marineforum auf der SMM

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Hamburg: Die maritime Weltleitmesse ist zurück

Nach vier Jahren auch coronabedingter Präsenz-Pause hatte sich die globale Schiffbauindustrie zu ihrer 30. Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft SMM (Shipbuilding, machinery & marine technology international trade fair) in Hamburg (6. bis 9. September 2022) wieder getroffen. Die SMM stand unter dem Leitmotto “Driving the maritime transition“. Im Fokus standen daher die maritime Energiewende, die digitale Transformation und der Klimawandel. Unter den ca. 2.000 Ausstellern aus 100 Ländern waren allein ca. 800 Unternehmen aus Deutschland sowie ca. 30.000 Besucher auf der SMM vertreten. Schirmherr der Messe war Bundeskanzler Olaf Scholz, der in seiner video-übertragenen Eröffnungsrede die wachsende Bedeutung der maritimen Industrie und Wirtschaft für Deutschland hervorhob. Er begrüßte, dass die SMM ihren Fokus auf klimafreundliche Technologien gelegt hat, denn „jede Innovation im maritimen Sektor nützt der globalen Ökonomie als Ganzes.“ Die Koordinatorin der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus, Claudia Müller, sicherte in ihrer Eröffnungsrede der maritimen Industrie in der Energiewende volle Unterstützung zu. „Deutschlands oberste Priorität ist es derzeit, der Branche Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen zu geben und die Produktion von kohlestoffarmen und kohlestofffreien Kraftstoffen und Technologien auszubauen“. So war erstmalig das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem eigenen Messestand auf der SMM vertreten.

Christian Schmoll und Peter Tramm

Christian Schmoll und Peter Tramm

Maritime Energiewende

Die maritime Wirtschaft und Industrie stecken derzeit mitten in einer umfassenden Umbruchphase. Dabei zielt die maritime Energiewende konkret auf die Abkehr vom Schweröl als dem Einheits-kraftstoff der Schifffahrt. Bis 2050 soll die Schifffahrt klimaneutral werden, um zur Erfüllung der Vorgaben des Pariser Klimaabkommens beitragen zu können, die Erderwärmung um 1,5 Prozent zu begrenzen. Ca. 300 Millionen Tonnen Treibstoff werden von den großen Schiffen der Welt jährlich verbrannt. Das verursacht ca. 2,5 Prozent der weltweiten CO²-Emissionen. Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Aber ein Rundgang durch die 11 Messehallen, die die gesamte komplette Wertschöpfungskette der maritimen Branche abdeckten, hat gezeigt, dass praktisch alle Aussteller bereits auf die Herausforderungen der maritimen Energiewende durch Innovationsfähigkeit reagiert haben. Vor allem bei den großen Unternehmen ging es um Effizienz, Nachhaltigkeit und CO²-freie Kraftstoffe wie Methanol, synthetisches Gas, Wasserstoff oder Ammoniak. U.a. soll mit einem sogenannten Dual-Fuel-Antrieb sichergestellt werden, dass Schiffe von der Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe unabhängig werden. Die entsprechenden Technologien zur Umsetzung der maritimen Energiewende wurden auf der SMM vorgestellt. Dabei sollen z.B. Brennstoffzellen, e-Fuels oder neue Motoren als Innovationstreiber die maritime Branche voranbringen. So will beispielsweise die Reederei Hapag-Lloyd bereits 2045 klimaneutral wirtschaften und die Effizienz der eigenen Container-Flotte steigern. Über 150 Schiffe sollen modernisiert werden und mit Biokraftstoffen fahren, 86 erhalten neue Propeller, 36 eine neue Bugnase, weitere neue Anstriche, um den Treibstoffverbrauch zu senken. Die neuen 35-Tonnen schweren hocheffizienten Propeller reduzieren immerhin den Treibstoffverbrauch und den CO²-Ausstoß eines Containerschiffes um ca. 13 Prozent. Der Motorenhersteller MAN hat seinen ersten mit Methanol oder herkömmlichem Kraftstoff betriebenen Schiffsmotor auf der Messe vorgeführt. Bis 2024 soll ein Motor folgen, der ausschließlich mit Ammoniak arbeitet. Darüber hinaus will MAN über KI-basierte Algorithmen (Künstliche Intelligenz) die Motorleistung voll ausschöpfen. Der Motorenhersteller Rolls-Royce (MTU) zeigte Brennstoffzellenkonzepte, Hybridsysteme und Motoren, die mit E-Methanol laufen sollen. All diese innovativen Technologien reichen jedoch nicht aus, um die Pariser Vorgaben zu erfüllen. Zu dieser Erkenntnis kommt eine auf der Messe präsentierte MAN-Studie. Danach werden die Schiffskapazitäten in den kommenden 30 Jahren um 60 Prozent zulegen. CO²-freie Kraftstoffe würden dabei zunehmend eingesetzt, sodass die Emissionen trotz des Flottenwachstums von 60 Prozent über das folgende Jahrzehnt nur um zehn Prozent steigen werden - danach nehmen sie wieder ab. Doch der Umschwung kommt zu langsam. Die internationale Schifffahrt überzieht ihr CO²-Budget so stark, dass die Null-Emission im Jahr 2050 kaum noch zu erreichen ist. Zwar werden die Emissionen von derzeit ca. 1,2 Milliarden Tonnen CO² auf ca. 400 Millionen Tonnen sinken, aber nicht auf Null. Um das 1,5-Grad-Ziel dennoch zu erreichen, fordert die Studie neben dem Umbau/Umrüstung der bestehenden Flotte, die Schiffbauindustrie durch neue Vorschriften und Regularien zu bewegen, ihre Investitionen in den Verbrauch umweltfreundlicher Kraftstoffe zu lenken. Die globale Herausforderung in der Schiffbaubranche besteht schließlich in der sukzessiven Nachrüstung der aktuell 60.000 Handelsschiffe im Sinne besserer Umwelt- und Klimaverträglichkeit.

Nils Rehbock und Holger Schlüter

Maritime Security and Defence (MS & D)

Auch auf der 30. SMM hat an zwei Tagen wieder die internationale maritime Sicherheitskonferenz MS & D stattgefunden. Die diesjährige Konferenz stand unter dem Leitmotiv “Protecting the seven Seas“. Im Mittelpunkt der Konferenz standen die aktuellen und künftigen Bedrohungen der globalen und regionalen maritimen Sicherheit. Das breite maritime Themenspektrum umfasste konkret den Ukraine-Konflikt, die Cyber-Sicherheit in Operationen der Marine, Konflikte im Indo-Pazifik, Chinas Marinerüstung und das Expansionsstreben u.a. in der Arktis, Afrikas Perspektiven der maritimen Sicherheit, Hafenschutz, Operationen in Küstengewässern (Littoral Operations), DEU MARFOR (German Maritime Forces) bis hin zu Hypersonic-Waffensystemen, neuen Minenjagdeinheiten, unbemannten Überwasserfahrzeugen (USV), Systemen zum Munitionsräumen in Nord- und Ostsee sowie alternative Kraftstoffe für Marineeinheiten.

Outlook

Die 30. SMM konnte ein bemerkenswertes Jubiläum einer maritimen Industriebranche begehen, die zunehmend von Asien dominiert wird. Dass es dennoch gelungen ist, die ganze Schiffbauwelt für vier Tage als “United Nations of Shipbuilding“ nach Hamburg zu holen, ist auch Beleg und Ausdruck einer leistungsfähigen und innovativen Schiffbauindustrie in Deutschland. Sie schafft es immer wieder, ihre Technologieführerschaft u.a. im Rahmen der „maritime Transition“ zu behaupten. Die Weltleitmesse SMM bleibt damit vor allem ein wesentlicher und unentbehrlicher Ort, um über die neuesten Technologie-Entwicklungen in der komplexen Wertschöpfungskette der maritimen Industrie zu informieren und entsprechende Netzwerke aufbauen zu können. Die 30. SMM hat entscheidende Impulse für die Umsetzung der „maritimen Transition“ im Wettlauf gegen die Zeit und den Klimawandel offenbart. Die nächste SMM, die 31. SMM, findet vom 3. bis 6.September 2024 wieder in Hamburg statt.

Autor: Dieter Stockfisch

Fotos: hsc

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