Flottillenadmiral Henning Faltin, Kommandeur Einsatzflottille 1, Kiel. Foto: Bundeswehr

Flottillenadmiral Henning Faltin, Kommandeur Einsatzflottille 1, Kiel. Foto: Bundeswehr

BwTV-Nachgefragt: Wir nehmen Russlands Seestreitkräfte sehr ernst

Die Ostsee ist ein Randmeer, in dem sowohl NATO-Verbände als auch die baltische Flotte Russlands operieren. Flottillenadmiral Henning Faltin ist als Kommandeur der Einsatzflottille 1 der Marine für die Sicherheit in der Ostsee zuständig. In „Nachgefragt“ erklärt Faltin, wie die Ostsee während des Ukrainekriegs geschützt wird.

Der russische Überfall auf die Ukraine habe für die Marine „im Prinzip alles geändert“, so Flottillenadmiral Henning Faltin in der letzten „Nachgefragt“-Folge vor der Weihnachtspause. Das fange schon mit der persönlichen Einstellung der Marineangehörigen an: Vor Ausbruch des Krieges habe man quasi Übungsbetrieb gehabt, nun sehe man sich „in der Operationsführung, auch wenn wir nicht im Krieg sind mit Russland.“

Zudem seien sämtliche Schwerpunkte von Marineaktivitäten in Nord- und Ostsee in die östliche Ostsee – also in Richtung Russland – verschoben worden. „Wir haben nach dem Angriff Russlands innerhalb weniger Tage so viele Einheiten in See gebracht, dass wir über 2.000 zusätzliche Soldaten in See hatten. Wir haben einfach gezeigt: So nicht, das ist nicht akzeptabel“, so der Kommandeur der Einsatzflottille 1 zu „Nachgefragt“-Moderator Hauptmann Tim Engemann.

Ständige Marinepräsenz in der Ostsee

Randmeere wie die Ostsee seien flach, eng und häufig dicht an Küsten, so Faltin. Das berge Risiken: Sowohl Seeminen als auch gegnerische Land- und Luftstreitkräfte könnten den zivilen wie den militärischen Schiffsverkehr bedrohen. „Wenn sie in einem Randmeer operieren, brauchen sie einen hohen Grad der Durchsetzungsfähigkeit, also des Selbstschutzes.“ Auch deshalb arbeite die Marine der Bundeswehr grundsätzlich immer mit Partnern und Verbündeten zusammen, betont der Flottillenadmiral. „Wir brauchen die anderen, die anderen brauchen uns – und wir alle brauchen die Amerikaner, um das auch einmal klarzustellen.“ Gemeinsam werde sichergestellt, dass immer ausreichend Schiffe und U-Boote in der Ostsee patrouillierten: „Da sind das natürlich zuerst die ständigen Einsatzverbände der NATO. Es gibt Schiffsverbände und es gibt Verbände der Seeminenstreitkräfte, die dort immer im Einsatz sind. Und darüber hinaus haben wir natürlich für die Seeraumüberwachung auch die Seefernaufklärer.“

Besserer Schutz kritischer Infrastrukturen

Die Sprengung der unterseeischen Nordstream-Gasleitungen im September konnte trotzdem nicht verhindert werden. Mehr noch: Der Angriff auf die kritische Infrastruktur blieb zunächst unbemerkt. Bis heute ist nicht klar, wer die Leitungen sprengte. Man habe einfach nicht mit einem derartigen Angriff gerechnet, räumt Faltin ein: „Bis vor kurzem war es jenseits des Vorstellbaren, dass diese Sprengungen an Nordstream 1 und 2 passieren würden.“

Die Marine sei bestrebt, den Schutz von Gasleitungen und Datenkabeln am Meeresgrund zu verbessern. So sei damit begonnen worden, sämtliche kritischen Infrastrukturen in deutschen Hoheitsgewässern zu prüfen. „Wir gucken, ob da irgendwelche Auffälligkeiten sind. Und ich erwarte, dass das für uns eine neue Aufgabe werden wird.“ Es sei aber auch generell sehr schwer, derartige Angriffe zu unterbinden, so der Flottillenadmiral. „Man muss ein sehr gutes Lagebild haben. Und auch dann wird es wahrscheinlich eher schwierig bis unmöglich sein, eine hundertprozentige Sicherheit herzustellen.“

Russische Streitkräfte an der Ostsee weiter stark

Eine signifikante Schwächung der russischen Streitkräfte in der Region sei auch nach den Rückschlägen in der Ukraine und im Schwarzen Meer nicht festzustellen, gibt der Flottillenadmiral zu bedenken. „Russland hat bei Kaliningrad und bei Sankt Petersburg Seestreitkräfte, die wir sehr ernst nehmen.“ So sei die baltische Flotte in der Lage, die gesamte östliche Ostsee aufzuklären und mit weitreichenden Flugkörpern anzugreifen. Auch die russischen Luftstreitkräfte in der Region sowie Raketenstellungen an Land müssten ins Kalkül gezogen werden.

Bislang aber verhielten sich die russischen Streitkräfte in der Ostseeregion relativ ruhig, so Faltin. „Dort ist das Verhalten weitestgehend auf dem normalen Niveau, das wir vor dem Krieg gesehen haben.“ Dass plötzlich ein U-Boot vor der deutschen Küste auftauche, könne er ausschließen: „Da haben wir ein zu gutes Lagebild, da haben wir auch zu gute Sensoren. Das würden wir vorher wissen, und das würden wir auch nicht passieren lassen.“

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