The Federal Maritime and Hydrographic Agency plays a key role in ensuring safety in German waters. Divers from the authority search for underwater obstacles in the Elbe.
On the Elbe, between Hamburg and the estuary. A northern German autumn day, the water is grey-brown, sometimes it rains. Large ships pass by, heading for the Hanseatic city or the North Sea. A boat rocks on the waves, "Ruden" is written on the bow. Three hoses in blue, yellow and orange, wound around each other in a spiral, lead from the boat into the depths. They lead down to Tjark Lange. The diver is travelling towards the bottom.
The blue hose is used for breathing. The compressed air flows through it from the cylinders on the "Ruden" down to Lange. The orange-coloured hose enables communication. Thanks to it, Lange's breathing can be heard in the cabin of the "Ruden". And also seine Stimme, ein bisschen blechern, als er verkündet: „Taucher auf Grund“. In den nächsten Minuten wird der 35-jährige Schleswig-Holsteiner in rund 20 Metern Tiefe auf dem Grund der Elbe entlangtauchen und nach unbekannten Gegenständen tasten. Tasten, weil er trotz zweier Lampen am Helm fast blind ist. Die Sicht im trüben Fluss reicht nur wenige Zentimeter. Er hält dabei eine Leine fest, die ihn mit dem Ankergewicht der „Ruden“ verbindet. Dadurch gewinnt er Orientierung. Lange wird mithilfe des gelben Schlauches die Tiefe loten und das, was er dort unten findet, zu identifizieren versuchen. Das sind seine Aufgaben als Wracktaucher von der „Atair“.
Derweil ankert die „Atair“ einige Steinwürfe entfernt. Sie ist das Mutterschiff der „Ruden“. 75 Meter lang und mit moderner Technik ausgerüstet, führt die „Atair“ den Bundesadler. Sie ist ein über 110 Millionen Euro teures amtliches Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff, das größte Deutschlands.
Ihr Kapitän ist Ulrich Klüber, der in Hemd und Pulli statt Uniform das Kommando führt. In den Tagen rund um den Einsatz von Tjark Lange in der Elbe erklärt Klüber in seiner ruhigen und genauen Art, was die „Atair“ und ihre fast 20-köpfige Besatzung tun. Er erklärt es auf der Brücke, wo Seekarten, Monitore und große Scheiben einen Überblick bieten.
„Die ‚Atair‘ ist im Moment in der Wracksuche eingesetzt“, sagt Klüber. Was für Wracks, geht es um versunkene Piratenschiffe mit Goldschatz? Nein, Gold hat die „Atair“ noch nicht gefunden, räumt Klüber ein. Aber die ältesten Wracks seien „teilweise alte Segelschiffe“, „kann durchaus was aus dem Mittelalter sein“. Da gibt es Fälle, der Kapitän erinnert sich an einen Fund mit gedrechselter hölzerner Reling, „wo man tatsächlich dann die Phantasie schweifen lassen kann“. Zweieinhalbtausend Wracks und andere Unterwasserhindernisse verzeichne die Datenbank des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), dessen Flaggschiff die „Atair“ bildet.
Die Schiffe können jüngeren Datums sein oder sogar Jahrhunderte im Sediment gesteckt haben und durch die Dynamik des Wassers wieder herauskommen. Es sei die Problematik in Tidengewässern wie der deutschen Nordseeküste, „dass Objekte versanden und wieder freigespült werden“, so Klüber.
Auch einzelne Schiffsteile wie Anker oder Ladung hilft die „Atair“ aufspüren. Zum Beispiel Container, die der Riesenfrachter „MSC Zoe“ Anfang 2019 bei einer spektakulären Havarie in der Nordsee verloren hatte.
Hat das Schiff etwas entdeckt oder ein bekanntes Unterwasserhindernis überprüft, kann die amtliche Seekarte aktualisiert werden. Darauf wird an der entsprechenden Position eine Abkürzung für „Wrack“ oder sonstiges „Hindernis“ samt der geringsten Tiefe vermerkt. So können andere Schiffe falls nötig einen Bogen darum machen, damit sie das Wrack nicht touchieren, dort nicht ankern oder ihr Fischernetz zerreißen lassen. Ist das Hindernis zu gefährlich, kann es auch geborgen werden.
Um Wracks, Container und Co. aufzuspüren, ist die „Atair“ gerüstet. Sie besitzt zwei Arten Lote und ein Seitensichtsonar. Die Geräte senden akustische Signale aus und fangen sie auf. Daraus werden Bilder erzeugt, die bei der Wracksuche auf Monitoren der Brücke aufscheinen. Zum Beispiel eines, das eine von orange bis rostrot leuchtende Unterwasserlandschaft zeigt, mit einem Gittermuster überzogen. „Wir fahren jetzt auf die rote Linie drauf“, bemerkt Klüber, als sich die „Atair“ der verdächtigen Stelle in der Elbe an der Oste-Mündung nähert.
Das Schiff ist mit um die fünf Knoten unterwegs. Je langsamer, desto besser die Unterwasser-Bilder. Klüber hat wie andere Besatzungsmitglieder eine doppelte Ausbildung. Er besitzt nicht nur das Kapitänspatent, sondern auch einen Abschluss als Vermessungsingenieur und kann so die Bilder deuten. Teilweise sieht man Steine und Sandriffel, urteilt er, dann wird er fündig: „Da ist was.“ Was es ist, bleibt unklar, auch nachdem die „Atair“ gewendet und das längliche hügelige Etwas erneut angesteuert hat. „Man kann nicht immer von einer Schiffsform vom Wrack ausgehen, es können auch einzelne Trümmerteile sein“, erläutert Klüber.
Inzwischen ist Tjark Lange auf die Brücke gekommen. Der Mann mit dem rötlichen Vollbart kommt aus Krempdorf im Kreis Steinburg und hat seine Taucher-Ausbildung beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Stuttgart gemacht und zunächst auf dem Neckar gearbeitet. Zur Tauchercrew gehören noch Martin Sulanke (61) aus Bad Schwartau, der schon 36 Jahre Berufstaucher ist, und Jan Lütjen aus Stade; der 46-jährige Lütjen ist früher als Sperrwaffenmechaniker der Marine zur See gefahren (Stützpunkt Olpenitz). Lange bespricht sich mit dem Kapitän: Der Taucher soll dem Fund auf den Grund gehen. Vielleicht kann er erkennen, worum es sich handelt. Und die höchste Stelle loten. Wenn das zum Beispiel ein dünner Mast wäre, könnten ihn die modernen Geräte gleichsam übersehen haben.
Daher steigt Lange am Nachmittag vom Beiboot „Ruden“ zum Elbgrund hinab. Durch die farbigen Schläuche für Luft, Kommunikation und Lotung bleibt er mit der Oberwelt verbunden. „Taucher auf Grund“, sagt er schließlich.
In den nächsten Minuten dringen neben den Atemgeräuschen Angaben und Eindrucke nach oben: „Sandiger Untergrund“, „ah, ich hab was…“, „hier kommt noch was Größeres“, „das ist das Teil, was wir gesucht haben“, „fühlt sich nach einem Schiff an“.
Oben antwortet ihm Sulanke. An mehreren Stellen verabreden sie zu loten. Dafür schickt ein weiterer Seemann Luft durch den Schlauch runter, dessen Ende Lange in der Hand hat. Anhand des Druckes lässt sich die Tiefe ermitteln. „Ja, Luft kommt“, bestätigt der Taucher.
Schließlich ist Lange wieder oben auf der „Ruden“. Der Regen hat aufgehört, trotzdem wirkt sein weißblondes Haar feucht. Warm sei das Wasser gewesen, stellt er fest. Das Neopren des Anzugs ist rund einen halben Zentimeter dick und die Ausrüstung schwer. Mittlerweile hat er den Helm abgelegt, kann in der Herbstluft durchatmen. Es ist wieder alles gutgegangen. Falls nicht: Lütjen, der jetzt mit Lange rumalbert und ihm für ein Foto den Arm auf die Schulter legt, hatte sich in fast fertiger Montur bereitgehalten. Um abzutauchen, wenn Lange etwas passiert. Man müsse sich zu 100 Prozent auf die Kollegen verlassen können, urteilt Lütjen bei anderer Gelegenheit, „und das kann man auch“. Für heute aber ist der Auftrag der Wracktaucher von der „Atair“ erledigt.
Später wird ein Bericht geschrieben. Der Kapitän gibt für die untersuchte Stelle als geringste Tiefe 16,43 Meter an. Der Form nach könnte es sich um die Überreste eines hölzernen Schiffes handeln, heißt es im Bericht. Aber womit genau es die Wracksucher von der „Atair“ zu tun hatten, bleibt an diesem Herbsttag im trüben Elbwasser verborgen.
Phillipp Steiner