Kampf um jeden Euro vorprogrammiert
Nun ist er da, der Koalitionsvertrag – und vielleicht gibt es zum Erscheinen dieser Ausgabe ja Aussicht auf und Termin für Kanzlerwahl und Koalitionsgründung.
Der Koalitionsvertrag nimmt Bezug auf die sich dynamisch entwickelnde sicherheitspolitische Lage, die sich dadurch auszeichnet, daß eben nicht mehr nur mit Krieg gedroht, sondern dieser tatsächlich geführt wird. Abgesehen von der Nennung Rußlands wird indes über den global sehr heißen Bedrohungsbrei eher der Mantel des Schweigens gedeckt. Man nimmt prägende Aspekte der Situation wahr: „Erstmals seit Ende des Zweiten Weltkrieges müssen Deutschland und Europa in der Lage sein, ihre Sicherheit deutlich umfassender selbst zu gewährleisten. Wir werden sämtliche Voraussetzungen schaffen, damit die Bundeswehr die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung uneingeschränkt erfüllen kann.“ Das „Bekenntnis zur NATO und zur EU bleibt unverrückbar. Das transatlantische Bündnis und die enge Zusammenarbeit mit den USA bleiben … von zentraler Bedeutung.“ Das Rezept zum Selbst- und Bündnispartnerschutz ist altbewährt, wirkt indes aktuell wie Pfeifen im Walde: „Wir wollen uns verteidigen können, um uns nicht verteidigen zu müssen.“ Für überzeugende Abschreckung gegen einen geschichtsrevisionistischen Expansionisten, dem eine Million tote Soldaten aus den Kolonien des Imperiums wohl egal sind, bedürfte es eines enormen Aufwuchses von Fähigkeiten in selbst für Politiker, die Zeit in Legislaturperioden messen, sehr kurzer Zeit.
Daher wird festgestellt: „Die Ausgaben für unsere Verteidigung müssen bis zum Ende der Legislaturperiode deutlich … steigen.“ Doch jede Finanzierung im Einzelplan 14 wird wie früher Jahr für Jahr ausgehandelt werden müssen. Man hat das bekannte Top-Down-Verfahren vereinbart, also die Vorgabe von Eckwerten durch Kabinettbeschlüsse im Rahmen der Haushaltsaufstellung. Und wie immer gilt: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ In den Sondierungsrunden hatte sich die Union noch für eine Finanzierung von Streitkräften und Rüstung im Umfang von 3,5% des BIP aus Steuereinnahmen stark gemacht. Im Koalitionsvertrag steht nun 1% - alles weitere ist großzügig von der Schuldenbremse befreit. Ein neues „Bundeswehrplanungsgesetz“ soll den Planungsrahmen „für eine angemessene Ausstattung der Bundeswehr“ über kurzfristige Zeitspannen hinaus sichern. Es sei angemerkt, daß in den Sondierungspapieren im Gegensatz zu anderen dem Zeitgeist genehmeren Themen die Bundeswehr nicht in Zusammenhang gebracht wurde mit bestimmten durch Schulden zu finanzierenden Summen.
Man nimmt Umsetzungshemmnisse bei der Beschaffung wahr und will das Planungs- und das Beschaffungswesen reformieren sowie Rüstungsexporte stärker an Interessen in der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik ausrichten. Ziel ist mehr Verläßlichkeit für die deutsche Verteidigungsindustrie, ihre (ausländischen) Partner und Kunden.
Ein Lichtblick für die künftige technische Ausstattung der Streitkräfte ist die „Förderkulisse für Sicherheits- und Verteidigungsforschung einschließlich Cybersicherheit und sicherer Infrastrukturen, um Kooperation von Hochschulen und außeruniversitärer Forschung mit Bundeswehr und Unternehmen gezielter zu ermöglichen.“ Man will „verstärkt Zukunftstechnologien für die Bundeswehr“ fördern und diese sogar in die Streitkräfte einführen. „Dies gilt insbesondere für die Bereiche: Satellitensysteme, Künstliche Intelligenz, unbemannte (auch kampffähige) Systeme, Elektronischer Kampf, Cyber, Software Defined Defense und Cloud-Anwendungen sowie Hyperschallsysteme.“
Rüstung ohne Soldaten ist indes letztlich nur Inventar für die Rüstkammer auf Schloß Wolkenkuckucksheim. Die Lösung: „Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert. Für die neue Ausgestaltung dieses Dienstes sind die Kriterien Attraktivität, Sinnhaftigkeit und Beitrag zur Aufwuchsfähigkeit leitend.“ Wohin mit mehr Soldaten und Material? Es braucht rasch mehr militärische Infrastruktur. Ein „Bundeswehrinfrastrukturbeschleunigungsgesetz“ soll vieles vereinfachen u.a. durch „Ausnahmeregelungen im Bau-, Umwelt- und Vergaberecht“. Wer im Vertrag eingehend sucht, findet auch einen Hinweis darauf, daß die SArbZeitV angepasst werden soll, ein Schimmer der Hoffnung für eine bessere Gestaltung von Leben und Dienst im Stützpunkt für die Teilstreitkraft Marine und ihre Soldaten.
Michael Stehr



