Der Feiertag der letzten Woche mit der Taufe zweier U-Boote und der Gegenwart zweier Regierungschefs auf dem Werftgelände endete für den Kieler U-Bootbauer tkMS – thyssenkrupp Marine Systems – mit einem Schuss Wehmut. Nach vom Handelsblatt veröffentlichten Informationen ist das Management mit Finanzinvestoren über mögliche Beteiligungen im Gespräch. Dies könnte auf eine Verselbständigung von tkMS hindeuten. Das Handelsblatt zeichnet den Weg zu einer Auslösung aus dem Konzern Thyssen-Krupp mit einem Börsengang über den Erwerb einer Minderheitsposition durch einen Investor. Kandidaten könnten dem Handelsblatt zufolge die europäischen Investoren CVC und Triton sowie KKR und Carlyle aus den USA sein. Die Wirtschafts- und Finanzzeitung sieht noch keine Annäherung in der Taxierung des U-Bootbauers. In Finanzkreisen werte man tkMS mit einer Milliarde Euro, wobei der Essener Mutterkonzern von zwei Milliarden Euro ausgehe.
Für den seit Mai 2022 im Chefsessel von tkMS sitzenden Oliver Burkhard, der auch Mitglied des Vorstands der thyssenkrupp AG ist, sind ein Teilverkauf an Finanzinvestoren und der anschließende Börsengang nicht die einzige Option. In früheren Einlassungen hatte er den Zusammenschluss mit anderen Schiffbauern nicht ausgeschlagen. Mitte 2020 wurden Gespräche zwischen thyssenkrupp Marine Systems und Fincantieri über einen möglichen Zusammenschluss verzeichnet. Abstimmungen der damaligen Lürssen Werft, German Naval Yards Kiel und tkMS zur Schaffung eines deutschen Kriegsschiffbauverbundes verliefen im Sande. Aus der Initiative verblieb einzig eine Absichtserklärung der Bremer Lürssen Werft und German Naval Yards Kiel vom Mai 2020, ihre Marinesparten zusammenführen zu wollen.
Gut aufgestellt
Mit seiner Doppelrolle, aus der er die Weiterentwicklung von tkMS strategisch in einer Hand fahren kann, sieht Burkhard die Werftensparte in einer starken Position. Eine von ihm initiierte Führungskräftekonferenz bei thyssenkrupp Marine Systems beschäftigte sich mit „Road 2 Independence“ und „Zusammen.Wachsen.“
Auch wirtschaftlich ist es gut um den U-Bootbauer bestellt. Bis mindestens 2034 sollte die Werft ausgelastet sein. Sechs U-Boote aus dem norwegisch-deutschen Kooperationsprojekt U212CD stehen in den Auftragsbüchern. Im Januar 2022 einigte sich tkMS mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf die Rahmenbedingungen für den Kauf von drei U-Booten der "Dakar"-Klasse als drittem Los der "Dolphin"-Boote.
Kürzlich wurde die insolvente MV Werft in Wismar übernommen. Die Kieler hatten zunächst auf eine Erweiterung der Produktionskapazität gesetzt in der Hoffnung, dass aus dem Sondervermögen Bundeswehr weitere U-Boot-Aufträge generiert werden können. Dies ist kurz- und mittelfristig erst einmal nicht absehbar. Dennoch erschließt sich tkMS auf diese Weise Optionen, da neben den Neubauvorhaben auch Wartungs- und Instandsetzungsaufträge der Bestandsflotte berücksichtigt werden müssen. Bundeskanzler Olaf Scholz anerkannte in seiner Ansprache zur Taufe der singapurischen U-Boote „Impeccable“ und „Illustrious“ am 13. Dezember 2022 das Engagement von thyssenkrupp Marine Systems, seine Fertigung in Deutschland auszubauen und „ab 2024 auch am Standort Wismar in die Produktion einsteigen" zu wollen.
Déjà-vu
Wenn es so käme, wäre die Entwicklung nicht überraschend. Über die weiter oben erwähnten Fusionsüberlegungen hinaus, unternahm die Essener Zentrale von thyssenkrupp bereits 2020 derartige Vorstöße. Die Taxonomie der EU, die die "nicht-grüne" Industrie ins Abseits stellt, und ihre Auswirkungen auf die Finanzierung von Rüstungsvorhaben brachten die Konzernführung in Essen nahe an eine Veräußerung der Kieler Tochter. Auf der Jahreshauptversammlung im Februar 2022 kündigte die Vorstandsvorsitzende Martina Merz an, sich von der Marinesparte trennen zu wollen. Mit dem Wechsel von Oliver Burkhard nach Kiel änderte sich der Kurs.
Für Kenner ist die bekannt gewordene Absicht des Einstiegs eines Finanzinvestors ein Déjà-vu. 2002 veräußerte die Babcock AG die Mehrheit an der HDW an den amerikanischen Finanzinvestor One Equity Partners (OEP). Unter Einwirken der damaligen Bundesregierung konnte der Rückkauf der Anteile erfolgen und die HDW mit ThyssenKrupp fusionieren. Im Januar 2005 wurde HDW eine Tochter der thyssenkrupp Marine Systems AG. Seit Dezember 2012 firmiert das Konstrukt als tkMS GmbH.
Anfang 2017 wurde Atlas Elektronik gänzlich in den thyssenkrupp-Konzern integriert. Zuvor hielten die Essener 51 Prozent. Im Oktober des gleichen Jahres gründete die tkMS-Tochter Atlas Elektronik mit der norwegischen Kongsberg ein Joint Venture, kta naval systems. Die Hälfte der Anteile des Gemeinschaftsunternehmens werden jeweils von beiden Mutterhäusern gehalten.
Mit dem italienischen Schiffbauer Fincantieri kooperiert tkMS im U-Bootbau. Im Dezember 2020 traf thyssenkrupp Marine Systems mit dem Triester Schiffbauer eine Übereinkunft für den Lizenzbau zweier U-Boote der Klasse U212A für die italienische Marine. Zwischen 2006 und 2017 hat Fincantieri bereits vier Boote der Klasse U212A mit Unterstützung von thyssenkrupp Marine Systems an die Marina Militare geliefert. Nun kommen zwei U-Booten der neuen Generation hinzu.
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