Marine Heat Wave vor den Britischen Inseln. Grafik: NOAA

Marine Heat Wave vor den Britischen Inseln. Grafik: NOAA

Hitzewelle heizt Nordsee auf

27. Jun 2023 | Headlines, News, Schifffahrt | 0 Kommentare

Eine der schwersten Hitzewellen weltweit heizt derzeit die flachen Meere um Großbritannien auf. Nach Angaben der US National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) handelt es sich um eine Hitzewelle der Kategorie 4 von 5. Eine Einteilung, die außerhalb der Tropen selten verwendet wird und "extreme" Hitze bedeutet. Dies ist wahrscheinlich die Folge eines relativ stabilen Wetters ohne Atlantikstürme, die für die Durchmischung des Meerwassers sorgen würden.

Langfristige Aufzeichnungen

Mit Hilfe von Satelliten und Messbojen wird seit über 20 Jahren die Temperatur der Meeresoberfläche aufgezeichnet. In einigen Seegebieten des Vereinigten Königreichs und Irlands liegt die Wassertemperatur Mitte Juni 2023 bereits 4 bis 5 °C über dem normalen Wert. Dies ist sehr ungewöhnlich, noch nie war zu Beginn des Sommers so warm.

Meereshitzewellen

Marine Hitzewellen (MHW=Marine Heatwaves) werden erst seit 2016 definiert als längere Zeiträume mit ungewöhnlich hohen Temperaturen der Meeresoberfläche im Vergleich zum langfristigen Durchschnitt für diese Jahreszeit.

Ozeanographie

In den Gebieten Südliche Nordsee, Ärmelkanal und Südliche Irische See liegen die Oberflächentemperaturen nur etwa ein Grad über dem Normalwert. In diesen flachen Meeresregionen von nur 30 bis 40 Meter Wassertiefe und mit starken Gezeitenströmungen wird das Wasser von der Oberfläche bis zum Meeresboden das ganze Jahr über gut durchmischt.

In den Gebieten Nördliche Nordsee, nordwestlich von Irland und Keltische See zwischen Cornwall und Südirland ist die Hitzewelle am stärksten. Diese Regionen mit 80 bis 100 Meter Wassertiefe und schwachen Gezeitenströmungen weisen nur eine geringe Durchmischung auf. Das bedeutet, dass sich diese Meere bei den derzeit vorhandenen stabilen Wetterlagen im Sommer "schichten", das heißt eine Schicht wärmeren Wassers überlagert die kühlere und tiefere Schicht. In diesen saisonal geschichteten Gebieten kann die Sonne also nur das Oberflächenwasser aufheizen mit der Folge, dass sich das nährstoffreiche Tiefenwasser sich nicht mehr mit den oberen Schichten durchmischt.

Atlantic Heat Wave - Datenblatt. Grafik: NOAA

Langsame Prozesse

In der hochbeweglichen Atmosphäre können die Luft-Temperaturen von Tag zu Tag stark schwanken. Demgegenüber haben die stabileren Ozeane jedoch die Fähigkeit, zwar langsam, aber viel Wärme aufzunehmen, so dass extreme Temperaturänderungen eher selten sind.

Die oben beschriebenen saisonal geschichteten Regionen entwickeln sich regelmäßig Ende Mai - mit Höchstwerten im August. Dort schwankt die Temperatur über das ganze Jahr hinweg üblicherweise zwar um etwa 10 °C. Bei der aktuellen Hitzewelle ist die Meeresoberfläche aber bereits zwei Monate vor den erwarteten Höchsttemperaturen um bis zu 5 °C wärmer als normal. Dieser Zustand wird nicht ohne Folgen bleiben!

Nahrungskette in Gefahr

Das Kontinentalschelf um Großbritannien und Irland gehört zu den biologisch produktivsten Seegebieten. Sie sind ein wichtiges Fanggebiet für Kabeljau, Schellfisch, Makrele und weitere Arten. Diese Fische ernähren sich von kleineren Fischen, Krustentieren und Krill, die sich wiederum von Plankton ernähren. Plankton ist jedoch auf nährstoffreiches Tiefenwasser angewiesen. In diesem Jahr könnte also die Nährstoffzufuhr wegen der stark ausgeprägten Schichtung und der schwächeren Durchmischung geringer ausfallen, - und wärmeres Wasser außerdem weniger Sauerstoff enthält.

Unbestritten wirkt sich der Klimawandel auch auf die Meere aus. Bei einheimischen Fischarten und dem Plankton als deren Nahrungsquelle sind bereits Störungen in den Reproduktionszyklen festzustellen. In britischen Gewässern tauchten bereits einige dort bisher unbekannte Warmwasserfische auf. Derart extreme Hitzewellen könnten also Vorboten für dramatische Veränderungen der Meere sein. Meeresbiologen befürchten eine erhebliche Reduzierung der Fischpopulation in den Küstenregionen, sollte sich der erkannte Trend ungebremst weiter fortsetzen.

Quelle: CEST

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