Crashtest-Dummy auf der Brücke der Ex-"Karlsruhe". Foto: Bundeswehr/S. Diedrichsen

Crashtest-Dummy auf der Brücke der Ex-"Karlsruhe". Foto: Bundeswehr/S. Diedrichsen

Fregatte Ex-„Karlsruhe“: Ansprengung

Die Deutsche Marine braucht ihre gute alte Fregatte "Karlsruhe" noch – als Testobjekt für Ansprengversuche. Update vom 25.10.2024

Hintergrund der Ansprengungen ist eine Untersuchung der im schleswig-holsteinischen Eckernförde gelegenen WTD 71 (Wehrtechnische Dienststelle) der Bundeswehr für Schiffe und Marinewaffen, Maritime Technologie und Forschung. Diese will Erkenntnisse über die Wirkung von Sprengkörpern wie beispielsweise Seeminen auf ein Schiff insgesamt, vor allem aber auch auf die Besatzung erlangen.

Trotz langer Liegezeit gut in Schuss: außer Dienst gestellte Fregatte "Karlsruhe". Foto: Bw/S. Diedrichsen

Seit ihrer Außerdienststellung wird die „Karlsruhe“ unter anderem durch den Einbau zahlloser Sensoren darauf vorbereitet und auf dem notwendigen Level instand gehalten. Insbesondere werden große Teile der Antriebsanlagen in Betrieb gehalten und regelmäßig Probeläufe durchgeführt. Der Direktor der WTD 71, Frank Menning, erklärte auf bundeswehr.de, wie wichtig und komplex solche Untersuchungen sind, und was die Bundeswehr unternimmt, um die Auswirkungen auf die Umwelt möglichst gering zu halten. Hier in Auszügen:

Erstmalig steht ein modernes Schiff für Ansprengungen zur Verfügung, bei dem wesentliche Komponenten der Antriebsanlagen wie Dieselmotoren, Turbinen, Getriebe und Wellenanlage noch in betriebsfähigem Zustand sind. Das ermöglicht es einzuschätzen, wann und welche Schäden durch die Ansprengung an diesen Anlagen real verursacht werden. Vergleichbare Ansprengungen wurden in der Vergangenheit nur mit Kampfschiffen älteren Typs durchgeführt, bei denen diese Anlagen nicht mehr betriebsbereit waren. In der Zeit vom 21. Oktober 2024 bis spätestens zum 4. November 2024 sind mit der ex-„Karlsruhe“ zwei Ansprengungen mit 50 Kilogramm und mit 175 Kilogramm Sprengstoff vorgesehen, in den folgenden Jahren bis 2028 ist jeweils eine Sprengung mit steigender Sprengstoffmenge geplant. Gesprengt wird circa viereinhalb Kilometer von der Küste entfernt in der Ostsee. In der ehemaligen Fregatte "Karlsruhe" sind viele Komponenten enthalten, die auch heute noch in gleicher oder vergleichbarer Form verwendet werden. Damit sind die Ergebnisse gut übertragbar auf den modernen Schiffsbau: Die aus der Untersuchung gewonnenen Daten dienen also der Validierung der Simulationswerkzeuge und sind damit eine wichtige Basis für zukünftige Schiffsentwürfe. Für die Messungen werden in großem Umfang Sensorik und Aufzeichnungsgeräte im Schiff eingerüstet: Mehrere hundert Sensoren und viele Kilometer Kabel sind bereits verbaut. Außerdem wird das Schiff mit speziellen Methoden vermessen, um Verformungen zu erkennen und zu bestimmen. Neben den Messstellen direkt an der Schiffsstruktur und den Maschinen kommen auch „Crashtest-Dummies“ der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition zum Einsatz. Diese Daten sind für den Sanitätsdienst von besonderer Bedeutung, speziell der Einfluss von Schock auf Menschen, da es bislang nur Daten aus dem Zweiten Weltkrieg oder aus Unfällen und Schadensereignissen anderer Nationen gibt. Hieraus lassen sich unmittelbar Konsequenzen für unsere in Dienst stehenden Schiffe ableiten – es geht also um „Leib und Leben“ unserer Soldatinnen und Soldaten.

Umfassendes Umweltkonzept

Eine Sorge an der Förde betrifft natürlich die Umwelt: Die Auswirkungen der Druckwelle auf die Umwelt sind zwar nur von extrem kurzer Dauer, so Menning, aber von erheblicher organischer Schadwirkung. Zum Schutz der Umwelt wurde ein umfassendes Konzept erstellt. Dies sieht neben einem doppelten Luftblasenschleier auch die Vergrämung der Schweinswale für die Dauer der Untersuchungen vor. Allein dafür werden zusätzlich mehrere Schiffe im Einsatz sein. Die Vergrämung findet von vier Positionen rund um den Blasenschleier statt. Die Geräte werden so betrieben und positioniert, dass die Tiere aus dem Gebiet um die Sprengstelle herum vertrieben werden. Zusätzlich erfolgt von diesen Schiffen aus die optische Überwachung des Gebietes. Der Blasenschleier hat die Funktion, die Druckwelle der Sprengung zu dämpfen und so deren Reichweite deutlich zu reduzieren. Zusätzlich wurde der Versuchszeitraum so gewählt, dass er außerhalb der sensiblen Zeit für den Schweinswal liegt.

Während der Sprengung entstehen sogenannte „Sprengstofftypische Verbindungen“, die unvermeidlich in die Umwelt gelangen. Gemessen an den umgebenden Wasser- und Luftmassen sind die Mengen aber sehr gering und „verdünnen“ sich schnell. Verglichen mit der Umgebung sind das sehr geringe Mengen. Durch die Druckwelle entsteht ein Krater am Meeresboden. Aufgrund der geringen Strömungsgeschwindigkeiten in diesem Gebiet kann dieser Krater über eine längere Zeit erhalten bleiben. Durch diese Veränderung der Form des Meeresbodens ist aber kein schädlicher Einfluss bekannt.

Gekürzter Originaltext von Heike Westhöfer und Jörg Norrmann auf bundeswehr.de
 

Erprobungsplattform Schönhagen. Foto: Michael Nitz

Vor dem Ansprengversuch wurde die Erprobungsplattform "Schönhagen" der WTD 71 vom Schlepper "Nordstrand" in das Messgebiet verholt.
Nach der Ansprengung konnte unser Fotograf Michael Nitz den Schleppzug in Begleitung des Landespolizeibootes "Falshöft" vor dem Leuchtturm Kiel abbilden, bevor der Verband bei Dunkelheit in die Kieler Förde einlief.

Schleppverband ex-"Karlsruhe" vor dem Kieler Leuchtturm. Foto: Michael Nitz

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