Ständiger Begleiter während der Pandemie war die Maske, Foto: Bw/Kim Couling

Ständiger Begleiter während der Pandemie war die Maske, Foto: Bw/Kim Couling

Wenn ein Virus das Ruder übernimmt

Die Coronapandemie hat auch die Deutsche Marine hart getroffen. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Marinesanitätsdienst konnten jedoch die Aufträge weiterhin erfüllt werden.

Globale Krisen wie Sars 2003, die Ebola-Epidemie 2014–2016 oder der Zika-Ausbruch 2016 zeigten bereits die Notwendigkeit, Maßnahmen in den Bereichen Prävention, Warnung und Reaktion stärker miteinander zu verknüpfen. Allerdings war dies den meisten Ländern, darunter auch Deutschland, bis Ende 2019 nur unzureichend gelungen.

Am 30. Januar 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Covid-19-Ausbruch zur internationalen gesundheitlichen Notlage. Am 11. März folgte der Ausruf zur Pandemie. Diese traf die Zivilbevölkerung, staatliche Einrichtungen und den Marinesanitätsdienst gleichermaßen überraschend.

Mit der Erklärung vom Januar wurde eine infektiologische Kontrollstrategie im Rahmen der Umsetzung der übergeordneten Weisungslage für die Flotte angewiesen. Diese fokussierte sich auf die Reduktion des Infektionsrisikos und eine schnelle Eindämmung von Ausbrüchen unter Sicherstellung des Dienstbetriebs.

Zu den ersten Maßnahmen gehörte die Einrichtung eines sanitätsdienstlichen Lage- und Informationszentrums im Marinekommando. Dessen Aufgabe war die Lagebildführung und Koordination aller Covid-bezogenen Maßnahmen im erweiterten Tagesdienst und Wochenendbetrieb zur Sicherstellung einer Reaktionsfähigkeit innerhalb von drei Stunden.

Zur Eindämmung des Infektionsgeschehens wurden weitere Maßnahmen angewiesen oder empfohlen. Dazu gehörten:

• Implementierung von Hygienekonzepten auf den Einheiten der Flotte und Marinedienststellen an Land
• Anordnung von Basismaßnahmen zur Minimierung der Virustransmission
• Vorübergehende Begrenzung der Ausbildung auf einsatzvorbereitende Belange
• Anweisungen zum Umgang mit Rückkehrern aus einem Urlaub sowie aus Corona-Hotspots
• Einsatzvorbereitende Schutzmaßnahmen für Besatzungen seegehender Einheiten
• Maßnahmen zur Isolierung Infizierter und Verbringung von Bord

Die letzten beiden Punkte hatten unmittelbare Auswirkungen auf den Dienstbetrieb an Bord, der von räumlicher Enge geprägt ist.

In Ermangelung eines Impfstoffs oder einer gezielten Therapieoption in der Frühphase waren besondere Schutzmaßnahmen erforderlich, um die Einsatzfähigkeit der Flotte aufrechtzuerhalten und die erforderliche Teilnahme der Einheiten an Manövern, Einsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen zu gewährleisten. Hauptziel war es, das Infizieren der Besatzungen zu verhindern. Dies sollte durch Isolierung der Besatzungen vor Einsatzbeginn und Beschränkung von Außenkontakten erreicht werden.

Auf den Einheiten war der Bordsanitätsdienst zuständig für die Umsetzung und Kontrolle der einsatzvorbereitenden und einsatzbegleitenden Infektionsschutzmaßnahmen durch:

• PCR- und Antigen-Testung der Besatzung auf Sars-CoV-2, regelhaft wie anlassbezogen,
• regelmäßige Belehrungen über Hygienemaßnahmen, Antigen-Selbsttests und Symptome einer Infektion mit Covid-19,
• tägliche Gesundheitsmusterung und
• die Vorbereitung auf die Isolierung von Verdachtsfällen an Bord.

Die Pandemie zeigte den Konflikt zwischen militärischer Auftragserfüllung und den Einschränkungen durch sanitätsdienstliche Infektionsschutzmaßnahmen auf. Als Goldstandard zur Infektionskontrolle wurde vor Einsätzen eine vierzehntägige Einzelisolation der Besatzungsangehörigen in Kraft gesetzt. Diese war jedoch im Frühjahr 2020 bei bereits erfolgter Inmarschsetzung des Einsatzgruppenversorgers BERLIN nicht mehr anwendbar. Um das Risiko eines infektbedingten Ausfalls der Besatzung möglichst gering zu halten und gleichzeitig eine wirksame Infektionskontrolle zu erzielen, kam auf der BERLIN während des Transits ins Einsatzgebiet die vierzehntägige Kohortenisolierung als alternatives Verfahren zur Anwendung. Diese bestand aus:

• Testung der Besatzung auf Sars-CoV-2 vor Auslaufen,
• durchgehendes Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und striktes Einhalten der Hygienevorschriften,
• tägliche Gesundheitsmusterung,
• regelmäßige und anlassbezogene PCR-Testung,
• Reduktion der Personenzahl bei den Mahlzeiten durch Einteilung in Schichten,
• Verzicht auf die Nutzung von Fitnessgeräten sowie
• abschließende vollständige Testung der Besatzung unmittelbar vor Integration in den Verband.

Damit konnte die Einheit wie geplant am Einsatz teilnehmen. Während dieser Zeit ließ sich bei einer negativ getesteten, Covid-freien Besatzung durch konsequentes Vermeiden nicht unbedingt erforderlicher Außenkontakte die Gefahr eines Einbringens des Virus an Bord entscheidend verringern. Das hatte jedoch seinen Preis. So konnte die Besatzung der Fregatte MECKLENBURG-VORPOMMERN über neun Wochen das Schiff nicht verlassen.

Sofern ein Kontakt der Besatzung mit der „Außenwelt“ unumgänglich war, wie im Fall von eingeschifften Stäben, Kontakt mit dem Funktionspersonal eines Hafens oder anderer Einheiten, riskierte man den Viruseintrag in die Besatzung. Die Herausforderung der Isolation Infizierter unter den beengten Bedingungen an Bord sowie des in Einzelfällen trotz Infektion erforderlichen Einsatzes von unverzichtbarem Schlüsselpersonal unter Schutzmaßnahmen konnte in der Flotte gemeistert werden, ohne die Auftragserfüllung zu gefährden.

Generell stellten uneinheitliche nationale Covid-Kontrollstrategien die Einschiffung von Personal auf Einheiten der Marine im Ausland wie auch die Repatriierung nach Deutschland vor weitere Herausforderungen. Die Lösung lag in der Anwendung von Kohorten- und Einzelisolierungen sowie umfangreichen Testungen auf Virusfreiheit. So wurden in Einsätzen eingeschiffte internationale Stäbe als eigenständige Kohorte möglichst vollständig von der Besatzung isoliert sowie die Einhaltung maximaler Hygienemaßnahmen angeordnet. Zusätzlich wurde negativ getesteten Soldaten vor dem Transfer auf die aufnehmende Einheit eine schriftliche ärztliche Bescheinigung ausgestellt.

Lageentspannung?
Neun Monate nach Erklärung der Covid-Pandemie erteilte die Europäische Kommission den pharmazeutischen Unternehmen Biontech und Pfizer eine bedingte Zulassung für deren mRNA-basierte Impfstoffe. Mit der Verfügbarkeit einer Impfung ging eine Impfpflicht aller Bundeswehrangehörigen einher. An Bord seegehender Einheiten impfte der organische Bordsanitätsdienst die Besatzungsangehörigen mit den Impfstoffen, die aus den Bundeswehrapotheken an die Einsatzflottillen und weiteren Dienststellen der Marine geliefert wurden. Damit entspannte sich die Situation an Bord. Die strenge Kohortenisolierung der Besatzungen zur Einsatzvorbereitung wurde schrittweise gelockert und mit der vollständigen Durchimpfung aufgehoben. Auch die Außenkontakt-Regelungen wurden angepasst, womit das Bordleben zumindest anteilig zur Normalität zurückkehrte. Gleichwohl hielt man die etablierten Hygienemaßnahmen zur Reduktion und Kontrolle einer weiterhin stattfindenden Virustransmission aufrecht.

Auch bei den vollständig geimpften Besatzungsmitgliedern zeichnete sich schnell ab, dass die verfügbaren Impfstoffe nicht vor einer Infektion schützen, diese jedoch mild oder asymptomatisch verläuft. So kam es im September und Oktober 2022 an Bord der Fregatte RHEINLAND-PFALZ unmittelbar vor Teilnahme am NATO-Manöver Heimdall zu einem Coronaausbruch. In dessen Verlauf wurden nachweislich 32 Personen, darunter auch systemrelevantes Schlüsselpersonal, infiziert. Durch sofortiges Ergreifen geeigneter Schutzmaßnahmen gelang es, eine weitere Ausbreitung während des Seebetriebs einzudämmen und die Manöverteilnahme sicherzustellen.

Lessons Learned
Wenngleich der hohe Anteil junger Menschen an Bord der seegehenden Einheiten und die zunehmenden Erkenntnisse zu Covid-19 einen milden Krankheitsverlauf erwarten ließen, war die Fortführung von Hygienekonzept und Schutzmaßnahmen auch nach vollständiger Durchimpfung der Besatzungen im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn begründet. Repatriierte Infizierte mit behandlungsbedürftiger Symptomatik und Coronaausbrüche an Bord trotz vollständiger Durchimpfung der Besatzung bestätigen das.

Die zurzeit verfügbare Evidenz belegt die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber tödlichen Verläufen einer Covid-19-Infektion. Es bleibt abzuwarten, inwieweit auch bei jüngeren Personen trotz Impfung Infektionen, symptomatische Verläufe und Long-Covid-Symptome langfristig Effekte auf den Gesundheitszustand haben. Solange zu einer derartigen Fragestellung keine belastbare Evidenz vorliegt, müssen Schutzmaßnahmen und Hygienekonzepte in infektiologischen Ausnahmesituationen stets einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Abwägung im Hinblick auf die Auftragserfüllung wie auch die individuelle Einsatzfähigkeit und gesundheitliche Resilienz der Soldatinnen und Soldaten unterzogen werden.

Während des gesamten Pandemiegeschehens war zu erkennen, dass die für die Marine angewiesenen Maßnahmen zielführend waren. In Abwägung und mit angemessener Priorisierung der Auftragserfüllung ermöglichten die Maßnahmen einen kontrollierten Umgang mit der Pandemie und eine Unterbrechung der Infektionsketten.

Ohne die Disziplin der Besatzungen bei der Umsetzung dieser Maßnahmen – auch unter Inkaufnahme zahlreicher Einschränkungen der persönlichen Entfaltung – wäre die Durchhaltefähigkeit der Flotte bei der Vielzahl an Verpflichtungen und Aufträgen allerdings nicht gewährleistet gewesen. Die Belastung der Soldatinnen und Soldaten durch Isolierung, Maskenpflicht und das Verbot von Landgängen war zweifellos deutlich erhöht.

Schlussendlich ist die Bewältigung der Pandemie in der Deutschen Marine das Ergebnis einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Truppe und Marinesanitätsdienst.

Flottillenapotheker d.R. Stephanie Pape ist eingesetzt im Referat Planung/Konzeption der Abteilung Marinesanitätsdienst im Marinekommando.

Stephanie Pape

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