Im Juli konnte die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft ihr 150. Jubiläum feiern. Durch das finanzielle Engagement von Investor Lars Windhorst hoffen die Mitarbeiter auf eine gesicherte Zukunft.
Die jüngsten Zeiten, die hinter der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) liegen, waren von wenig Optimismus geprägt. Im Gegenteil, Krisenstimmung dominierte die letzten Jahre und mehrfach stand das traditionsreiche Unternehmen vor dem Aus. Doch die alte Werft an der Förde schöpft Kraft aus dem Standort vis-à-vis der Marineschule Mürwik, ihrer Lage in Sichtweite eines uralten Hafens und ganz besonders aus ihrem Personal, der seit Langem starken Bindung zu den hier arbeitenden Männern und Frauen und der damit verbundenen Einbettung in die Gesellschaft der Fördestadt. Schließlich schwing auch diese unerschütterlich norddeutsche Mentalität mit, dass man schlechtem Wetter gefälligst mit entsprechender Kleidung zu begegnen hat und dass jammern nicht gilt. Aber immer konnte sich die Werft am Markt behaupten, sich als Spezialist etablieren und die Innovation als Leitbild im Herzen tragen. Zuletzt waren die Flensburger zwar Weltmarktführer für Ro-ro- und Ro-pax-Fähren, aber es waren bewegte Zeiten. Eigner gab es viele: In den Neunzigern war es die Reederei Oldendorff aus Lübeck, später die norwegische Siem-Gruppe. Dieses Auf und Ab führte 2020 in die Insolvenz. Gründe gab es wohl zuhauf. Man kann von Planungsfehlern, Zuliefererproblemen und natürlich auch vom Weltmarkt allgemein sprechen. Seit 2020 ist nun die Tennor Holding des Investors Lars Windhorst Eigentümer.
Nicht nur deshalb feierte die Flensburger Schiffbau-Gesellschaft (FSG) am 2. Juli ihr 150-jähriges Jubiläum. Seit 1872 werden Schiffe gebaut und insgesamt 750 Fracht-, Passagier- und Spezialschiffe von der Förde in die Welt geschickt. Vom Segelschoner über U-Boote, Frachter, Containerschiffe und Ro-ro-Fähren war alles dabei. Für die Marine wurden Flottendienstboote, Rümpfe und Aufbauten von Tendern und Einsatzgruppenversorgern gebaut. Sogar Forschungsschiffe verließen die Hallen am Westufer der Innenförde. Über Jahrzehnte hinweg fand man sich am Ostufer gegenüber der Werft ein, um unter Typhon-Geheul Schiffe ins Wasser gleiten zu sehen: Eine freie Stunde war da für die Pennäler der Schulen am Ostufer schon mal drin – oft auch ohne Wissen der Lehrer.
Manchmal hieß es „Ende“, doch immer fand sich eine Lösung, so wie 2019, als die Tennor Holding von Investor Lars Windhorst einsprang. Als 2020 Insolvenz beantragt wurde, übernahmen mehrere zu Tennor gehörende Gesellschaften die Werft mit den rund 350 Beschäftigten. Der Neustart schien gelungen, nur Aufträge gab es noch nicht. Inzwischen hat sich doch noch viel bewegt, und nach dem kritisch beäugten wirtschaftlichen Neustart kam der Neubau 782 zu Wasser. Der erste Stapellauf am 17. Juni war eine 210 Meter lange Ro-ro-Fähre, die von Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange als Taufpatin auf den Namen MV Tennor Ocean getauft wurde. Auftraggeber ist die IVP Ship Invest, ein Unternehmen der Tennor-Gruppe von Lars Windhorst. Verhandlungen zum Verkauf oder zur Vercharterung der Fähre sind noch nicht abgeschlossen. Das Schiff hat vier Decks, kann auf 4000 Meter länge Lkw-Anhänger aufnehmen, benötigt vergleichsweise wenig Kraftstoff und hat ein modernes Beladungskonzept. Der Typ wurde von der FSG entwickelt und bereits mehrfach gebaut – es ist der Ro-ro-Typ 4100. Im Sommer soll die Inbetriebnahme und im Herbst die die Probefahrt stattfinden. Mittlerweile gibt es wieder externe Aufträge, auch in Zusammenarbeit mit der Werft Nobiskrug in Rendsburg, die ebenfalls von der Gruppe um Windhorst übernommen wurde.
Anfang Juli also fanden sich rund 2000 Gäste auf dem Werftgelände ein. Mitarbeiter, Familien und prominente Besucher hatten die Möglichkeit, sich die Anlagen und Gewerke von Nahem anzuschauen – und auch die neue Tennor Ocean zu besichtigen.
Noch lange kein Ende
Optimismus klang denn auch in den Festreden an. Geschäftsführer Philipp Maracke, Geschäftsführer der Flensburger Schiffbau-Gesellschaft, erinnerte an die Geschichte der Werft, an ihre Tradition, die Höhen und Tiefen und die Stärken. Die letzten Jahre gab es schwere See, aber „es klart sich auf“ betonte er. Für die Zukunft sieht er drei große Chancen für die Werft: erstens die Zusammenarbeit mit Nobiskrug im Yachtbau, zweitens die Innovationskraft bei der Schadstoffreduzierung und drittens den Marineschiffbau. Bei Letzterem spielte er darauf an, dass die Marine vom 100-Milliarden-Paket für die Bundeswehr profitieren wird und Aufträge zu vergeben hat.
Dazu wird man sich auch um den Bau des Forschungsschiffes Polarstern II bewerben. „In der 150-jährigen Geschichte der FSG hat der Bau von Marineschiffen immer eine Rolle gespielt. Die Konstruktion des größten Schiffes der Deutschen Marine ist hier erfolgt. Auch die drei im Einsatz befindlichen Flottendienstboote wurden hier entwickelt und gebaut, die Tender ebenfalls“, erläuterte er. „Für unsere Zukunftsstrategie spielt die Marine eine wichtige Rolle.“ Die Werft, so Maracke, habe in der Gesellschaft Flensburgs immer eine große Rolle gespielt, und man werde hier auch in 150 Jahren noch Schiffe bauen. Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange war ebenfalls Gast der Jubiläumsfeier. „Diese Werft hat die vergangenen 150 Jahre überstanden, weil sie immer mit der Zeit gegangen ist und auf Qualität und Spezialisierung gesetzt hat. Deshalb hat sie auch eine Zukunft!“, sagt sie. Sie forderte die Anwesenden aus der Politik auf, diese Botschaft auch nach Berlin zu tragen.
„China kann man nicht alleine schlagen“
Dr. Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, sagte an Lars Windhorst gerichtet, er habe sich „eine alte Dame angelacht“, und hob die Tradition und das Selbstbewusstsein hervor. In bei ihm gewohnt klar-kritischem Ton wies er auf die Herausforderungen hin: explodierende Preise, Kosten der Inflation und dauerhafter Preisdruck aus China waren auch als mahnende Worte an die Politik gerichtet. „China kann man nicht allein schlagen, die Politik muss mithelfen“, sagte er deutlich. Europa habe eigenen Bedarf und sei der größte Binnenmarkt der Welt, neue Chancen entstünden durch die Anforderungen an die Klimaneutralität. 20 000 Schiffe gelte es umzurüsten, Tanker für Wasserstoff zu bauen und neue Märkte damit zu erschließen. Auch die Ausstattung der Bundeswehr sei eine große Chance. Vielleicht hilft ja, so Lüken, dass in der Bundesregierung viele Norddeutsche säßen und spielte damit unter anderem auf Kanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck an.
„Zeitenwende heißt auch zeitnah!“
Lars Windhorst bezeugte seinen großen Respekt für die Tradition und betonte, dass er es als Unternehmer gewohnt sei, Risken zu tragen. Er betonte an den Beispielen LNG und Scrubber-Technologie die Innovationskraft der Werft, wobei sich bei LNG die Mienen nicht erhellten. Umso mehr jedoch bei seinem Ausblick auf positive Nachrichten: Er kündigte neue Investitionen an, darunter den Erwerb des Schwimmdocks der Werft Pella Sietas, wobei er das Wort Insolvenzmasse mied. Ferner avisierte er eine Zusammenarbeit bei der Bearbeitung von Aufträgen mit der Nobiskrug-Werft und warb für Marineaufträge. Mit der vorhandenen Erfahrung und Kapazität könne man sofort anfangen. „Zeitenwende heißt eben auch: zeitnah!“, sagte er selbstbewusst. Vorher hatte er ein klares Bekenntnis an die Mitarbeiter abgegeben: „Ihr könnt Euch auf mich verlassen!“
Holger Schlüter
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