Australien eröffnet Wettbewerb um weltweit größtes nicht-nukleares U-Boot-Projekt – Seit am 20. Februar dieses Jahres das australische Verteidigungsministerium seine „Strategische Direktive des zukünftigen U-Boot-Programms“ veröffentlichte, steht fest, dass Frankreich, Deutschland und Japan potenzielle Partner im Projekt SEA 1000 sind, d.h. zur Entwicklung und Beschaffung von bis zu 12 neuen U-Booten für die Royal Australian Navy (RAN). Nach einem zehnmonatigen Evaluierungswettbewerb (competitive evaluation process) wird einer der drei Kandidaten den Zuschlag erhalten.
Spätestens seit August 2008, als das unabhängige „Submarine Institute of Australia“ einen umfangreichen U-Boot-Beitrag für das 2009 unter der Labour-Regierung erschienene Verteidigungs-Weißbuch vorlegte, ist international bekannt, dass ab Mitte der 2020er Jahre der Zulauf neuer U-Boote geplant ist. Seit sechs Jahren ist SEA 1000 somit fester Bestandteil der Sicherheitspolitik und blieb es auch unter der seit September 2013 regierenden konservativen Koalition unter Premier Tony Abbott. Dass Canberra erst jetzt seine offizielle Beschaffungsstrategie für das „Future Submarine“ (FSM) bekannt gab, ist politischen Grabenkämpfen geschuldet, auf die weiter unten noch detaillierter einzugehen ist. Demnach wird das Verteidigungsministerium den Wettbewerb anstoßen, nachdem Anfang März den drei potenziellen Partnern und deren jeweiligen Industrievertretern Einzelheiten mitgeteilt wurden. Dass Länder und nicht Firmen genannt werden, hat seinen Grund vermutlich in einem angestrebten Regierungsabkommen (G-to-G), unter dessen Dach das Projekt abgewickelt werden soll. Das Verfahren soll sicherstellen, dass mit dem Geld des australischen Steuerzahlers das zukünftige U-Boot die bestmöglichen Fähigkeiten erhält und die heimische Industrie maximal eingebunden wird.
Die maritime Sicherheit des Landes und der Schutz seines Handels hänge davon ab, so heißt es in dem Dokument, ob mit der zeitgerechten Ablieferung des ersten FSM ab Mitte der 2020er Jahre, wenn der Außerdienststellungsbeginn der U-Boote der COLLINS-Klasse anstehe, eine Fähigkeitslücke vermieden werden könne. Bis über die 2040er Jahre hinaus würden die neuen Boote mit Lebenswegkosten von 50 Mrd. australischen Dollar (35 Mrd. €) zur Verteidigung Australiens und seiner Interessen beitragen. Die Regierung erwarte, dass erhebliche Arbeitsanteile während der Bauphase dieses größten Rüstungsprogramms in Australiens Geschichte im Lande erbracht würden. Dies schließe die Integration des Führungs- und Waffeneinsatzsystems (FüWES), die Konstruktionsaufsicht und die Landtestdurchführung ein und bedeute Schaffung von mindestens 500 neuen Hochwertarbeitsplätzen.
Von den am „competitive evaluation process“ beteiligten, potenziellen Partnern werden Vorschläge erwartet zu einem Grobentwurf nach den australischen Fähigkeitskriterien, zu Optionen für Konstruktion und Bau (in Übersee, im Lande oder als Mischform) einschließlich einer Arbeits-, Zeit- und Finanzplanung je Option und zu Fragen wie z.B. Schutz von Urheberrechten (IPR). Außerdem enthält die Bekanntmachung folgende strategischen Schlüsselforderungen: Reichweite und Seeausdauer wie COLLINS; Sensorleistungen und Signaturen (stealth) besser als COLLINS; FüWES und Schwergewichtstorpedo – von den USA und Australien gemeinsam entwickelt – sind gesetzt.
Die Regierung betont in der Bekanntmachung, dass die heimische Industrie zur Optimierung ihrer Projekteinbindung einen internationalen Partner benötige. Canberra gesteht damit ein, dass Australiens Fähigkeiten zum eigenständigen Entwurf und Bau, trotz der zwischen 1987 und 2003 komplett im Lande gefertigten, äußerst anspruchsvollen COLLINS-Klasse, nicht ausreichen. Nach sorgfältiger Prüfung habe das Verteidigungsministerium Frankreich, Deutschland und Japan ausgewählt, weil diese drei Länder erprobte Entwurfs- und Baukapazitäten besäßen und derzeit U-Boot-Neubauten produzierten.
Australische Medien berichteten und kommentierten unmittelbar nach Erlass der Beschaffungsstrategie über aufgebrachte Auseinandersetzungen in Politik sowie Wirtschafts- und Marinekreisen zur Nichtberücksichtigung Schwedens als potenzieller Partner. Die offizielle Begründung des Verteidigungsministeriums lautete, dass Schwedens U-Boot-Werft Kockums zwar Australiens Partner im COLLINS-Projekt und bis 2001 auch noch „Design Authority“ für diese Boote war, derzeit aber dem Prüfkriterium „laufende Bauprogramme“ nicht standhalten könne, da sie seit nahezu 20 Jahren keinen U-Boot-Neubau mehr abgeliefert habe.
Ambitionierte Leistungsparameter
Die strategischen Schlüsselforderungen, übertragen auf das konkrete Fähigkeitsprofil des FSM ergeben überaus ambitionierte Leistungsparameter, wie sie z.T. bereits vor 30 Jahren im Lastenheft der aufgetaucht 3.100 Tonnen verdrängenden COLLINS-Klasse standen, vor allem hinsichtlich einer für nicht-nukleare U-Boote außerordentlichen Mobilität: Die geforderten jeweiligen Transitstrecken im intermittierenden Schnorchelbetrieb von je 3.500 nautischen Meilen (je 17 Tage) bei 10 Knoten (!) ab dem Stützpunkt Perth in West-Australien, legen den Schluss nahe, dass die Einsatzgebiete australischer Boote in den Randmeeren vor China, dem indonesischen Archipel und im Indischen Ozean bis hin ins Arabische Meer gesehen werden. Hinzu kommen ca. 4.000 - 5.000 Meilen außenluftunabhängiger, geräuscharmer Betrieb bei 5 Knoten in der Patrol Area (35 Tage). Daher kann eine geforderte Gesamtreichweite von 12.000 Meilen und eine Missionsdauer von ca. 70 Tagen angenommen werden, zuzüglich entsprechender Sicherheitsmargen (z.B. 20 % Restkraftstoff und Restreaktanten nach Rückkehr). Auf Deutschland projiziert würde das bedeuten, unsere U-Boote wären auf Einsätze vor der amerikanischen Ostküste bis in die Karibik zu optimieren! Allein ein Transit vom Stützpunkt Perth nach Sydney entspricht einer Reise von Eckernförde ins Mittelmeer. Einwände von Kritikern, dass derartige Leistungsparameter eigentlich einen Nuklearantrieb erfordern, finden kein Gehör in einem Land, dessen Energiewirtschaft ohne Kernenergie auskommt.
Das FSM wird für die o.a. Mobilitätsparameter bei taktisch vertretbarer Schnorchelrate mehrere große Dieselaggregate (COLLINS 3x1.400 KW) und modernste Lithium-Ionen-Batterien benötigen. Für ein AIP-System wie die Brennstoffzelle wird eine Reformeranlage zur Herstellung von Wasserstoff an Bord unverzichtbar. Berücksichtigt man die Raum- und Gewichtsfaktoren für Kraft- und Betriebsstoffe, Lade- und AIP-Aggregate, Waffen, signaturverringernde Maßnahmen und nicht zuletzt Unterbringung sowie Versorgung der Besatzung, so wird klar, dass es sich um ein sehr großes konventionelles U-Boot handeln wird, wie es keiner der avisierten europäischen Partner bisher gebaut hat. Selbst die getaucht 4.200 Tonnen verdrängende japanische SORYU-Klasse kann die geforderte Reichweite, Seeausdauer und Transitgeschwindigkeit nicht erfüllen.
Betrachtet man die aufgetauchte Verdrängung dieses Zweihüllenbootes von „nur“ 2.950 Tonnen, die ein Indikator für das Kriterium „nutzbarer Raum“ ist, so wird der Grund klar: 1.250 Tonnen sind Ballastwasser!
FüWES und Bewaffnung werden aus den USA kommen, das ist gesetzt, denn die RAN ist durch das bilaterale Kooperations-Abkommen von 2001 enger als jede andere Marine mit der US-Navy verbunden – und das soll so bleiben. Die australische U-Boot-Waffe erlangte auf diesem Weg quasi den Status eines Juniorpartners der amerikanischen mit all den damit verbundenen Privilegien. Wie schon beim „Replacement Combat System“, mit dem die US-Navy zusammen mit amerikanischen Firmen vor 10 Jahren half, das nie funktionsfähig fertig entwickelte System der COLLINS-Klasse abzulösen und die Boote aus der Dauerkrise zu führen, wird auch das FSM ein aufdatiertes AN/BYG-1 erhalten. Dabei handelt es sich um das Standard-FüWES der nuklearen Angriffs-U-Boote (SSN), das in Zusammenarbeit mit der RAN für den konventionellen U-Boot-Einsatz adaptiert wurde. Der Torpedo Mk 48 und der Flugkörper Sub-Harpoon, ggf. sogar ergänzt um die Option zum Einsatz des Marschflugkörpers Tomahawk, werden das FSM zu einer nahtlos mit der US-Navy interoperablen Plattform machen.
Technische Optionen und politische Grabenkämpfe um das größte U-Boot-Exportgeschäft aller Zeiten
Auch die Japaner werden aus o.a. Gründen keinen „Entwurf von der Stange“ anbieten können, sondern müssen eine neue, vermutlich evolutionär aus SORYU (wörtlich „Blauer Drachen“) entwickelte Lösung vorlegen. Informierte Kreise gehen davon aus, dass Japans Bauwerften KHI/MHI bereits an einer ertüchtigten SORYU-Variante, die GORYU (wörtlich „Australischer Drachen“) heißen wird, arbeiten. Ende 2014 wurde bekannt, dass die letzten vier der insgesamt 10 Einheiten umfassenden SORYU-Klasse – beginnend ab Zulauf 2016 – nicht mehr als Hybrid-Boote mit Stirling-AIP, sondern ausschließlich mit Lithium-Ionen-Batterien ausgerüstet werden. Es liegt nahe, dass der im Vergleich zur Brennstoffzelle niedrige Wirkungsgrad und die „Sperrigkeit“ der Stirlingmotoren die operativen Erwartungen nicht erfüllt haben. Deshalb beobachtet die Fachwelt gespannt, ob auch der GORYU-Entwurf auf AIP verzichten wird, zumal die Japaner mit einer U-Boot-tauglichen Brennstoffzelle noch nicht aufwarten können. Einen technischen Vorteil gegenüber den Europäern haben die japanischen Wettbewerber schon sicher: Die Zusage aus den USA zum Einbau des amerikanischen FüWES liegt vor.
Eine aufgrund der passenden Bootsgröße von SORYU mindestens seit 2012 als Kandidat für SEA 1000 ins Auge gefasste „Option J(apan)“ erhielt im Frühjahr 2014 als ein Ergebnis des Besuches von Premierminister Abbott in Tokyo Momentum und stellt auch kein rechtliches Problem mehr dar, seit die Regierung von Premierminister Abe am 1. April letzten Jahres per Gesetz das rigide japanische Rüstungsexportverbot lockerte. Die USA, interessiert am Zustandekommen einer strategischen Dreier-Allianz, unterstützten den Ansatz der beiden Premiers, hieß es aus informierten Kreisen.
Im Juli 2014 unterzeichneten die Premierminister Abbott und Abe persönlich ein bilaterales Rüstungsrahmenabkommen, womit ein U-Boot-Deal nun auch politisch grundsätzlich machbar erschien. Darüber hinaus würde, so die Botschaft Abbotts an die Adresse der Labour-Opposition, mit einer Realisierung des Deals die drohende Fähigkeitslücke ab 2025 geschlossen werden können, die wegen der Verschleppung des U-Boot-Programms während der Labour-Regierungsjahre zu entstehen drohte. Das Wort vom „Captain's Pick“, dem Deal unter Männerfreunden, machte die Runde. Als Präsident Obama am Rande des G20-Gipfels in Brisbane auch noch ein trilaterales Treffen mit Abe und Abbott durchführte, erhielten die Gerüchte um den amerikanischen Segen zum U-Boot-Geschäft mit Japan weiteren Auftrieb.
Als kurz darauf jedoch klar wurde, dass Tokyo als Neuling im Export von Großwaffensystemen einen Bau der Hüllen in Japan voraussetzte und sich allenfalls auf eine Endausrüstung der Boote in Australien einlassen würde, hatte Abbott ein Problem: Sein Wahlkampfversprechen, das FSM würde – wie schon COLLINS – auf der heimischen Werft „Australian Submarine Corporation“ (ASC) gebaut, war unter „Option J“ nicht zu halten. Die Labour-Opposition, die Gewerkschaften, die Gegner eines SORYU-Deals in der aktiven und pensionierten U-Boot-Community und alle Verfechter des Erhalts der mühsam aufgebauten Werftkapazitäten erhielten Oberwasser, die Medien befeuerten die Debatten und die potenziellen europäischen Wettbewerber konnten wieder hoffen. Als dann auch noch Verteidigungsminister Johnston der Lapsus unterlief, er würde ASC „nicht einmal den Bau eines Kanus zutrauen“, musste er zum Jahresende 2014 den Hut nehmen. Nachfolger Andrews ruderte zurück, Abbott selbst dementierte dass jemals ein „Captain's pick“ beabsichtigt gewesen sei und stellte einen fairen, noch zu konkretisierenden Wettbewerb in Aussicht, auch wenn von einem offenen Bieterverfahren (open tender) wegen des mehrjährigen Zeitbedarfs und der dann um so mehr drohenden Fähigkeitslücke Abstand genommen werden müsse. Ergebnis war schließlich die Bekanntmachung vom 20. Februar 2015 zum „competitive evaluation process“. Damit sind Frankreich und Deutschland wieder klar im Rennen.
Frankreichs U-Boot-Werft DCNS beabsichtigt, die Parameter mit einer nicht-nuklearen Version der BARRACUDA-Klasse (ca. 5.000 t) zu erfüllen. Die politische Unterstützung aus Paris wird auf jeden Fall gewohnt skrupellos und effizient erfolgen, wie das die deutschen U-Boot-Bauer schon bei ihren Niederlagen in Indien und Brasilien bitter erfahren mussten.
Aber auch in Berlin scheint man erkannt zu haben, dass ein Rüstungsgeschäft mit dem NATO-äquivalenten Australien nicht das hierzulande stets abrufbare Skandalisierungspotenzial besitzen dürfte. Jedenfalls war sich Bundeskanzlerin Merkel nicht zu schade, bei jenem Brisbane-Gipfel Kollege Abbott zu verdeutlichen, dass die Bundesregierung die deutsche Industrie nicht nur uneingeschränkt unterstütze, sondern sogar „für eines der größten Rüstungsexportgeschäfte der deutschen Geschichte kämpfe“, wie DER SPIEGEL im Heft 5/2015 schrieb. Merkel habe außerdem mit Blick auf den japanischen Wettbewerber den australischen Premier darauf hingewiesen, dass Deutschland politisch neutral agieren könne, während Japan unter Spannungen mit China leide. „Damit haben sie recht“, soll Abbott geantwortet haben; China ist Australiens größter Handelspartner. Der Sprecher Abbotts lehnte jeden Kommentar ab, aber in den australischen Medien wurde ein Politikprofessor der „Australian National University“ (ANU) mit den Worten zitiert, Dr. Merkel habe eine „astute“ Beobachtung gemacht – was mit „scharfsinnig“, aber auch mit „gerissen“ übersetzt werden kann und weiter: „Mit dem Kauf eines japanischen U-Bootes ist [wg. China] ein Risiko verbunden, das einfach nicht existiert, wenn man ein deutsches kauft“.
Deutschlands TKMS jedenfalls wird sich mit dem Typ 216 dem „competitive evaluation process“ gegen BARRACUDA und GORYU stellen. Der speziell für das Leistungsprofil von SEA 1000 entwickelte Entwurf ist schon seit 6 Jahren in Bearbeitung und HDW legte ihn erstmals als Antwort auf den bereits Ende 2008 unter der damaligen Labour-Regierung angefragten „Request for Information“ (RFI) im April 2009 vor. Nach damaliger Planung sollte der strukturierte Prozess Ende 2011 die vier rein europäischen Wettbewerber auf zwei reduzieren und Ende 2013 den Sieger einer „Vorentwurfs-Phase“ ermitteln, bis 2016 dann die vertragliche Entwurfsphase und anschließend der Bauvertrag gefolgt wären. Das bedeutet: Der jetzt anlaufende Evaluierungswettbewerb ist im Vergleich dazu „quick and dirty“ und das Gesamtvorhaben mithilfe dieses Verfahrenstricks „nur“ um zwei Jahre im Verzug. Es ist davon auszugehen, dass U216 über die Jahre weit mehr verfeinert wurde, als dies für einen Grobentwurf erforderlich wäre, wie er jetzt im „competitive evaluation process“ gefragt ist. Die Deutschen haben damit gegenüber den Franzosen keinen Vorteil, denn auch an DCNS ging derselbe RFI, sehr wohl aber gegenüber den Japanern, die unter erheblichem Zeitdruck GORYU entwerfen müssen.
U216 ist ein beeindruckendes „Papier-U-Boot“: 4.000 Tonnen Überwasserverdrängung, Lithium-Ionen-Batterien kombiniert mit Brennstoffzellen-AIP und Methanol-Reformer, ein „Vertical Multi-Purpose Lock“, das zum Beladen mit verschiedenen Flugkörpern ebenso geeignet ist wie zum Verbringen von über 20 Spezialkräften oder zum Aussetzen von Unterwasserdrohnen. Das Boot kommt mit 34 Mann Besatzung aus und kann bis maximal 29 zusätzliche Personen aufnehmen. Alle Mobilitätsparameter werden erfüllt und es ist davon auszugehen, dass es gelingen wird, die Zustimmung zur Integration von amerikanischem FüWES und Waffen zu erlangen, zumal in einer Reihe von deutschen Exportbooten unterschiedlicher Empfängerstaaten bereits US-Bewaffnung implementiert worden ist. Lange bevor nun die Kriterien für den Evaluierungswettbewerb eröffnet wurden, hatte der TKMS-Geschäftsführer, anders als die Japaner, bei seinem Australienbesuch im Oktober 2014 schon erklärt, dass er kein Problem darin sähe, alle Boote bei ASC zu bauen, dass dies für einen Festpreis von 20 Mrd. $ möglich sei, dass seine Firma alle Urheberrechte (IPR) an dem Entwurf halte und diese uneingeschränkt an Australien übertragen werde. Mit Japan dagegen, wo die Marine und nicht die Industrie „Design Authority“ ist und wo es gerade beim „blauen Tuch“ erhebliche Widerstände gegen jede Proliferation der U-Boot-Schlüsseltechnologie gibt, dürfte das Thema IPR weit schwieriger werden.
Lehren aus dem Projekt COLLINS – Wissen für den Wettbewerber
Geschichte wiederholt sich nicht, aber die Parallelen zur Situation vor 30 Jahren lohnen einen Blick in die junge Tradition des U-Boot-Baus in Australien.
Die 6 Boote der COLLINS-Klasse sind für informierte Australier Synonym für ein Rüstungs-Desaster, über das die Medien schritthaltend berichteten. Seit 1982 geplant, 1987 mit dem schwedischen Partner Kockums als Designer und der mit erheblichen Anstrengungen neu gegründeten südaustralischen Bauwerft ASC unter Vertrag gegangen, wurden sie zwischen 1996 und 2003 in Dienst gestellt. In der Tat litten sie schon während der Bau- und Erprobungsphase unter nicht enden wollenden technischen Defekten, Zulieferengpässen, Materialfehlern und Rechtsstreitigkeiten zwischen den kompliziert verflochtenen Vertragsparteien. Fehlerhafte Schweißnähte bei den ersten noch in Schweden gefertigten Druckkörpersektionen, instabile Dieselmotoren, vibrierende Sehrohre, Risse in den Propellern und inakzeptable, hydrodynamisch bedingte Geräuschphänomene waren noch vergleichsweise einfach zu lösende Probleme.
Die eigentliche Katastrophe war das trotz zehnjähriger Entwicklungszeit nicht zu einem operativ verwertbaren Ergebnis gekommene FüWES der amerikanischen Firma Rockwell. Die Boote waren nicht zum Waffeneinsatz in der Lage. Schlimmer noch, selbst ungefährdet am Seeverkehr teilzunehmen war eine Herausforderung für die Besatzung, denn sicherheitsrelevante Systeme wie Sonar, Sehrohre und Radar waren in das instabile FüWES integriert. Erst der völlige Ersatz des untauglichen Systems in der erwähnten Zusammenarbeit mit der US-Navy brachte bis 2005 den Durchbruch und die COLLINS-Klasse wird heute den ehrgeizigen Spezifikationen im Großen und Ganzen gerecht.
„The COLLINS-Class Submarine Story“ heißt das hervorragend recherchierte, 2008 erschienene Buch der Autoren Yule und Woolner. Jeder, der heute mit den Australiern ein U-Boot-Projekt anstrebt, sollte es kennen. Die Lektüre gibt eine Vorstellung davon, mit welchen „lessons learned“ die Vertragspartner aus „Down Under“ die Kooperation mit ausländischen Partnern angehen werden, welche Fehler sie vermeiden und welche positiven Erfahrungen sie wiederholen wollen und vor allem: worauf sie mit Recht stolz sind. Sie haben viel Lehrgeld bezahlt, aber es handelte sich schon bei COLLINS um das ehrgeizigste U-Boot-Projekt, das je ein Land ohne eigene Bautradition wagte. Neu aufgestellt, quasi auf der grünen Wiese, lieferten 1.500 hoch motivierte ASC-Mitarbeiter gute Arbeit ab, denn die geschilderten Probleme waren überwiegend entweder (schwedischen) Entwurfsschwächen oder schlechten Unterauftragnehmerleistungen anzulasten. Immerhin war es gelungen, in weniger als 14 Jahren die 6 weltweit größten konventionellen U-Boote zu bauen und das erste 9 Jahre nach Bauvertragsunterzeichnung in Dienst zu stellen.
Auch wenn die Regierung Abbott offensichtlich mit der „Option J“ den Bau außer Landes bevorzugte, sie wird ihn vermutlich nicht durchsetzen können, denn es geht um den Erhalt des mühsam aufgebauten U-Boot-Know-hows, nicht nur für den Bau, sondern auch für Wartung und Instandsetzung über den Lebensweg der neuen Boote. Und es geht um Arbeitsplätze. Natürlich gibt es skeptische Stimmen, solche, die dem Land eine neue „COLLINS-Story“ ersparen wollen, denn SEA 1000 bedeutet 25 lange Jahre Bauzeit für 12 Boote, 18 Jahre, wenn es nur 8 Boote werden sollten. Aber SEA 1000 bedeutet auch, dass von den derzeit 2.400 Mitarbeitern bei ASC, die überwiegend im bald zu Ende gehenden Überwasser-Kampfschiffbau beschäftigt sind, 1.500 ihren Arbeitsplatz behalten könnten. TKMS tut deshalb gut daran, der Option „Bau im Lande“ in ihrem Angebot besonders sorgfältiges Augenmerk zu widmen.
Bei Yule/Woolner heißt es zu den Gründen, warum 1987 die schwedische Kockums mit ihrem Type 471 gegen den deutschen Typ 2000 von IKL/HDW den Zuschlag erhielt: „... die Deutschen waren zu konservativ in ihrem Design, und da die Schweden auf alles eingingen, was die Australier verlangten, hätten auch die Deutschen nachziehen sollen ... aber diese Botschaft erkannten die Deutschen nicht ... sie wollten die Grundforderungen erfüllen und über den Preis gewinnen ... Für Kockums bedeutete der mögliche Deal mit Australien die Rettung der Firma, während er für HDW nur einer von vielen Exportprojekten war.“
Der Propagandakrieg um den Zuschlag für SEA 1000 hat schon lange begonnen. Den Japanern werden unüberbrückbare kulturelle Unterschiede und mangelnde Exporterfahrung vorgeworfen, den Deutschen, dass sie noch nie ein derart großes Boot realisiert hätten. TKMS ist gut beraten, keine Kosten zu scheuen, um an der Medienfront die Nase vorn zu haben und sich starke politische Flankierung zu sichern. 1987 waren die Schweden auch an dieser Front die Besseren und ein traditionell germanophobes britisches Blatt konnte unwidersprochen titeln: „Deutsche U-Boote verkaufen sich wie japanische Autos“, was damals noch herabsetzende Bedeutung hatte und auf billige und minderwertige Massenware anspielte.
Eines ist sicher: Wer sich bei SEA 1000 durchsetzt und mit Australien das FSM realisieren darf, wird den nicht-nuklearen U-Boot-Markt bis in die Jahrhundertmitte hinein dominieren.
Kapitän z. See a.D. Wallner war während des Wettbewerbs um COLLINS 1986/87 Referent für U-Boot-Rüstung im Fü M VII. Als SEA 1000 ab 2008 begann, war er Referatsleiter für Unterwassersysteme in der Rüstungsabteilung des BMVg,und in die amtsseitige Unterstützung der deutschen Industrie eingebunden.
Autor: Raimund Wallner
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