Der Ölpreis auf dem internationalen Markt hat verschiedene Effekte auf die globale Wirtschaft - einer davon ist, dass es anscheinend günstiger für den kommerziellen Schiffsverkehr ist, den Umweg um Afrika herum als den Suezkanal zu nehmen.
Die Fertigstellung des Suezkanals war eine Herkules-Aufgabe und sollte bis zu seiner Eröffnung 20 Jahre dauern sowie die Arbeitskraft von über 1,5 Millionen Arbeitern benötigen. Als er denn endlich in Betrieb war, verkürzte sich die Reisezeit von Europa nach Asien nunmehr durch das Mittelmeer anstatt um Afrika herum um mehrere Wochen; seinerzeit eine Revolution für den globalen Handel. Seine weltwirtschaftliche und strategische Bedeutung hat der Suezkanal über das 19. und 20. Jahrhundert bis heute wahren können. Nun ist es anscheinend ökonomischer, ihn zu ignorieren.
So berichtet der Branchendienst SeaIntel, dass zwischen Oktober und Jahresende 2015 mehr als 100 Schiffe die längere Route um Afrikas Kap der Guten Hoffnung herum genommen haben anstatt den Suezkanal zu passieren. Dies sei auf den dramatischen Fall des Preises für Schiffsdiesel zurückzuführen, welcher von ca. $400 im Mai 2015 auf $150 pro metrische Tonne gesunken ist.
Allerdings sind die Treibstoffkosten nicht der einzige ausschlaggebende Punkt bei der Kosten/Nutzenrechnung der maritimen Handelsrouten, auch die Geschwindigkeit bzw. Reisedauer wird berücksichtigt. Bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 13.5 Knoten braucht ein Schiff etwa 11 Tage länger über die Afrika-Route, als wenn es den Suezkanal passieren würde. Die Zeitersparnis hat allerdings auch ihren Preis, so kostet die Gebühr für das passieren des Suezkanals etwa $465.000 pro Schiff. Eine ähnliche Beobachtung lässt sich beim Panama-Kanal feststellen, auch hier weichen einige Schiffe aus und nehmen die längere Fahrt über Südamerikas südlichste Spitze Kap Hoorn in Kauf, die günstigen Treibstoffpreise ausnutzend.
Für wen lohnt es sich also die längere Route in Kauf zu nehmen?
Anscheinend handelt es sich bei der Mehrzahl der ausweichenden Schiffe um solche, die keine zeitsensitive Ladung transportieren, darunter eben auch viele Tankschiffe. Das aktuelle Überangebot an Rohöl auf dem Weltmarkt hat dazu geführt, dass viele Ladungen noch nicht verkauft wurden und weiterhin auf den Schiffen im Transit oder auf Reede im "floating storage", also einem "schwimmenden Lager" gehalten werden. Dabei kann alleine die längere Fahrtzeit dafür sorgen, dass Angebot und Nachfrage zur entsprechenden Ladung wieder zueinander führen und Händler und Käufer sich auf einen für sie passenden Preis einigen können. Unter den Routen-Wechslern sind allerdings auch viele Container-Schiffe, die sich auf der Fahrt nach Asien abhängig von der Ladung mehr Zeit lassen können als auf der Fahrt nach Europa oder die USA.
Der Beitrag zeigt, dass es keine Konstanten gibt. Denken im globalen Kontext ist eine Daueraufgabe. Und dafür bedarfs es Informations- und Diskussionsplattformen wie „meer verstehen“, meint
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