Havarist "Royal II" am Haken der "Nordic". Foto: WSV/Havariekommando

Havarist "Royal II" am Haken der "Nordic". Foto: WSV/Havariekommando

Havariekommando: Gut zu wissen, dass es klappt!

6. Feb 2023 | Headlines, News, Shipping | 1 comment

Wenn in der Deutschen Bucht etwas schief geht, erfährt davon zuerst die Verkehrszentrale German Bight Traffic - und wenn die Lage richtig dramatisch wird, ersucht sie das Havariekommando in Cuxhaven, die Gesamtleitung für einen bestimmten Notfall zu übernehmen.

Lage

So geschehen am vergangenen Dienstag, 31. Januar 2023, als die Besatzung des Mehrzweckfrachters „Royal II“ unterwegs mit einer Ladung Windkraftanlagenteilen von Esbjerg nach Cuxhaven um 16:30 Uhr vor Helgoland einen Maschinenausfall meldete und die Anker im Sturm nicht halten wollten. Die "Royal II" (Länge: 132 m; Breite: 21 m; Flagge: Panama) trieb mit geringer Geschwindigkeit bei zwei ausgebrachten Ankern etwa 2 Seemeilen westlich der 10 Meter-Tiefenlinie vor Helgoland in Richtung Deutsche Bucht - und das bei einer Windstärke von etwa 7 Beaufort (50-61km/h) aus Nordwest und einer Wellenhöhe von 4 Metern. Es befanden sich 20 Personen an Bord, aber kein Gefahrgut.

Bergungsschlepper "Nordic" auf Station Deutsche Bucht. Foto: Fairplay Towage

Maßnahmen

Als sich weder bei der technischen Reparatur noch in der nautischen Situation eine Verbesserung abzeichnete, übergab die Verkehrszentrale in Wilhelmshaven um 18:00 Uhr die Lage zwecks Gesamtleitung an das Havariekommando - und ein bereits mehrfach bewährter und vielfach geübter Ablauf nahm seinen Gang:

- der auf seiner permanenten Station in der Deutschen Bucht stehende Bergungsschlepper "Nordic", den der Bund für solche Einsätze vorhält, nahm Kurs Richtung Einsatzort;

- das alarmierte Towing Assistance Team (TAT) konnte schon nach kurzer Zeit mit einem Bundespolizeihubschrauber für Maritime Notfallvorsorge zum Havaristen geflogen und an Bord abgesetzt werden;

- zur medizinischen Absicherung wurden ein Notarzt und zwei Notfallsanitäter der Feuerwehr Kiel mit einem Marinehubschrauber nach Helgoland geflogen, um in der Nähe zu sein, sollte Hilfe erforderlich werden;

- zusätzlich machte sich auch das Mehrzweckschiff „Neuwerk“ des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Cuxhaven für einen möglichen Schadstoff-Unfall auf den Weg zum Einsatzort.

Neben Schadstoffunfall-Bekämpfung auch Eisbrecher, Notschlepper und Tonnenleger - das Mehrzweckschiff "Neuwerk". Foto: WSA Elbe-Nordsee

Ablauf

Das vierköpfige TAT ist speziell dafür ausgebildet, auf manövrierunfähigen Schiffen auch bei widrigen Umständen eine Notschleppverbindung herzustellen. Diese konnte mit Unterstützung der zwei auf dem Havaristen abgesetzten Spezialisten kurz nach 22 Uhr von der „Nordic“ zur „Royal II“ hergestellt werden. Das war auch bitter notwendig gewesen - beim Hieven der Anker stellte sich ein Kettenbruch mit Verlust eines Ankers und der Abriss von zwei Flunken des zweiten Ankers heraus.

Kurz darauf - etwa 22:20 Uhr - konnte die Besatzung der "Royal II" nach fast sechs Stunden Arbeit die Reparatur der Maschinenanlage erfolgreich beenden und diese wieder in Betrieb nehmen.

Gegen 23 Uhr konnte das Havariekommando die Einsatzleitung in der Lage "Royal II" wieder an die Verkehrszentrale German Bight Traffic zurückgeben.

Abschluss

Auch wenn sich alles zum Guten gewendet hatte - was so nicht immer zu erwarten ist -, blieb die „Nordic“ noch zur Sicherheit beim Havaristen und schleppte ihn bei nachlassendem Wind Richtung See.

Background

Verkehrszentralen (www.wsv.de, www.elwis.de)

Verkehrszentralen (Vessel Traffic Service Center - VTSC) sind die ordnungsausführenden Organe der Strom- und Schifffahrtspolizeibehörde (Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt - GDWS/ Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt - WSA). Sie führen die Maritime Verkehrssicherung mit den Maßnahmen Verkehrsinformation, -unterstützung, -regelung und speziell Verkehrslenkung auf dem Nord-Ostsee-Kanal durch. Zusätzlich dienen sie als Notfallmeldestellen.

Alle neun Verkehrszentralen an der deutschen Küste sind 24 Stunden besetzt. Ständige Beobachtung des Schiffsverkehrs sowie regelmäßige Lagemeldungen sind Bestandteile des Dienstes. Bei Erfordernis werden auch Sicherheitsmeldungen an die Schifffahrt ausgestrahlt.

Lagezentrum des Havariekommandos in Cuxhaven. Foto: Havariekommando

Havariekommando (www.havariekommando.de)

Das Havariekommando ist eine gemeinsame Einrichtung des Bundes und der fünf Küstenländer, um bei Unfällen im Bereich der Nord- und Ostsee ein koordiniertes und gemeinsames Unfallmanagement zu gewährleisten. Sein Sitz ist in Cuxhaven.

ARGE Küstenschutz (www.fairplay-towage.group)

Um einen optimalen Schutz der deutschen Küste zu gewährleisten, fordert der Bund, dass für den Fall einer Schiffshavarie in Nord- und Ostsee Schleppkapazitäten dauerhaft in See bereitstehen und bei Ausfall schnellstmöglich gleichwertiger Ersatz gestellt wird.

Bergungsschlepper "Baltic" auf Station Ostsee. Foto: Fairplay Towage

Um dieser Forderung entsprechend ein passendes Charterangebot machen zu können, bündelten 2001 die beiden Schleppreedereien "Bugsier" und "Fairplay Towage" ihre Schlepperflotten in der "Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz". Ende 2017 hatte "Fairplay" die "Bugsier"-Reederei übernommen und bietet seither seine ARGE-Küstenschutz-Leistungen unter dem Dach der "Fairplay Towage Group" mit gut 750 erfahrenen Mitarbeitern und insgesamt rund 100 leistungsstarken Schleppern diverser Größen samt weiterer Spezialfahrzeuge an.

"Kiel" - Spezialschiff für Schadstoffunfall-Bekämpfung in der Ostsee. Foto: Michael Nitz

Aktuell stellt die Arbeitsgemeinschaft Küstenschutz dem Bund in der Nordsee den Notschlepper „Nordic“ (201 Tonnen Pfahlzug, Seeposition vor Norderney) und in der Ostsee die Notschlepper „Baltic“ (127 Tonnen Pfahlzug, Station Warnemünde), die „Fairplay-25“ (65 Tonnen Pfahlzug, Station Sassnitz) sowie das Ölwehrschiff „Kiel“ (mit Standort Kiel).

Quelle: Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, Havariekommando, ARGE Küstenschutz, thb - Täglicher Hafenbericht,

6. Feb 2023 | 1 comment

1 Comment

  1. Der Notfall der „Royal II“ vom 31.01.2023 (Maschinenausfall, Notschleppen, Assistenz) und seine Abarbeitung unter Leitung des Havariekommandos (HK) klingt auf den ersten Blick gut, und es ist ja auch nichts passiert.

    Aber die Abläufe sind nicht optimal geregelt. Es wurde Zeit verschenkt. Die Schadensmeldung ging um 16:30 bei der Verkehrszentrale der WSV ein. Diese „prüfte“ und gab den Fall um 18:00 an das HK zur Bearbeitung ab, die dann unverzüglich erfolgte und erfolgreich war. Hier zeigt sich erneut, dass das HK nicht „in der Lage lebt“. Es ist nicht der erste Meldepunkt für derartige Zwischenfälle und Unfälle.

    Alle maritimen Notfallerfahrungen besagen, dass die ersten Stunden („the golden minutes“) entscheidend sind, ob sich ein Unfall zur Katastrophe entwickelt oder nicht, und dass Gegenmaßnahmen zum frühesten möglichen Zeitpunkt eingeleitet werden müssen (nicht nach längerer „Prüfung“). Für ein optimales Unfallmanagement sollten die Meldewege im HK konzentriert werden. Der aktuelle Zustand, dass das HK nur nach Eintritt und Feststellung einer komplexen Schadenslage oder auf Anforderung anderer Dienststellen tätig werden darf, ist nicht optimal

    meint Uwe Jenisch, Kiel

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