Ehemaliges Marinelazarett in Flensburg-Mürwik

Ehemaliges Marinelazarett in Flensburg-Mürwik

Das ehemalige Marinelazarett in Flensburg-Mürwik

Das ehemalige Marinelazarett in Flensburg-Mürwik ist in mehrfacher Hinsicht ein „Lost Place“: Nach langjährigem Leerstand gleicht der Komplex einer Geisterstadt, obendrein hat der letzte Eigentümer 2020 Insolvenz angemeldet. Inzwischen stehen das als Kulturdenkmal eingetragene Ensemble wieder zum Verkauf. Hoffentlich mit glücklicherem Ergebnis als bisher. Denn seit der Schließung des Lazaretts, das zuletzt als „Klinik Ost“ zu den städtischen Krankenhäusern Flensburgs gehörte, hatte es nicht gerade rosige Zeiten erlebt. Vandalismus und Diebstahl standen auf der Tagesordnung, bis die ehemalige Klinik 2007 an einen dänischen Investor verkauft wurde. Doch dessen Pläne, auf dem Gelände ein Hotel und eine Seniorenresidenz zu errichten, gingen ebenso wenig in Erfüllung wie die hochtrabenden Wohnungsbauprojekte seines Nachfolgers. Beide haben inzwischen das Feld geräumt. Ob zum Guten, wird sich zeigen. Denn das Gelände verlangt nach einer behutsamen Sanierung, welche der Geschichte und architektonischen Bedeutung der Anlage gerecht wird.

Das Flensburger Marinelazarett entstand etwa zeitgleich mit der Marineschule Flensburg-Mürwik. Vor dem Ersten Weltkrieg nach Plänen der Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke im Stil der preußischen Backsteingotik errichtet, umfasste der Komplex außer einem Haupt-, einem Verwaltungs- und einem Wirtschaftsgebäudegebäude eine Isolierstation, eine Leichenhalle und einen Schuppen. Später kam noch eine Chefarztvilla dazu. 100 Betten standen anfangs für die Versorgung von Marinesoldaten zur Verfügung, nach 1918 erlaubte die Reichsmarine auch die Behandlung von Familienangehörigen, Reichswehrsoldaten und Beamten der Ordnungspolizei. Im Zweiten Weltkrieg gehörte der Komplex zu den Lazaretten der Kriegsmarine. Mehrere hochrangige NS-Funktionäre hielten sich zu Kriegsende hier auf, unter ihnen Hitlers Chefideologe Alfred Rosenberg (1893-1946), der SS-Reichsarzt Karl Gebhardt (1897-1948), der Chef der Inspektion der Konzentrationslager Richard Glücks (1889-1945) und der „Leitende Arzt KL“, SS-Standartenführer Enno Lolling (1888-1945). Während Glücks und Lolling in Flensburg Selbstmord verübten, wurde Rosenberg im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess und Gebhardt im sogenannten Ärzteprozess von den Alliierten zum Tode verurteilt.

Nach 1945 diente das Lazarett zeitweise als Flüchtlingsunterkunft, bis es 1947 als sogenannte Klinik Ost Teil der Flensburger Krankenanstalten wurde. Nach der Schließung derselben 1989 gab es Pläne, die Gebäude als Erweiterung der Marineschule und Unterkunft für Offiziersanwärter zu nutzen, doch wurde das Vorhaben aus Kostengründen verworfen. In der Folge stand die Anlage bis überwiegend leer. Dann kamen die beiden Investoren mit ihren Plänen. Seit Juli 2021 steht das Gelände erneut zum Verkauf. Vielleicht findet sich jetzt ein Interessent, dem es mehr um den Erhalt eines Kulturdenkmals als um kurzfristige Rendite geht. Dem Flensburger Marinelazarett wäre es zu wünschen.

Foto und Text: von Klewitz

1 Kommentar

  1. Sehr gerne verweise ich auf weiterführende Literatur:
    Beuckers. Klaus Gereon (Hg.): Das Marinelazarett in der Kieler Wik. Eine Pavillonanlage und ihre Bautypologischen Vorbilder. Kiel 2020.
    Eine kunsthistorische Einordnung des Wiker Lazaretts und dessen Baugeschichte bis einschließlich der Neubebauung im 21. Jahrhundert.
    Das Buch bildet eine vollständige Dokumentation zum ehemaligen Marinelazarett, das von bemerkenswerter städtebaulicher Bedeutsamkeit für die Stadt Kiel war uns ist, aber ebenso weit über die Region an der Förde hinaus von architekturhistorisch Relevanz ist.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

de_DEGerman