Innovationen für Klimaschutz und Effizienzsteigerung standen bei der diesjährigen SMM im Mittelpunkt. Trotzdem steht die Branche vor schwierigen Zeiten.
Nach vier Jahren (nicht nur) coronabedingter Präsenz-Pause traf sich Anfang September die globale Schiffbauindustrie zu ihrer 30. Weltleitmesse der maritimen Wirtschaft in Hamburg. Die SMM (Shipbuilding, Machinery & Marine Technology International Trade Fair) stand unter dem Leitmotto „Driving the Maritime Transition”. Im Fokus standen daher die maritime Energiewende, die digitale Transformation und der Klimawandel. Unter den 2000 Ausstellern aus 100 Ländern waren allein rund 800 Unternehmen aus Deutschland vertreten. Schirmherr der Messe war Bundeskanzler Olaf Scholz, der in seiner per Video übertragenen Eröffnungsrede die wachsende Bedeutung der maritimen Industrie und Wirtschaft für Deutschland hervorhob. Er begrüßte, dass die SMM ihren Fokus auf klimafreundliche Technologien gelegt hat, denn „jede Innovation im maritimen Sektor nützt der globalen Ökonomie als Ganzes“. Die Koordinatorin der Bundesregierung für Maritime Wirtschaft und Tourismus, Claudia Müller, sicherte in ihrer Eröffnungsrede der maritimen Industrie in der Energiewende volle Unterstützung zu. „Deutschlands oberste Priorität ist es derzeit, der Branche Planungssicherheit für die notwendigen Investitionen zu geben und die Produktion von kohlestoffarmen und kohlestofffreien Kraftstoffen und Technologien auszubauen.“ So war erstmalig das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit einem eigenen Messestand auf der SMM vertreten.
Maritime Energiewende
Maritime Wirtschaft und Industrie stecken derzeit mitten in einer Umbruchphase. Dabei zielt die maritime Energiewende konkret auf die Abkehr vom Schweröl als Einheitskraftstoff der Schifffahrt. Bis 2050 soll die Schifffahrt klimaneutral werden, um zur Erfüllung der Vorgaben des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung um 1,5 Prozent zu begrenzen, beitragen zu können. 300 Millionen Tonnen Treibstoff werden von den großen Schiffen der Welt jährlich verbrannt. Das verursacht rund 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Besserung ist vorerst nicht in Sicht. Aber ein Rundgang durch die elf Messehallen, die die komplette Wertschöpfungskette der maritimen Branche abdeckten, hat gezeigt, dass praktisch alle Aussteller bereits auf die Herausforderungen der maritimen Energiewende durch Innovationen reagiert haben. Vor allem bei den großen Unternehmen ging es um Effizienz, Nachhaltigkeit und CO2-freie Kraftstoffe wie Methanol, synthetisches Gas, Wasserstoff oder Ammoniak. So soll mit einem Dual-Fuel-Antrieb sichergestellt werden, dass Schiffe von der Verfügbarkeit alternativer Kraftstoffe unabhängig werden. Die entsprechenden Technologien zur Umsetzung der maritimen Energiewende wurden auf der SMM vorgestellt. Dabei sollen neue Technologien wie Brennstoffzellen, e-Fuels oder neue Motoren als Innovationstreiber die maritime Branche voranbringen. Beispielsweise will die Reederei Hapag-Lloyd bereits 2045 klimaneutral wirtschaften und die Effizienz der eigenen Flotte steigern. Über 150 Schiffe sollen modernisiert werden und mit Biokraftstoffen fahren, 86 erhalten neue Propeller, 36 eine neue Bugnase, weitere neue Anstriche, um den Treibstoffverbrauch zu senken. Die neuen, 35 Tonnen schweren und hocheffizienten Propeller reduzieren Treibstoffverbrauch und CO2-Ausstoß eines Containerschiffs um etwa 13 Prozent. Der Motorenhersteller MAN hat seinen ersten mit Methanol oder herkömmlichem Kraftstoff nutzbaren Schiffsmotor auf der Messe vorgeführt. Bis 2024 soll ein Motor folgen, der ausschließlich mit Ammoniak arbeitet. Darüber hinaus will MAN mithilfe von auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmen die Motorleistung noch besser ausschöpfen. Der Motorenhersteller Rolls-Royce zeigte Brennstoffzellenkonzepte, Hybridsysteme und Motoren, die mit E-Methanol laufen sollen. All diese innovativen Technologien reichen jedoch nicht aus, um die Pariser Vorgaben zu erfüllen.
Zu dieser Erkenntnis kommt eine auf der Messe präsentierte MAN-Studie. Danach werden die Schiffskapazitäten in den kommenden 30 Jahren um 60 Prozent zulegen. CO2-freie Kraftstoffe würden dabei zunehmend eingesetzt, sodass die Emissionen im folgenden Jahrzehnt trotz des Flottenwachstums von 60 Prozent nur um zehn Prozent steigen werden. Obwohl sie danach abnehmen, ist der Umschwung ist zu langsam. Die internationale Schifffahrt überzieht ihr CO2-Budget so stark, dass eine Emissionsfreiheit im Jahr 2050 kaum noch zu erreichen ist. Von derzeit 1,2 Milliarden Tonnen CO2 werden die Emissionen lediglich auf 400 Millionen Tonnen sinken. Um das Ziel von 1,5 Grad dennoch zu erreichen, fordert die Studie neben einer Umrüstung der bestehenden Flotte, die Schiffbauindustrie durch neue Vorschriften und Regularien zu bewegen, ihre Investitionen in die Produktion umweltfreundlicher Kraftstoffe zu lenken. Die globale Herausforderung in der Schiffbaubranche besteht schließlich in einer sukzessiven Nachrüstung der aktuell 60 000 Handelsschiffe zugunsten von mehr Umwelt- und Klimaverträglichkeit.
Maritime Security and Defence
Auch auf der 30. SMM fand an zwei Tagen wieder die internationale maritime Sicherheitskonferenz Maritime Security and Defence (MS & D) statt. In diesem Jahr stand sie unter dem Leitmotiv Protecting the Seven Seas. Im Mittelpunkt der Konferenz wurden die aktuellen und künftigen Bedrohungen der globalen und regionalen maritimen Sicherheit behandelt. Das breite Themenspektrum umfasste den Ukraine-Konflikt, Cybersicherheit in Operationen der Marine, Konflikte im Indopazifik, Chinas Marinerüstung und Expansionsstreben in die Arktis, Afrikas Perspektiven der maritimen Sicherheit, Hafenschutz, Operationen in Küstengewässern und den militärischen Führungsstab Deu Marfor. Aber auch Hyperschall-Waffensysteme, neue Minenjagdeinheiten, unbemannte Überwasserfahrzeugen (USVs), Systeme zum Munitionsräumen in Nord- und Ostsee sowie alternative Kraftstoffe für Marineeinheiten kamen zur Sprache.
Zum runden Jubiläum der diesjährigen SMM wurde immer deutlicher, dass die maritime Industrie zunehmend von Asien dominiert wird. Dass es dennoch wieder einmal gelungen ist, die ganze Schiffbauwelt für vier Tage als „United Nations of Shipbuilding“ nach Hamburg zu holen, ist auch Beleg und Ausdruck einer leistungsfähigen und innovativen maritimen Industrie in Deutschland. Sie schafft es immer wieder, ihre Technologieführerschaft im Rahmen der maritime transition zu behaupten. Die Weltleitmesse bleibt damit vor allem ein wesentlicher und unentbehrlicher Ort, um über die neuesten Technologien in einer komplexen Wertschöpfungskette zu informieren und entsprechende Netzwerke aufbauen zu können. Die 30. SMM zeigte entscheidende Impulse für die Umsetzung der maritimen Transformation im Wettlauf gegen die Zeit und den Klimawandel. Die nächste SMM findet im Jahr 2024 in Hamburg statt.
Dieter Stockfisch
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