Kaperung der St. Nikolas vor dem Oman. Videostill: Iranische Streitkräfte - X@matttttt187

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Iran kapert Öltanker – Tit for Tat?

Ein anfangs diffuses Lagebild konsolidiert sich im Laufe des Tages. Um 04:30 Uhr (MEZ) des 11. Januar gab UKTMO (United Kingdom Marine Trade Operations, Portsmouth) die Erstmeldung heraus, dass Unbekannte ein Schiff geentert hätten. Später die Nachricht, dass sich 4 bis 5 maskierte Bewaffnete in militärisch aussehender Bekleidung des Schiffes etwa 50 Seemeilen östlich von Sohar, Oman, bemächtigt hatten. Im Laufe des Tages berichten staatliche iranische Medien über die Beschlagnahme eines Öltankers durch die iranische Marine im Golf von Oman. Dabei handelt es sich um den Rohöltanker „St. Nikolas“ (Flaggenstaat Marshallinseln), der nach Beladen im irakischen Basrah auf dem Weg nach Aliaga in der Türkei war.

Nach iranischen Verlautbarungen erfolgte das Ergreifen des Schiffes aufgrund eines Gerichtsbeschlusses als Vergeltungsmaßnahme für den "Öldiebstahl" durch die Vereinigten Staaten. Im April 2023 schrieb der 274 Meter lange, 158.000 Tonnen verdrängende Ozeanriese, damals unter dem Namen „Suez Rajan“ fahrend, Geschichte. Die USA hatten das Schiff festgesetzt und seine Ladung beschlagnahmt. Den Medienberichten zufolge wurde der Öltanker nun in einen iranischen Hafen gebracht, wo er den Justizbehörden übergeben werden sollte.

Der Vorfall ereignete sich in einer Region, die zurzeit geopolitisch unter Stress steht. Zum Zeitpunkt ihrer Entführung befand sich „St. Nikolas“ 2.000 Kilometer (Luftlinie) vom Bab-el-Mandeb entfernt. Dort bedrohen die Huthi seit dem 19. November 2023 mit ihren Drohnen- und Flugkörperangriffen die internationale Schifffahrt. Bisher wurden 26 Übergriffe der Milizengruppe auf den Seeverkehr im Roten Meer nahe des Bab-el-Mandeb verzeichnet. Die internationale Gemeinschaft reagierte mit unterschiedlichen Aufrufen. Zuletzt am 3. Januar 2024 in einer gemeinsamen Erklärung der Regierungen Australiens, Bahrains, Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Italiens, Japans, Kanadas, der Niederlande, Neuseelands, Singapurs, Südkoreas, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten. Die USA riefen die Operation „Prosperity Guardian“ zum Schutz der Schifffahrt im Roten Meer ins Leben. Zurzeit patrouillieren Einheiten der US Navy gemeinsam mit einer Fregatte der Royal Navy als ‚Wächter des Wohlstands‘ das Seegebiet zwischen der arabischen Halbinsel und Afrika. Davon, wie auch von der Androhung von Konsequenzen durch die vierzehn Nationen, zeigen sich die Huthi wenig beeindruckt.

Was auch zu erwarten war, da es ihnen seit 2015 gelingt, sich gegen die internationale Staatengemeinschaft und Saudi-Arabien zu behaupten. Sie ticken nicht nach einer wertebasierten Ordnung und funktionieren nicht nach unseren Begriffen freiheitlichen Handelns. Dabei wissen die Huthi den Schutz Teherans hinter sich. Neben politischer Unterstützung engagiert sich der Iran finanziell, mit Expertise und mit militärischer Ausrüstung für die Huthi. Beide eint ihr schiitischer Glaube sowie ihre Aversion gegenüber dem Westen, insbesondere gegen die von ihnen wahrgenommene Führungsmacht USA. Gerade für die Huthi trifft der ihnen außerdem gemeinsame innige Hass gegen Israel und seine Unterstützer nun den Zeitgeist. Denn in der Unterstützung der palästinensischen Sache liegt ihre Chance, sich selbst, ihrer Sache und dem Jemen international Bedeutung zu verschaffen.

Demgegenüber hat sich der Iran bisher, was den Gazakonflikt betrifft, zurückgehalten – von markigen Statements der politischen und klerikalen Führung abgesehen. Teheran hat den Terrorangriff der Hamas auf den langjährigen Rivalen Israel gefeiert, eine Beteiligung an den Ereignissen vom 7. Oktober jedoch bestritten. Man bedient sich seiner Proxys Hamas, Hisbollah – und Huthi.

Insofern kann die Entführung der „St. Nikolas“ als Vergeltungsmaßnahme für die Maßnahme Washingtons vom Frühjahr 2023 gesehen werden. Für diese These spricht, dass ausgerechnet dieses Schiff aufgebracht wurde. Seit 2019 gab es eine Reihe von Angriffen auf die Schifffahrt in und um den Persischen Golf - insbesondere in Spannungssituationen zwischen den USA und dem Iran. Zu den Dissonanzen zählen nicht nur Washingtons Sanktionen gegen staatliche Akteure des Iran. Sondern auch die Reaktionen auf innenpolitische Maßnahmen des Regimes wie die gewaltsame Niederschlagung der Proteste in der Bevölkerung oder die Lieferung von Drohnen an Russland oder die Beschleunigung des iranischen Atomprogramms.

Das Aufbringen der St. Nikolas ist ein bemerkenswerter Coup, bei dem es wohl weniger darum geht, einen eventuell erlittenen finanziellen Verlust auszumerzen, als vielmehr um eine Geste, die innenpolitisch wie nach außen zu den arabischen Nachbarn und Verbündeten wirken soll.

Fakt ist, dass die Aktion die Fragilität der sicherheitspolitischen Gesamtsituation steigert. Als ein möglicher Gradmesser für die augenblickliche globale Anfälligkeit zogen die Ölpreise noch am Tag des iranischen Handstreichs spürbar an. Und in der Nacht greifen von Zypern gestartete amerikanische und britische Luftkräfte im Jemen Huthi-Stellungen an. Die Lage ist als "dynamisch" zu bewerten!

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