Windtestfeld Nord bei Husum. Grafik: Windtestfeld Nord GmbH

Windtestfeld Nord bei Husum. Grafik: Windtestfeld Nord GmbH

Küstennahe Windanlagen nur geringe Gefahr für Zugvögel

Eine neue Studie soll Behauptungen widerlegen, dass Offshore-Windanlagen eine Gefahr für Zugvögel darstellen. So kommt die Studie zu dem Schluss, dass Vögel Windkraftanlagen umfliegen und dass das Risiko von Kollisionen deutlich geringer sei als bisher angenommen.

Die vom Bundesverband Windenergie Offshore e. V. (BWO) in Auftrag gegebene Studie wurde durch das unabhängige, ökologische Forschungs- und Beratungsbüro BioConsult SH aus Husum durchgeführt und hatte zum Ziel, die Kollisionsrisiken zwischen Zugvögeln und Windparks in der Nord- und Ostsee zu ermitteln.

Untersuchungsort der Studie war das Windtestfeld Nord in der Nähe von Husum. Es erstreckt sich über eine Land-Fläche von etwa 150 Hektar und umfasst derzeit fünf Windkraftanlagen unterschiedlicher Bauart und Größe. Eine sechste Anlage ist in Planung. Untersucht wurden die Flugrouten der dort häufig vorkommenden Vogelarten wie Watvögel, Gänse, Enten, Möwen und Singvögel.

Um die Bewegungen der Vögel zu verstehen, wurden KI-gesteuerte Stereo-Kamerasysteme installiert, die alle Vogel- und Fledermaus-Passagen durch die Rotorebene sowohl tagsüber als auch nachts aufzeichneten. Die nächtlichen Aktivitäten wurden mit Infrarotkameras in Kombination mit Infrarotstrahlern erfasst. Ein spezielles Vogelradar, das während des gesamten Untersuchungszeitraums kontinuierlich betrieben wurde, sorgte für die Echtzeitüberwachung von Vogelbewegungen. Dieses Verbundsystem erlaubte eine sehr hohe Erfassungsgenauigkeit der Flugbewegungen im Bereich der Rotoren. So konnten die Forscherinnen und Forscher im Zeitraum zwischen Februar 2023 und November 2024 die Bewegungsmuster von über 4 Millionen Vögeln erfassen und analysieren.

Windturbine im Windtestfeld Nord. Bild: Enercon
Windturbine im Windtestfeld Nord. Bild: Enercon

Dabei zeigte sich, dass praktisch alle tag- und nachtziehenden Vögel die dort installierten Windenergieanlagen zuverlässig umflogen. Die Vermeidungsrate lag bei über 99,8 %. Zudem fand sich keine statistische Verbindung zwischen Zugintensität und Kollisionsrisiko, also selbst bei starkem Vogelzug stieg die Kollisionsrate nicht an. Die Studie kommt im Ergebnis deshalb zu dem Schluss, dass eine pauschale Abschaltung von Windkraftanlagen während der Zeit der Vogelwanderung kein sinnvoller Ansatz mehr sei. Diese Ableitung basierte auf den Ergebnissen der Todesfallerhebungen, die eine relativ geringe Zahl von Kollisionsopfern ergaben: Etwa 100 Todesfälle aller Vogelarten, also ca. 0,0025 % wurden während des Untersuchungszeitraums an den fünf überwachten Windkraftanlagen registriert. Dies entspricht einem Durchschnitt von ca. 13 Kollisionsopfern pro Jahr und Turbine.

Die Studie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland das Wachstum im Bereich der erneuerbaren Energien vorantreibt. Bis Ende 2024 waren insgesamt 1.639 Turbinen mit einer Leistung von 9,2 GW im Land installiert. Deutschland hatte sich zum Ziel gesetzt, die Offshore-Windkapazität bis 2030 auf 30 GW, bis 2035 auf 40 GW und bis 2045 auf 70 GW zu steigern. Da liegt noch ein ordentliches Stück Strecke vor allen Verantwortlichen. Mit dieser Forschung sollte deshalb die Datenbasis verbessert und die Diskussion entpolitisiert werden, damit zukünftige Entscheidungen auf der Grundlage von Fakten getroffen werden, so der Geschäftsführer der BWO.

Ob die Studie die Diskussion rationaler machen kann, bleibt abzuwarten. Ein umweltverträglicher Ausbau der Offshore-Windenergie muss politisch zuerst die Frage klären, ob es stets einen Gleichklang zwischen Umwelt-, Naturschutz und Versorgungssicherheit geben muss. Und schließlich können die Ergebnisse der Studie nur auf küstennahe Anlagen übertragen werden. Denn um die Möglichkeit eines erhöhten Kollisionsrisikos in Situationen auszuschließen, in denen die Vogelwanderung auf andere Vogelarten und widrige Wetterbedingungen auf See trifft, ist eine weitere Studie erforderlich. Das konnte in der Versuchsanlage an Land nicht untersucht werden.

 

kdk, The Maritime Executive, Enercon

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