USS Paul Ignatius (DDG 117) verliess die Ostsee vorzeitig, mit ihm der Commander 6th Fleet, der nicht bei KISS weilen kannte. Grund: Der Nahost Konflikt Foto: Bw / Kolodin

USS Paul Ignatius (DDG 117) verliess die Ostsee vorzeitig, mit ihm der Commander 6th Fleet, der nicht bei KISS weilen kannte. Grund: Der Nahost Konflikt Foto: Bw / Kolodin

10 Jahre KISS: maritime Sicherheit an der Kieler Förde

BALTOPS, KISS und Konnektivität

Das ISPK (Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel) veranstaltete am 19. Juni bereits zum 10 Mal sein "Kiel International Seapower Symposium (KISS)", eine eintägige Konferenz, die während der Kieler Woche stattfindet, um aktuelle Fragen über Seemacht, maritime Sicherheit und dessen globale Herausforderungen zu erörtern und den zivil-militärischen Dialog zu fördern. Die Veranstaltung zielt darauf ab, Experten aus Militär, Wissenschaft und Industrie zusammenzubringen, um neuartige Ideen zu diskutieren und den Austausch zwischen verschiedenen Fachbereichen zu stärken. Ziel des Symposiums ist es, ein Forum für die Diskussion maritimer Themen und deren Auswirkungen auf Seefahrt, Handel und Politik zu bilden. Die Veranstaltung richtet sich an handverlesene Experten und erfolgt unter der "Chatham House Rule", um einen offenen Dialog zu fördern.

Moderierte die Veranstaltung: Sicherheits- und Verteidigungsexpertin Dr. Alix Valenti

Das jährlich zur Kieler Woche veranstaltete Kiel International Seapower Symposium KISS hat sich seit 2015 als Europas führendes Forum für maritime Sicherheitspolitik und Seestrategie etabliert. Veranstalter ist das Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK). Das 2009 gegründete Institut gilt als eine der renommiertesten sicherheitspolitischen Forschungseinrichtungen im deutschsprachigen Raum mit besonderer Kompetenz in den Bereichen maritime Sicherheit, strategische Kultur und internationale Ordnungspolitik. Mit dem Bereich Maritime Strategie & Sicherheit, geleitet von Johannes Peters, hat sich das ISPK europaweit als marinestrategisches Kompetenzzentrum profiliert.

Kooperationspartner ist zum zweiten Mal das German Institute for Defence and Strategic Studies (GIDS), ein gemeinsames Projekt von Bundeswehrhochschule Hamburg und Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw). Das GIDS fungiert als strategisches Think Tank der Bundeswehr und soll durch wissenschaftlich fundierte Beiträge Impulse für sicherheitspolitische Entscheidungsprozesse liefern. Im Rahmen von KISS bringt es sicherheitspolitische Perspektiven der Bundeswehr in den Dialog mit zivilen Forschungseinrichtungen und internationalen Partnern ein. KISS bietet einen exklusiven, forschungs- und praxisorientierten Rahmen zur Förderung maritimer Sicherheitspolitik und Seestrategie in Europa. Hier kommen Angehörige der Streitkräfte, aus Wissenschaft, Politik, Industrie und von NGO zusammen, um unter Chatham House Rules die Zukunft von Seemacht zu diskutieren. Damit fördert das Symposium Erfahrungsaustausch, Innovation und Netzwerkarbeit.

In seiner 10. Auflage rückte KISS seinen Fokus auf Politik, Strategie und Vorstellungskraft. Unter dem Titel „The Future of Seapower(s): Politics, Strategy & Imagination“ beleuchtete KISS 25 die globale Situation – von Konflikten im Schwarzen und Roten Meer bis zur Ostsee, Politik, Strategie und Zukunftsvorstellungen maritimer Macht. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf den sechs „M“ der Marinetheorie und -praxis:

  1. Men & Women (Personal)
  2. Money (Finanzierung)
  3. Manufacturing & Machinery (Gerät & Technik)
  4. Management (Führung & Organisation)
  5. Mentality (Mindset)
  6. …und ganz wesentlich: „Mindset“. Nicht als Wiederholung, sondern im Sinne der Gesamtheit von technischer Kultur, Innovationsbereitschaft und Aufbruch ins Ungewisse – als die gedankliche Haltung, die Seemacht zukunftsfähig macht.

Pressekonferenz mit maritimer Tiefenschärfe

Vizeadmiral Jeffrey T. Anderson Commander, U.S. 6th Fleet musste vorzeitig abreisen

Pressekonferenz KISS 2025

In einer Pressekonferenz des ISPK im Rahmen von KISS 2025 stellten sich Vizeadmiral Frank Lenski, Stellvertreter des Inspekteurs der Marine, sowie Johan Norlén, Chef der Königlich Schwedischen Marine, den Fragen der anwesenden Journalisten. Vizeadmiral Jeffrey T. Anderson, Befehlshaber der 6. US-Flotte, war ursprünglich angekündigt, wurde jedoch kurzfristig abberufen.

Sowohl in ihren Eingangsstatements als auch in der Beantwortung vertiefender Fragen unterstrichen beide Admirale die strategische Relevanz von BALTOPS. Die multinationale Übung ermögliche es nicht nur, grundlegende Fähigkeiten im maritimen Verbund zu trainieren, sondern biete vor allem Gelegenheit, realitätsnah mit konkreten Operationsplänen zu arbeiten. Die Führungsrolle der US Navy verdeutliche ihr nachhaltiges Engagement für diesen Operationsraum sowie für die Kooperation mit europäischen Marinen im Ostseeraum.

USA demonstrieren Verbundenheit

Ein konkretes Zeichen dafür: Während die "USS Paul Ignatius" vorzeitig abgezogen wurde, verblieb das Flaggschiff "USS Mount Whitney" trotz der angespannten sicherheitspolitischen Weltlage im Übungsraum – ein starkes Signal der Präsenzbereitschaft. Für den schwedischen Marinechef Norlén ist BALTOPS insbesondere

RADM Johan Norlén
Chief of the Royal Swedish Navy

Vizeadmiral Frank Lenski und Brigadegeneral a.D. Meyer zum Felde

mit Blick auf die jüngste NATO-Mitgliedschaft Schwedens von besonderer Bedeutung. Gerade einmal 15 Monate nach dem offiziellen Beitritt biete die Übung eine Plattform zur Festigung der Kohäsion im Bündnis. Ebenso wichtig sei sie für jene NATO-Marinen, die nicht dauerhaft in der Ostsee präsent seien: Sie erlangten durch BALTOPS die notwendige "situational awareness" für diesen zunehmend sensiblen Raum. Doch auch Herausforderungen blieben. Eine davon benannte Norlén offen: Der Austausch maritimer Lagebilder sei noch nicht durchgängig gewährleistet. "Connectivity is a struggle", formulierte er wörtlich – Konnektivität sei weiterhin eine Schwachstelle.

Der Tag der ganztägig in englischer Sprache stattfindenden Konferenz war in vier Panels aufgespaltet: Panel I unter dem Namen „Politik“ befasste sich mit den jüngsten und erwarteten Führungswechseln in der Allianz. Wie sieht die Zukunft der US-Macht unter der Trump-Regierung aus, insbesondere in Bezug auf ihre Herangehensweise an Nordeuropa? Was ist von der neuen Bundesregierung zu erwarten? Was ist mit Allianzen?  In Panel II ging es um „Gespräch auf hoher Ebene“. Panel III lautete Strategie und befasste sich mit bestehenden und aufkommenden neuen Strategien Wie reflektieren Verbündete und Wettbewerber aktuelle und zukünftige Herausforderungen? Das Panel IV hieß „Imagination“. In einer Art Retrospektive stellt sich die Frage, ob die Ereignisse im maritimen Bereich in den letzten zehn Jahren für die Experten vorhersehbar waren. Hat man sich die Zukunft, die jetzt unsere Gegenwart ist, genauso vorgestellt? Gibt es dazu Pläne und was sind die Aussichten für die nächsten zehn Jahre für Marinestrategen? Was können wir aus der Geschichte lernen, damit unsere Gesellschaften anpassungsfähiger und widerstandsfähiger werden.

"Poesiematrosin" Veronica Scholz

Dr. Sebastian Bruns

Der abendliche Empfang im Haus des schleswig-Holsteinischen Landtages wurde der Bedeutung des Symposiums gerecht. Dr. Andre Pecher führte in einem Panel noch einmal ausführlich durch die brennenden Themen. Die Grußworte sprach Landtagspräsidentin Kristina Herbst im Beisein des – in seiner Funktion letztmalig anwesenden – Befehlshabers der Flotte Vizeadmiral Frank Lenski.

Den unterhaltsamen Rahmen war ein Auftritt von Veronica Scholz, bekannt als „Poesie-Matrosin“. Die ehemalige Besatzungsangehörige der Fregatte „Sachsen“ und heutige Reservesoldatin führte ihre originellen Wortkunststücke und Gedichte auf.

Die Überraschung des Abends war dann KISS-Mastermind und Spiritus Rector selbts: Dr. Sebastian Bruns verlässt das ISPK. Mit bewegter Stimme kündigte er mit einem kurzen Rückblick und Dankesworten seinen  Abschied im September an. Er wird zu „neuen Ufern“ aufbrechen, die nur wenige Fahrradminuten weiter liegen: das Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein wird sein neues Wirkungsfeld in maritimer Sicherheit. Zunächst verblüfft, dann mit langanhaltendem Applaus reagierten die Anwesenden darauf.

Text: Hans-Uwe Mergener / Holger Schlüter

Fotos: hum / hsc / ISPK

20. Juni 2025 | 0 Kommentare

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