Kontinuierlich weitet China seinen Einfluss auf andere Staaten aus. Gegenspieler sind die USA – und Europa.
Chinas globaler, wirtschaftlicher und militärischer Aufstieg zur geopolitischen und geostrategischen Gegenmacht der USA schreitet ungebremst voran. Die Weltmacht China mit 1,4 Milliarden Menschen ist dabei, die globale Mächtekonstellation über den Westpazifik und Südostasien hinaus weiter zu verändern. Chinas Staatschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte Xi Jinping forciert zielstrebig "Chinas Traum vom Wiederaufstieg des Landes zur alten Stärke“. China ist heute die größte Handelsmacht der Welt, besitzt die weltweit größte Containerflotte und ist seit 2012 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Nach allen Prognosen wird China bis 2032 die USA (350 Millionen Menschen) als größte Wirtschaftsmacht ablösen. Über 90 Prozent des chinesischen- Außenhandels verlaufen über See. Inzwischen unterhält China die größten Streitkräfte der Welt und hat insbesondere seine Marine, d.h. die PLAN (People´s Liberation Army Navy) auf „Weltklasse-Niveau" gebracht und zahlenmäßig zur größten Marine der Welt mit der Fähigkeit zu weltweiten Operationen ausgebaut. Derzeit operiert die PLAN mit 398 Schiffen im aktiven Dienst, während die U.S. Navy nur 297 Schiffe im aktiven Dienst aufbringen kann. Xi Jinping hat das Aufwachsen Chinas zu einer Seemacht gefordert, um die Vormachtstellung der USA im pazifisch-asiatischen Raum zu brechen und u.a. „einen möglichen Krieg führen und gewinnen zu können“.
Meeresmiliz
Neben der PLAN unterhält China eine zweite paramilitärische Flotte, deren über 200 Einheiten (Fischereischutzschiffe, Fischerboote, Küstenwachschiffe, Vermessungs- und Forschungsschiffe, SAR-Schiffe) verschiedenen staatlichen Behörden unterstehen. Die viel-fältigen Schiffstypen verdrängen zwischen ca. 160 t und ca. 4.000 t und sind meist mit 57-mm-, 14,5-mm Geschützen und mit Bordhubschraubern bewaffnet. Zu ihren Aufgaben gehören Aufklärungsfahrten, logistische Unterstützung der Marine (PLAN), Sicherung von Fischgründen und vor allem Durchsetzung der Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer. Dabei agiert diese Meeresmiliz offensiv und aggressiv im Rahmen einer "Sea-Control/Denial"-Strategie.
Chinas Machtprojektion
"Strategic Management at Sea“ bildet den Kern der maritimen Strategie Chinas, nämlich Sicherung der maritimen Interessen Chinas, Schutz der Handelswege auf See, strategische Kontrolle des Südchinesischen Meeres, Verteidigung der maritimen Grenzen, Schutz des Heimatlandes gegen Bedrohungen von See, Sicherung des Zugangs zu den weltweiten Ressourcen, Sicherung von Chinas Investitionen im Ausland (Seidenstraße), Ausbeutung maritimer Ressourcen und Ausbau der maritimen Wirtschaft/Industrie. Bei der Durchsetzung dieser strategischen Ziele gelte es, die Initiative zu gewinnen, denn „die Geschichte und die Erfahrung sagen uns, dass ein Land aufsteigen wird, wenn es die Meere beherrscht und fallen wird, wenn es sie aufgibt“, hat Xi Jinping mit Berufung auf den amerikanischen Seemachttheoretiker Alfred Thayer Mahan erklärt.
China betrachtet 80 Prozent des Südchinesischen Meeres als "mare nostrum" und baut die dortigen Inselgruppen und vorgelagerten Riffe zielstrebig zu Militärstützpunkten aus und sichert sich damit zugleich die Ressourcen (Öl-, Gas- Erze und Fischerei) in den Ausschließlichen Wirtschaftszonen. Proteste der Anliegerstaaten mit ihren berechtigten Ansprüchen auf die Inseln/Riffe und die Richtersprüche internationaler Gerichte werden ignoriert. Vielmehr insistiert China auf uralte Rechte und fordert zurück, was in Jahrhunderten verloren gegangen sei. Die USA dagegen pochen auf das internationale Recht der freien Seefahrt (Freedom of Navigation) des UN-Seerechtüber-einkommens, dem die USA aber im Gegensatz zu China gar nicht beigetreten sind und durchfahren und überfliegen regelmäßig mit ihren See- und Seeluftstreitkräften die von China beanspruchten "Hoheitsgewässer/Luftraum" im Südchinesischen Meer. Dabei kommt es immer wieder zu gefährlichen Zwischenfällen, wenn Chinas Seestreitkräfte und Luftwaffe die US-Einheiten verfolgen, abdrängen oder abfangen. Das Stockholmer Friedensforschungs-Institut (SIPRI) zählt daher das Südchinesische Meer zu den Weltregionen mit der höchsten Eskalationsgefahr.
Im Ostchinesischen Meer streitet China mit Japan um die Senkaku-Inseln. Wiederholt sind chinesische Patrouillenboote und Kampfflugzeuge in die dortigen Gewässer bzw. in den Luftraum eingedrungen. Dabei wurden sie stets von japanischen Marinekräften gestoppt. Dennoch hat China über die Inseln eine Luftverteidigungszone eingerichtet, um die Seegebiete kontrollieren und überwachen zu können. Taiwan bildet einen weiteren gefährlichen Eskalationsherd. Für Xi Jinping ist Taiwan als Teil Chinas eine zentrale Legitimationsfrage und die Wiedervereinigung mit China unumgänglich. Daher soll Taiwan auch unter Anwendung von Waffengewalt mit China vereinigt werden. Die 23 Millionen Taiwaner verstehen sich aber überwiegend als unabhängig und rüsten sich mit massiver amerikanischer Rüstungsunterstützung auf, um mögliche Angriffe Chinas abwehren zu können. Die USA haben zudem zugesichert, Taiwan gegen einen chinesischen Angriff zu verteidigen. China probt seit Jahren mit groß angelegten militärischen Manövern die Einkreisung Taiwans. Erst im Oktober 2024 hat China mit dem Großmanöver „Joint Sword 2024-B“ die Einkreisung und Blockade Taiwans geprobt. Zudem versucht China, die 180 km breite Taiwan-Straße als Ausschließliche chinesische Wirtschaftszone (EEZ) zu sperren und protestiert regelmäßig, wenn westliche Marineeinheiten das Gebiet durchfahren. So protestierte China, als im September 2024 die Fregatte “Baden-Württemberg“ mit dem Versorger “Frankfurt am Main“ im Rahmen des “Indic-Pacific Deployment 2024“ die Taiwan-Straße passiert hat.
Chinas maritime Globalstrategie
Kern chinesischer maritimer Globalstrategie ist der internationale Handel, denn Seemacht bildet eine Voraussetzung für den Welthandel. China entfaltet mit seinem Infrastrukturprojekt der "Maritimen Seidenstraße" seine Machtprojektion als ökonomische Durchdringung und Beherrschung der Meere weltweit. 125 Länder sind bereits in die Seidenstraße eingebunden. Dabei ist China u.a. mit seinen Infrastrukturinvestitionen vor allem in Afrika, Südamerika und Europa näher an die Absatzmärkte seiner Industriegüter herangerückt. Auch in der Arktis ist China mit der “Seidenstraße im Eis“ präsent. Längst werden die meisten Länder Afrikas von China wirtschaftlich beherrscht und durch Überschuldung abhängig gemacht. China hat Südamerika zum unentbehr-lichen Partner erklärt, langfristige Wirtschaftsabkommen und Hafennutzungsrechte wie jüngst in Peru geschlossen. Nicht mehr die USA sondern China ist dort der größte Handelspartner. Insbesondere unterliegt Europa mit der Seidenstraße Chinas Globalstrategie. Mit 13 EU-Staaten hat China bereits Infrastrukturabkommen geschlossen. China investiert dabei in den Ausbau strategisch wichtiger Infrastruktur und vor allem in Häfen. Chinas globale Hafenstrategie, also der Bau von geostrategischen Brückenköpfen entlang der maritimen Seidenstraße erstreckt sich vom Gelben Meer über Afrika, dem Mittel- und Schwarzem Meer über Südamerika bis nach Europa. Dazu gehören u.a. bereits Häfen in Ägypten, in Pakistan, Türkei, Griechenland (Piräus) und Italien (Genua, Triest), Malta, der kroatische Adriahafen Rijeka, Rotterdam und Hamburg sowie Flughafenanteile in London. Wer Häfen besitzt, bestimmt auch die Handelswege. 60 Anrainer-staaten mit 63 Prozent der Weltbevölkerung, die bis zu 40 Prozent des Weltsozialprodukts erwirtschaften, leben entlang der Seidenstraße. Mit dem Seidenstraßenprojekt betreibt das Land geopolitisch klassische Seemacht- bzw. Großmachtpolitik.
Versorgungsschiff, Foto: Philippinische Küstenwache
So hat China mit der Errichtung einer Marinebasis in Djibouti am Horn von Afrika seinen Anspruch als maritime Ordnungsmacht über den asiatisch-pazifischen Raum hinaus markiert. Mit den Salo-monen hat China ein Sicherheitsabkommen mit Nutzungsrechten für Chinas Flotte geschlossen. Derzeit verhandelt China mit Papua-Neuguinea, um seinen Einfluss im Pazifik auszuweiten. China will den Inselstaat entschulden, um im Gegenzug dort einen Marinestützpunkt mit Zugang zur pazifischen Tiefsee für seine Nuklear-U-Boote errichten zu können. In Kambodscha nutzt China einen Marinestützpunkt, in Sri Lanka besitzt es einen Hafen und mit den Malediven wurde ein Freihandelsabkommen sowie Nutzungsrechte von Häfen vereinbart.
Chinas Masterplan 2025 sieht vor, in zehn Schlüsseltechnologien Weltspitze zu erreichen. Diese Schlüsseltechnologien umfassen u.a. Künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Big Data, Robotik, Luft- und Raumfahrt, Schiffbau, Rüstungstechnologie, Energieerzeugung oder alternative Antriebe. China verbindet dies mit dem Ankauf europäischer High-Tech-Firmen. Im Zeitalter der Globali-sierung, Digitalisierung, Cyber und Künstlicher Intelligenz sowie Eroberung des Weltalls sind das alles Abkürzungen auf dem Wege zur Weltmacht.
Kontrolle der Gegenküste
Wie jede Seemacht sind auch die USA zum Machterhalt auf die geopolitische und geostrategische Kontrolle der Gegenküsten angewiesen. Die Gegenküsten der USA sind Europa und Asien. Mit der NATO haben sich die USA die Gegenküste Europa gesichert. Seit 1941 kontrollieren die USA als unangefochtene Ordnungsmacht die asiatische Gegenküste im Westpazifik. Doch Amerikas Weltmachtrolle in Fernost fordert China heraus. Wie jede Führungsmacht versuchen auch die USA, ihren Herausforderer unter Kontrolle zu halten. Die USA haben China bereits in ihrer "National Defense Strategy 2018" neben Russland zum dominierenden sicherheitspolitischen Gegner erklärt, den es mit allen Mitteln einzudämmen gilt. Ein Mittel ist der "Handelskrieg" gegen China und gegen andere Länder, den US-Präsident Trump nach dem Motto "America First" einst begonnen hat. Er hat u.a. das pazifische Freihandelsabkommen (Trans-Pacific Partnership/TPP), dem elf Pazifik-Anrainerstaaten angehören, gekündigt. Damit haben die USA aber ein Vakuum geschaffen, das China u.a. mit seiner Seidenstraße-Initiative sofort gefüllt hat – nach dem Rat des Militärstra-tegen Sunzi (ca. 500 n. Chr,): „Vermeide die Hauptmacht, dringe in die offenen Räume.“ China entscheidet rasch und denkt global.
Um Chinas Aufstíeg zu stoppen, haben die USA und Länder im indopazifischen Raum vielfältige sicherheitspolitische Kooperationen gegen China vereinbart. Die USA, Australien, Japan, die Philippinen, Neuseeland und auch Südkorea sind untereinander durch Verteidigungsabkommen gegen Chinas verbunden. Wegen Chinas Eindringen in den Indischen Ozean haben sich die USA, Japan, Australien und Indien im Quadrilateral Security Dialogue (Quad) zusammengeschlossen. Quad richtet sich konkret gegen Chinas Expansionspolitik und sorgt vor allem im Indischen Ozean u.a. mit den Großmanövern der "Malabar"-Serie für Sicherheit und Stabilität. Auch haben Australien, Großbritannien (United Kingdom) und die USA den AUKUS-Sicherheitspakt gegen China geschlossen. Der Pakt befasst sich vorrangig mit der Entwicklung/Beschaffung von Nuklear-U-Booten, Hyperschallwaffen und Waffensystemen der Zukunft. Zur Durchsetzung der freien Seefahrt im Südchinesischen Meer/Taiwanstraße operieren dort regelmäßig Seestreitkräfte aus Europa. Allein 2023/2024 waren es u.a. Flugzeugträgerverbände aus Frankreich, Großbritannien und Italien sowie niederländische Fregatten. Vor allem Japan, das seine Rüstungsausgaben stetig erhöht, sucht die militärische Zusammenarbeit mit Europa. So beteiligten sich im Juli 2024 neben Luftwaffenverbänden aus Frankreich und Spanien auch die deutsche Luftwaffe im Rahmen der Großverlegung „Pacific Skies“ an gemeinsamen Manövern/Übungen mit japanischen Streitkräften.
Insgesamt verzeichnet der pazifisch-asiatische Raum eine wachsende Dynamik maritimer Rüstung bei den Seestreitkräften. Die dortigen Staaten wollen für eine mögliche bewaffnete Konfrontation mit China gerüstet sein. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat 2024 auf seiner Indopazifik-Reise Deutschlands Absicht betont, einen Beitrag für mehr Stabilität und Sicherheit in der Region leisten zu wollen, denn „Sicherheit in dieser Region steht im Zusammenhang mit der Sicherheit in unserer Region, auch wenn dies in Europa noch nicht überall angekommen ist.“
Dieter Stockfisch