaffnung die „Shahid Mahdavi“, ex „Sarvin“, tragen wird, können zurzeit auch keine Aussagen getroffen werden, zu welcher Organisation sie zugeschlagen wird. Während „Makran“ ein Schiff der iranischen Marine ist, griffen die iranischen Revolutionsgarden-See (IRGC) auf die im November 2020 in Dienst gestellte „Shahid Roudaki“ als Unterstützungsschiff (‚forward base ship‘) zurück. Die „Kharg“, ein 1977 bei der englischen Swan Hunter vom Stapel gelaufener ‚schneller Flottentanker‘ (ein Weiterbau der Royal Fleet Auxiliary ‚fast fleet tankers‘ oder Ol-Klasse der Royal Navy), der ab 1980 für die iranische Marine fuhr, sank im Juni 2021 infolge eines Feuers im Golf von Oman. Insofern könnte „Shahid Mahdavi“ als Ersatzbeschaffung in Betracht kommen. Beobachter berichteten jedoch, dass an der Brücke der „Shahid Mahdavi“ eine Flagge der Revolutionsgarde zu sehen war. Im April 2021 erregte der Fall der MV „Saviz“ internationales Aufsehen, als das als Stützpunkt der Revolutionsgarde geltende und seit Jahren im Roten Meer unter der jemenitischen Küste vor Anker liegende iranische Schiff, angegriffen wurde. Neben ihrer Rolle als Aufklärungseinheit galt die „Saviz“ als Mutterschiff für verdeckte Operationen.
Möglichkeiten für ‚Grauzonen-Operationen‘
Wie dem auch sei, Fakt ist, dass Einheiten wie „Makran“ oder „Shahid Mahdavi“ sich als Mutterschiff in der freien See in der Nähe maßgeblicher Einsatzgebiete stationieren lassen. Sie bieten eine Plattform für dauerhafte maritime Operationen in und außerhalb der iranischen Küstengebiete. Dies schließt humanitäre Einsätze, maritime Sicherheitsmissionen und Pirateriebekämpfung ebenso ein wie asymmetrische Operationen auf See oder von See an Land. Sie eröffnen unkonventionelle Möglichkeiten. Von ihrem Deck aus ist der Einsatz containerisierter oder lastwagengestützter Flugkörpersysteme möglich, insofern muss nicht zwingend von eingerüsteten Waffensystemen ausgegangen werden. Andere Möglichkeiten verdeckter Kriegführung bestehen im Einsatz der an Oberdeck transportierten Speedboote.
Gemäß AP hat die iranische Nachrichtenagentur FARS auf die ersten westlichen Mutmaßungen reagiert und das Schiff als ‚mobile Seestadt‘ beschrieben: Es sei in der Lage, die Sicherheit der iranischen Handelslinien sowie die Rechte der iranischen Seeleute und Fischer auf hoher See zu gewährleisten.
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