Angesichts der Bemühungen Europas, seinen Industriesektor zu modernisieren, ist die Verfügbarkeit von kostengünstigem Stahl zu einem wichtigen Faktor geworden. Da die Europäische Union jedoch ihre Klimavorschriften verschärft, richtet sich der Fokus auch auf die Dekarbonisierung der Stahlproduktion.
Der CO2-Fußabdruck der Stahlindustrie in Europa macht etwa fünf Prozent aller regionalen Emissionen aus, das entspricht etwa 190 Millionen Tonnen CO2. Daher spielt der Stahlsektor eine entscheidende Rolle für die Dekarbonisierungspläne der EU. Denn obwohl neue Technologien für eine saubere Stahlproduktion aufkommen, wird inzwischen auch das Recycling von Altmetall als leicht zu erreichendes Ziel angesehen. Das Schiffs-Recycling ist in Europa laut eines neuen Berichts des Brüsseler Klima-Thinktanks Sandbag, der Brüsseler Nichtregierungsorganisation Shipbreaking Platform und der italienischen Universität Tuscia in Viterbo, etwa 80 km nördlich von Rom, nach wie vor ein weitgehend ungenutztes Potenzial für die Karbonreduzierung der Stahlindustrie.
Jüngste Trends deuten darauf hin, dass die Nachfrage nach Altmetall in den kommenden Jahren steigen wird, da die Stahlproduzenten versuchen, ihren Energieverbrauch zu senken. Eine der neueren Technologien, die weniger Energie verbrauchen, sind Elektrolichtbogenöfen. Diese Öfen zeichnen sich insbesondere durch ihre Fähigkeit aus, große Mengen an recyceltem Stahl zu verarbeiten. Der Bericht argumentiert, dass Schiffsstahl aufgrund seines hohen Qualitätsstandards eine zuverlässige Quelle für Schrott sein könnte und prognostiziert, dass bis Mitte der 2030er Jahre knapp 12.000 Schiffe in europäischem Besitz das Ende ihrer Lebensdauer erreichen werden. Bei diesem Umfang könnten schätzungsweise 10 bis 15 Millionen Tonnen Stahlschrott pro Jahr zurückgewonnen werden, was bis zu 20 % des jährlichen Stahlschrottverbrauchs in der EU entspricht.
Derzeit wird allerdings nur ein Prozent der europäischen Schiffe in der EU recycelt, dabei sind mehr als 70 Prozent des Gewichts eines Schiffes als Stahlschrott wiederverwertbar. Die meisten europäischen Reeder verkaufen (noch) an südasiatische Werften, die attraktive Preise für Stahlschrott bieten. Die europäische Schiffsrecyclingindustrie hat damit noch einen langen Weg vor sich.
Das geplante EU-Kreislaufwirtschaftsgesetz stellt laut den Autoren eine entscheidende Chance dar, Anreize für das Schiffsrecycling in Europa zu schaffen. Es gibt bereits Prognosen, dass Europa bis 2050 zu einem Nettoimporteur von Stahlschrott werden wird. Das Schiffsrecycling würde somit eine zuverlässige Lieferkette für den Sekundärrohstoffmarkt gewährleisten. Die Nachfrage ist also schon da, es fehlt nur noch das Angebot.
kdk, The Maritime Executive



