Nourmahal – „Licht des Palastes“ – 1928 in Kiel auf der Germaniawerft für Vincent Astor gebaut, Gemälde von Charles Robert Patterson

Nourmahal – „Licht des Palastes“ – 1928 in Kiel auf der Germaniawerft für Vincent Astor gebaut, Gemälde von Charles Robert Patterson

Milliardär, Philanthrop und Spion

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Vincent William Astor und Franklin D. Roosevelt steuerten Amerika durch die turbulente erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. Roosevelt als einer der bedeutendsten Politiker der Republik und Astor als einer der größten Geschäftsleute und Philanthropen des Landes.

Als John Jacob Astor IV 1912 beim Untergang der TITANIC starb, hinterließ er seinem ältesten Sohn Vincent ein unermessliches Vermögen, das den Junior zu einem der reichsten Männer der Welt machte. Er brach sein Studium in Havard ab und nutzte sein Erbe verantwortungsvoll. Er sanierte die zu Slums verkommenen Astor-Immobilien in New York für die Mieter, arbeitete mit Gewerkschaften zusammen und spendete Hospitäler und Parks. Zugleich nutzte er seine führende Position in der Wirtschaft zur Sicherheit seines Landes.

Beim Kriegseintritt der USA in den Ersten Weltkrieg meldete er sich auf Rat Roosevelts freiwillig bei der US Navy, die ihn als Leutnant zuerst für die Sicherheit des New Yorker Hafens einsetzte und dann auf Konvoydienst nach Frankreich schickte. Sein letztes Kommando erhielt er, um nach Kriegsende an Bord des erbeuteten deutschen U-Boots U-117 nach New York zurückzukehren. Er tat mehr: Er übergab seine ererbte Luxusyacht NOMA der US Navy. Als USS NOMA SP-131 begleitete sie alliierte Konvois und jagte deutsche U-Boote.

Nach Kriegsende zog sich Roosevelt aus der Politik zurück, um seine Polio-Erkrankung zu behandeln. Dazu benutzte er den beheizten Swimmingpool auf dem benachbarten Grundstück seines Freundes Astor. Der rückte inzwischen an die Spitze der New Yorker Gesellschaft. Aber seine Macht und Einfluss bedeuteten nicht allein schicke Yachten, Rennwagen oder das eigene Flugzeug. Astor unterstützte soziale Reformen und wissenschaftliche Expeditionen. Als Roosevelt wieder in die Politik zurückkehrte und für das Amt des New Yorker Gouverneurs kandidierte, gab Astor ihm großzügige finanzielle Unterstützung für seine Kampagne. Das schweißte beide noch enger zusammen.

The Room

Daneben engagierte Astor sich in einer handverlesenen und einflussreichen Gruppe von New Yorker Bankern, Rechtanwälten, Diplomaten, Wissenschaftlern, Verteidigungsexperten, Geheimdienstlern, Reformern und Philanthropen. Sie gründeten 1927 eine streng geheime Gesellschaft unter dem Namen „The ROOM“, die sich monatlich in einem anonymen Apartment in New York City traf. Dort berichteten die Mitglieder nach Rückkehr von ihren ständigen Weltreisen ihre Beobachtungen. Und Astor sammelte kontinuierlich Informationen für die Regierung der Vereinigten Staaten. Dafür nutzte er auf zahlreichen ausgedehnten Seereisen seine hochmoderne Luxusyacht NOURMAHAL, die er 1928 in Kiel bei der Germaniawerft hatte bauen lassen.

Nourmahal PG-72 vor der Marinebasis Guantanamo Bay, Foto: National Archives
Nourmahal PG-72 vor der Marinebasis Guantanamo Bay, Foto: National Archives

Der Einfluss des CLUB wuchs, als Roosevelt 1932 für die Präsidentschaft kandidierte. Zwar war er niemals formelles Mitglied des ROOM, aber er kannte alle Mitglieder bestens. Und an Bord der NOURMAHAL wurde er auf fünf Reisen zum engen Kameraden der einflussreichsten Mitglieder des ROOM– die „NOURMAHAL- Gang“.

Roosevelt verlangte immer Informationen. Dafür suchte er sich vertrauenswürdige „Agenten“, die sie ihm persönlich zusteckten. Denn er benötigte in einer zunehmend feindlichen Umwelt mit Weltwirtschaftskrise und aufkommenden Diktaturen geheime Informationsquellen außerhalb der offiziellen Regierungsberichte.

Und Astor lieferte. Die frühesten Informationen um 1933 betrafen die die allgemeinen Zustände in der Karibik und der Panama Kanalzone. 1936 erfuhr Roosevelt, dass Astor eine Expedition für die Charles Darwin Foundation zu den Galapagos Inseln plante und dabei auch Gerüchten nachgehen wollte, dass japanische Schiffe das Archipel nach einem Ort für eine vorgeschobene Basis absuchten. Noch mehr aber wollte FDR wissen, was die Japaner auf den weit entfernten Inseln im Südpazifik unternahmen.

So plante Astor im Jahr 1938 eine als wissenschaftlich getarnte Expedition zu den Marshall Inseln. Das bereitete er gründlich vor. Für den Zugang zum Funknetz der US Navy besorgte er sich ein Codewort für die NOURMAHAL und ließ sich zusätzlich vom Marinenachrichtendienst briefen. Der wollte die Standorte der japanischen Funkstationen erfahren. Da half NOURMAHALs Funkpeiler. Zwar verweigerten die Japaner Astor den Zutritt zu den Inseln; aber durch abgefangene Funksprüche und Informationen des britischen Geheimdienstes auf den benachbarten Inseln Gilbert und Ellis Island erhielt Astor doch eine Menge wichtiger Informationen. So meldete er unter anderem, dass Eniwetok die Haupt-Marinebasis der Japaner sei. Und schließlich konnte er Roosevelts Sorge zerstreuen, dass die Japaner die Inseln befestigten.

The Club

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs befürchtete Roosevelt, dass der Krieg in die westliche Hemisphäre überschwappen und amerikanische Interessen gefährden könnte. Aber ein vehement isolationistischer Senat und restriktive Neutralitätsgesetze verhinderten offene Maßnahmen, die nationale Sicherheit zu schützen oder sich gar auf einen Krieg vorzubereiten. Verzweifelt suchte er nach Wegen, das Problem zu umschiffen. Da boten Astor und der ROOM einen eleganten Ausweg aus dem Dilemma.

Umgetauft in „The CLUB“ konzentrierte sich die Arbeit zunächst auf Informationen der führenden New Yorker Bank Chase National, die die internationalen Geldströme – auch der Achsenmächte – bestens kannte. Von besonderem Interesse war das Konto der AMTORG Bank, einer nur notdürftig getarnten Organisation für die sowjetische Spionage in den USA. Ein sensationeller Zufallstreffer war die Bitte der japanischen Botschaft an die Chase National, eine Kommission nach Japan zu schicken, um die gegenwärtigen wirtschaftlichen Bedingungen in Japan zu untersuchen. So schleuste Astor sorgfältig von der Office of Naval Intelligence (ONI) vorbereitete Agenten in die Kommission ein.

Leutnant Vincent Astor auf dem erbeuteten deutschen U 117. Sein Letztes Kommando im Ersten Weltkrieg, Foto: nal Archives
Leutnant Vincent Astor auf dem
erbeuteten deutschen U 117. Sein
Letztes Kommando im Ersten Weltkrieg, Foto: nal Archives

Besonders interessiert war Roosevelt an Informationen über pro-deutsche Aktivitäten in den überseeischen spanischen Botschaften und Spionagebemühungen gegen die USA durch ausländische Agenten in Mexiko City. Dazu ließ Astor als Chef der Western Union Cable Company internationale Telefonverbindungen anzapfen. Das war nach amerikanischem Recht zwar verboten, aber Astor informierte nur den Präsidenten und hielt ansonsten eisern dicht.

Enge Verbindung hielt er zu Mitarbeitern der britischen Nachrichtendienste in New York und auf den Bermudas. So half ihm die Bermuda Censorship Office, diplomatische Post zwischen Europa und dem Westen zu filzen. Und 1940 brachte er die British Passport Control Office in New York dazu, ihm und FBI-Chef Edgar Hoover Informationen zu beschaffen. Das allerdings fand das State Department heraus und beklagte sich bitterlich über die Verletzung der amerikanischen Neutralität. So musste im Gegenzug die britische Regierung den Informationsfluss zu Astor und Co zwar stoppen. Doch neben vielen anderen Aktivitäten half er Nazi-Spione zu enttarnen, kriegswichtige Geheimnisse zu schützen und FDR über die Aktivitäten von Nazi-Wirtschaftsvertretern in den USA zu informieren.

Area Controller of Intelligence for New York

Wenn auch den Bürokraten in Regierung und Militär Commander Astors Amateur-Aktivitäten natürlich gar nicht gefielen, so hatten auf der anderen Seite das State Department, der Militärnachrichtendienst, der Marinenachrichtendienst ebenso wie FBI und CIA mit überlappenden Verantwortlichkeiten, wechselnden Aktivitäten der Nachrichtendienste und nicht zuletzt den Beschränkungen durch einen isolationistischen Kongress zu kämpfen. Das Ganze war ein höchst amateurhaftes und ineffizientes Konstrukt.

So schaffte Roosevelt 1941 für Astor die neue, einzigartige und geheime Position des „Area Controller of Intelligence for New York“ – den Prototypen für Amerikas modernen Geheimdienst. Damit unterstand Astor die Kontrolle über alle lokalen Funktionen des Militärgeheimdienstes; der U.S. Army, der U.S. Navy, der Justizbehörde und des State Departments. Mit seiner Erfahrung im Management und seiner starken Persönlichkeit war er in Roosevelts Augen der richtige Mann für den Job.

Mit dem japanischen Überfall auf Pearl Harbor und Hitlers Kriegserklärung waren nun auch Amerikas Küsten vor den U-Booten der Achsenmächte nicht mehr sicher. So holte Astor seinen schon im Ersten Weltkrieg gefassten Plan eines „Ships Observer’s Scheme“ wieder aus der Schublade. Motoryachten und Fischerboote, ausgerüstet mit Funkgeräten, sollten gesichtete Nazi-U-Boote melden. Daneben gründete Astor die „Civil Air Patrol“ mit den gleichen Aufgaben. Und schließlich überließ Astor seine schöne Yacht NOURMAHAL der U.S. Navy für die symbolische Miete von 1.000 Dollar pro Jahr. Für seine großen Verdienste erhielt er 1943 den Rang eines Captains und hohe Auszeichnungen.

Vincent Astor mit Franklin D. Roosevelt (Mitte) und die „Nourmahal-Gang“, Foto: National Archives
Vincent Astor mit Franklin D. Roosevelt (Mitte)
und die „Nourmahal-Gang“, Foto: National Archives

Mit dem Verlauf des Krieges und der Professionalisierung der Geheimdienste schwand langsam die Bedeutung des Area Controllers. Im August 1944 sah Astor ein, dass “an Area Controller in New York honestly isn't needed any more“ und bat Roosevelt, ihn von dem Posten zu entbinden. Ihn zog es wieder zur Marine. Dort koordinierte er bis zum Ende des Krieges Konvoys und Logistik von der Karibik bis zum Nordatlantik. Aber seine Insiderinformationen von der Chase National Bank an das Weiße Haus gab er nach wie vor weiter – nicht nur bis zum Kriegsende, sondern bis in den Kalten Krieg.

Dr. Jürgen Rohweder ist Historiker und Journalist. Zuvor war er Leiter der Konzernkommunikation bei HDW und Thyssenkrupp Marine Systems.

Jürgen Rohweder

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