General Eberhard Zorn stellt Truppe auf tiefgreifende Veränderungen ein
Er sieht angesichts des rücksichtslosen Angriffskriegs des russischen Präsidenten Wladimir Putin gegen die Ukraine eine neue Realität. Seine Prioritäten setzt Zorn neu: weniger Corona Amtshilfe, mehr Verstärkung der NATO-Ostflanke und Besinnung auf den sogenannten „Grundbetrieb“ wie Munitionsdepots, Sanitäts-, Logistik- und Führungseinrichtungen. Die Soldaten würden mehr in der Landes- und Bündnisverteidigung gebraucht.
In einem Interview im "heute journal" am Montag äußerte sich Zorn zu den Aussagen Putins über die Atomstreitkräfte. Er halte diese für relevant, aber nicht unmittelbar besorgniserregend. "Wir nehmen diese Aussage ernst", sagte er im ZDF. "Wir verfolgen natürlich mit unseren Mitteln, was sich da gerade tut." Dazu gebe es auch engen Austausch innerhalb der NATO. "Ich kann aber noch nirgendwo erkennen, dass in irgendeiner Form tatsächlich Alarmierungsmaßnahmen umgesetzt wurden und wir von einer konkreten Bedrohung in der Praxis ausgehen müssen", betonte Zorn.
Lesen Sie den Tagesbefehl in vollem Wortlaut:
Soldatinnen und Soldaten, zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Reservistinnen und Reservisten!
Wir leben in Zeiten des weltpolitischen Umbruchs. Der rücksichtslose Angriffskrieg des russischen Präsidenten gegen die Ukraine hat eine neue Realität geschaffen, die unsere Gesellschaft und auch die Bundeswehr tiefgreifend verändern wird.
In herausragender Geschlossenheit hat die transatlantische Wertegemeinschaft auf diesen eklatanten Bruch des Völkerrechts reagiert. Die Alliierten der NATO haben dem Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte in Europa die notwendige Handlungsfreiheit gewährt, auf die beispiellose russische Aggression zu reagieren. Die EU hat weitreichende Sanktionen verabschiedet, die im Kern auf das russische Finanzsystem zielen.
Neben der Aktivierung der regionalen Verteidigungspläne entlang der Ostflanke wurde insbesondere die Verlegebereitschaft für die NATO Response Force (NRFNATO Response Force) erheblich verkürzt. Erste Einheiten werden in Kürze verlegen. Auch unsere Einheiten der NRFNATO Response Force sind darauf eingestellt, die Ostflanke zu verstärken.
In Litauen haben wir unsere Enhanced Forward Presence Battlegroup um rund 350 Soldatinnen und Soldaten verstärkt. In Rumänien haben wir unser Engagement verdoppelt und verlängert. Wir setzen dort jetzt sechs Eurofighter in the Air Policing South ein. Den ständigen maritimen Einsatzverband der NATO in der Ostsee haben wir um eine Korvette verstärkt. Mit einem Flottendienstboot, dem Einsatz von Tornado Aufklärungsjets und P3C-Orion Seefernaufklärern sowie einem Minenjagdboot werden wir zur Verdichtung des Lagebildes beitragen.
Darüber hinaus wird sich Deutschland mit Infanterie- und Luftverteidigungskräften aktiv am Aufbau eines zusätzlichen Kampfverbandes in der Slowakei beteiligen. Wir prüfen zudem Maßnahmen zum Schutz des polnischen Luftraums und zusätzliche Verstärkungen der Kräfte in Litauen mit leichten Luftverteidigungs- und Marineinfanteriekräften.
Alle Kräfte werden verstärkt und unterstützt durch Truppenteile der Streitkräftebasis, des Sanitätsdienstes und des Cyber- und Informationsraums.
Von besonderer Bedeutung ist in dieser angespannten Lage der Grundbetrieb. Munitionsdepots, Sanitäts-, Logistik- und Führungseinrichtungen, Lagezentren und viele andere unterstützen bei der kurzfristigen Umsetzung all dieser umfassenden Maßnahmen. Deutschland als „Drehscheibe“ für Marschbewegungen unserer Bündnispartner bindet insbesondere die territoriale Organisation, unsere zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unsere Reservistinnen und Reservisten.
Unser Kontingent in der Amtshilfe Corona werden wir deshalb deutlich reduzieren. Diese Soldatinnen und Soldaten werden im Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung gebraucht. Durch die Pandemie entstandene Ausbildungslücken sind unverzüglich zu schließen.
Die mandatierten Auslandseinsätze gehen weiter und ich bestärke alle Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, Ihren Auftrag weiter in der gewohnten Professionalität fortzuführen.
In der Summe stelle ich fest, dass die Bundeswehr in allen Dimensionen schnell zusätzliche Kräfte zur Abschreckung an der Ostflanke bereitgestellt hat und bei Bedarf weiter bereitstellen wird. Dadurch senden wir ein deutliches Signal der unerschütterlichen Bündnissolidarität an unsere NATO-Partner, aber auch und gerade an Russland.
Nach dem Beschluss der Bundesregierung vom Wochenende werden wir die Streitkräfte der Ukraine nicht nur mit militärischer Ausrüstung, sondern auch mit Waffen unterstützen.
Seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim im Jahr 2014 haben wir die Bundeswehr auf den Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet. In einem richtungsweisenden und historischen Schritt hat der Bundeskanzler am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag ein umfangreiches Finanzierungspaket verkündet, bestehend aus einem Sondervermögen von einmalig 100 Milliarden Euro sowie der Aufstockung des Verteidigungshaushalts auf kontinuierlich über zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Damit wird die Grundvoraussetzung dafür geschaffen, dass die Bundeswehr ihren Auftrag und ihre Aufgaben erfüllen kann und die gesicherte Bereitstellung der erforderlichen Fähigkeiten in der gesamten Bandbreite militärischer Verpflichtungen ermöglicht wird. So werden wir auch den Zusagen gegenüber unseren Partnern und Alliierten in der EU und in der NATO wie auch den Erwartungen an Deutschland als Führungsnation absehbar gerecht.
Rückgrat der Bundeswehr müssen wieder vollausgestattete, aus dem Stand projektionsfähige Streitkräfte sein, die zur hochintensiven Gefechtsführung im Rahmen von NATO und EU befähigt sind. Geld ist dabei aber nicht alles. Gleichzeitig müssen wir bürokratische Hürden abbauen, Strukturen modernisieren und Maßnahmen ergreifen, die die Einsatzbereitschaft der Truppe in der Fläche schnell und sichtbar erhöhen. Dazu zählt auch, die entsprechenden Führungsverfahren und -prozesse effektiv, standardisiert und national wie multinational interoperabel auszugestalten.
Auf die Frauen und Männer der Bundeswehr ist Verlass, ohne Wenn und Aber. Wir haben unsere Leistungsfähigkeit und Bündnissolidarität in den vergangenen Tagen und Wochen eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Das ist vor allem Ihrem beherzten Engagement zu verdanken. Sie legen in beispielgebender Art und Weise genau das Mindset an den Tag, das wir im Angesicht des Krieges in Europa brauchen. Ich habe großen Respekt vor dieser Leistung und danke Ihnen für Ihren Einsatz!
Meine Gedanken sind in diesem Moment auch bei der Bevölkerung der Ukraine und bei den ukrainischen Streitkräften, die unter der Führung ihrer mutigen Regierung nicht nur für die demokratische und freie Zukunft ihres Landes kämpfen, sondern auch für unsere europäischen Werte.
In dieser schweren Zeit stehen wir zusammen. Jeder und jede von uns zählt im Kampf für den Frieden.
Eberhard Zorn
General
ntv.de, fzö/dpa/AFP/Bundeswehr.de
Danke Herr Schlüter für diesen Service.
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