Nach drei Jahrzehnten kommen die bewährten Tender der Klasse 404 ans Ende ihrer Nutzungsdauer. In einem dramatisch veränderten Umfeld sollen die geplanten Nachfolger möglichst vielfältig einsetzbar sein.
Mit der Mittleren Unterstützungseinheit hat die Zukunft der Tender begonnen. Die zukünftigen Einheiten erfüllen die aktuellen Anforderungen der Deutschen Marine an eine bedarfsgerechte Versorgungs-, Unterstützungs- und Führungseinheit in See umfassend und zukunftssicher. Versorgung und Unterstützung von Bootsverbänden zusammen mit der Möglichkeit, durch einen eingeschifften Stab die Verbandsführung auf Ebene Commander Task Group zu ermöglichen, bilden die Basisfähigkeiten dieser Einheiten. Darüber hinaus können durch die multifunktionale Auslegung mit einem anpassungsfähigen Flexdeck in Verbindung mit einer Roll-onroll- off-Fähigkeit Soldaten inklusive Fahrzeuge des Seebataillons schnell und sicher verlegt werden. Alternativ ist der weltweite Transport und Einsatz von Spezial- und spezialisierten Kräften möglich, wobei über eine interne Heckrampe inklusive Slipvorrichtung das schnelle Aussetzen und Aufnehmen der Boote gewährleistet wird. Die Möglichkeit zum Patiententransport in größerem Umfang rundet die enorme Bandbreite möglicher Einsätze ab. Zukunftsweisend ist zudem die Fähigkeit, als schwimmende Führungsplattform für unbemannte Systeme – in der Luft, zu Wasser und unter Wasser – zu dienen. Damit werden aktuelle und künftige Fähigkeiten unbemannter Systeme unter anderem in den Bereichen Aufklärung, Kommunikation und Bekämpfung weltweit von See verfügbar.
Spektrum an Einsatzmöglichkeiten offerieren, Grafik: Bw
Dieses breite, zukunftssichere Fähigkeitsprofil wird durch ein durchdachtes, gleichermaßen mit Experten wie mit Personen aus der Praxis abgestimmtes Design ermöglicht, wobei ein gewaltiges Spektrum unterschiedlichster Technik in einem ausgesprochen kompakten Schiffsentwurf untergebracht wurde. Die Notwendigkeit zur signifikanten Steigerung der Durchhaltefähigkeit von Booten durch Bereitstellung einer Versorgung und Unterstützung mittels Tender erkannte die deutsche Marine bereits Ende der 1950er-Jahre. Seit Anfang der Sechzigerjahre wurden insgesamt 13 Tender in Dienst gestellt, acht als Rhein-Klasse (Klasse 401) für die Schnellbootgeschwader, drei als Klasse 402 für die Minensucher und zwei als Klasse 403 zur Unterstützung der U-Boote. Die Boote wiesen eine Verdrängung von fast 3000 Tonnen bei einer Länge von 100 Metern auf und waren mit einer Höchstgeschwindigkeit von 21 Knoten nicht nur besonders schnell, sondern für die damalige Zeit mit zwei 100-Millimeter-Seezielgeschützen und vier 40-Millimeter-Marineeinzellafetten inklusive Feuerleitradaranlagen auch außergewöhnlich stark bewaffnet. Anfang der Neunzigerjahre wurden diese Einheiten durch sechs Tender der Klasse 404 ersetzt. Auch hier standen grundsätzlich die Aufgaben Versorgung und Unterstützung von Bootseinheiten im Vordergrund. Als schwimmende „Tankstelle“, zur Versorgung maritimer Kräfte in See mit Kraftstoff, Frischwasser, Proviant, Ersatzteilen und Munition, als schwimmende „Werkstatt“, für Wartungs- und Reparaturarbeiten und durch die eingeschifften Systemunterstützungsgruppen für die zu unterstützenden Boote erfüllten sie beständig und zuverlässig ihre Aufgaben. Im Lauf der Zeit wurde ein Tender, der Main, zu einer U-Boot-Unterstützungeinheit umgebaut, um den U-Boot-Verbänden passgenaue Hilfe bieten zu können. Mit einer Bootslänge von 100 Metern und einer Verdrängung von rund 3300 Tonnen verfügen die Tender Klasse 404 über vergleichbare Abmessungen wie ihre Vorgänger. Und auch die vorgesehenen Einsatzräume in der Ostsee blieben zunächst gleich. Dies änderte sich nach der Jahrtausendwende mit immer häufigeren Einsätzen im Mittelmeer und weit darüber hinaus, beispielsweise am Horn von Afrika. Mit den neuen Einsatzgebieten gingen neue Aufgaben wie die Führung von Verbänden einher. Um die Tender technisch optimal auf ihre erweiterten Aufgaben vorzubereiten, stand neben schiffbaulichen Aspekten insbesondere die Verbesserung der Kommunikations- und Führungsfähigkeiten im Vordergrund.
Bewährtes Konzept mit Grenzen
Ein entscheidendes konzeptionelles Wesensmerkmal der Tender Klasse 404 ist ihre hohe Flexibilität hinsichtlich der Aufnahmefähigkeit unterschiedlicher Ausrüstungen und Personal. So können 20 Fuß große Container auf zwölf Stellplätzen zweilagig gestapelt sowie auf einem weiteren Stellplatz einlagig mitgeführt werden. Damit ergibt sich in Summe eine materielle Aufnahmefähigkeit von bis zu 25 Containern auf insgesamt dreizehn Containerstellplätzen an Bord. Auf diese Weise werden unterschiedlichste Materialien und Ausrüstungsgegenstände verfügbar – über die Mitnahme von Ersatzteilen bis hin zu Spezialcontainern, ausgestattet mit Führungsmitteln und Platz für einen Stab. Die personelle Aufnahmefähigkeit ergibt sich aus der Möglichkeit, aufgabenspezifisches Personal in größeren Umfang aufnehmen zu können. So kann zum Beispiel ein Team von Spezialisten der Systemunterstützungsgruppe für Wartungs- und Reparaturarbeiten an Bord eingeschifft werden. Oder es wird ein Geschwaderstab aufgenommen, um so als Führungsplattform wirken zu können. Derart flexibel aufgestellt, können Tender auch Aufgaben wahrnehmen, die über die reine Versorgung hinausgehen. Beispiele hierfür sind unter anderem die Operation Enduring Freedom, EU Navfor Med, Unifil oder die Standing NATO Maritime Countermeasures Group 2, bei denen die Tender der Klasse 404 stets wertvolle Dienste leisteten.
Über 30 Jahre bewährte sich dieses flexibel nutzbare Auslegungskonzept mit vielen Containerstellplätzen und Räumlichkeiten für Einschiffungspersonal. Mit seinen begrenzten Flächen wie auch den begrenzten schiffbaulichen Auslegungen stößt die Auslegung des Tenders Klasse 404 aber bereits heute an ihre Grenzen. Die neuen, vielfältigen und umfassenden Anforderungen, wie sie heute an die Mittlere Unterstützungseinheit gestellt werden, können nur erfüllt werden, wenn das bewährte Konzept deutlich weiterentwickelt wird.
Komplexität der Zukunft
Das Konzept der flexibel nutzbaren Bordflächen und Räumlichkeiten ist der Schlüssel zur Bewältigung der neuen Anforderungen, denn von seiner Grundidee ist es alternativlos, will man derart umfassende und vielfältige Aufgaben mit einer weiterhin kompakten Einheit erfüllen. Um wie gefordert Kräfte des Seebataillons mit einer Vielzahl von Soldaten und militärischen Fahrzeugen transportieren zu können, ist eine große, zusammenhängende Ladefläche erforderlich. Die Mittlere Unterstützungseinheit stellt diese Fläche zukünftig bereit. Damit die Fahrzeuge schnell an Bord und auch von Bord kommen können, müssen zudem hinreichend Rampen und Zugangsöffnungen vorhanden sein, wobei durch das Roll-on-roll-off-System eine optimale Be- und Entlademöglichkeit geboten wird. Um die Fahrzeuge ohne große Vorbereitungen vor den Widrigkeiten der See zu schützen, ist ein abgeschirmter Transport im Bootsinneren erforderlich. Der hierfür vorgesehene Innenraum – als Flexdeck oder Missionsdeck bezeichnet – ist von gewaltiger Dimension und verläuft durchgängig über die Hälfte der gesamten Einheit. Damit bildet er das designbestimmende Kernelement zur Sicherstellung der vielfältigen Missionsanforderungen. Das Flexdeck bildet die Basis, um eine Vielzahl der neuen Forderungen abdecken zu können. So können auch Boote der Spezialkräfte dort gelagert und mitgeführt werden. Um diese weltweit in See zum Einsatz bringen zu können, sind zum Aussetzen beziehungsweise Einholen weitere Ergänzungen notwendig, beispielsweise eine Bootsrampe in Form einer Slipanlage. Weiterhin kann der Raum zum Transport einer größeren Anzahl Container genutzt werden, um unterschiedlichste Ausrüstungen oder Material zu transportieren. So spannt das Flexdeck einen breiten Raum auf, um die geforderten Fähigkeiten bereitzustellen. Gleichzeitig macht es die Einheit zukunftssicher, denn auch künftige Anforderungen an die Lagerung, den Transport und den Einsatz von Ausrüstung können dort umgesetzt werden. Über das Flexdeck hinaus weist die Mittlere Unterstützungseinheit an fast allen Stellen signifikante Änderungen gegenüber den heutigen Tendern auf. Die Brücke wird deutlich größer ausfallen und verfügt über ein vollintegriertes State-of-the-Art-Layout für eine sichere Bootsführung. Die zunehmende Bedeutung der Führungsfähigkeiten spiegelt sich einerseits in der Auslegung der Operationszentrale wieder, die eine hohe Anzahl flexibel nutzbarer Arbeitsplätze aufweist. Anderseits wird eine anforderungsgerechte Ausstattung für Kommunikation und Datenaustausch implementiert. Serverräume sind bereits durch ihre großzügige Auslegung zukunftssicher dimensioniert – was auch für Energieversorgung und Klimatisierung gilt. Und die große Anzahl der Besprechungsräume mit vielfältiger IT- und Netzausstattung unterstreicht den Anspruch, für Führungsaufgaben eine optimale Ausrüstung bereitzustellen. Nicht weniger komplex gestaltet sich die Auslegung der Patiententransportfähigkeit, sind doch neben der Gestaltung von Räumlichkeiten auch Aspekte der optimalen Transportwege wie auch der Rettungswege im Schiffsdesign unterzubringen. Eine besondere Herausforderung stellt die Gestaltung der Bereiche dar, die für den künftigen Einsatz unbemannter Drohnen vorgesehen sind. Insofern müssen bereits heute notwendige Designentscheidungen hinsichtlich solcher Aufnahmekapazitäten getroffen werden. Zu berücksichtigen sind unter anderem Raum, Energieversorgung, Führungsmittel, IT-Sicherheit, Startund Landemöglichkeiten, Aussetz- und Aufnahmemöglichkeit. Einen wesentlichen Schwerpunkt bei der Neuausrichtung der Mittleren Unterstützungseinheit bildet die erhöhte Befähigung zum Eigenschutz. Deren Bedeutung wird durch jüngste Erfahrungen wie die Drohnenangriffe auf Schiffe im Roten Meer unterstrichen. Im Nahbereich wird eine leistungsgesteigerte Rohrwaffe mit der Möglichkeit zum Einsatz von Air-Burst-Munition (englisch: in der Luft explodierende Munition), unter anderem zur Flugdrohnenabwehr, vorgesehen. Das Thema querschnittliche Ausrüstung in der Marine wird bei der Waffenauswahl eine wesentliche Rolle spielen. Weiterhin ist die Integration des bewährten flugkörperbasierten Nahbereichsverteidigungssystems RAM zur Bekämpfung von agilen Zielen wie Lenkflugkörpern oder Luftfahrzeugen geplant.
Die bisher aufgeführten Themen beschreiben nur einen Teil der Komplexität, die mit der Zukunft der Tender – der Mittleren Unterstützungseinheit – beachtet und für eine Lösungsfindung bearbeitet werden muss. Doch die rein technische Betrachtung springt deutlich zu kurz. Themen wie die Gestaltung der Versorgungsreife mit Aspekten der Ausbildung und Einweisung, der Bereitstellung aller erforderlichen Unterlagen für die logistische Betreuung der Einheiten in der bundeswehrspezifischen und SASPF-gebundenen Umgebung, die Gestaltung der Instandsetzung bis hin zu Fragen der IT-Sicherheit mit all ihren Facetten von Abstrahlsicherheit bis Akkreditierung müssen umfassend und im Kontext komplexer Vorschriftenlagen bearbeitet werden. Darüber hinaus muss der Beschaffungsprozess gestaltet werden. Die Bewältigung von Aufgaben wie Planung und Koordination des Projekts hinsichtlich Zulassungen, Beurteilungen von Industrieleistungen, Abnahmen bis hin zu den Indienststellungen benötigt Ressourcen, die für die Zukunft der Tender unabdingbar sind. Und der Blick muss bereits heute auf die Nutzung gerichtet werden, denn mit der Beschaffung werden die Grundlagen für eine optimal funktionierende Nutzung gelegt, sei es in der Ausgestaltung von Rahmenverträgen zur Instandhaltung oder der bedarfsgerechten Einplanung von technisch-logistischen Unterstützungsleistungen. Die Zukunft der Tender hat begonnen. Erste technische Lösungsideen haben konkrete Gestalt angenommen und zeigen auf, dass die Vielzahl an neuen Anforderungen der Deutschen Marine mit einem kompakten und zukunftssicheren Schiffsdesign erfüllbar ist. Mit der Vielzahl an neuen Forderungen geht eine deutlich höhere Komplexität der Mittleren Unterstützungseinheit einher. Soll die Zukunft der Tender in Form der Mittleren Unterstützungseinheit gelingen, müssen alle Aspekte einer Beschaffung und späteren Nutzung bereits heute bedacht und bearbeitet werden. Soll eine schnelle und reibungslose Beschaffung funktionieren, müssen alle Projektaspekte – und nicht nur das Schiffsdesign – betrachtet werden.
Technischer Regierungsdirektor Gunther Brückner ist Leiter des Referats Einsatzgruppenversorger, Tender und Mittlere Unterstützungseinheit im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr.
Gunther Brückner
Eine Antwort
Der Gedanke, anstelle einiger weniger großer amphibischer Plattformen (Arche Naumann, ETrUS, JSS und wie sie alle heißen sollten) eine etwas größere Zahl mittlerer Schiffe zu beschaffen, ist ein echter Fortschritt. Trotzdem werden es noch recht große Fahrzeuge, die angesichts ihrer vielen innovativen Ansätze ganz andere Ansprüche mit sich bringen als den Betrieb eines Tenders.