"Chakra" – indisches Leasing-U-Boot der russischen Akula-Klasse. Foto: Indische Medien

"Chakra" – indisches Leasing-U-Boot der russischen Akula-Klasse. Foto: Indische Medien

Indien und Russland: Atom-U-Boot zur Miete

Indien hat parallel zum laufenden Besuch Wladimir Putins anlässlich des 23. Indien-Russland-Gipfels in Neu Dehli signalisiert, dass das seit 2019 vereinbarte Leasing eines russischen nuklearbetriebenen Angriffs-U-Boots (SSN) nun in die Umsetzungsphase übergehen kann. Zwar weist die Regierung den Eindruck eines neu geschlossenen Großvertrags zurück, doch die entscheidenden Parameter stehen unverändert: 2 Milliarden Dollar, Lieferung 2028, zehnjährige Nutzungsdauer und ein Einsatzprofil, das – wie bei den früheren Chakra-Booten – vorrangig Ausbildung, Reaktoroperation und taktische Erprobung umfasst. Damit gewinnt das lange verzögerte Projekt erneut an Dynamik.

"Chakra" – indisches Leasing-U-Boot der russischen Akula-Klasse. Foto: Indische Medien
"Chakra" – indisches Leasing-U-Boot der russischen Akula-Klasse. Foto: Indische Medien

Kooperationslinie von Chakra zu Chakra III

Die Vereinbarung ist Teil einer über Jahrzehnte gewachsenen U-Boot-Zusammenarbeit zwischen Indien und Russland, bzw. vorher der Sowjetunion. Mit der Charlie-Klasse (1988–1991) sowie der geleasten „Chakra II“ (Akula II-Klasse, 2012–2021) sammelte Indien nukleare Unterwassererfahrung, die bis heute Grundlage des eigenen SSBN-Programms bildet. Vor diesem Hintergrund ist "Chakra III" – auch wenn offiziell nicht so benannt – der nächste Schritt in einer sicherheitspolitischen Partnerschaft, die Indiens maritimen Aufstieg maßgeblich geprägt hat. Über die Klassenzugehörigkeit des neuen Miet-U-Bootes waren keine Angaben zu finden – vermutlich wird es sich um ein Boot der aktuell im Bau befindlichen Jasen-Klasse handen.

Warum Indien die russische Brücke braucht

Indien verfolgt seit Mitte der 2010er Jahre den Aufbau eigener nuklearbetriebener Jagd-U-Boote (SSN). Die Entwicklung schreitet voran, bleibt jedoch technologisch anspruchsvoll in den Aforderungen: Höhere Geschwindigkeit, größere Tauchtiefen, leistungsfähigere Reaktoren und anspruchsvollere Sonarsysteme. Die ersten indischen SSN werden realistisch erst Mitte der 2030er Jahre zulaufen. Bis dahin fungiert das russische Leasing als strategische Brückentechnologie – unersetzlich, um Personal, Verfahren und Instandhaltungskompetenz im Nuklearbereich auf einem operativ verwertbaren Niveau zu halten.

"Kazan" nukleargetriebens Angriffs-U-Boot der russischen Jasen-Klasse. Foto: MoD Moskau
"Kazan" nukleargetriebens Angriffs-U-Boot der russischen Jasen-Klasse. Foto: MoD Moskau

Rupienmilliarden als geopolitischer Zündstoff

Was das Projekt diesmal strategisch auflädt, ist die ökonomische Komponente: Russland kann seine im indischen Finanzsystem blockierten Rupienbestände über maritime Großaufträge in produktive Wertschöpfung überführen. Seit 2022 hat Indien seine russischen Ölimporte massiv ausgeweitet. Ein erheblicher Teil der Lieferungen wurde in Rupien abgerechnet und liegt in Form nicht frei verfügbarer Vostro-Guthaben (inländisches Rupien-Konto für Handelsabwicklung) fest – Schätzungen reichen von 30 bis 50 Mrd. US-Dollar Gegenwert. Beide Regierungen prüfen seit Monaten, wie sich diese Salden in industrielle Kooperationen überführen lassen. Nunmehr dürfen Rupien-Guthaben auf diesen Konten überführt und in Staatsanleihen der Zentralregierung investiert werden. Das SSN-Leasing bietet dafür einen unmittelbaren Hebel: Moskau finanziert Modernisierungen und Vorleistungen in Indien direkt aus diesen Beständen, während Delhi faktisch eine Förderung eigener Werft- und Zulieferkapazitäten erhält. Käufer- und Verkäuferrollen verschwimmen – und das in einem hochsensiblen Technologiesegment.

Bewertung

Obwohl das Boot vertraglich nicht für Gefechtsoperationen vorgesehen ist, verändert seine bloße Verfügbarkeit das regionale Kräftegleichgewicht. Pakistan bleibt selbst mit AIP-Modernisierung hinter einem indischen SSN in Ausdauer und taktischer Flexibilität zurück. China wiederum registriert aufmerksam, wie Delhi seine Unterwasserkapazitäten parallel zu westlichen Kooperationen ausbaut – und damit seine Fähigkeit stärkt, chinesische Marinebewegungen im Indik zu verfolgen. Für westliche Partner entsteht ein vertrautes Dilemma: Sie drängen Indien zur Abkehr von russischen Systemen, profitieren zugleich aber davon, dass dieses Leasing Indiens Rolle als Gegengewicht zu China stärkt. Indien wiederum hält an seiner etablierten Linie fest: Strategische Autonomie durch Diversifizierung – und perspektivische Ausweitung des Handels mit Russland um 30 Milliarden auf 100 Milliarden Dollar innerhalb von fünf Jahren – entgegen dringender Empfehlungen aus dem Weißen Haus. Chakra III ist deshalb kein isolierter Akt, sondern ein Baustein in einer größeren maritimen Architektur, die den Indo-Pazifik neu sortiert.

hum, ajs

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