Die Deutsche Marine ringt gegenwärtig um den zeitnahen Zulauf eines Nachfolgers für ihre Maritime Patrol Aircraft (MPAs). Gegenwärtig betreibt die Marine eine Flotte von vier P-3C, die 2006 in gebrauchtem Zustand von der niederländischen Marine übernommen wurden. Ursprünglich war geplant, dass diese Maschinen bis in die 2030er-Jahre hinein fliegen sollen, um anschließend durch ein gemeinsam mit Frankreich zu entwickelndes modernes Flugzeug ersetzt zu werden. Doch der aktuell schlechte Zustand der deutschen P-3C macht einen deutlich früheren Ersatz notwendig. Die Rede war von einer „Interimslösung“, die die Zeit bis zur Einführung der noch zu entwickelnden deutsch-französischen MPA überbrücken sollte. Paris hatte hierfür angeboten, Deutschland vier gebrauchte Dassault Atlantique 2 zu verkaufen oder zu im Leasing zu überlassen. Diese seit 1989 in Dienst bei den französischen Streitkräften stehenden Maschinen sollten vorab auf den Standard 6 umgerüstet werden. Ihr aktueller Zustand wurde nicht näher spezifiziert, sie sollen jedoch ursprünglich von Frankreich nicht zur Umrüstung auf den Standard 6 vorgesehen worden sein.
Nun hat sich auf eine Anfrage des FDP-Abgeordneten Christian Sauter hin der Parlamentarische Verteidigungs-Staatssekretär Thomas Silberhorn negativ zu einer Beschaffung der dreißig Jahre alten französischen Flugzeuge geäußert: „Die Anzahl und der erwartete Klarstand der angebotenen Luftfahrzeuge werden die Anforderungen potenzieller zukünftiger Einsatzverpflichtungen sowie die Bedarfe zur Regeneration von Besatzungen und zur Durchführung von Übungs- und Aufklärungsflügen absehbar nicht abdecken können.“ Damit ist eine Interimslösung auf Basis der Atlantique 2 höchst unwahrscheinlich.
Silberhorn bekundet weiter, dass eine Entscheidung über die Interimslösung „vorzugsweise noch in dieser Legislaturperiode“ fallen soll. Relativ kurzfristig könnte es daher auf die Boeing P-8A Poseidon hinauslaufen. Dieses Flugzeug steht seit 2012 im Dienst der US Navy, die mittlerweile mehr als 100 Maschinen des Typs betreibt. Insgesamt sollen es 128 Stück werden. Neben den Amerikanern verfügen auch Australien, Indien und Großbritannien über die P-8 in teilweise angepassten Versionen. Zudem haben sich Australien, Neuseeland, Norwegen und Südkorea zum Kauf entschlossen.
Bereits 2019 hatte der Kommandeur des Marinefliegerkommandos, Kapitän zur See Thorsten Bobzin, sich im marine forum (Heft 11-2019) recht deutlich für die amerikanische P-8A als Nachfolger für die P-3C ausgesprochen. Je nachdem, welche Ausstattungswünsche die Deutsche Marine vorbringt, dürfte der Stückpreis einer Boeing bei 150 bis 200 Millionen Dollar liegen.
Die Vorteile der Poseidon sind nicht von der Hand zu weisen. Sie beruht auf dem Boeing-Erfolgsmodell 737, dem meistverkauften Passagierjet der Welt. Die Variante 737-800, Mutter der P-8A, gilt als technisch ausgereift und zuverlässig. Aufgrund der weltweit hohen Verbreitung gibt es auch langfristig keine Probleme bei der Ersatzteilversorgung, zudem sind die Betriebskosten gut kalkulierbar. Durch die große Anzahl bereits in Dienst befindlicher Poseidons würde die Marine ein in allen Aspekten fertig entwickeltes, einsatzerprobtes Flugzeug betreiben können.
Sollte es zum Kauf kommen, so scheint allerdings fraglich, ob die P-8 nur als Interimslösung genutzt wird. Die Kosten für die Ausbildung der Besatzungen und die Einführung des Waffensystems sprechen wohl dagegen. Bei einem langfristigen Betrieb stände somit das deutsch-französische Entwicklungsprojekt für die MPA-Nachfolge zur Disposition.
Text: mb; Fotos: US Navy
Nicht ohne Grund haben sich Großbritannien und Norwegen für den Kauf der P-8 entschieden. Beide Länder haben dies insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Unterwasseraktivitäten Russlands im Nordatlantik getan, die schnelles Handeln auch zum Erhalt eigener U-Jagd Fähigkeiten erforderten. Dies sollte auch Gradmesser einer kurzfristigen deutschen Entscheidung sein.