MOBA OBS bei Hirtshals. Foto: Forsvarets Bibliotek

MOBA OBS bei Hirtshals. Foto: Forsvarets Bibliotek

Dänemark überlässt Ukraine Harpoon Seezielflugkörper

Dies gab US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am 23. Mai 2022 als eines der Ergebnisse eines weiteren Treffens einer internationalen Koalition zur militärischen Unterstützung der Ukraine mit Vertretern aus Kiew bekannt.

In diesem Fall verhandelten zwanzig Nationen, genauere Teilnehmerangaben wurden jedoch nicht bekannt gemacht. Bereits am 19. Mai vermeldete Reuters, dass Washington die Entsendung von Harpoon und Naval Strike Missile (NSM) an die Ukraine erwäge. Mit dem während der ‚Geberkonferenz‘ verkündeten dänischen Angebot sind die mit einer derartigen Überlassung verbundenen Probleme gelöst. Zum einen verfügen die USA Streitkräfte selbst nicht über Plattformen, die den Einsatz von Harpoon von Land nach See ermöglichen. Zum anderen ist die technische Anpassung von seegestützten Systemen nicht einfach. Reuters zitiert US-Beamte „die Vereinigten Staaten arbeiteten an möglichen Lösungen, zu denen auch das Abziehen einer Abschussvorrichtung von einem US-Schiff gehörte."

Harpoon oder NSM

Mobile Harpoon-Batterie der dänischen MOBA OBS. Foto: Forsvarets Bibliotek 5. Juni 2002

Alternativ war man auf der Suche nach einem europäischen Verbündeten, der den Transfer übernehme. Dabei wurde neben Harpoon der von der norwegischen Kongsberg hergestellte Naval Strike Missile (NSM) in die Auswahl gezogen. Die Schwierigkeit für die USA bestand darin, dass sich in den Vorgesprächen wegen der befürchteten Repressalien Russlands niemand dazu bereit erklärte, Auch weil keiner die/der erste und einzige sein wollte, insbesondere für den Fall, dass ein russisches Schiff durch einen Flugkörper aus genau diesem Bestand des betroffenen Landes in "Mitleidenschaft" gezogen würde.

Umso größer war die Erleichterung, als sich Dänemark am vergangenen Montag (23. Mai) zur Überlassung bereit erklärte. "Ich bin Dänemark besonders dankbar, dass es heute bekannt gegeben hat, dass es eine Harpoon-Werfereinheit und Flugkörper zur Verfügung stellen wird, um der Ukraine zu helfen, seine Küste zu verteidigen", sagte Austin während einer Pressekonferenz im Pentagon.

Zwar wurden offiziell keine Aussagen zur betroffenen Harpoon-Version gemacht. Bekannt ist aber, dass die dänische Marine über Harpoon Block II (RGM-84L-4) verfügt, der auch landzielfähig ist. Die Königlich Dänische Marine war der erste Exportkunde für Harpoon Block II. Sie bestellte 1997 50 Nachrüstsätze für ihre Harpoonsysteme, die 2002 ausgeliefert wurden. „Dänemark, ein bestehender Harpoon-Kunde, war das erste Land, das 1997 einen 10-Millionen-Dollar-Vertrag über 50 Nachrüstsätze unterzeichnete.“, heißt es in einer Pressemitteilung von Boeing vom 26. April 2002, dem Tag der Auslieferung der ersten Harpoon-Block-II-Flugkörper nach der Umrüstung.

Abschuss eines Harpoon von einer MOBA-Batterie.
Foto: Forsvarets Bibliotek

Dänische MOBA OBS lebt

Die dänische Marine verfügte bis 2002/2003 über eine mobile, LKW-basierte Unterstützungseinheit. Aus einer reinen Nachschubeinheit, der MOBA LOG entstand über die Jahre die MOBA OBS, die mit dänischen und deutschen Schnellbooten in der Lagebilderstellung zusammenarbeitete. Nach 1990 wurde MOBA mit Harpoon-Flugkörpern ausgerüstet. 2003 wurde MOBA im Zuge der Entwicklungen nach Ende des Kalten Krieges jedoch schon wieder geschlossen. Insofern ist fraglich, ob die beiden MOBA-Flugkörperbatterien (2x4 Flugkörper) eine Umrüstung auf Harpoon-Block-II erfahren haben.

Eine der beiden eingemotteten Batterien wird wohl nun ihren Weg in die Ukraine machen. Ob dabei die ursprünglichen Scania-LKW weiter verwendet werden, ist derzeit unbekannt. Auch andere Details sind nicht öffentlich - etwa zum weiteren Umfang wie C2-Ausrüstung, etwaige logistische Vorkehrungen, oder Ausbildung. Eine entsprechende Anfrage vom Marineforum wurde mit dem Verweis, zum jetzigen Zeitpunkt keine Einzelheiten bekannt geben zu wollen, um sich selbst wie die Ukraine zu schützen, ausgeschlagen.

MOBA OBS Radar und Harpoon-Starter

MOBA OBS, Radar und Harpoon-Starter Foto: Forsvarets Bibliotek

Mutiges Kopenhagen

Ohnehin könnte die jetzige Entscheidung einen Wendepunkt der Marineoperationen im Schwarzen Meer bedeuten. Geht es mittlerweile darum, die ukrainischen Getreideexporte zu ermöglichen – auch über See. Insofern ist die jetzt von Washington eingefädelte Initiative ein weiteres Indiz dafür, dass man dort gewillt ist, die Seeblockade zu beenden. Mit weiteren Fähigkeiten, um von der Küste auf See zu wirken, wäre die Ukraine, wenn auch in geringem Maßstab, zu einer A2/AD-Operation (anti-access area denial) in der Lage. Was sich auf die russische Blockade auswirken könnte – bis zur Öffnung von Transportkorridoren.

Mit der moderneren Version Harpoon Block II und seiner Reichweite von 150 Seemeilen, rückten gar Operationen gegen Landziele in den Bereich des Möglichen – etwa gegen militärische Einrichtungen auf der Krim ebenso wie andere für die logistische Versorgung der russischen Streitkräfte wichtige Ziele.

Letztendlich beweist Washington dadurch, dass die Verwendung von Waffensystemen ‚Made in USA‘ gestattet wird, dass russische Repressalien nicht gefürchtet werden. Die Biden-Administration zeigt sich entschlossen, den Krieg zum Nachteil Moskaus weiterzuführen. Sowohl Washington als auch Kopenhagen gehen zaudernden alliierten europäischen Partnern mit Beispiel und Verve voran.

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