Vergangenes Jahr hat sich die europäische Energiepolitik wegen des Russland-Ukraine Krieges und der infolgedessen verhängten europäischen und amerikanischen Sanktionen gegen russische Exporte deutlich verändert - es bahnt sich ein neues Energiezeitalter an. Die westliche Politik festgelegter Obergrenzen für die Lieferungen energetischer Rohstoffe aus Russland wird nicht nur den globalen Ölmarkt aufsplitten: Einerseits liefert Russland nun den größten Teil seiner Energie nach Indien und China - andererseits wird die Energielücke in Europa durch Lieferungen aus den USA, dem Nahen Osten und aus Afrika zu schließen sein.
Fragen zur Zukunft
Offen bleiben weiterhin die grundlegenden Fragen nach der tatsächlichen Entwicklung des Energiemarktes in den kommenden Monaten und Jahren, und nach der Funktionssicherheit und den langfristigen Auswirkungen der Sanktionen auf die Preisentwicklung diverser Energieformen. Damit Europa seine Abhängigkeit von russischen Energieimporten zügig verringern kann, ist jetzt die Suche nach neuen Quellen unerlässlich.
Erste Antworten
In der Financial Times sagte Claudio Descalzi, CEO von Eni (Öl- und Gasmulti, Italien), dass die EU endlich Afrika als neue Energiequelle ins Auge fassen sollte. Besser als sich auf den US-Markt zu verlassen sei die Option einer europäisch-afrikanischen Zusammenarbeit in Energiefragen. Dort verfüge man über die Stoffe, die wir für unsere Energie bräuchten. "Afrika bietet das Potenzial für eine neue Süd-Nord-Achse, die die reichlich vorhandenen erneuerbaren Energien und fossilen Brennstoffe des Kontinents mit den energiehungrigen Märkten Europas verbindet." In Anbetracht des erkennbaren Wandels hat Eni im vergangenen Jahr sein Augenmerk verstärkt auf die afrikanischen Energieressourcen gerichtet. Als die italienische Regierung versuchte, mehr als 20 Milliarden Kubikmeter Gas zu ersetzen, die sie zuvor aus Russland importiert hatte, wandte sich Eni schnell an seine afrikanischen Partner, um zusätzliche Angebote zu erhalten.
Afrikas Energieländer
Algerien hat stark vom aufkommenden Süd-Nord-Energiehandel profitiert. Im April traf Eni eine Vereinbarung, die ein Erhöhen der algerischen Gaslieferungen nach Italien über die Trans-Mediterranean-Pipeline um drei Milliarden Kubikmeter pro Jahr und auf neun Milliarden Kubikmeter bis 2024 vorsieht.
Mosambik ist ebenfalls bereit, die Früchte einer afrikanisch-europäischen Energiehandelspartnerschaft zu ernten: Vor kurzem exportierte Mosambik über das von Eni betriebene Terminal seine erste LNG-Lieferung nach Europa (siehe Foto).
Auch Egypt and the Elfenbeinküste steigern ihre LNG-Exporte nach Europa. Allein die ägyptischen Flüssiggaslieferungen stiegen in 2022 auf über acht Millionen Tonnen (etwa 4 Milliarden Kubikmeter), 90 Prozent dieser LNG-Exporte waren für Europa bestimmt.
Zwei Schlüsselelemente
Zum einen mahnte Descalzi richtigerweise an, dass ausländische Ölfirmen und Energiekonzerne unbedingt einen Mehrwert für die lokale Bevölkerung schaffen müssten. Nur auf diese Weise könne eine Energieallianz zwischen Süd und Nord auf Dauer eine solide Perspektive bieten und darüber eine breite Akzeptanz finden.
Zum anderen wird die Verlagerung der Energielieferungen von terrestrischen Ost-West-Pipelines auf Schiffstransporte rund um Afrika und unterseeische Süd-Nord-Pipelines die Marinen der westlichen Welt deutlich mehr in Anspruch nehmen - Transporte und Infrastruktur dürfen den bekannten und neu erkannten Bedrohungen nicht ohne koordinierten Schutz ausgeliefert bleiben.
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