Hinter einer nüchtern gehaltenen Mitteilung von Damen vom 9. Dezember 2025 verbirgt sich eine kleine Sensation. Der niederländische Schiffbauer meldet, dass NAVSEA – das für Entwurf, Beschaffung und Materialverantwortung der US‑Kampf- und Unterstützungsschiffe zuständige Naval Sea Systems Command – seinen LST‑100‑Entwurf als Grundlage für das von der US Navy geführte Programm „Medium Landing Ship“ ausgewählt hat. Aus dem Programm soll die neue McClung‑Klasse hervorgehen. Das Typschiff wird als "USS McClung" (LSM‑1) firmieren und vor allem Verbände des US Marine Corps unterstützen. Die operativen Anforderungen kommen also klar aus Quantico.
Europäisches Design, amerikanische Wertschöpfung
Mit der Entscheidung erhält erneut ein europäischer Entwurf Gewicht im US‑Marineschiffbau – trotz der politisch aufgeheizten Erfahrungen mit der von Fincantieri verantworteten Fregatte der Constellation‑Klasse. LST‑100, ein exportbewährter Landungsschiffentwurf aus dem Damen‑Katalog, wird zur Referenz für bis zu 35 LSM der McClung‑Klasse, die vollständig auf US‑Werften gebaut werden sollen. Nigeria betreibt bereits ein LST100, Australien nutzt das Design als Basis für acht Landing Craft Heavy; mit den USA kommt nun ein dritter Nutzer hinzu, Damen spricht zudem von weiterem Interesse aus anderen Regionen.
TDP, Milliardenprogramm und VCM‑Modell
Vertraglich bleibt Damen strikt auf Design‑ und Datenrolle begrenzt. NAVSEA hat einen Festpreisvertrag über ein Technical Data Package (TDP) und umfangreiche Nutzungs‑ und Änderungsrechte vergeben. Branchenberichte verorten den Wert bei rund 3,2–3,3 Millionen US‑Dollar. Je nach Quelle wird das 35‑Schiffe‑Programm mit rund 5 bis 15 Milliarden US‑Dollar veranschlagt – die Navy kalkuliert im Mittel etwa 150 Millionen pro LSM, das Congressional Budget Office hingegen 340 bis 430 Millionen US‑Dollar pro Einheit.
Der Bau der Schiffe läuft separat über US‑Werften, eingebunden über ein Vessel‑Construction‑Manager‑Modell (VCM): Eine kommerzielle Führungsorganisation hält das LST‑100‑Datenpaket, koordiniert Designanwendung, Materialfluss und Bauaufträge über mehrere Werften. Der politische Druck, Designänderungen zu begrenzen und die Serienkosten unter Kontrolle zu halten, wird an mehreren Stellen thematisiert. Industriepolitisch bemerkenswert: Bollinger hatte bereits einen Advanced‑Procurement‑Vertrag für ein alternatives LSM‑Konzept. Bollinger Shipyards, die in Louisiana und Mississippi ansässige Golfküsten‑Werftengruppe, wird nun aber eher eine von mehreren Bauwerften unter einem VCM‑Dach.
EABO‑Arbeitspferd für die A2/AD‑Zone
Operativ adressiert LSM eine seit Jahren beschriebene Lücke zwischen Army‑Landing‑Craft und großen LHA/LPD. Eine Berichterstattung des Congressional Research Service zum LSM‑Programm und ein Force‑Design‑Papier des USMC skizzieren das Einsatzbild: Marine Littoral Regiments und „Stand‑In Forces“ sollen von Inseln und logistisch nur einfach ausgestatteten, temporären Basen aus operieren, innerhalb der chinesischen Anti‑Access/Area‑Denial‑Zone. Gefordert sind robuste, bewusst einfach gehaltene Landungsschiffe, die flache Küsten und Strände anlaufen, Truppen, Fahrzeuge und Munition über Bug‑ und Heckrampen direkt anlanden und bei Bedarf schnell verlegen können – im Idealfall im „Rauschen“ zivilen Küstenschiffsverkehrs.
LST-100 im Profil
LST‑100 ist genau in diesem Segment positioniert: rund 100 Meter Länge, etwa 16 Meter Breite, geringer Tiefgang, RoRo‑Deck und Fahrzeugdeck mit zusammen bis über 900 Quadratmetern, Helideck und Unterbringung für eine Stammcrew von rund 18 Personen plus über 280 zusätzliche Kräfte. Die Reichweite liegt – je nach Fahrtprofil – zwischen gut 4.000 und über 7.000 Seemeilen bei Marschgeschwindigkeiten um 14–15 Knoten; Bug‑ und Heckrampen sowie ein 25‑t‑Kran ermöglichen das Auf‑ und Abladen schwerer Fahrzeuge und Container an unentwickelten Küsten. Der modulare Entwurf erlaubt nationale Anpassungen (Führung, Kommunikation, Selbstschutz) und bietet die Option, durch ein 20‑Meter‑Segment zum LST‑120 verlängert zu werden.
Lessons learned - mal sehen wie's ausgeht
USNI und Marine‑Insider beschreiben die jetzige Weichenstellung explizit als „retooling around the Dutch LST‑100“: Die Navy verabschiedet sich vom anfänglich komplexeren, teureren LSM‑Ansatz und setzt auf ein reifes, nicht entwicklungsbedürftiges Standarddesign mit möglichst eingefrorenen Anforderungen. Die Signalrichtung ist klar – anders als bei Constellation (und europäischen Großprojekten) sollen bei der McClung‑Klasse Änderungen am Design streng begrenzt, Risiken verlagert und die Serienfertigung früh stabilisiert werden.
Zeitlich sieht der Plan vor, den ersten LSM‑Bauvertrag in FY2025 zu vergeben, den Bau ab 2026 zu beginnen und die USS McClung um 2029 an die Flotte zu übergeben; das Marine Corps rechnet beim Typschiff mit vier bis fünf Jahren Bauzeit, spätere Einheiten sollen in etwa drei Jahren pro Rumpf entstehen. Daran schließen sich Pier‑Tests, Werft‑ und Abnahmefahrten sowie einsatznahe Tests mit Littoral‑Verbänden an, mit dem Ziel, zu Beginn der 2030er‑Jahre über mindestens ein einsatzbereites LSM und weitere Schiffe im Zulauf zu verfügen.
Damen zwischen High‑End‑Frust und LST‑Erfolg
Für Damen bedeutet McClung/LST‑100 einen operativen Prestigegewinn und reputativ einen Gegenpol zur belasteten Wahrnehmung rund um F126 und andere komplexe Großkampfschiffprojekte: Der Konzern kann seine Stärke als Anbieter modularer Exportentwürfe und Lizenzkooperationen unter Beweis stellen, während die Probleme in hochintegrierten, politisch aufgeladenen Programmen weiter kritisch beobachtet werden. In der Summe ist LST‑100 für Damen weniger Freispruch als Stabilisierung – aber auf einer Bühne, die in der maritimen Welt kaum größer sein könnte.
HUM



