Foto: Bw/Tom Twardy

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Wie viel „maritimer Champion“ wollen wir eigentlich sein?

Erster Ratgeber in allen maritimen Fragen, Brücke zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik mit umfassendem Blick für das Meer und die Welt: Wer sonst übernimmt in Deutschland diese Rolle, wenn nicht die Marine? Deutschland ist in den vergangenen 30 Jahren immer maritimer geworden –mit seiner Wirtschaft, aber auch in seiner Außenpolitik. Die Marine spielte dabei eine wichtige Rolle.

Nur, wo stehen Deutschland und seine Marine heute? Geopolitische und pandemiebedingte Erschütterungen weltweiter Lieferketten bestärken Tendenzen zu Renationalisierung und Protektionismus, und der strategische Tunnelblick auf Russland droht die Sicht auf die Welt zu verstellen. Während die russische Marine mit Hafenbesuchen, gemeinsamen Manövern und Präsenz die eigene Außenpolitik bis nach Südafrika flankiert, richtet sich die Deutsche Marine vor allem an Bedrohungsszenarien in Nord- und Ostsee und Nordatlantik aus. Gleichzeitig ist aktuell die Abhängigkeit Deutschlands und Europas vom Meer und von global gedachter maritimer Sicherheit so groß wie selten zuvor – nicht nur hinsichtlich unverzichtbarer Energieimporte.

Wenn dabei die Marine vorwiegend in Nord- und Ostsee unterwegs ist und sich vor allem mit Russland als militärischem Gegner befasst, wie kann sie dann glaubwürdig umfassend die deutsche Politik und Gesellschaft zu den Entwicklungen, Chancen und Risiken auf dem Meer und in der Welt beraten? Eine Präsenz im Indischen Ozean, oder ein station ship in Südostasien würde Deutschland als sichtbaren Partner in relevanten Regionen etablieren. Das brächte auch der Marine weit mehr als nur wertvolle Revierkenntnisse und Wissen um die Verfahren von Marinen wichtiger Partnerländer. Es dauerte nicht lange, bis Marineangehörige mit Kultur- und Sprachkenntnissen den strategischen Blick Deutschlands mit ihrer Sicht beratend ergänzten.

Die wichtigste Grundlage für ihre beratende und handelnde Aufgabe bringt die Marine mit: Die tief verwurzelte Führungs- und Diskussionskultur der „Inneren Führung“, des Staatsbürgers in Uniform, die sie und die Bundeswehr als Ganzes prägt. Ja, die Marine hat zu wenig Schiffe für all ihre Aufgaben, und ihr fehlen die Leute – und die, die da sind, müssen schauen, wie sie Ersatzteile und Munition für die Schiffe bekommen, die sie haben. Trotzdem hat die Bundesrepublik in ihrer Marine ein einzigartig wertvolles Instrument der Außenpolitik – mit allem Potenzial zum „maritimen Champion“, weit über die enge Perspektive regional begrenzter Landes- und Bündnisverteidigung hinaus.

Die offene Diskussionskultur der Historisch-Taktischen Tagung, bei der junge Offiziere auch durchaus hart ins Gericht mit der Führung ihrer Marine gehen, darf nicht nur einmal im Jahr auf einen Saal begrenzt bleiben. In über 20 Jahren Marine habe ich im Alltag erlebt, was wir zum Jahresauftakt predigen. Kritiker werden in konkrete Mitarbeit eingebunden und die Marine greift auf Talente aus den unterschiedlichsten Bereichen zurück. Die aktuell von Februar bis Mai tagende Arbeitsgruppe Dachdokument Marine ist ein wunderbares Beispiel dafür. Es ist ein Privileg, an der Seite von zivilen und militärischen Experten mit unterschiedlichen Hintergründen und über Dienstgradgrenzen hinweg an grundlegenden Fragen zu arbeiten: Wofür hat Deutschland eine Marine? Und was kann und muss die Marine der Bundesrepublik als Instrument der Politik bieten?

Allerdings: Offenheit und Freiheit in der kritischen Meinungsäußerung muss auch genutzt werden. Das marineforum wird gelesen und druckt mit größter Freude Beiträge aus der Praxis – dort, wo sich zeigt, ob funktioniert, was in strategischen Höhen beschlossen wird. Auch die Kommentarfunktion in der Online-Ausgabe und die Seite mit den Leserbriefen im gedruckten Heft stehen jedermann zur Verfügung. Letztlich lebt der unverzichtbare Beitrag der Marine zur Handlungsfähigkeit und breiteren gesamtstrategischen Diskussion Deutschlands von dem, was ihre Soldatinnen und Soldaten ganz persönlich einbringen. Dazu nur Mut! Diese Marine ist keine, die kritisches Denken übel nimmt – im Gegenteil!
Kapitänleutnant Dr. Moritz Brake ist Senior Fellow am Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) Uni Bonn und Mitglied des Deutschen Maritimen Instituts (DMI).

Moritz Brake

 

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