Die Arktis ist zu einer geostrategischen Region geworden, in der die Großmächte USA, Russland, China und die Anrainerstaaten Kanada, Dänemark, Norwegen um Einfluss, Besitz und neue Grenzen ringen – geopolitisch, wirtschaftlich und vor allem als militärischer Operationsraum.
Die Arktis erstreckt sich von 66°33´nördlicher Breite bis zum Nordpol und umfasst ca. 20 Millionen Quadratkilometer. Die Hälfte dieses riesigen Gebietes nimmt der Arktische Ozean ein. Der Klimawandel lässt das Eis der Arktis immer schneller schmelzen. Das betrifft insbesondere das noch überwiegend eisbedeckte Grönland, die größte Insel der Welt, über sechsmal größer als Deutschland. Schon 2040 könnte die Arktis in den Sommermonaten eisfrei sein. Eisfreie Nordmeer-Passagen, die Nordost-Passage entlang der Küste Sibiriens und die Nordwest-Passage zwischen den Inseln Kanadas, verkürzen den Seeweg zwischen Europa und Asien. Ein Fünftel der globalen Öl- und Gasreserven sowie Bodenschätze aller Art werden in der Arktis (Grönland) vermutet. Um das Ringen um die Arktis zu regeln, wurde 1996 der Arktische Rat gegründet, der einen koordinierten Interessenausgleich der Arktis-Anrainer anstrebt. Seine Mitglieder sind Dänemark, Finnland, Island, Kanada, Norwegen, Russland, Schweden, USA. Deutschland und zwölf weitere Staaten sind Beobachter im Rat. China strebt einen ständigen Sitz an. Die Arktis-Anrainer USA, Kanada, Russland, Norwegen und Dänemark bilden im Rat die sogenannten „Arctic Five“, ein regionales Forum, das über die Grenzen des Arktischen Ozeans friedlich verhandeln soll. Nach Russlands Überfall auf die Ukraine 2022 haben alle Mitglieder ihre Zusammenarbeit mit Russland gekündigt und ihre Teilnahme an den Ratstreffen abgesagt. Russland hat daraufhin seine Mitgliedsbeiträge eingestellt. Damit bleibt die Zukunft der Arktis weiterhin ungeklärt und offen.

In Fortsetzung des Kalten Krieges betrachten Russland und die USA die Arktis als einen geostrategischen Raum mit militärstrategischen Dimensionen, denn u.a. bildete er für ihre nuklearen Abschreckungssysteme die kürzeste Entfernung zwischen USA und Russland. Unter dem arktischen Eis operieren regelmäßig amerikanische und russische Atom-U-Boote (SSBNs). Im arktischen Raum ist die russische Nordflotte präsent, deren Einheiten u.a. für Operationen in eisbedeckten Gewässern (Arktis) konzipiert wurden. Sie verfügen u.a. über Eisverstärkungen in verschiedenen Klassen (Eisklassen sind die Einstufungen der Eisfestigkeit von Schiffen). Für Operationen in arktischen Gewässern setzt Russland seine weltweit größte Eisbrecherflotte ein, die aus 49 schweren Eisbrechern besteht, die zum großen Teil nuklear angetrieben werden und bewaffnet sind. Russland hat die Militärstützpunkte aus der Sowjetzeit reaktiviert und errichtet neue Militärstützpunkte, baut U-Boot-Basen und installiert Radarstationen und moderne Aufklärungs- und Satellitenüberwachungssysteme. So hat Russland im Nordpolarmeer auf der Insel „Alexandra Land" (Franz-Josef-Land Archipel), 1.000 km südlich des Nordpols, seinen nördlichsten Militärkomplex errichtet. Neben militärischer Infrastruktur (Bunker, Tanklager, Hangars, Flugplätzen, Depots) wurden dort vor allem Raketenabwehrsysteme, Radar- und Frühwarn-systeme sowie neue Landebahnen für strategische Bomber vom Typ Tu-95 gebaut. Auch produziert Russland neue UAVs (Unmanned Aerial Vehicle) für Überwachungs- und Kontrolleinsätze. Die Kaltwetter-UAVs sollen vier Tage mit einem speziellen GPS-unabhängigen Navigationssystem operieren und Temperaturen von bis zu -40°C aushalten und starken arktischen Stürmen widerstehen können. Insgesamt hat sich Russland die Überwachung und Kontrolle des arktischen Raumes einschließlich des 5.600 km langen nördlichen Seeweges entlang Russlands arktischen Küsten militärisch gesichert.
Chinas Eisbrecher
Auch China, das sich als „Near Arctic State“ bezeichnet, ringt um Ansprüche an der Arktis mit der Begründung, die Nordpolarregion sei „globales Gemeingut“ und sei neben dem Weltall und dem Meeresboden ein „neues Grenzgebiet“ mit ungeklärter Verwaltung und Rechtslage. China betreibt u.a. auf Spitzbergen die Polarstation, die vordergründig der Erforschung des Eisschildes und des Klimas dient. Seit 1984 hat China über 40 Expeditionen in der Arktis unternommen. So operierte China 2024 mit drei schweren Eisbrechern und mehreren Forschungsschiffen monatelang in der Arktis. Auch die geplante Errichtung einer polaren Seidenstraße mit entsprechender Infrastruktur, die Sicherung von Überflugrechten, Pipelines, Fischereirechten oder Kabelverlegungen sowie die strategische Partnerschaft mit Russland zeigen Chinas strategische Interessen an der Arktis auf.
Kanada als Arktis-Anrainer versteht sich als arktische Nation und bezeichnet seine Arktis-Strategie mit „Our North, Our Heritage, Our Future“. Das Land beharrt u.a. auf einer geostrategischen Position, die darauf abzielt, die Nordwest-Passage durch das arktische Archipel Kanadas künftig als Binnengewässer zu bewerten und damit kanadischer Kontrolle zu unterwerfen. Zudem hat Kanada bei der UNO beantragt, große Gebiete der Arktis dem kanadischen Festlandsockel zuzuschreiben. Um in der Arktis dauerhaft präsent operieren zu können, verfügt Kanada über sieben schwere Eisbrecher. 2024 hat Kanada mit Finnland und den USA ein Abkommen (Ice-Pact) über den gemeinsamen Bau von weiteren schweren Eisbrechern geschlossen. Mit dem gemeinsamen Bauvorhaben wollen sie gegenüber Russland und China, die von der Arktis kontinuierlich Besitz ergreifen, ein geo- und sicherheitspolitisches Gegengewicht ergreifen. Die USA, die nur zwei schwere Eisbrecher besitzen, wollen bis 2029 drei neue schwere Eisbrecher bauen lassen. Trumps Ansinnen, Kanada als 51. US-Bundesstaat erwerben zu wollen, hat in Kanada landesweit neben Empörung und energischem Widerspruch sogar eine feindliche Haltung gegenüber dem Nachbarland und NATO-Partner USA ausgelöst.
Grönland annektieren
Da die Arktis das global-strategische Sicherheitsumfeld zunehmend beeinflusst, haben die USA bereits 2014 ihre Interessen (Artic Strategy) an dem Gebiet angemeldet, wobei insbesondere Grönland im Zentrum ihrer Interessenverfolgung liegt. Trump will Grönland mit seinen Bodenschätzen annektieren, denn „wir brauchen die strategisch wichtige Insel für unsere nationale Sicherheit.“ Seit 1721 war Grönland eine dänische Kolonie und wurde 1953 Teil Dänemarks. Grönland mit 57.000 Menschen ist autonom, gehört aber zu Dänemark, das die Außen- und Sicherheitspolitik über die Insel ausübt und die Insel mit jährlich 530 Millionen Euro subventioniert. Dänemark betrachtet Grönland als dänisches Interessengebiet und als Operationsgebiet für die dänischen Streitkräfte und hat auf Grönland ein militärisches Joint Arctic Command (JAC) errichtet. Bei der Parlamentswahl im März 2025 plädierten fast alle grönländischen Parteien für die Unabhängigkeit ihrer Insel. Ein Erwerb durch die USA wird von Dänemark und von Grönland entschieden abgelehnt.
Seit 1867 versuchen die USA Grönland zu übernehmen. Nach dem Zweiten Weltkrieg boten sie 100 Millionen Dollar für die Insel. Dänemark hat das aber abgelehnt. 1940 richteten die USA auf der Insel ein Konsulat ein und bauten im Zweiten Weltkrieg Flugplätze als Zwischenstationen für die Überführung von Militär-Flugzeugen aus den USA nach Großbritannien. Im Mai 1945 stimmte Dänemark schließlich einer militärischen Präsenz der USA auf der Insel zu und vereinbarte 1951 mit den USA ein Sicherheitsabkommen, das die Nutzung grönländischer Stützpunkte für alle NATO-Staaten erlaubte. 2004 wurde das Abkommen angepasst. Seitdem verfügen die USA vorrangig über die Militärbasis Thule Air Base (Pituffik Space Base), das sie u.a. mit einem Frühwarnsystem zur Überwachung ballistischer Raketen ausgebaut haben.
Norwegens Fregattenprogramm
Sicherung und Überwachung der NATO-Nordflanke (Nordmeer und Arktis) ist eine wesentliche Aufgabe der Königlich Norwegischen Marine. Dazu will Norwegen möglichst schnell fünf bis sechs neue Fregatten für den Einsatz im arktischen Raum beschaffen, denn die vier Fregatten der „Fridtjof Nansen“-Klasse werden ab 2029 schrittweise außer Dienst gestellt. Die neuen Fregatten sollen vorrangig der U-Jagd (ASW) dienen und mit modernsten technologischen Systemen (Hubschrauber, Drohnen, Sensoren, FK) ausgerüstet und schiffbaulich mit kälteresistenten Komponenten (Antrieb, Elektronik, Payload) für langandauernde Operationen in arktischen Gewässern befähigt werden. Das Fregattenprogramm von ca. zehn Milliarden Dollar ist Norwegens teuerstes Rüstungsprojekt. Um die Beschaffung zu beschleunigen, hat Norwegen als mögliche strategische Partner Deutschland, Frankreich, Großbritannien und USA ausgewählt, um an deren Fregattenprogrammen anzuknüpfen zu können. Deutschland beschafft die Fregatte F126, Frankreich die FDI-Fregatte, Großbritannien die Fregatten Type 26 und Type 31 und die USA bauen derzeit Fregatten der „Constellation“-Klasse. Norwegen will sich Ende 2025 für einen strategischen Partner entscheiden.
Deutschland bzw. thyssenkrupp Marine Systems und Norwegens Ulstein Verft haben im Mär 2025 im Falle einer Auftragsvergabe eine Absichtserklärung zur industriellen Zusammenarbeit im Fregattenbau geschlossen. Dabei soll die Spitzentechnologie von thyssenkrupp Marine Systems mit der lokalen norwegischen Schiffbaukompetenz kombiniert werden, wobei die wesentliche Wertschöpfung im Fregattenbau in Norwegen verbleibt. Mit der Absichtserklärung hat Deutschland eine gute Ausgangsposition für die Auftragsvergabe erzielt.
Dieter Stockfisch



