Soldaten fahren mit den Buster-Booten der Fregatte F 222 Baden-Württemberg für eine Photex in Position während des Manövers RIMPAC im Seegebiet vor Hawaii/USA im Rahmen des IPD, Bildrechte: Bundeswehr/Nico Theska

Soldaten fahren mit den Buster-Booten der Fregatte F 222 Baden-Württemberg für eine Photex in Position während des Manövers RIMPAC im Seegebiet vor Hawaii/USA im Rahmen des IPD, Bildrechte: Bundeswehr/Nico Theska

Deutsche Kriegsschiffe befahren die Taiwan Straße

Kein Grund zur Aufregung – auch nicht für die Chinesen

Als 1997 ein deutscher Verband, bestehend aus der damals brandneuen Fregatte F 217 „Bayern“, der Fregatte F 207 „Bremen“ sowie einem Versorger und einem Tanker, in den Gewässern um China deutsche Präsenz zeigte, nahm die Öffentlichkeit in Deutschland keine Notiz davon. Man fühlte sich befreundet, der Hafenbesuch in Shanghai vertiefte den Eindruck. 2002 waren es die Fregatten F 209 „Rheinland-Pfalz“ und F 218 „Mecklenburg-Vorpommern“, die unter anderem den chinesischen Hafen Qingdao besuchten und auf dem Kurs die Straße von Taiwan durchquerten. Das hatte keinerlei Signifikanz, die noch in den Kinderschuhen steckende chinesische PLAN (Peoples Liberation Army Navy) hatte keinen Grund, es sich mit der Deutschen Marine zu verscherzen. Es gab Besuche und Einladungen, auch der damalige Inspekteur der Marine, Lutz Feld, war zeitweise mit bei seinem Verband. Man fuhr durch die Straße von Taiwan, weil es freier Seeraum ist. Jeder kann dort durchfahren, ohne Einschränkung. Damals wie heute. Was wollten die Marineverbände in den indopazifischen Gewässern? Es waren Freundschaftsbesuche u.a. in Japan, Südkorea und Singapur. Ausdruck des Interesses Deutschlands an asiatischen Handelspartnern, symbolische Präsenz in den Seegebieten, die für die Handelsnation Deutschland wichtige Routen sind. Zudem hatten Botschaften in diesem Teil der Welt darum ersucht, mit diplomatischen Reisen deutscher Kriegsschiffe die Beziehungen zu festigen und Kontakte zu pflegen. Politisch wie wirtschaftlich etwas völlig Normales, das machen andere Nationen noch viel intensiver als Deutschland. Hindernisse und Feindseligkeiten gab es keine, nur seemännisch undisziplinierte Pulks von Fischern mussten hin und wieder verscheucht werden, wie der Verbandsführer von 2002, Thorsten Kähler, schmunzelnd berichtet. Eine lange Zeit und lange politische Entwicklungen später hat sich an den friedlichen deutschen Interessen nichts geändert.

Fregatte "Baden-Württemberg". Foto: Bundeswehr/Theska

Ein Papier des Auswärtigen Amtes

Diese Interessen wurden seitens der Regierung 2020 in den sogenannten „Leitlinien zum Indo-Pazifik“ festgelegt. Unter dem Motto „Deutschland-Europa-Asien, das 21.Jahrhundert gemeinsam gestalten“ erklärte das Auswärtige Amt der Öffentlichkeit, dass Deutschland für eine „regelbasierte Ordnung“ einstehe und dazu auch die Deutsche Marine beitragen würde. Gezeichnet vom damaligen Außenminister Heiko Maas, deutlich nicht von Kanzlerin Angela Merkel, strebe man an, sich aktiv an der Durchsetzung des VN-Seerechtsübereinkommens von 1982 und auch an den Sanktionen gegen Nordkorea zu beteiligen. Man wollte auch die sicherheits- und verteidigungspolitische Kooperation mit Partnern in der Region stärken, das schließe verteidigungspolitische Kontakte in der Region ein, inklusive (Hafen-) Besuche und „Formen maritimer Präsenz“, wie es im Papier heißt. Nur ein Jahr später verließ erneut die Fregatte „Bayern“ Wilhelmshaven, um diese Absichten der deutschen Regierung praktisch und präsent umzusetzen. Berichte, die von „Kanonenboot-Politik“ schwadronierten, oder Hohn für die Kampfkraft der „Bayern“ im Vergleich zur PLAN hatten, zeigten nur, dass die Spottvögel das Werk des Auswärtigen Amtes offenbar nicht gelesen hatten. Oder doch, aber es eben einfach nicht lassen konnten, hämisch zu sein. Es war die Umsetzung deutscher Interessen, deshalb fuhr man ja einzeln und nicht mit den Franzosen oder Briten. Damit hätte man sich eventuell anderen Interessen unterordnen müssen. Unausweichlich war die Frage, ob die „Bayern“ durch die Taiwan-Straße fahren würde oder nicht, denn inzwischen hatte China zunehmend aggressiv auf die Durchfahrt fremder Kriegsschiffe reagiert. China betrachtet nämlich die Taiwan-Straße (in manchen Publikationen auch Formosa-Straße) als sein Hoheitsgebiet und baut eine massive Drohhaltung auf. Diesem Verhalten stellen sich die USA, Frankreich und Großbritannien mit regelmäßigen, friedlichen Passagen entgegen. Nein, die „Bayern“ befuhr 2021 die Straße nicht. Grund war nicht Sorge vor Chinas Reaktion, denn nach dessen freundlicher Ausladung, einen chinesischen Hafen besuchen zu dürfen, gab die Reiseroute das nicht mehr her. Dass die damalige Regierung diese Ausladung eher erleichtert aufgenommen haben dürfte, steht zu vermuten. Wie wäre man denn damit umgegangen, wenn die Chinesen knapp 100 Jahre nach dem Ende des deutschen Ostasiengeschwaders die Besatzungen freundlichst eingehegt hätten? Aber den Blick ins Geschichtsbuch der Deutschen Marine sparen wir uns. Auch die Pulks von Fischern waren nicht mehr einfach zu umschiffen. Deren Aggressivität beschrieb der heutige Inspekteur Jan Kaack, 2021 launig mit den Worten „little blue men“, gleichwohl war diese Begegnung nicht mehr so entspannt wie 20 Jahre zuvor.

Anders der Verband, der aus der Fregatte F 222 „Baden-Württemberg“ und dem Einsatzgruppenversorger A 1412 „Frankfurt am Main“ besteht. Mit dem gleichen Auftrag wie dereinst und einer deutlicheren internationalen Zielsetzung durchfährt der Verband auf seiner Weltumrundung nun dieses Seegebiet, wie der deutsche Verteidigungsminister, Boris Pistorius, heute Mittag bestätigte. Die Deutsche Marine hat einen klaren politischen Auftrag, abgeleitet aus den oben erwähnten Richtlinien, und vor allem eine klare Absicht: Zusammenarbeit mit den asiatischen Partnern, gemeinsame Übung mit den USA, Japan und anderen Nationen im Pazifik zur Stärkung der militärischen Fähigkeiten und Ausdruck der Entschlossenheit, sich nicht von China einschüchtern zu lassen. Gleichzeitig und soweit möglich koordiniert, übte auch die deutsche Luftwaffe im Indo-Pazifik. Das gemeinsame „Pacific Waves and Pacific Skies“ war ein starkes Signal. Ob das mit dem Transportflugzeug A400M, ein paar wenigen Tornado-Kampfbombern, Eurofightern, zwei Schiffen und einem halben Dutzend Übungen gelingt, sei dahingestellt. Es geht auch nicht um einen Waffenvergleich, sondern um konsequente Präsenz. Und dass die Chinesen beeindruckt sind – oder zumindest verärgert – kann man an deren Warnungen erkennen. Und daran, dass die deutschen Schiffe lückenlos von mehreren chinesischen Marineeinheiten beschattet wurden. Die deutschen Frauen und Männer wurden zudem massiv mit Lasern belästigt. Darauf ist die Marine mit Brillen vorbereitet, aber warum tun die Chinesen das? Machen wir das mit chinesischen Kriegsschiffen im Englischen Kanal, im Großen Belt oder im Fehmarn-Belt auch? Nein, natürlich nicht, denn wir stehen für freie Seewege. Und dieses diplomatische Signal kommt in dieser Region an. Und das Befahren der Meerenge, das im Vorfeld so oft diskutiert wurde?

Einsatzgruppenversorger "Frankfurt am Main". Foto: Bundeswehr/Theska

Wieso Meerenge?

Betrachten wir, was dieses Seegebiet ist: Es ist ein ca. 80 bis 100 Seemeilen (180km) breites und ca. 350 Seemeilen langes Gewässer zwischen der Provinz Fujian und der Insel Taiwan, im Norden das Ostchinesische und im Süden das Südchinesische Meer. Die jeweiligen Küsten Chinas und Taiwans haben 12-Meilen-Zonen, also deren Hoheitsgewässer. Hier dürfte man mit Kriegsschiffen fahren, weil das „Recht auf friedliche Durchfahrt“ besteht. Aber nur friedlich fahren, also keine Übungen oder Einsätze von Hubschraubern, oder Tauchen von U-Booten, Waffenübungen oder taktische Manöver. Das gibt es in Europa auch: Der Große Belt gehört Dänemark, gleichwohl darf man mit Kriegsschiffen dort fahren, was die Russen reichlich nutzen und auch die Chinesen 2024 unbehelligt durften. Damit erkennt man als fremde Nation an, dass es sich um Hoheitsgewässer eines anderen Staates handelt. Zurück zur Taiwan-Straße: Abzüglich der 12-Meilen Zonen verbleiben in der Mitte also rund 55 bis 75 Seemeilen, die frei befahrbar sind. Und frei befahrbar heißt, alle Formen von militärischem Manöver machen zu dürfen, die man auch in den Weiten eines Ozeans exerzieren kann. Und für die Leser, die gerade hier vorbeiflanieren und reinlesen, aber sich bisher mit Seefahrt nicht befasst haben: Die Taiwan-Straße ist keine Meerenge, wo man beidseitig eine Landlinie am Horizont sehen kann, wie im rund 15 Seemeilen (25km) breiten Großen Belt. China, obwohl 1986 dem VN-Seerechtsabkommen beigetreten, will die gesamte Straße zum Hoheitsgebiet erklären. Das ist nicht nur international rechtswidrig, sondern irgendwie auch lächerlich – so, als würde Dänemark die Ostsee für sich beanspruchen. Und gerade deshalb muss man dort durchfahren, um China diese Absurdität vor Augen zu führen. Schließlich ist das Gewässer eine der meistbefahrenen Seehandelswege der Welt. Gerade die vom Welthandel profitierende Nation China müsste an der friedlichen und entspannten Nutzung ein Interesse haben. Und auf keinen Fall darf man dort so handeln, als wäre es ein Hoheitsgewässer, denn dann würde man ja den Status anerkennen. Check? Wir wollten also Bilder sehen, wie deutsche Kriegsschiffe übend und lautstark das Gebiet durchfahren. Diese Bilder wollen unsere Verbündeten und Partner auch sehen, nicht nur im asiatischen Raum. Hätte man das nicht getan, wäre das ein nachhaltig und kaum zu ertragener Gesichtsverlust gewesen – und zwar für Deutschland. Peinlich. Hasenfuß. Man wäre dann besser zu Hause geblieben.

Und warum betrachtet China das als Provokation?

Das ist nicht relevant. China hat anzuerkennen, dass dies nicht ihr Hoheitsgewässer ist, so wie sie mit ihren Kriegsschiffen selbst auch andere Hoheitsgewässer diesen Fakt akzeptierend durchqueren. Übrigens muss China auch hinnehmen, dass sich dies nicht ändern wird, wenn man die Taiwan-Frage womöglich gelöst haben wird – politisch oder militärisch – wie auch immer. Es bleibt auch dann internationales Gewässer. Und sollte China die Meerenge einmal militärisch sperren oder besetzen, würde China indirekt anerkennen, dass sie vorher freies, internationales Gewässer war. China hat sich ohne Not selbst in Bedrängnis gebracht. Was der deutsche Verband tat, ist unter friedfertigen Staaten normal. Wenn wir die „Choke-Points“ des internationalen Welthandels nicht offenhalten, ist unser aller Wohlstand und Handel nicht mehr möglich.

Wer mehr wissen will, dem sei empfohlen, diese Broschüre des US Indopazifik Command zu lesen...

 

Autoren: Schlüter/Stephenson

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2 Kommentare

  1. Danke Holger und Herr Stephenson für diesen Artikel. Man kann es nicht oft genug wiederholen, dass China auf dem Holzweg ist und Deutschland als freie und demokratische Handelsnation auf freie maritime Seewege angewiesen ist und dieses regelmäßig zum Ausdruck bringen muss.

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  2. Danke für diesen Artikel, der hilft, das Geschehen gut einzuordnen. Vor allem die Hinweise, dass die Chinesen in anderen Seegebieten (Stichwort Ostsee-Zugänge), das internationale Seerecht nutzen und beanspruchen, sind sehr aufschlußreich. Den Kontext des Indo-Pazifische Großmanövers, an dem die deutschen Einheiten zusammen mit westlichen und befreundeten Ostasiatischer Staaten teilnehmen, hätte ich mir etwas ausführlicher dargestellt gewünscht. Dennoch vielen Dank.

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