„Do not stop a running system!“ – ist auch an Bord ein viel gebrauchter Slogan und signalisiert, dass ein System verfügbar und einsatzbereit sein und bleiben muss. Aus Sicht eines Logistikers ist die Sicherstellung bzw. der Erhalt der Verfügbarkeit von Einsatzsystemen der Marine ein spannendes und komplexes Feld.
Die Systeme sowie die Missionsausrüstung und Ausstattung der Marine bleiben jahrzehntelang im Dienst und werden intensiv, teilweise bis an die technischen Belastungsgrenzen, genutzt. Während dieser langen Nutzungsdauer unterliegen sie aufgrund technischer Innovationszyklen und sich verändernder einsatzbezogener Rahmenbedingungen einem ständigen Wandel. Dieser Wandel ist mit Risiken verbunden, die die Verfügbarkeit, den Klarstand und damit die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen können.
Das Konzept der Performance Based Logistics (PBL) kann hingegen ein wertvoller Beitrag zur Sicherstellung der materiellen und personellen Einsatzbereitschaft der Systeme an Bord sein. Im Gegensatz zum heute vorherrschenden Prinzip einer meist reaktiven Technisch Logistischen Betreuung (TLB) beziehungsweise der Beauftragung mittels Instandsetzungsrahmenverträgen (IRV) erzeugt PBL ein hohes Maß an proaktiver Eigenverantwortung, Transparenz und Dynamik zur Erreichung der gemeinsam gesteckten Ziele.
Was ist Performance Based Logistics
Voraus gesagt sei: PBL ist kein Allheilmittel für sämtliche Herausforderungen. PBL fokussiert sich darauf, wie ein System unterstützt wird und wie diese Unterstützung gemessen wird. Dadurch wird ein gemeinsamer Win-win-Ansatz verfolgt, der die voneinander abhängigen Vertragsparteien in kooperativer Form zusammenführt. Der Nutzer gewinnt im Rahmen von PBL durch kontinuierlich messbare und nachgewiesene Verfügbarkeitszusagen, während die Industrie sich auf eine planbare, leistungsbezogene Vergütung auf Basis der erhöhten Verantwortungsübernahme bei der Systembetreuung verlassen kann. Grundlage für den Erfolg von PBL ist das gegenseitige Vertrauen, eine sehr enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe und eine von Beginn an klare Struktur und Transparenz bei der Auftragsbearbeitung.
Achtung! PBL ist nicht gleich PBL, „One-size fits all“ gibt es bei einem PBL-Vertrag nicht. Ebenso gilt: „Copy-and-paste-Verträge“ sind nicht sachgerecht und zielführend, denn die Umsetzung des PBL-Konzepts muss für den spezifischen Fall wohlüberlegt, mit ausreichend Vorlauf sowie dem dafür angemessenen Aufwand geplant und aufgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, die zu betreuenden Systemteile oder geforderten Dienstleistungen sowie die Zielsetzung (Was will ich erreichen?) vorab genau zu definieren. Die genaue Abgrenzung und Definition helfen, Risiken zu erkennen und vorab beherrschbar einzugrenzen oder sogar insgesamt zu vermeiden. Allen Beteiligten im geplanten PBL-Prozess sollte klar sein, welche Aspekte für die Verfügbarkeit erfolgskritisch sind, sprich welche Handlungsfelder mit besonderem Fokus betrachtet und bearbeitet werden müssen.
Ist man sich über den Umfang der zu betreuenden Technik und die Zielsetzung einig, so kann mit einer Ist-Analyse begonnen werden. Der Zugang zu bestehenden Daten, Auswertungen und Erfahrungswerten auf Auftraggeberseite ist ein bedeutender Erfolgsfaktor, um ein Konzept passend und zielgerichtet entwickeln zu können. Je besser und vollständiger die Datenqualität ist, umso genauer können aufkommende Risiken und Herausforderungen erkannt und mit entsprechenden Konzeptmaßnahmen minimiert werden.
Auf Basis der so festgestellten Datenlage und identifizierten Herausforderungen können nun konkrete Vorschläge für verschiedene PBL-Leistungen und die zur Messung benötigten KPIs (KPI = Key-Performance Indicators) formuliert werden – erfahrungsgemäß stehen diese im engen Zusammenhang mit der Materialverfügbarkeit und der Materialversorgung. Aber auch logistische Betreuungsleistungen wie die Sicherstellung und Pflege einer verfügbaren und rechtskonformen technischen Dokumentation in Verbindung mit den dazugehörigen Materialbewirtschaftungsdaten/SASPF-Stamm- und IH-Daten dürfen nicht fehlen. Darüber hinaus trägt ein proaktiver Ansatz im Bereich des Obsoleszenz- und des Konfigurationsmanagements deutlich zur erhöhten Verfügbarkeit eines Waffensystems bei.
Alle TLB-Erfahrungsträger in der Leserschaft erkennen darin gewissermaßen ein Déjà-vu, jedoch muss deutlich gemacht werden, dass im Rahmen eines PBL-Vertrags im Gegensatz zum TLB-Vertrag alle Bestandteile eines Systems, also auch sämtliche Hardwarebestandteile und die zum Betrieb notwendigen logistischen Dienstleistungen, bereitgestellt werden können. Hinzu kommen die durch die gemessenen KPI gesteigerte Transparenz und Eigenverantwortung des PBL-Lieferanten hinsichtlich der Leistungserbringung und des Erfüllungsgrades.
Beispielsweise kann so die Materialverfügbarkeit mit fest vereinbarten „On-time-Delivery-“ oder „Repair-Zeiten“ (KPI) versehen, gemessen, ausgewertet und bei Abweichung mit einem Malus sanktioniert werden. Entsprechend wird sich ein PBL-Lieferant aus einer reaktiven in eine deutlich aktivere Rolle begeben müssen, was wiederum zur Steigerung der Verfügbarkeit beitragen wird. Es ist von herausragender Bedeutung, dass alle Vertragsparteien (AG, AN und UAN) die Leistungen und zugehörigen KPI-Messmethoden gemeinsam und gleichberechtigt definieren und vertraglich vereinbaren. PBL ist also kein „One-Way-Ticket“ nach dem Motto: Auftraggeber nimmt – Auftragnehmer liefert! Sondern in einem PBL-Verhältnis liefern alle am Prozess Beteiligten ihren jeweiligen Beitrag zur gemeinsamen Erreichung der vereinbarten KPIs. Alle Vertragsparteien arbeiten zielgerichtet an der Steigerung der Verfügbarkeit; Erfolge oder Misserfolge werden messbar, mögliche Ursachen dafür zuordenbar. Performance Based Logistics ist ein integrativer Ansatz – Auftraggeber und Industrie verantworten gemeinsam den Erfolg.
Bedeutung für die Deutsche Marine
Speziell für einsatzkritische und verfügbarkeitsrelevante Systeme/Teilsysteme sowie die Missionsausrüstung und -ausstattung bietet ein PBL-Vertrag einen adäquaten Freiraum zur Definition zielgerichteter und messbarer Leistungen. Die verschiedenen Ausprägungen und Ansätze, die ein PBL-Konzept beinhalten kann, bieten der Marine die Möglichkeit, sich auf ihre Kernaufgaben zu konzentrieren und dabei logistische Tätigkeiten messbar, leistungsbezogen und durch die Industrie eigenverantwortlich umsetzen zu lassen. Mit Blick auf die Besonderheiten der Marine (Einsatztage auf See vs. Liegezeiten) und die damit verbundene Notwendigkeit, eigene Wartungs- und Instandsetzungsfähigkeiten und Kapazitäten vorzuhalten, ist die gezielte Integration verfügbarer Marinekräfte wie z. B. des Bordpersonals oder der Teams des Marinearsenals zum Know-how-Aufbau ein entscheidender Erfolgsfaktor für das Gelingen eines ganzheitlich ausgerichteten PBL-Konzeptes.
Die ESG leistet mit ihrer umfassenden Expertise und ihrer jahrzehntelangen Erfahrung im Zusammenhang mit unterschiedlichen PBL-Ansätzen und Betreuungsprojekten wichtige Beiträge zur Einsatzbereitschaft und steht als der nationale, verlässliche Technologie- und Innovationspartner fest an der Seite der Deutschen Marine, damit es weiterhin heißt: Keep the system running!
Kontaktdaten:
ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH
Wolfgang Klein
Senior Projektmanager Marinelogistik
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