Martin Sulanke ist seit 36 Jahren Berufstaucher. Er arbeitet auf der „Atair“. Im Interview an Bord erklärt er, was seinen Job ausmacht und warum es unter Wasser gefährlich werden kann.
„Ich komme ursprünglich aus der Hochseefischerei“, erzählt Sulanke, der einen weißen Stoppelbart, einen silbernen Ohrring und eine rote Mütze trägt. Der 61-Jährige, der mittlerweile in Bad Schwartau bei Lübeck wohnt, stammt aus der damaligen DDR. Später wechselte er zu einem Wasserbauunternehmen und bildete sich zum Berufstaucher weiter.
Nach dem Ende der DDR kam er zum Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Seit 34 Jahren dient er der Behörde, die zum Beispiel für Seekarten und Offshore-Windparks zuständig ist. Inzwischen arbeitet er auf dem Vermessungs-, Wracksuch- und Forschungsschiff „Atair“.
Das Gespräch findet großenteils nach Feierabend im Taucherraum statt. Dort hängen die Neoprenanzüge von Sulanke und seinen Kollegen Jan Lütjen und Tjark Lange. Im Hintergrund steht eine Druckkammer. Darin können die Taucher sich an den Druck in der Tiefe gewöhnen und nach Tauchunfällen darin behandelt werden. Wenn ein Taucher zum Beispiel zu schnell auftaucht, kann der Druckabfall gefährliche Vorgänge im Körper auslösen – in der kleinen Kammer kann er dann wieder höherem Druck ausgesetzt werden.
Auch ein Taucherhelm ist da. Er besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff und ist gegen den Auftrieb mit Gewichten beschwert. Im Helm ist eine Wechselsprechanlage eingebaut, „sodass wir also praktisch mit der Oberfläche in Verbindung stehen“, erläutert Sulanke. Auf dem Helm sind zwei Lampen und eine Kamera befestigt. Dadurch kann die Crew im Begleitboot auf einem Monitor dasselbe sehen wie der Taucher – falls überhaupt, denn bei Langes Einsatz am selben Tag reichte die Sicht nur wenige Zentimeter.
Die Atemluft gelangt vom Boot zum Taucher, zudem führt dieser eine Reserveflasche mit. Es handelt sich um normale Pressluft, kein besonderes Gasgemisch, wie es manche Taucher verwenden. Das wäre zu kompliziert und damit fehleranfällig, urteilt Sulanke.
Aus ähnlichen Gründen rechnen die Profis vor einem Tauchgang mit Tabellen aus, wie lange sie in welcher Tiefe arbeiten können und welche Zeit sie für den Aufstieg brauchen: „Wir nutzen also keine Tauchcomputer.“
Luft benötigen die Taucher außer zum Atmen auch für ihr wichtigste Werkzeug, das Pneumolot. Damit loten sie die Tiefe. Vom Boot wird Luft herabgeschickt. Der Druck, der jeweils nötig ist, damit die Luft unten aus dem Schlauch austritt, macht die Tiefe berechenbar.
Bei den Lotungen an Schiffswracks und anderen Objekten müssen Sulanke, Lange und Lütjen die Stellen finden, die am knappsten unter der Wasseroberfläche liegen. Vor allem bei bereits bekannten Unterwasserhindernissen geht es auch um Änderungen des Zustands und der Lage vor allem durch Gezeitenströmungen und damit Änderungen der Tiefe über dem Objekt.
Bei sozusagen neuen Wracks hätten die Taucher ferner ein Augenmerk auf austretende Schadstoffe, Öl und so weiter. Am Ende können mit den unten gesammelten Informationen Seekarten aktualisiert oder Bergungen geplant werden. Die Arbeit der Taucher dient letztlich dazu, Gefahren anzuzeigen.
Die Taucherarbeit ist dabei selbst gefährlich. Oft sei kaum etwas zu sehen, Strömungen sind stark, bei Kälte kann Ausrüstung vereisen, das Tauchen von einem Boot aus ist schwieriger als von einem Schiff: Sulanke nennt verschiedene Risikofaktoren. Und die Taucher wissen nie, was sie unten erwartet. In der Regel gehen sie allein runter, oben hält sich für alle Fälle ein Reservetaucher bereit.
Einen Unfall hat Sulanke noch nicht erlebt. Doch er habe Kollegen gesehen, die bei einem Tauchgang das Gefühl erlebten, „dass man die Situation nicht mehr beherrscht“, vielleicht wegen fehlender Sicht und einem Wrack über sich. Sie hätten einen Tunnelblick gehabt und „eigentlich nur noch den Wunsch, aus dem Wasser zu kommen“. Um dann den Job an den Nagel zu hängen.
Phillipp Steiner