Ablauf eines HAAWC-Einsatzes. Illustration: Boeing

Ablauf eines HAAWC-Einsatzes. Illustration: Boeing

US Navy kauft Boeing's HAAWC

Die US Navy hat bei Boeing einen Auftrag zur Serienfertigung der sogenannten High-Altitude Anti-Submarine Warfare Weapon Capability (HAAWC) erteilt. Dabei handelt es sich um einen ‚Gleitkörper‘, ein sogenanntes Air Launch Accessory (ALA) Kit, das an einen U-Jagd-Torpedo Mk 54 befestigt wird. Die Faltflügel breiten sich nach dem Start des HAAWC aus. Der Torpedo wird von einem im ALA befindlichen Autopiloten mit GPS-Daten zum Ziel gesteuert. Auf akzeptable Höhe gesunken, setzt ihn das ALA an einem vom Waffeneinsatzsystem des Mutterflugzeugs zugewiesenen Punkt ab, der in Abhängigkeit vom Torpedoeintrittspunkt berechnet wird.

Der Vertrag zwischen dem US Naval Sea Systems Command und Boeing hat einen Gesamtwert von 25,6-Millionen US-Dollar. Der Gesamtwert des Vertrags könnte sich bei Einlösen aller verhandelten Optionen, darunter eine erhöhte Stückzahl, auf 121,4 Mio. USD erhöhen.

Die HAAWC-Module sollen bis zum September 2024 ausgeliefert sein. Weitere HAAWC-Module könnten bei Ausübung einer vereinbarten Erweiterungsoption bis zum September 2030 geliefert werden.

Artist Impression - HAAWC im Einsatz von einer P-8 Poseidon. Illustration: Boeing

Neue Torpedo-Einsatzoptionen

Mit Hilfe des HAAWC kann der U-Jagd-Torpedo aus großer Höhe eingesetzt werden. Was aus taktisch-operativen Gründen geboten sein kann – gerade in einem komplexen Umfeld, in dem sich das Flugzeug als Waffenträger einer Bedrohung ausgesetzt sieht und daher in anderen als den üblichen (niedrigen) Höhenbändern operiert. Frei zugängliche US-Publikationen sprechen davon, dass die ‚normalen‘ Ausstoßhöhen des Torpedos bei der US Navy bei ungefähr 100 Fuß lägen. Das HAAWC ermöglicht nach Industrieangaben „eine Höhe von bis zu 30.000 Fuß“. Neben der Gefährdungsreduzierung kommt hinzu, dass das Flugzeug seine übliche Patrouillenflughöhe für den Torpedoangriff nicht mehr verlassen muss. Damit können aerodynamische Belastungen und zeitliche Verzögerungen vermieden werden. Aus dem Torpedo wird eine Präzisionsgleitwaffe.

Seit der ersten Hälfte der 2000er-Jahre gibt es Überlegungen der US Navy zu einem ‚stand-off‘-Einsatz des U-Jagdtorpedos aus dem Flugzeug. Lockheed Martin veröffentlichte im Sommer 2006 sein Konzept „LongShot“ für die Reichweitenvergrößerung und autonome Lenkung bereits existierender Luft-Boden-Munition mittels eines Flügeladapter-Kits.

Die US Navy hatte im Juli 2021 die Erprobung des HAAWC abgeschlossen und sich für eine Beschaffung ausgesprochen. In der damaligen Bewertung wurden keine Risiken an die Anforderungen der Betriebstauglichkeit des Torpedos beim Einsatz mittels HAAWC gesehen. Einschränkungen sah die US Navy darin, dass sie die HAAWC nicht in allen Ausklinkhöhen, d.h. Flughöhe des Flugzeuges zum Zeitpunkt des Ausklinkens des HAAWC mit seinem Torpedo, einsetzen kann. Dieser Kritikpunkt scheint überkommen. Ein anderer, die Resistenz gegenüber Cyber-Bedrohungen, wird sich im operativen Gebrauch beweisen müssen.

Über die Reduzierung der Gefährdung für das Flugzeug und seine Besatzung hinaus ermöglicht HAAWC einen anderen Ansatz des Seefernaufklärers. Er wird mehr als bisher in die Lage versetzt, Waffenträger für andere U-Jagd-Einheiten zu sein. Denn nun kann er seine Waffen mit den Zieldaten anderer fliegender, schwimmender oder getauchter See- und Seeluftstreitkräfte zum Einsatz bringen, ohne das feindliche U-Boot selbst zu verfolgen. Gerade bei der zunehmenden Bedeutung A2AD (Anti-Access/Area Denial) ein weiterer Fähigkeitsgewinn.

Ein weiterer Aspekt: Über den traditionellen Abwurf vom Seefernaufklärer hinaus könnte der HAAWC auch für den Einsatz von (bewaffneten) Flug-Drohnen in Frage kommen.

Illustration: Boeing

Illustration: Boeing

Parallelen zur Deutschen Marine?

Die deutsche Marine nutzt den Torpedo Mk54. Der von der US Navy betriebene Seefernaufklärer P-8A Poseidon soll als Ersatz für die P-3C Orion in die Deutsche Marine eingeführt werden. Im September 2021 hat die US-Navy Boeing einen Auftrag über die Produktion von fünf P-8A Poseidon-Flugzeugen für Deutschland erteilt. Die ersten Lieferungen sollen im Jahr 2024 erfolgen.

Der HAAWC-Bausatz ist insofern auch für die Deutsche Marine bemerkenswert. Die konzeptionelle Prüfung durch die zuständigen Stellen ist noch nicht abgeschlossen.

Torpedo Mk 54

Nach der Exportgenehmigung durch das Außenministerium der Vereinigten Staaten vom Juli 2020 erwarb Deutschland 64 Mk 54, Belgien 29. Die Torpedos für die Deutsche Marine sollen von den Seefernaufklärern P-3C Orion, später ihrem Nachfolgemuster P-8A Poseidon, bei der Uboot-Bekämpfung eingesetzt werden. In ihrer Exportempfehlung begründete das Pentagon seine Zustimmung damit, dass die Beschaffung „die Fähigkeit Deutschlands bei der Uboot-Abwehr jetzt und künftig entscheidend verbessern“ werde.

Illustration: Boeing

Illustration: Boeing

Der Mk 54 fällt in die Kategorie leichter Torpedos zur Uboot-Bekämpfung von Schiffen, Helikoptern und Flugzeugen. In ihm wurden die Zielerfassungs- und Datenverarbeitungseinheiten des Torpedos MK 50 mit dem Antrieb des Leichtgewichtstorpedos MK 46 kombiniert. Er hat eine Reichweite von etwas mehr als 9 Kilometer (10.000 yards), erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 40 Knoten und verfügt über einen 43,9 Kilogramm schweren Gefechtskopf.

Raytheon hatte die Serienproduktion im Jahr 2004 aufgenommen und auf Betreiben der US Navy seither immer weiter entwickelt. Neben der US Navy gehören die Royal Air Force, die Königlich Niederländische Marine, Australien, Brasilien, Indien, Kanada und Mexiko zu den Nutzern.

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