Bereits am Montagabend vermerkte das Nord Stream 1-Kontrollzentrum einen Druckabfall an beiden Strängen der Gaspipeline. Ebenfalls am Montag, 26. September, veröffentlichte die dänische Energieagentur in einem Communiqué, sie habe ein Leck in der Nord Stream 2-Pipeline im dänischen Teil der Ostsee entdeckt.
In der täglichen Pressekonferenz der EU-Kommission in Brüssel wurde von insgesamt drei Lecks berichtet. Beide Pipelines sind doppelsträngig ausgeführt. Übereinstimmenden dänischen und schwedischen Informationen zufolge befinden sich zwei Leckagen in der Versorgungsleitung Nord Stream 1 nordöstlich der Insel Bornholm im Grenzbereich der beiden nationalen Wirtschaftszonen. Das Leck an Nord Stream 2 befindet sich südöstlich von Dueodde auf Bornholm.
Obwohl Nord Stream 1 (2012 in Betrieb genommen, Kapazität von 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr) zur Zeit kein Gas durchsetzt und Nord Stream 2 noch nicht in Betrieb war (Baufertigstellung September 2021, 11 Mrd. Dollar), sind beide Pipelines auch in diesem Zustand bis zur Anlandungsstation in Lubmin mit Gas gefüllt.
Dort, wo derzeit unkontrolliert Gas aus den Pipelines austritt, hatte das schwedische Nationale Seismische Netzwerk zuvor zwei Ereignisse mit "massiven Energiefreisetzungen" aufgezeichnet. Ein Seismologe der Universität Uppsala äußerte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP gegenüber, die Ursache "kann nur eine Explosion sein". Die erste dieser Explosionen ereignete sich demnach in der Nacht zum Montag um 02.04 Uhr früh südöstlich von Bornholm (Nord Stream 2), die zweite um 19.04 Uhr am Montagabend (Nord Stream 1).
Das dänische Verteidigungsministerium ließ die Gebiete mit F16 und einem SAR-Hubschrauber aufklären. Die dänische Fregatte „Absalon“ (F341), das Umweltkontrollschiff „Gunnar Thorson“ (A560) sowie die Korvette „Rota“ (P525) wurden zu Patrouillen zu den Unfallstellen entsandt. Die Schifffahrtsbehörden der beiden Länder gaben Navigationswarnungen heraus und richteten Sperrzonen ein. Laut dem dänischen Verteidigungsministerium verursacht das größte der Gaslecks an der Meeresoberfläche Turbulenzen von einem Kilometer Durchmesser.
Ein Video auf der Internetseite des dänischen Verteidigungsministeriums zeigt die im Wasser aufsteigenden Gasblasen https://www.forsvaret.dk/en/news/2022/gas-leak-in-the-baltic-sea/ .
Die dänische Energieagentur hat den nationalen Energie-Infrastrukturbetreiber aufgefordert, die Alarmstufe für den Gas- und Stromsektor auf Orange, die zweithöchste Stufe, zu erhöhen. „Brüche von Gaspipelines kommen äußerst selten vor, und wir sehen daher die Notwendigkeit, die Alarmstufe aufgrund der Ereignisse der letzten Tage zu erhöhen“, sagte der Direktor der dänischen Energieagentur, Kristoffer Böttzauw.
Ohne Vorliegen weiterer Erkenntnisse bleiben die Ursachen für die Leckagen jedoch weiterhin unklar.
Spekulationen
Angesichts des fast zeitgleichen Auftretens und der Ausmaße der Störungen wird über Sabotage spekuliert. Ein Sprecher der Europäischen Kommission übte sich während des täglichen Pressebriefings am Dienstagmittag, 27. September, noch in Zurückhaltung: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es sehr verfrüht, über die Ursachen zu spekulieren. Wie ich bereits sagte, sind wir von den betroffenen Mitgliedstaaten informiert worden, und die Mitgliedstaaten untersuchen diese Angelegenheit. Wir werden in engem Kontakt mit ihnen bleiben." Tagesschau zitiert in ihrem Online-Auftritt den polnischen Stellvertretenden Außenminister Marcin Prydacz mit seinem Verdacht einer russischen Provokation. „Leider verfolgt unser östlicher Nachbar ständig eine aggressive Politik. Wenn er zu einer aggressiven militärischen Politik in der Ukraine fähig ist, ist es offensichtlich, dass keine Provokationen ausgeschlossen werden können, auch nicht in den Abschnitten, die in Westeuropa liegen.“
Russland spricht seinerseits von Sabotage. Kremlsprecher Dmitri Peskow kommentierte am 27. September: „Wir können im Moment keine Möglichkeit ausschließen. Offensichtlich ist die Leitung in irgendeiner Weise zerstört worden. Bevor die Ergebnisse der Untersuchung nicht vorliegen, ist es unmöglich, irgendeine Möglichkeit auszuschließen.“
Am Dienstagabend (27. September) verdichten sich die Informationen, dass die Leitungen gezielt sabotiert wurden. Als möglicher Verdächtiger steht Russland als Elefant im Raum. Moskau, dem vorgeworfen wird, Energie als Waffe einzusetzen, könnte mit dem Anschlag versucht haben, die Energiekrise in Europa zu verschärfen. Russische Blogger bezichtigen zum einen die USA, die mit einem derartigen Eingriff ihre wirtschaftliche Position festigen könnte. Auch die Ukraine wird bemüht. Sie könnte mit gezielten Beschädigungen darauf hinwirken, dass russisches Gas nur noch über Pipelines in der Ukraine oder Polen in die EU geliefert werden kann.
Russland im Verdacht
Sollte ein staatlicher Akteur hinter dem Anschlag stehen, so käme Russland durchaus in Frage. In der „Welt“ warnte jüngst der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan C. Kaack, vor möglichen Bedrohungen gegen maritime Infrastruktur. „Sie dürfen nicht nur auf das Wasser gucken. Auch unter Wasser hat Russland erhebliche Kapazitäten aufgebaut. Auf dem Grund der Ostsee, aber auch im Atlantik gibt es einiges an kritischer Infrastruktur wie Pipelines oder Unterseekabel für IT.“
Die russische Marine experimentiert schon seit mehreren Jahren mit kleineren autonomen Unterwasserfahrzeugen, die von Überwassereinheiten verbracht oder von U-Booten huckepack genommen werden können. Dazu gehört ‚Klavesin 2P-PM‘ (englische Bezeichnung Harpsichord 2P-PM), dessen erste Version 2010/11 bekannt wurde. Das 6,5 Meter lange, 3,7 Tonnen schwere Tauchgerät soll Tauchtiefen bis zu 6.000 Metern erreichen können. Seine Autonomie wird vom Hersteller Rubin mit 150 Kilometern beziffert.
Ökonomische und ökologische Konsequenzen
Wegen des russischen Lieferstopps ist es für die Gasversorgung in der EU irrelevant, dass nun die beiden wichtigen Pipelines ungeplant ausfallen. Ob nun Verursacher oder nicht – der russische Staat könnte vom Anstieg des Gaspreises infolge der Schäden an den Pipelines profitieren, vermutlich aber nur kurzfristig. Reuters meldet für Oktoberterminkontrakte ein Plus von 11 Euro (ca. 6,4 Prozent) pro Megawattstunde, für November ein Plus von 13,85 Euro auf 203,10 Euro pro Megawattstunde. Im August erreichte die Megawattstunde Gas ihren bisherigen Höchststand von 346 Euro.
Über den ökonomischen Schaden hinaus sind die ökologischen Konsequenzen bedenklich. Es besteht Brand- und Explosionsgefahr durch an die Luft gelangtes Gas und der Giftigkeit von im Gas enthaltenem Schwefelwasserstoff. Daher auch die Sperrzonen.
Nach der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe wird Methan, Hauptbestandteil von Erdgas, für rund ein Drittel der globalen Erderwärmung seit vorindustrieller Zeit verantwortlich gemacht. Es gilt somit als zweitwichtigstes Treibhausgas, mit einem vielfach höheren Erderwärmungspotenzial als Kohlendioxid.
Zufällige Koinzidenz?
Der Vorfall ereignete sich am Vorabend der Einweihung der Baltic Pipe. Über diese Gasleitung mit einer Kapazität von jährlich zehn Milliarden Kubikmetern, was etwa 15 Prozent des heimischen Bedarfs entspricht, will Polen Erdgas aus Norwegen importieren.
„Vielleicht hat die Us – Marine ja gesehen, wer den Schaden an NordStream 1 und 2 verursacht haben könnte.“
Habe noch mal die Aussagen Bidens beim Antritts-Besuch von Scholz im
Februar nachgelesen:
https://www.merkur.de/politik/ukraine-scholz-usa-biden-konflikt-russland-washington-kanzler-deutschland-putin-news-zr-91285339.html
„Bei einem Einmarsch von Russland in die Ukraine wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“
Aussage von Putin:
„Wir bauen nichts umsonst“
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/putin-rede-143.html
Jens
Die Us – Marine hat mit einem Hubschrauberträger und anderen Großkampfschiffen vor Bornholm im Schadenszeitraum operiert. Hubschrauber sind auch aufgestiegen (flightradar)- Das System wurde nach einiger Zeit abgeschaltet.
Vielleicht hat die Us – Marine ja gesehen, wer den Schaden an NordStream 1 und 2 verursacht haben könnte.
Auffällig ist der zeitliche Zusammenhang der Äußerung von Inspekteur Kaack, die Eröffnung der Baltic Pipe und den Lecks an N1 und N2. Die schnelle Schuldzuweisung aus Polen an Russland ist mit Vorsicht zu genießen. Es gibt Akteure bei dieser Angelegenheit, die mehr von diesem „Vorfall“ profitieren. Die Osteuropäer und die USA, die schon immer dagegen waren, aus wirtschaftlichen Gründen und offiziell wegen unserer Abhängigkeit. Die Ukrainer, die Russland schaden wollen und selbst unsere Regierung, da verstärkt bei den Demos die Inbetriebnahme von N1 gefordert wird. Die Russen auch, um Verwirrung zu stiften und gnau dieses „Ratespiel“ zu provozieren. Alles ohne Schuldzuweisung, nur meine Gedankengänge.
Der Inspekteur der Marine hat es ausgesprochen, was für Insider nicht erst seit einigen Jahren sondern seit etlichen Jahrzehnten bekannt war – auf dem „Kriegsschauplatz“ unter Wasser ist eine Menge los – bemannt wie unbemannt. Zu Zeiten des Kalten Krieges haben West wie Ost diese Fähigkeiten der verdeckten Kriegsführung aufgebaut. Ich kann mich noch daran erinnern, dass es entsprechende Meldungen über auf Manipulation zurückzuführende Störungen der kritischen Infrastruktur gegeben hat und man dann begann, nach entsprechenden Schutzmaßnahmen zu suchen. Nun ist diese Art der Möglichkeit des Handelns auch in der Ostsee vor unserer Haustür offensichtlich geworden.
Die Beschädigungen an einer Kreuzung Nord-Stream 1 und 2 sowie der Baltic Pipe sind m.E. ein mehr als deutlicher gezielter Hinweis auf militärischer Fähigkeiten. Mit einer Beschädigung von Baltic Pipe nach Polen wäre die Energieversorgung nach Osteuropa sicher erheblich eingeschränkt. Eine Sache, die mich bewegt ist die völkerrechtliche Einordnung und Bewertung dieses sehr ernsten Vorfalls. Möglicherweise gibt es ja einen Leser, der sich dieses Themas annimmt.